TE OGH 2005/9/27 1Ob141/05z

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Veröffentlicht am 27.09.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Friedrich P***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Mag. Susanna Z*****, vertreten durch Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen EUR 27.652,51 sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 15. März 2005, GZ 21 R 75/05w-10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 27. Jänner 2005, GZ 8 C 839/04p-6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Absatz 2, erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (§ 528a in Verbindung mit § 510 Absatz 3, ZPO).

Text

Begründung:

Gegenstand sowohl des Vorprozesses als auch dieses - zwischen den identen Parteien geführten - Verfahrens sind Zinsen aus einer geleisteten Überzahlung an Mietzins.

Das Hauptbegehren des Vorprozesses war auf Rückerstattung der überhöht gezahlten Mietzinse gerichtet; der Zinsenanspruch war „gerundet" mit S 240.000 (= EUR 17.441,48) beziffert; vorgebracht wurde, dass es sich dabei um die „gesetzlichen, stufenweise berechneten Zinsen ab Oktober 1991 bis 30. 11. 2001" handle. Der eingeklagte Betrag setze sich „aus den 4 %igen Zinsen ab jeweiliger ... Mietzinszahlung in Ansehung des zu viel bezahlten Betrages ... bis zum Stichtag des Abrechnungsschreibens" zusammen.

Das Erstgericht ging im Vorprozess davon aus, das Zinsenbegehren könne dahingestellt bleiben, da diesem ohnedies von der klagenden Partei ab 1999 nicht bezahlte Mietzinse gegenüberstünden, die diese (selbst) bereits in der Klage aufgerechnet habe. Dieser Betrag sei zur Tilgung des Zinsenbegehrens heranzuziehen, sodass der Zinsenanspruch jedenfalls erloschen sei.

Das Berufungsgericht vertrat demgegenüber die Rechtsansicht, die pauschale Geltendmachung von gestaffelt zu berechnenden Zinsen stelle jedenfalls ein unschlüssiges Klagebegehren dar, das abzuweisen sei. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei die Zahlung von nunmehr EUR 27.652,51 sA an 4 %igen Zinsen für die geleistete Überzahlung an Mietzins im Zeitraum 1. Oktober 1991 bis 15. Dezember 2001. Der Klage ist eine Tabelle angeschlossen, aus welcher sich die bezahlten Mietzinse, der angemessene Mietzins, die sich aus der Differenz dieser beiden Beträge ergebende Überzahlung sowie die sich vom behaupteten Tag der Zahlung der monatlichen Mietzinse bis zum 15. 12. 2001 ergebenden kapitalisierten Beträge an gestaffelten Zinsen ergeben.

Die Beklagte erhob die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache. Die Klageforderung sei ident mit der im Vorprozess erhobenen Klagsforderung, über die bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung zurück, es liege das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vor.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der klagenden Partei Folge, verwarf die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Rechtssache und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache sei nicht begründet, weil das Klagebegehren im Vorprozess mangels Schlüssigkeit abgewiesen wurde und die neue Klage nunmehr schlüssig sei. Die Rechtskraftwirkung der Entscheidung des Vorprozesses stehe der Einklagung dieser Forderung nicht entgegen, da nunmehr das im Vorprozess fehlende Tasachensubstrat vorgetragen worden sei. Nur dann, wenn auch die neue Klage in Ermanglung der notwendigen Tasachenbehauptungen unschlüssig wäre, müsste dies zur Zurückweisung der Klage wegen rechtskräftig entschiedener Rechtssache führen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten; dieser ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft verhindert eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die bereits entschiedene Hauptfrage. Sie liegt nur dann vor, wenn der Streitgegenstand der neuen Klage und der Urteilsgegenstand des schon vorliegenden Urteils gleich sind, also sowohl das Begehren inhaltlich dasselbe (oder bloß ein quantitatives Minus) fordert, was bereits rechtskräftig zuerkannt oder aberkannt wurde, als auch - unter Zugrundelegung der zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie - die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen den im Prozess festgestellten entsprechen. Dasselbe gilt, wenn das begriffliche Gegenteil (aber nur die reine Negation) des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs begehrt wird (Rechberger, ZPO², Rz 7 f zu § 411 mwN).

