TE OGH 2005/10/4 5Ob213/05t

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2005
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Malaz Tayeb O*****, vertreten durch Dr. Konrad Faulhaber, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Dipl. Ing. Dr. Yasser O*****, vertreten durch Mag. Stephan Meusburger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung und einstweiligem Unterhalt über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Juni 2005, GZ 45 R 170/05s-92, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 20. Jänner 2005, GZ 15 C 27/03z-76, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei wird gemäß § 78, § 402 Abs 4 EO § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei wird gemäß Paragraph 78,, Paragraph 402, Absatz 4, EO Paragraph 526, Absatz 2, Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 528, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 528 a, in Verbindung mit Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ein dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellender Verfahrensmangel besonderer Art liegt vor, wenn unzureichende Bemühungen zur Ermittlung des fremden Rechts gesetzt wurden (vgl RIS-Justiz RS0116580). Die fehlerhafte Einschätzung, die Ermittlung werde unangemessen viel Zeit in Anspruch nehmen, kann daher auch noch in dritter Instanz mit Rechtsrüge geltend gemacht werden. Die Angemessenheit der Frist, die für die Ermittlung des anzuwendenden fremden Rechts zur Verfügung steht, hängt vom jeweils zu gewährenden Rechtsschutz ab. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; in nicht dringlichen Fällen darf die Frist nicht zu knapp bemessen werden, weil jede Gerichtsentscheidung größtmögliche Richtigkeitsgewähr bieten soll. Darum wird von der durch § 4 Abs 2 IPRG eröffneten Möglichkeit, an Stelle des schwer zu ermittelnden fremden Rechts österreichisches Recht anzuwenden, vor allem im Provisorialverfahren Gebrauch gemacht (5 Ob 111/04s mwN). Die vorliegende Entscheidung ist in einem solchen Provisiorialverfahren (§ 382 Abs 1 Z 8 lit a EO) ergangen.1. Ein dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellender Verfahrensmangel besonderer Art liegt vor, wenn unzureichende Bemühungen zur Ermittlung des fremden Rechts gesetzt wurden vergleiche RIS-Justiz RS0116580). Die fehlerhafte Einschätzung, die Ermittlung werde unangemessen viel Zeit in Anspruch nehmen, kann daher auch noch in dritter Instanz mit Rechtsrüge geltend gemacht werden. Die Angemessenheit der Frist, die für die Ermittlung des anzuwendenden fremden Rechts zur Verfügung steht, hängt vom jeweils zu gewährenden Rechtsschutz ab. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; in nicht dringlichen Fällen darf die Frist nicht zu knapp bemessen werden, weil jede Gerichtsentscheidung größtmögliche Richtigkeitsgewähr bieten soll. Darum wird von der durch Paragraph 4, Absatz 2, IPRG eröffneten Möglichkeit, an Stelle des schwer zu ermittelnden fremden Rechts österreichisches Recht anzuwenden, vor allem im Provisorialverfahren Gebrauch gemacht (5 Ob 111/04s mwN). Die vorliegende Entscheidung ist in einem solchen Provisiorialverfahren (Paragraph 382, Absatz eins, Ziffer 8, Litera a, EO) ergangen.

2. Dem Rechtsmittelwerber ist einzuräumen, dass der Entscheidung der zweiten Instanz lediglich die Befassung mit den einschlägigen Bestimmungen des syrischen Personalstatutgesetzes, nicht aber der Versuch weitergehender Erhebungen, insbesondere der ausländischen Rechtsprechung zu entnehmen ist. Die gesetzlichen Bestimmungen hat das Rekursgericht für nicht eindeutig und die Ermittlung ausländischer Judikatur und Lehre innerhalb vertretbarer Zeit für offenbar nicht möglich erachtet. Diese Ansicht erscheint im vorliegenden Zusammenhang als noch vertretbar:

2.1. Der Rechtsmittelwerber hat zwar dem Rekursgericht mehrere Entscheidungen syrischer Gerichte zur Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruches vorgelegt, die allerdings teilweise mit dem Gesetzeswortlaut nur schwer vereinbar sein und im Ergebnis zu keiner Klärung der Sachlage beitragen. Art 72 Abs 1 Syrisches Personalstatutgesetz legte die grundsätzliche Unterhaltspflicht des Mannes fest, die entfallen soll, wenn die Frau es trotz Aufforderung des Mannes ohne rechtfertigenden Grund ablehnt, zu diesem zu ziehen. Dieser Fall scheint - wie auch der Zusammenhalt mit Abs 2 leg. cit. (gerechtfertigter Grund, wenn der Mann die Morgengabe nicht bezahlt oder die Wohnung nicht eingerichtet hat) nahe legt - die wohl die erstmalige Aufnahme der häuslichen Gemeinschaft zu betreffen, und wäre in casu nicht einschlägig. Nach Art 75 leg. cit. verletzt die Frau ihre ehelichen Pflichten, wenn sie die gemeinsame Wohnung ohne rechtlichen Grund verlässt. Wo zuletzt diese gemeinsame Wohnung der Streitteile bestanden haben soll, ist schon in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft; immerhin hat die Antragstellerin nach der Geburt des Sohnes - über dessen Wunsch - bei den Eltern des Antragsgegners in Wien gewohnt, während sich dieser nur wenige Wochen dort aufhielt und sonst seiner Berufstätigkeit in Syrien nachging. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen (S. 11 des erstgerichtlichen Beschlusses) wollte die Antragstellerin sogar mit dem Antragsgegner in Syrien zusammenleben, was dieser aber ablehnte und letztlich mit dem Kind nach Ägypten zog, wohin ihm wiederum die Antragstellerin nicht folgen wollte.2.1. Der Rechtsmittelwerber hat zwar dem Rekursgericht mehrere Entscheidungen syrischer Gerichte zur Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruches vorgelegt, die allerdings teilweise mit dem Gesetzeswortlaut nur schwer vereinbar sein und im Ergebnis zu keiner Klärung der Sachlage beitragen. Artikel 72, Absatz eins, Syrisches Personalstatutgesetz legte die grundsätzliche Unterhaltspflicht des Mannes fest, die entfallen soll, wenn die Frau es trotz Aufforderung des Mannes ohne rechtfertigenden Grund ablehnt, zu diesem zu ziehen. Dieser Fall scheint - wie auch der Zusammenhalt mit Absatz 2, leg. cit. (gerechtfertigter Grund, wenn der Mann die Morgengabe nicht bezahlt oder die Wohnung nicht eingerichtet hat) nahe legt - die wohl die erstmalige Aufnahme der häuslichen Gemeinschaft zu betreffen, und wäre in casu nicht einschlägig. Nach Artikel 75, leg. cit. verletzt die Frau ihre ehelichen Pflichten, wenn sie die gemeinsame Wohnung ohne rechtlichen Grund verlässt. Wo zuletzt diese gemeinsame Wohnung der Streitteile bestanden haben soll, ist schon in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft; immerhin hat die Antragstellerin nach der Geburt des Sohnes - über dessen Wunsch - bei den Eltern des Antragsgegners in Wien gewohnt, während sich dieser nur wenige Wochen dort aufhielt und sonst seiner Berufstätigkeit in Syrien nachging. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen (S. 11 des erstgerichtlichen Beschlusses) wollte die Antragstellerin sogar mit dem Antragsgegner in Syrien zusammenleben, was dieser aber ablehnte und letztlich mit dem Kind nach Ägypten zog, wohin ihm wiederum die Antragstellerin nicht folgen wollte.

