Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Komm. Rat. Mag. Paul Kunsky (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1.) Margit K*****, und 2.) Natalie L*****, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Waisenpension, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. September 2003, GZ 7 Rs 145/03z-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. März 2003, GZ 33 Cgs 142/02s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision der Erstklägerin wird zurückgewiesen.
Der Revision der Zweitklägerin wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden insoweit dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:
„1.) Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Zweitklägerin die Waisenpension nach dem verstorbenen Karl L***** zu gewähren, besteht für den Zeitraum vom 29. 8. 1997 bis zum 5. 1. 2003 dem Grunde nach zu Recht.
2.) Der beklagten Partei wird aufgetragen, der Zweitklägerin bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 1.000 binnen 14 Tagen zu erbringen.
3.) Die beklagte Partei ist schuldig, der Zweitklägerin die mit EUR 667,02 (darin EUR 111,17 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit EUR 589,97 (darin EUR 98,33 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 5. 1. 1985 geborene Zweitklägerin ist die uneheliche Tochter der Erstklägerin und des Johann T*****. Die Erstklägerin war mit Karl L***** vom 9. 9. 1985 bis zu dessen Tod am 28. 8. 1997 verheiratet.
Seit 4. 4. 1994 befand sich die Zweitklägerin gemeinsam mit ihren drei jüngeren Halbgeschwistern im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe im Schülerinternat Schloss J***** in voller Erziehung. Grund dafür war die offenbare Überforderung der Erstklägerin und ihres Ehemannes, die Kinder ordentlich zu versorgen. Hinzu kamen Partnerkonflikte, finanzielle Probleme und Alkoholprobleme von Karl L*****. Während der Heimunterbringung erhielten die Kinder unregelmäßigen Besuch von der Erstklägerin und von Karl L*****. Die Erstklägerin nahm fallweise auch nur ein Kind übers Wochenende mit nach Hause. Im Sommer 1994 wurden die Kinder acht Wochen lang nicht besucht. Ein vom Jugendheim anberaumter Gesprächstermin wurde von der Erstklägerin und ihrem Ehemann nicht wahrgenommen.
Nachdem die Erstklägerin angekündigt hatte, die Zweitklägerin und ihre Halbgeschwister in absehbarer Zeit wieder in Eigenpflege übernehmen zu wollen, stellte der Jugendwohlfahrtsträger, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten, am 20. 10. 1994 beim Pflegschaftsgericht den Antrag, den Kindeseltern die Obsorge in den Bereichen Pflege und Erziehung, gesetzliche Vertretung im Bereich der Schul- und Berufsausbildung sowie der erforderlichen Zustimmungserklärungen für medizinische und heilpädagogische Behandlungen zu entziehen und der Jugendhilfe der Stadt St. Pölten zu übertragen. Die Erstklägerin und der Stiefvater der Zweitklägerin sprachen sich gegen diesen Antrag aus, erklärten sich aber einverstanden, dass die Kinder bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts über den Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers im Heim blieben. Mit Beschluss vom 10. 3. 1995 gab das Pflegschaftsgericht dem Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers zur Gänze statt. Es entzog der Erstklägerin hinsichtlich der Zweitklägerin die Obsorge in den Bereichen Pflege und Erziehung zur Gänze sowie die gesetzliche Vertretung im Bereich der Schul- und Berufsausbildung und der erforderlichen Zustimmungserklärungen für medizinische und heilpädagogische Behandlungen und übertrug sie der Jugendhilfe des Magistrates der L*****.
Seit April 1996 durfte die Erstklägerin die Kinder nur noch im Heim besuchen. Es war ihr nicht mehr gestattet, sie mitzunehmen.
Die Erstklägerin heiratete am 6. 12. 1997 Josef K*****, mit dem sie schon längere Zeit liiert gewesen war. Mit Beschluss vom 2. 5. 2000 übertrug das Pflegschaftsgericht der Erstklägerin wiederum die alleinige Obsorge für die Zweitklägerin.
Seit der Heimunterbringung der Zweitklägerin bezahlte ihr leiblicher Vater einen monatlichen Kostenbeitrag von S 6.000. Er kam dieser Zahlungsverpflichtung bis einschließlich September 1998 zur Gänze nach.
Am 21. 2. 2002 beantragte die Erstklägerin für die Zweitklägerin bei der beklagten Partei die Gewährung der Waisenpension nach dem verstorbenen Stiefvater ab 29. 8. 1997.
Mit Bescheid vom 8. 5. 2002 lehnte die beklagte Partei diesen Antrag ab, weil zum Zeitpunkt des Todes des Stiefvaters kein gemeinsamer Haushalt der Zweitklägerin mit diesem vorgelegen sei.
Mit ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehren die Klägerinnen, die Beklagte schuldig zu erkennen, hinsichtlich der Zweitklägerin im beantragten Umfang Waisenpension nach dem verstorbenen Karl L***** im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Die Zweitklägerin habe im Zeitpunkt des Todes ihres Stiefvaters mit diesem im gemeinsamen familiären Haushalt gelebt. Der Versicherte habe im Wesentlichen zur gemeinsamen Haushaltsführung mit der Erstklägerin beigetragen. Abgesehen von den Heimkosten habe er die übrigen Lebenshaltungskosten der Klägerin bestritten. Er habe Wohnung gewährt, sei für die Verpflegung außerhalb des Heimunterhaltes sowie für Bekleidung und die Abdeckung sonstiger Bedürfnisse der Zweitklägerin aufgekommen.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Zweitklägerin habe sich von 1994 bis zum Jahr 2000 in voller Erziehung im Rahmen einer freiwilligen Erziehungshilfe im Schülerinternat Schloss J***** befunden. Der leibliche Vater habe monatlich S 6.000 an den Jugendwohlfahrtsträger an Unterhalt für seine Tochter bezahlt. Die Erstklägerin sei zu einem Kostenersatz nicht verpflichtet gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich beurteilte es seine eingangs wiedergegebenen Feststellungen dahin, dass eine ständige Hausgemeinschaft im Sinn des § 252 Abs 1 Z 4 ASVG zwischen dem Versicherten und der Zweitklägerin seit 1994 nicht bestanden habe. Ein Anspruch auf Waisenpension nach dem versicherten Stiefvater bestehe daher nicht.Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich beurteilte es seine eingangs wiedergegebenen Feststellungen dahin, dass eine ständige Hausgemeinschaft im Sinn des Paragraph 252, Absatz eins, Ziffer 4, ASVG zwischen dem Versicherten und der Zweitklägerin seit 1994 nicht bestanden habe. Ein Anspruch auf Waisenpension nach dem versicherten Stiefvater bestehe daher nicht.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von den Klägerinnen erhobenen Berufung nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Rechtlich führte es aus, Stiefkinder würden gemäß § 252 Abs 1 Z 4 ASVG in der zum Stichtag geltenden Fassung nur dann als Kinder gelten, wenn sie mit dem Versicherten ständig in Hausgemeinschaft lebten. Die ständige Hausgemeinschaft bestehe weiter, wenn sich das Kind nur vorübergehend oder wegen schulmäßiger (beruflicher) Ausbildung oder zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhalte. Das gleiche gelte, wenn sich das Kind auf Veranlassung des Versicherten und überwiegend auf dessen Kosten oder auf Anordnung der Jugendfürsorge oder des Vormundschafts-(Pflegschafts-)gerichtes in Pflege eines Dritten befinde. Da sich die Zweitklägerin ab April 1994 ständig im Internat in J***** aufgehalten hat, könne von einem vorübergehenden Aufenthalt nicht gesprochen werden. Sie habe sich auch nicht zur schulmäßigen Ausbildung in J*****, sondern in voller Erziehung gemäß § 28 Abs 1 JWG befunden. Bei einer schulmäßigen Ausbildung wäre eine regelmäßige Rückkehr zur Familie in den Ferien und an den Wochenenden typisch. Ab der Wirksamkeit des Beschlusses des Pflegschaftsgerichts vom 10. 3. 1995 sei die Klägerin auf Anordnung des Pflegeschaftsgerichts in Pflege des Jugendwohlfahrtsträgers gewesen. Für diese Phase bis zum Tod des Stiefvaters lägen die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung vor. Dies gelte jedoch nicht für die Zeit der freiwilligen Erziehungshilfe von April 1994 bis zum Wirksamwerden des genannten Beschlusses des Pflegschaftsgerichtes. In dieser Phase habe sich die Klägerin auch nicht auf Veranlassung des Stiefvaters und überwiegend auf dessen Kosten in Pflege eines Dritten befunden. Vielmehr hätten die Erstklägerin und ihr Ehemann die Zweitklägerin damals freiwillig nach J***** gebracht. Eine ständige Hausgemeinschaft sei daher von der Verehelichung der Erstklägerin mit dem Stiefvater bis zu dessen Tod nicht vorgelegen.Das Berufungsgericht gab der dagegen von den Klägerinnen erhobenen Berufung nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Rechtlich führte es aus, Stiefkinder würden gemäß Paragraph 252, Absatz eins, Ziffer 4, ASVG in der zum Stichtag geltenden Fassung nur dann als Kinder gelten, wenn sie mit dem Versicherten ständig in Hausgemeinschaft lebten. Die ständige Hausgemeinschaft bestehe weiter, wenn sich das Kind nur vorübergehend oder wegen schulmäßiger (beruflicher) Ausbildung oder zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhalte. Das gleiche gelte, wenn sich das Kind auf Veranlassung des Versicherten und überwiegend auf dessen Kosten oder auf Anordnung der Jugendfürsorge oder des Vormundschafts-(Pflegschafts-)gerichtes in Pflege eines Dritten befinde. Da sich die Zweitklägerin ab April 1994 ständig im Internat in J***** aufgehalten hat, könne von einem vorübergehenden Aufenthalt nicht gesprochen werden. Sie habe sich auch nicht zur schulmäßigen Ausbildung in J*****, sondern in voller Erziehung gemäß Paragraph 28, Absatz eins, JWG befunden. Bei einer schulmäßigen Ausbildung wäre eine regelmäßige Rückkehr zur Familie in den Ferien und an den Wochenenden typisch. Ab der Wirksamkeit des Beschlusses des Pflegschaftsgerichts vom 10. 3. 1995 sei die Klägerin auf Anordnung des Pflegeschaftsgerichts in Pflege des Jugendwohlfahrtsträgers gewesen. Für diese Phase bis zum Tod des Stiefvaters lägen die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung vor. Dies gelte jedoch nicht für die Zeit der freiwilligen Erziehungshilfe von April 1994 bis zum Wirksamwerden des genannten Beschlusses des Pflegschaftsgerichtes. In dieser Phase habe sich die Klägerin auch nicht auf Veranlassung des Stiefvaters und überwiegend auf dessen Kosten in Pflege eines Dritten befunden. Vielmehr hätten die Erstklägerin und ihr Ehemann die Zweitklägerin damals freiwillig nach J***** gebracht. Eine ständige Hausgemeinschaft sei daher von der Verehelichung der Erstklägerin mit dem Stiefvater bis zu dessen Tod nicht vorgelegen.
Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, zumal Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 252 Abs 1 Z 4 ASVG im Zusammenhang mit freiwilliger Erziehungshilfe nicht bestehe.Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, zumal Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu Paragraph 252, Absatz eins, Ziffer 4, ASVG im Zusammenhang mit freiwilliger Erziehungshilfe nicht bestehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerinnen mit dem Antrag, jenes im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Erstklägerin ist unzulässig, jene der Zweitklägerin jedoch aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.
Anspruch auf Waisenpension haben nach dem Tod des Versicherten die Kinder im Sinn des § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 ASVG (§ 260 ASVG). Da die Erstklägerin weder als Witwe des Versicherten noch als Mutter der Zweitklägerin Anspruch auf die begehrte Leistung hat, ist die Abweisung des von ihr erhobenen Klagebegehrens schon aus diesem Grund zutreffend. Angesichts des eindeutigen Wortlautes das § 260 ASVG stellt sich in Bezug auf die Erstklägerin keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage. Ihre Revision war daher zurückzuweisen; an den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).Anspruch auf Waisenpension haben nach dem Tod des Versicherten die Kinder im Sinn des Paragraph 252, Absatz eins, Ziffer eins bis 4 und Absatz 2, ASVG (Paragraph 260, ASVG). Da die Erstklägerin weder als Witwe des Versicherten noch als Mutter der Zweitklägerin Anspruch auf die begehrte Leistung hat, ist die Abweisung des von ihr erhobenen Klagebegehrens schon aus diesem Grund zutreffend. Angesichts des eindeutigen Wortlautes das Paragraph 260, ASVG stellt sich in Bezug auf die Erstklägerin keine im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO erhebliche Rechtsfrage. Ihre Revision war daher zurückzuweisen; an den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO).
Ob die Zweitklägerin als Stiefkind die Voraussetzungen für die begehrte Waisenpension erfüllt, ist nach der am Stichtag geltenden Rechtslage zu prüfen (§ 223 Abs 2 ASVG). Stichtag ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Todestag des Stiefvaters der 1. 9. 1997 (§ 223 Abs 2 letzter Satz ASVG). § 252 Abs 1 ASVG ist daher in der am 1. 9. 1997 geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß § 252 Abs 1 Satz 1 Z 4 ASVG gelten als Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr die Stiefkinder, jedoch nach Satz 2 nur dann, wenn sie mit dem Versicherten ständig in Hausgemeinschaft leben. Nach Satz 3 besteht die ständige Hausgemeinschaft weiter, wenn sich das Kind nur vorübergehend oder wegen schulmäßiger (beruflicher) Ausbildung oder zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Gemäß Satz 4 (in der anzuwendenden Fassung) gilt das gleiche, wenn sich das Kind auf Veranlassung des Versicherten und überwiegend auf dessen Kosten oder auf Anordnung der Jugendfürsorge oder des Vormundschafts-(Pflegschafts)gerichtes in Pflege eines Dritten befindet.Ob die Zweitklägerin als Stiefkind die Voraussetzungen für die begehrte Waisenpension erfüllt, ist nach der am Stichtag geltenden Rechtslage zu prüfen (Paragraph 223, Absatz 2, ASVG). Stichtag ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Todestag des Stiefvaters der 1. 9. 1997 (Paragraph 223, Absatz 2, letzter Satz ASVG). Paragraph 252, Absatz eins, ASVG ist daher in der am 1. 9. 1997 geltenden Fassung anzuwenden. Gemäß Paragraph 252, Absatz eins, Satz 1 Ziffer 4, ASVG gelten als Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr die Stiefkinder, jedoch nach Satz 2 nur dann, wenn sie mit dem Versicherten ständig in Hausgemeinschaft leben. Nach Satz 3 besteht die ständige Hausgemeinschaft weiter, wenn sich das Kind nur vorübergehend oder wegen schulmäßiger (beruflicher) Ausbildung oder zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Gemäß Satz 4 (in der anzuwendenden Fassung) gilt das gleiche, wenn sich das Kind auf Veranlassung des Versicherten und überwiegend auf dessen Kosten oder auf Anordnung der Jugendfürsorge oder des Vormundschafts-(Pflegschafts)gerichtes in Pflege eines Dritten befindet.
Es ist unstrittig, dass die Zweitklägerin mit dem Versicherten bis zu ihrer Heimunterbringung in ständiger Hausgemeinschaft lebte. Zutreffend und in der Revision auch nicht bekämpft hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Heimunterbringung der Zweitklägerin von April 1994 bis zum Wirksamwerden des Beschlusses des Pflegschaftsgerichtes vom 10. 3. 1995 keiner der im Satz 3 des § 252 Abs 1 ASVG normierten Varianten des Weiterbestehens der ständigen Hausgemeinschaft und auch nicht dem ersten Fall des Satzes 4 dieser Gesetzesstelle unterstellt werden kann, letzteres schon deshalb nicht, weil der Versicherte nicht überwiegend die Kosten dieser Unterbringung getragen hat. Für den Fortbestand der ständigen Hausgemeinschaft ist daher im vorliegenden Fall entscheidend, ob die als freiwillige Erziehungshilfe gewährte volle Erziehung (§§ 26, 28, 29 JWG) der Zweitklägerin im Heim auf „Anordnung der Jugendfürsorge" erfolgte. Dies ist aus folgenden Gründen zu bejahen:Es ist unstrittig, dass die Zweitklägerin mit dem Versicherten bis zu ihrer Heimunterbringung in ständiger Hausgemeinschaft lebte. Zutreffend und in der Revision auch nicht bekämpft hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass die Heimunterbringung der Zweitklägerin von April 1994 bis zum Wirksamwerden des Beschlusses des Pflegschaftsgerichtes vom 10. 3. 1995 keiner der im Satz 3 des Paragraph 252, Absatz eins, ASVG normierten Varianten des Weiterbestehens der ständigen Hausgemeinschaft und auch nicht dem ersten Fall des Satzes 4 dieser Gesetzesstelle unterstellt werden kann, letzteres schon deshalb nicht, weil der Versicherte nicht überwiegend die Kosten dieser Unterbringung getragen hat. Für den Fortbestand der ständigen Hausgemeinschaft ist daher im vorliegenden Fall entscheidend, ob die als freiwillige Erziehungshilfe gewährte volle Erziehung (Paragraphen 26,, 28, 29 JWG) der Zweitklägerin im Heim auf „Anordnung der Jugendfürsorge" erfolgte. Dies ist aus folgenden Gründen zu bejahen:
Zunächst ist festzuhalten, dass das Gesetz für das Weiterbestehen der ständigen Hausgemeinschaft mit dem Versicherten, wenn sich das Stiefkind auf Anordnung der Jugendfürsorge oder des Vormundschafts-(Pflegschafts)gerichts in Pflege eines Dritten befindet, nicht verlangt, dass der Versicherte die Kosten dieser Pflege trägt oder ersetzt. Die genannte Regelung wurde mit der 29. ASVG-Novelle, BGBl 1973/31 geschaffen. Die ErläutRV 404 BlgNR 13. GP 88 führen dazu aus, dass in diesen Fällen die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in besonderem Maße gerechtfertigt sei. Die Materialien geben keinen Aufschluss, was unter „Anordnung der Jugendfürsorge" gemeint ist. Mit dem Wort „Jugendfürsorge" ist die Jugendwohlfahrt angesprochen, sodass es angezeigt ist, zum Verständnis der Regelung das zur Zeit ihrer Entstehung geltende Jugendwohlfahrtsgesetz BGBl 1954/99 (JWG 1954) zu beachten. Mit dem Ausdruck „Jugendfürsorge" sind offenbar die mit der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege betrauten Verwaltungsbehörden (s § 3 JWG 1954) gemeint, führt doch die Bestimmung das Vormundschafts-(Pflegschafts)gericht gesondert an. Zu einer Unterbringung eines Minderjährigen zur Pflege bei Dritten konnte es durch Anordnung, verstanden als hoheitlichen Akt der Verwaltungsbehörde nicht kommen:Zunächst ist festzuhalten, dass das Gesetz für das Weiterbestehen der ständigen Hausgemeinschaft mit dem Versicherten, wenn sich das Stiefkind auf Anordnung der Jugendfürsorge oder des Vormundschafts-(Pflegschafts)gerichts in Pflege eines Dritten befindet, nicht verlangt, dass der Versicherte die Kosten dieser Pflege trägt oder ersetzt. Die genannte Regelung wurde mit der 29. ASVG-Novelle, BGBl 1973/31 geschaffen. Die ErläutRV 404 BlgNR 13. Gesetzgebungsperiode 88 führen dazu aus, dass in diesen Fällen die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in besonderem Maße gerechtfertigt sei. Die Materialien geben keinen Aufschluss, was unter „Anordnung der Jugendfürsorge" gemeint ist. Mit dem Wort „Jugendfürsorge" ist die Jugendwohlfahrt angesprochen, sodass es angezeigt ist, zum Verständnis der Regelung das zur Zeit ihrer Entstehung geltende Jugendwohlfahrtsgesetz BGBl 1954/99 (JWG 1954) zu beachten. Mit dem Ausdruck „Jugendfürsorge" sind offenbar die mit der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege betrauten Verwaltungsbehörden (s Paragraph 3, JWG 1954) gemeint, führt doch die Bestimmung das Vormundschafts-(Pflegschafts)gericht gesondert an. Zu einer Unterbringung eines Minderjährigen zur Pflege bei Dritten konnte es durch Anordnung, verstanden als hoheitlichen Akt der Verwaltungsbehörde nicht kommen:
Die Bezirksverwaltungsbehörde hatte auf Antrag der Erziehungsberechtigten oder von Amts wegen einem Minderjährigen unter 18 Jahren, dem es an der nötigen Erziehung fehlte, Erziehungshilfe insbesondere durch Unterbringung in einer fremden Familie oder Einweisung in ein Heim zu gewähren (§ 9 Abs 1 und 2 JWG 1954). Wurde die Erziehungshilfe nicht von den Erziehungsberechtigten beantragt, so konnte sie nur mit deren Zustimmung durchgeführt werden (§ 9 Abs 3 JWG 1954); es handelte sich also um freiwillige Maßnahmen. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten konnte Erziehungshilfe nur durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts gewährt werden (§ 26 JWG 1954). Ebenso fiel die Anordnung der Fürsorgeerziehung in die Kompetenz des Vormundschaftsgerichts (§ 29 JWG 1954). Unter den Erziehungsberechtigten im Sinne des JWG 1954 waren die Eltern und Wahleltern sowie der Vormund des Minderjährigen zu verstehen, wenn diesen Personen im Einzelfall nach bürgerlichem Recht ein Erziehungsrecht zustand, der Vater des unehelichen Kindes jedoch nur dann, wenn er die Sorge für den Minderjährigen tatsächlich ausübte (§ 39 JWG 1954). Demnach waren Stiefväter(-mütter) nur in seltenen Fällen Erziehungsberechtigte ihrer Stiefkinder, die die Gewährung von Maßnahmen der Erziehungshilfe durch die Bezirksverwaltungsbehörde beantragen konnten oder diesen zustimmen mussten. Dies rechtfertigt den Schluss, dass die Unterbringung eines Stiefkindes zur Pflege bei Dritten im Rahmen der Erziehungshilfe nach § 9 JWG 1954 keinen der Fälle darstellte, in denen sich das Stiefkind auf Veranlassung des Versicherten in Pflege eines Dritten befand. Wollte man unter „Anordnung der Jugendfürsorge" nicht auch die Gewährung der Erziehungshilfe auf Grund der Zustimmung oder des Antrages der Erziehungsberechtigten verstehen, wäre kein Fall der Pflege des Stiefkindes durch einen Dritten auf Anordnung der Jugendfürsorge verblieben. Im Hinblick auf dem vom Gesetzgeber verfolgten Regelungszweck (Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes des Stiefkindes) kann es von der Sache her auch keinen Unterschied machen, ob sich das Stiefkind auf Grund einer Anordnung des Vormundschafts-(Pflegschafts)gerichts oder auf Grund einer freiwilligen Erziehungshilfe in Pflege eines Dritten befand. Es spricht also alles dafür, die Unterbringung des Stiefkindes in einer fremden Familie oder in einem Heim im Rahmen einer Erziehungshilfe nach § 9 JWG 1954 als Maßnahme auf „Anordnung der Jugendfürsorge" zu verstehen.Die Bezirksverwaltungsbehörde hatte auf Antrag der Erziehungsberechtigten oder von Amts wegen einem Minderjährigen unter 18 Jahren, dem es an der nötigen Erziehung fehlte, Erziehungshilfe insbesondere durch Unterbringung in einer fremden Familie oder Einweisung in ein Heim zu gewähren (Paragraph 9, Absatz eins und 2 JWG 1954). Wurde die Erziehungshilfe nicht von den Erziehungsberechtigten beantragt, so konnte sie nur mit deren Zustimmung durchgeführt werden (Paragraph 9, Absatz 3, JWG 1954); es handelte sich also um freiwillige Maßnahmen. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten konnte Erziehungshilfe nur durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts gewährt werden (Paragraph 26, JWG 1954). Ebenso fiel die Anordnung der Fürsorgeerziehung in die Kompetenz des Vormundschaftsgerichts (Paragraph 29, JWG 1954). Unter den Erziehungsberechtigten im Sinne des JWG 1954 waren die Eltern und Wahleltern sowie der Vormund des Minderjährigen zu verstehen, wenn diesen Personen im Einzelfall nach bürgerlichem Recht ein Erziehungsrecht zustand, der Vater des unehelichen Kindes jedoch nur dann, wenn er die Sorge für den Minderjährigen tatsächlich ausübte (Paragraph 39, JWG 1954). Demnach waren Stiefväter(-mütter) nur in seltenen Fällen Erziehungsberechtigte ihrer Stiefkinder, die die Gewährung von Maßnahmen der Erziehungshilfe durch die Bezirksverwaltungsbehörde beantragen konnten oder diesen zustimmen mussten. Dies rechtfertigt den Schluss, dass die Unterbringung eines Stiefkindes zur Pflege bei Dritten im Rahmen der Erziehungshilfe nach Paragraph 9, JWG 1954 keinen der Fälle darstellte, in denen sich das Stiefkind auf Veranlassung des Versicherten in Pflege eines Dritten befand. Wollte man unter „Anordnung der Jugendfürsorge" nicht auch die Gewährung der Erziehungshilfe auf Grund der Zustimmung oder des Antrages der Erziehungsberechtigten verstehen, wäre kein Fall der Pflege des Stiefkindes durch einen Dritten auf Anordnung der Jugendfürsorge verblieben. Im Hinblick auf dem vom Gesetzgeber verfolgten Regelungszweck (Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes des Stiefkindes) kann es von der Sache her auch keinen Unterschied machen, ob sich das Stiefkind auf Grund einer Anordnung des Vormundschafts-(Pflegschafts)gerichts oder auf Grund einer freiwilligen Erziehungshilfe in Pflege eines Dritten befand. Es spricht also alles dafür, die Unterbringung des Stiefkindes in einer fremden Familie oder in einem Heim im Rahmen einer Erziehungshilfe nach Paragraph 9, JWG 1954 als Maßnahme auf „Anordnung der Jugendfürsorge" zu verstehen.
Dieses Auslegungsergebnis trifft auch auf den Fall zu, dass sich ein Stiefkind nunmehr auf Grund einer freiwilligen Erziehungshilfe (§ 29 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 - JWG) in voller Erziehung (§ 28 Abs 1 JWG) in einem Heim befindet, entspricht dies doch funktional der in § 9 JWG 1954 genannten Maßnahme der Einweisung in ein Heim.Dieses Auslegungsergebnis trifft auch auf den Fall zu, dass sich ein Stiefkind nunmehr auf Grund einer freiwilligen Erziehungshilfe (Paragraph 29, Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 - JWG) in voller Erziehung (Paragraph 28, Absatz eins, JWG) in einem Heim befindet, entspricht dies doch funktional der in Paragraph 9, JWG 1954 genannten Maßnahme der Einweisung in ein Heim.
Für den vorliegenden Fall folgt somit, dass die ständige Hausgemeinschaft der Zweitklägerin mit dem Versicherten durch die Heimunterbringung von April 1994 bis zum Wirksamwerden des Beschlusses des Pflegschaftsgerichtes vom 10. 3. 1995 nicht aufgehoben wurde und bis zu dessen Tod weiter bestand. Ist daher die Kindeseigenschaft der Zweitklägerin im Sinn des § 252 Abs 1 Z 4 ASVG zu bejahen, so hat sie gemäß § 260 ASVG Anspruch auf eine Waisenpension nach ihrem verstorbenen Stiefvater.Für den vorliegenden Fall folgt somit, dass die ständige Hausgemeinschaft der Zweitklägerin mit dem Versicherten durch die Heimunterbringung von April 1994 bis zum Wirksamwerden des Beschlusses des Pflegschaftsgerichtes vom 10. 3. 1995 nicht aufgehoben wurde und bis zu dessen Tod weiter bestand. Ist daher die Kindeseigenschaft der Zweitklägerin im Sinn des Paragraph 252, Absatz eins, Ziffer 4, ASVG zu bejahen, so hat sie gemäß Paragraph 260, ASVG Anspruch auf eine Waisenpension nach ihrem verstorbenen Stiefvater.
Hinterbliebenenpensionen fallen mit dem dem Eintritt des Versicherungsfalls folgenden Tag an, wenn der Antrag binnen 6 Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalls gestellt wird. Wird ein Antrag auf Waisenpension nicht fristgerecht gestellt, so fällt die Waisenpension mit dem dem Eintritt des Versicherungsfalls folgenden Tag an, sofern der Antrag längstens bis zum Ablauf von 6 Monaten nach dem Eintritt der Volljährigkeit der Waise gestellt wird (§ 86 Abs 3 Z 1 Satz 1 und 2 ASVG). Bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes gilt der Versicherungsfall mit dem Tod eingetreten (§ 223 Abs 1 Z 3 ASVG). Da der Stiefvater der Zweitklägerin am 28. 8. 1997 verstarb, der Antrag auf Waisenpension zwar nicht binnen 6 Monaten nach dem Tod des Versicherten, aber vor Eintritt der Volljährigkeit der Zweitklägerin gestellt wurde, ist die Waisenpension am 29. 8. 1997 angefallen. Der Anspruch erlosch ohne weiteres Verfahren mit der Vollendung des 18. Lebensjahres der Zweitklägerin am 5. 1. 2003 (§ 100 Abs 1 lit b ASVG).Hinterbliebenenpensionen fallen mit dem dem Eintritt des Versicherungsfalls folgenden Tag an, wenn der Antrag binnen 6 Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalls gestellt wird. Wird ein Antrag auf Waisenpension nicht fristgerecht gestellt, so fällt die Waisenpension mit dem dem Eintritt des Versicherungsfalls folgenden Tag an, sofern der Antrag längstens bis zum Ablauf von 6 Monaten nach dem Eintritt der Volljährigkeit der Waise gestellt wird (Paragraph 86, Absatz 3, Ziffer eins, Satz 1 und 2 ASVG). Bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes gilt der Versicherungsfall mit dem Tod eingetreten (Paragraph 223, Absatz eins, Ziffer 3, ASVG). Da der Stiefvater der Zweitklägerin am 28. 8. 1997 verstarb, der Antrag auf Waisenpension zwar nicht binnen 6 Monaten nach dem Tod des Versicherten, aber vor Eintritt der Volljährigkeit der Zweitklägerin gestellt wurde, ist die Waisenpension am 29. 8. 1997 angefallen. Der Anspruch erlosch ohne weiteres Verfahren mit der Vollendung des 18. Lebensjahres der Zweitklägerin am 5. 1. 2003 (Paragraph 100, Absatz eins, Litera b, ASVG).
Da die Voraussetzungen des § 89 Abs 2 ASGG vorliegen, war in Stattgebung der Revision der Zweitklägerin die Rechtsstreitigkeit nach dieser Gesetzesstelle unter Ausspruch des Leistungsbeginns und des Leistungsendes zu erledigen.Da die Voraussetzungen des Paragraph 89, Absatz 2, ASGG vorliegen, war in Stattgebung der Revision der Zweitklägerin die Rechtsstreitigkeit nach dieser Gesetzesstelle unter Ausspruch des Leistungsbeginns und des Leistungsendes zu erledigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ASGG. Für die Revision steht nur der einfache Einheitssatz zu.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 2, ASGG. Für die Revision steht nur der einfache Einheitssatz zu.
Textnummer
E78503European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:010OBS00009.04B.0927.000Im RIS seit
27.10.2005Zuletzt aktualisiert am
17.07.2012