Die Einmaligkeitswirkung der Entscheidung könnte von vornherein nur zum Tragen kommen, soweit die Klagsforderung des Vorprozesses mit der nunmehrigen Klageforderung ident ist, was aber nur teilweise der Fall ist:

Im Vorprozess hatte die klagende Partei ihre Zinsenansprüche für den Zeitraum Oktober 1991 bis 30. 11. 2001 eingeklagt und mit EUR 17.441,48 beziffert. Im nunmehrigen Verfahren beziffert die Klägerin ihre Ansprüche mit insgesamt EUR 27.652,51, also wesentlich höher als im Vorprozess, und bezieht sie zudem auf einen - wenn auch nur geringfügig - längeren Zeitraum, nämlich bis 15. 12. 2001. Ob die Differenz der Klagsbeträge lediglich auf Berechnungsfehlern beruht oder die Gründe dafür im Tatsachenbereich liegen, etwa in der Annahme anderer Zeitpunkte des jeweiligen Beginns des Zinsenlaufs, ist nicht nachvollziehbar. Nicht mit Sicherheit ausschließbar ist auch, dass im Vorprozess nur ein Teil der der nunmehr geltend gemachten Zinsen eingeklagt wurde, ist doch das Klagebegehren dort unschlüssig geblieben. Die Ausschlusswirkung der Vorentscheidung könnte daher von vornherein nur hinsichtlich EUR 17.441,48 bestehen.

Auch in diesem Umfang liegt aber jedenfalls keine rechtskräftig entschiedene Rechtssache vor:

Die auf Zahlung von Zinsen gerichtete Klagsforderung des Vorprozesses wurde deshalb abgewiesen, weil das Berufungsgericht sie als unschlüssig mit der Begründung ansah, dass nur ein Pauschalbetrag begehrt wurde, dessen Zusammensetzung mangels Behauptungen über die tatsächlichen Zahlungen nicht nachvollziehbar sei. Die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache ist aber nach ständiger Rechtsprechung dann nicht begründet, wenn die Klage des Vorprozesses mangels Schlüssigkeit abgewiesen wurde und die neue Klage nunmehr schlüssig ist (RIS-Justiz RS0041402; 9 Ob 290/97f). Diese Schlüssigkeit der nunmehrigen Klage ist zu bejahen, lässt sich doch das Klagebegehren aus den vervollständigten Tatsachen zu den Überzahlungsbeträgen und dem jeweiligen Beginn des Zinsenlaufs rechtlich ableiten (Fasching in Fasching/Konecny² III Rz 94 zu § 226). Selbst wenn - wie die Revisionsrekurswerberin vorbringt - ziffernmäßig unrichtige Zinsenbeträge begehrt worden sein sollten, ergibt sich daraus keine Verletzung der Behauptungslast im Sinn einer weiterhin gegebenen Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit. Die materielle Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Unschlüssigkeitsurteils hindert somit nicht die neuerliche Einklagung desselben Begehrens mit einem nun diese Rechtsfolgen rechtfertigenden (vollständigen) Sachverhaltsvorbringen (Fasching/Konecny aaO Rz 95 zu § 226 ZPO).Die auf Zahlung von Zinsen gerichtete Klagsforderung des Vorprozesses wurde deshalb abgewiesen, weil das Berufungsgericht sie als unschlüssig mit der Begründung ansah, dass nur ein Pauschalbetrag begehrt wurde, dessen Zusammensetzung mangels Behauptungen über die tatsächlichen Zahlungen nicht nachvollziehbar sei. Die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache ist aber nach ständiger Rechtsprechung dann nicht begründet, wenn die Klage des Vorprozesses mangels Schlüssigkeit abgewiesen wurde und die neue Klage nunmehr schlüssig ist (RIS-Justiz RS0041402; 9 Ob 290/97f). Diese Schlüssigkeit der nunmehrigen Klage ist zu bejahen, lässt sich doch das Klagebegehren aus den vervollständigten Tatsachen zu den Überzahlungsbeträgen und dem jeweiligen Beginn des Zinsenlaufs rechtlich ableiten (Fasching in Fasching/Konecny² römisch III Rz 94 zu § 226). Selbst wenn - wie die Revisionsrekurswerberin vorbringt - ziffernmäßig unrichtige Zinsenbeträge begehrt worden sein sollten, ergibt sich daraus keine Verletzung der Behauptungslast im Sinn einer weiterhin gegebenen Unschlüssigkeit wegen Unvollständigkeit. Die materielle Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Unschlüssigkeitsurteils hindert somit nicht die neuerliche Einklagung desselben Begehrens mit einem nun diese Rechtsfolgen rechtfertigenden (vollständigen) Sachverhaltsvorbringen (Fasching/Konecny aaO Rz 95 zu § 226 ZPO).

Die im außerordentlichen Revisionrekurs ins Treffen geführte Rechtsprechung, wonach die Präklusionswirkung der Rechtskraft nicht nur die neuerliche Entscheidung über das gleiche Begehren auf Grund der gleichen Sachlage, sondern auch die Geltendmachung des gleichen Begehrens aufgrund von Tatsachen und Erwägungen ausschließt, die bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses vorhanden und der verfahrensmäßigen Erledigung zugänglich waren, aber infolge Verletzung einer prozessualen Dilingenzpflicht der Parteien, also der ihnen auferlegten Behauptungs- und Beweispflicht, nicht zum Gegenstand des Vorprozesses wurden (WoBl 2001, 258; 6 Ob 130/01p; 5 Ob 42/00p), steht dem nicht entgegen: Dieser Rechtsprechung liegen ausschließlich Sachverhalte zu Grunde, in denen bereits einmal über ein konkretes (schlüssiges) Rechtsschutzbegehren entschieden wurde. Nur dann sind die Parteien dieses Verfahrens vom Vorbringen neuer anspruchsbegründender bzw anspruchsvernichtender Tatsachen in einem zweiten Verfahren zum selben Begehren präkludiert, soweit diese Tatsachen schon den im Vorverfahren geltend gemachten Anspruch hätten stützen oder abwehren können (5 Ob 42/00p; SZ 63/43; SZ 68/12; JBl 1998, 126). Im vorliegenden Fall stellt die Zinsenforderung des Vorprozesses aber eben kein konkretes, sondern ein auf unzureichende Tatsachenbehauptungen gestütztes, unkonkret (unschlüssig) gebliebenes Klagebegehren dar, das wegen Unschlüssigkeit abgewiesen wurde. Eine Gleichheit der erhobenen Ansprüche kann nicht angenommen werden, ist doch im vorliegenden Fall aufgrund der Klagserzählung des Vorprozesses nicht einmal klar, ob jene Tatsachen, die das (damalige) Klagebegehren hätten stützen können, aber nicht vorgebracht wurden, mit den nunmehr zur Aufschlüsselung des Klagebegehrens im Folgeprozess herangezogenen Tatsachen ident sind.

Der von Fasching/Klicka in Fasching/Konecny aaO RZ 51 zu § 411 ZPO, vertretenen Ansicht, es sei einem Kläger nachträglich nicht zu gestatten, die fehlende Schlüssigkeit mit neuerlicher Klage über denselben Anspruch nachzutragen, wird nicht beigetreten. Sie divergiert im Übrigen auch zu der von Fasching im selben Kommentar vertretenen und bereits zitierten Meinung (Rz 95 zu § 226), wonach die materielle Rechtskraft von Unschlüssigkeitsurteilen die neuerliche Einklagung desselben Begehrens mit einem nunmehr vollständigen Sachverhaltsvorbringen nicht hindert, jedenfalls aber dann auch Streitanhängigkeit nicht zu bejahen ist, wenn der Kläger nicht mehr die Möglichkeit hat, seine unschlüssige „Vorklage" so zu ergänzen, dass Identität des Sachvorbringens gegeben wäre.

Dies führt zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO). der beklagten Partei.Dies führt zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 528a in Verbindung mit § 510 Absatz 3, ZPO). der beklagten Partei.

Textnummer

E78764

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00141.05Z.0927.000

Im RIS seit

27.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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