Rechtlich ist nach der vom Antragsgegner vorgelegten Judikatur zweifelhaft, in welchem Umfang und aufgrund welcher gesetzlicher Grundlage eine (generelle) Folgepflicht der Ehefrau anzunehmen ist (vgl E vom 24. 2. 2000, AZ: 514/2000) und wie eng oder weit der „rechtliche Grund" für ein Verlassen durch die Ehefrau gezogen wird (in der E Nr 1157 Grundlage 443 wird offenbar - auf freilich nicht erkennbarer Rechtsgrundlage - zwischen einem - den Unterhaltsanspruch erhaltenden - „Vertreiben" [= tatsächliches Hinauswerfen] durch den Mann und einem - anscheinend zum Unterhaltsverlust führenden - Verlassen wegen bloß schlechter Behandlung unterschieden). Gerade die vom Antragsteller als Rechtsmittelwerber vorgelegte Judikatur macht also im Zusammenhalt mit dem wohl nicht gewöhnlichen Verlauf der Lebensverhältnisse der Streitteile die Beurteilung nach ausländischen Recht überdurchschnittlich schwierig.Rechtlich ist nach der vom Antragsgegner vorgelegten Judikatur zweifelhaft, in welchem Umfang und aufgrund welcher gesetzlicher Grundlage eine (generelle) Folgepflicht der Ehefrau anzunehmen ist vergleiche E vom 24. 2. 2000, AZ: 514/2000) und wie eng oder weit der „rechtliche Grund" für ein Verlassen durch die Ehefrau gezogen wird (in der E Nr 1157 Grundlage 443 wird offenbar - auf freilich nicht erkennbarer Rechtsgrundlage - zwischen einem - den Unterhaltsanspruch erhaltenden - „Vertreiben" [= tatsächliches Hinauswerfen] durch den Mann und einem - anscheinend zum Unterhaltsverlust führenden - Verlassen wegen bloß schlechter Behandlung unterschieden). Gerade die vom Antragsteller als Rechtsmittelwerber vorgelegte Judikatur macht also im Zusammenhalt mit dem wohl nicht gewöhnlichen Verlauf der Lebensverhältnisse der Streitteile die Beurteilung nach ausländischen Recht überdurchschnittlich schwierig.

2.2. Soweit der Antragsgegner einen Unterhaltsanspruch nach syrischem Recht nur für eine bestimmte Wartezeit nach Scheidung für begründet hält (Art 83 f Syrisches Personalstatutgesetz), ist zu beachten, dass der Provisorialunterhalt ohnehin nur bis rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens gebührt. Dass die in Art 83 f leg. cit. genannten Frist schon ab der erstinstanzlichen Scheidungsausspruch und nicht erst nach dessen Rechtskraft gelten sollten, ist den genannten Bestimmungen und der vorliegenden ausländischen Judikatur nicht zu entnehmen.2.2. Soweit der Antragsgegner einen Unterhaltsanspruch nach syrischem Recht nur für eine bestimmte Wartezeit nach Scheidung für begründet hält (Artikel 83, f Syrisches Personalstatutgesetz), ist zu beachten, dass der Provisorialunterhalt ohnehin nur bis rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens gebührt. Dass die in Artikel 83, f leg. cit. genannten Frist schon ab der erstinstanzlichen Scheidungsausspruch und nicht erst nach dessen Rechtskraft gelten sollten, ist den genannten Bestimmungen und der vorliegenden ausländischen Judikatur nicht zu entnehmen.

Insgesamt zeigt sich damit, dass der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin dem Grunde nach nur durch eine umfassenden Erhebung von syrischer Rechtsprechung und Lehre nach ausländischem Recht beurteilt werden könnte; wenn das Rekursgericht dies nicht als Aufgabe des Provisorialverfahrens erkannt hat, dann ist dies - im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse des vorliegenden Falls - nicht als grobe Fehleinschätzung zu werten.

3. Zur Höhe des Unterhaltsanspruchs hat sich das Rekursgericht auf eine Außerstreitstellung durch den Antragsgegner (AS 265) berufen; dass darin eine aufzugreifende Fehlbeurteilung dieser Prozesserklärung liege, macht der Antragsgegner in seinem Revisionsrekurs nicht (mehr) geltend.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 402 Abs 4, 78 EO) ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Paragraph 528, Absatz eins, ZPO in Verbindung mit Paragraphen 402, Absatz 4,, 78 EO) ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Textnummer

E78894

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0050OB00213.05T.1004.000

Im RIS seit

03.11.2005

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten