TE OGH 2005/9/27 10Ob18/05b

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Veröffentlicht am 27.09.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Helmut W*****, Pensionist, *****, und 2. Frieda W*****, Hausfrau, ebendort, beide vertreten durch Dr. Harald Burmann, Dr. Peter Wallnöfer und Dr. Roman Bacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Lotte O*****, und 2. Günter O*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Werner Fuchs, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Entfernung einer Mauer (EUR 4.360,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. September 2004, GZ 2 R 235/04d-15, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Landeck vom 3. März 2004, GZ 2 C 847/03z-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit EUR 459,71 (darin EUR 76,62 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger und die Zweitklägerin sind miteinander verheiratet. Sie sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 941 Grundbuch *****, zu deren Gutsbestand das Grundstück .131 (mit dem darauf errichteten Gebäude mit der Adresse D***** 194) und das Grundstück 940/2 (dieses hat ein Ausmaß von 373 m2) gehören. Die Kläger erwarben das Grundstück .131 mit Kaufvertrag vom 4. 7. 1976, in dem bereits die Rede davon war, dass Vertragsgegenstand nicht nur das Grundstück .131, sondern auch ein nördlich davon gelegenes, aus dem Grundstück 940 und eventuell 938/1 zu bildendes, noch nicht vermessenes Teilstück mit einer Fläche von ca 150 m2 ist. Mit Aufsandungsurkunde vom 26. 4. 1977, in der auf einen aufgrund einer Vermessung vom 12. 3. 1976 erstellten Vermessungsplan des DI Karl M***** vom 25. 5. 1976 Bezug genommen wurde, wurde den Klägern das Grundstück 940/2 übertragen, das einerseits aus einer Teilfläche des (damaligen) Grundstücks 931/1, andererseits durch Teilung des damaligen Grundstücks 940 in die Grundstücke 940/1 und 940/2 gebildet wurde. Veräußerer der Grundstücke .131 und 940/2 war Johann N*****, dessen Lebensgefährtin die Mutter des Erstklägers und der Erstbeklagten war.

Der Kaufvertrag vom 4. 7. 1976 und die Aufsandungsurkunde vom 26. 4. 1977 wurden aufgrund eines am 24. 4. 1978 beim Bezirksgericht L***** eingelangten Gesuches bücherlich durchgeführt. Johann N***** verblieb Eigentümer des Grundstücks 940/1 (EZ 69 Grundbuch *****) mit einem Flächenausmaß von 500 m2.

Nach dem Tod des Johann N***** im Jahre 1982 erwarb die Erstbeklagte die Liegenschaft EZ 69. Für das Grundstück 940/1 wurde zwischenzeitig die EZ 1940 neu eröffnet; an der Liegenschaft besteht nun Miteigentum der Erstbeklagten zu 88/261 und ihres Sohnes, des Zweitbeklagten, zu 173/261 Anteilen.

Die Grundstücke 940/1 (der Beklagten) und 940/2 (der Kläger) sind nicht im Grenzkataster eingetragen. Das Grundstück 940/1 ist östlich des Grundstücks 940/2 situiert. Es steigt Richtung Osten in Form einer Böschung steil an.

Nachdem die vormals vorhandene steingeschlichtete Mauer nicht mehr standhielt, errichtete Johann N***** in Eigenregie auf dem Grundstück 940/1 eine neue Hangstützmauer aus Natursteinen. Diese Mauer überragt die Vermessungsgrenze zwischen den Grundstücken 940/1 und 940/2 teilweise und ist daher - zu ihrem wesentlichen geringeren Teil - auch auf dem Grundstück 940/2 gelegen.

Die Kläger begehren die Entfernung der Mauer, soweit sie in ihr Grundstück 940/2 rage. Insbesondere im nördlichen Teil sei dies in einem Ausmaß bis zu 90 cm der Fall.

Die Beklagten wenden ein, dass die neue Mauer bereits vor Unterfertigung des Kaufvertrages vom 4. 5. 1976 fertiggestellt worden sei. Unabhängig vom Zeitpunkt der Errichtung der Mauer (an den Arbeiten sei der Erstkläger maßgeblich beteiligt gewesen) sei Johann N***** als redlicher Bauführer iSd § 418 ABGB anzusehen. Die Kläger hätten nichts gegen die Bauführung unternommen, sondern sogar teilweise daran teilgenommen. Überdies sei das Entfernungsbegehren rechtsmissbräuchlich und schikanös.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus noch fest, dass die Mauer im Frühjahr 1978, jedenfalls vor dem 24. 4. 1978, ohne jegliche Mithilfe des Erstklägers mit von Johann N***** stammenden Baumaterialien errichtet wurde und dass die Kläger bislang nie ihre Zustimmung erteilt haben, dass die Mauer - teilweise auf ihrem Grundstück 940/2 - verbleiben darf.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass Johann N***** zum Zeitpunkt der Errichtung der Mauer, der über die bloße Abgrenzungsfunktion hinaus eine wesentliche statische (Stütz-)Funktion zukomme, grundbücherlicher Alleineigentümer der (vermessungstechnisch bereits getrennten) Grundstücke 940/1 und 940/2 gewesen sei. Bei einem in einem solchen Fall gegebenen "Eigengrenzüberbau" wachse in Anwendung von § 418 Abs 3 ABGB mit dem Wegfall der Eigentümeridentität die überbaute Fläche dem "Hauptteil" zu. Somit habe Johann N***** per 24. 4. 1978 mit dem Einlangen des Grundbuchsgesuches originäres Eigentum an jener Teilfläche des Grundstücks 940/2 erworben, das durch die Hangstützmauer überbaut sei; für das Entfernungsbegehren bestehe daher keine Grundlage.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Auch für Bauführungen gelte der aus § 416 ABGB hervorgehende Gedanke, dass bei Verbindung sehr ungleichwertiger Sachen das Eigentum an der sehr viel minderwertigeren Sache dem Eigentümer der sehr viel wertigeren Sache zufalle, ohne dass es auf die Redlichkeit des Bauführers iSd § 418 3. Fall ABGB ankomme. Der Eigentumserwerb trete mit dem Wegfall einer zum Zeitpunkt der Bauführung noch bestandenen Eigentümeridentität ein. Da der Überbau lediglich wenige Quadratmeter, jedenfalls beträchtlich weniger als zehn, in Anspruch nehme, sei das Wertmissverhältnis iSd § 416 ABGB gegeben.

Das Berufungsgericht sprach vorerst aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die einhellige höchstgerichtliche Judikatur und die Einzelfallbezogenheit der Wertrelationen nicht zulässig sei. Es änderte über Antrag der klagenden Partei den Zulässigkeitsausspruch aber ab und erklärte die ordentliche Revision doch für zulässig, da zur analogen Anwendung des Grundgedankens des § 416 ABGB auch auf den Fall des Überbaues bislang nur eine Entscheidung des Höchstgerichts vorliege.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht in der Entscheidung über den Antrag nach § 508 ZPO genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht in der Entscheidung über den Antrag nach Paragraph 508, ZPO genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionsausführungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass die Kläger zum Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks bereits quasi außerbücherliche Eigentümer des schon vermessenen Grundstücks 940/2 gewesen seien, sodass kein "Eigengrenzüberbau" vorliege und daher die Voraussetzungen für einen originären Eigentumserwerb mit Wegfall der Eigentümeridentität nicht einträten. Vielmehr sei der Fall nach den Grundsätzen der Bauführung auf fremdem Grund zu entscheiden. Gegenüber einem unredlichen Bauführer könne der Grundeigentümer die Beseitigung des Bauwerks verlangen.

Dazu hat der Senat erwogen:

Zwar sind die Grundstücke 940/1 und 940/2 nicht im Grenzkataster enthalten, sodass die „Papiergrenze" (Mappengrenze) nicht am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilnimmt (Hofmeister/Egglmeier in Schwimann, ABGB2 § 852 Rz 2) und nur als Beweismittel anzusehen ist (RIS-Justiz RS0049559). Maßgeblich für die verbindliche Grenzlinie sind die Naturgrenzen (RIS-Justiz RS0049554), für die die klagende Partei beweispflichtig ist (SZ 57/47). Allerdings gehen beide Seiten zumindest implizit davon aus, dass die Mappengrenze die verbindliche Grenze zwischen den beiden Grundstücken darstellt.

Unstrittig ist, dass sich - ausgehend von den Mappengrenzen - ein geringfügiger Teil der überwiegend auf dem Grundstück 940/1 der Beklagten situierten Mauer auf dem Grundstück 940/2 der Kläger befindet. Diese Mauer wurde nach den Feststellungen im Frühjahr 1978, jedenfalls vor dem 24. 4. 1978, vom damaligen bücherlichen Eigentümer beider Grundstücke errichtet. Das Grundstück 940/2 wurde den Klägern (nach einer am 12. 3. 1976 durchgeführten Vermessung) aufgrund eines Vermessungsplans vom 25. 5. 1976 ins bücherliche Eigentum übertragen; der Antrag auf Verbücherung des Kaufvertrags vom 4. 7. 1976 und der Aufsandungsurkunde vom 26. 4. 1977 wurde am 24. 4. 1978 beim Grundbuchsgericht gestellt. Demnach wurden die maßgeblichen Urkunden vor Errichtung der Mauer erstellt, während das Grundbuchsgesuch um Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägers zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, als die Mauer bereits errichtet war.

Dem Vorbringen der Kläger, dass sie zum Zeitpunkt der Errichtung der Mauer „quasi außerbücherliche" Eigentümer des schon vermessenen Grundstücks 940/2 gewesen seien und daher der bücherliche Eigentümer (beider Grundstücke) bei Errichtung der Mauer die neu vermessene Grenze zu beachten gehabt hätte, steht das Intabulationsprinzip entgegen. Gemäß § 431 ABGB besteht außerhalb der im Gesetz normierten, hier nicht gegebenen Ausnahmen vom Eintragungsprinzip kein Platz für außerbücherliches Eigentum. Selbst im Falle der Übertragung des Besitzes an den Erwerber gewährt der Vertrag, solange das Erwerbsgeschäft nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist, lediglich einen auf Erwerb des dinglichen Rechts gerichteten Titel, nicht jedoch das dingliche Recht selbst (zuletzt etwa 8 Ob 109/03t = SZ 2003/141; RIS-Justiz RS0011111).

Die Mauer ist daher, soweit sie die Grenzlinie überragt, als Eigengrenzüberbau zu qualifizieren. Nach der jüngeren, auf Jabornegg (Der Grenzüberbau im österreichischen Recht, FS Eichler [1977] 287 [307 f]) zurückgehenden Rechtsprechung kommt § 416 ABGB zur Anwendung, wenn die überbauten Teile im Verhältnis Haupt- und Nebensache zueinander stehen (4 Ob 266/97i = SZ 70/185 = EvBl 1998/28; dazu Mader, Der Grenzüberbau in der neueren Judikatur, bbl 1998, 111). Ist die in Anspruch genommene Grundfläche des Nachbarn nur geringwertig (dies gilt nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des Berufungsgerichtes auch für den vorliegenden Fall), erwirbt selbst ein unredlicher Bauführer Eigentum an der überbauten Nachbargrundfläche. Selbst die Mappengrenze eines in den Grenzkataster eingetragenen Grundstücks ist in diesem Fall richtig zu stellen; dem Nachbarn stehen keine Beseitigungsansprüche zu (in diesem Sinn auch Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 418 Rz 9 f sowie Klicka in Schwimann, ABGB3 II § 416 Rz 2).

Der Revision der klagenden Parteien ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO.

Textnummer

E78714

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0100OB00018.05B.0927.000

Im RIS seit

27.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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