TE Vfgh Beschluss 2002/11/29 G183/02 ua

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Veröffentlicht am 29.11.2002
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Index

86 Veterinärrecht
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Sachentscheidung Wirkung
FleischuntersuchungsG-Nov BGBl I 73/2001 Art2 Abs3
FleischuntersuchungsG §6 Abs3 idF BGBl I 73/2001

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung des Verbots der Bestellung von Amtstierärzten zu Fleischuntersuchungstierärzten infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges im Hinblick auf bestehende Ausnahmetatbestände sowie auf Aufhebung einer Bestimmung der FleischuntersuchungsG-Novelle 2001 wegen entschiedener Sache; Bedenken hinsichtlich der Berufsausübungsfreiheit jenen der bereits abgehandelten Erwerbsausübungsfreiheit gleichzuhalten

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit den beiden vorliegenden, auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Individualanträgen begehren insgesamt 39 Einschreiter(innen) mit näherer Begründung jeweils die Aufhebung

a) des §6 Abs3 des Fleischuntersuchungsgesetzes, BGBl. Nr. 522/1982, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001, sowie

b) des Art2 Abs3 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001.

Die Anträge sind am 14. Mai 2002 (G183/02) bzw. am 21. Mai 2002 (G188/02) beim Verfassungsgerichtshof eingelangt.

Hinsichtlich ihrer Antragslegitimation führen die Einschreiter(innen) unter Vorlage entsprechender Nachweise aus, dass sie Amtstierärzte (in einem jeweils näher bezeichneten Sprengel) sind sowie bescheidmäßig zu Fleischuntersuchungsorganen gemäß §§4 ff. des Fleischuntersuchungsgesetzes (im Folgenden kurz: FleischUG) außerhalb jenes Sprengels, in dem sie ihre hoheitliche Tätigkeit als Amtstierärzte ausüben, bestellt sind.

Sie erachten sich durch die behauptete Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen unmittelbar in ihren Rechten verletzt; die Regelungen würden ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam.

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 1

Das Fleischuntersuchungsgesetz, BGBl. Nr. 522/1982, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 66/1998, wird wie folgt geändert:

1. ...

2. §6 Abs3 lautet:

'(3) Amtstierärzte dürfen nicht zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellt werden. Ausgenommen von diesem Verbot sind

1.

Fleischuntersuchungstierärzte gemäß §4 Abs3 und

2.

Amtstierärzte, wenn andere, geeignete Tierärzte nicht zur Verfügung stehen und die Bestellung nicht für den Bereich des Amtssprengels des Amtstierarztes erfolgt und der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen der Bestellung zustimmt.'

              3.              ...

              7.              Nach dem §51 Abs1 wird folgender Abs1a eingefügt:

'(1a) §1 Abs3, §6 Abs3 [...] treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.'

Artikel 2

(1) ...

(3) Die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erfolgte Bestellung eines Amtstierarztes zum Fleischuntersuchungstierarzt erlischt ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes, sofern

1.

die Bestellung zum Fleischuntersuchungstierarzt nicht schon vorher widerrufen wird oder

2.

der Fleischuntersuchungstierarzt nicht schon vorher auf Dauer seine Stellung als Amtstierarzt verliert.

(4) Art2 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft."

Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 73/2001 wurde am 10. Juli 2001 kundgemacht.

(Anm.: In der Folge wurde mit den Bundesgesetzen BGBl. I Nr. 98/2001 [1. Euro-Umstellungsgesetz - Bund] und BGBl. I Nr. 96/2002 das Fleischuntersuchungsgesetz geändert. Die mit den vorliegenden Anträgen bekämpften Bestimmungen sind davon jedoch nicht berührt.)

3. Die Bundesregierung erstattete zu den beiden Anträgen keine gesonderte Äußerung, sondern verwies auf jene Äußerung, die sie im Verfahren G181/02 (betreffend einen Antrag von Abgeordneten des Nationalrates auf Aufhebung [unter anderem] der gleichen Bestimmungen) abgegeben hatte.

Die Antragsteller(innen) erstatteten dazu eine Gegenäußerung, in der sie erneut die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen beantragen.

II. Die in den beiden (insoweit gleichlautenden) Individualanträgen gegen Art2 Abs3 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 erhobenen Bedenken lauten wie folgt:

"2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art2 Abs3 des Gesetzes BGBl I 73/2001:

2.1. Im Sinne von Art2 Abs3 erlöschen alle bereits erfolgten Bestellungen zu Fleischuntersuchungsorganen im Sinne der §§4 ff FUG. Tatsächlich ist ein großer Teil der Fleischuntersuchungsorgane auch als Amtstierärzte tätig. So trifft dies insbesondere die Antragsteller.

Dass die Regelung des §6 Abs3 FUG das verfassungsrechtlich normierte Sachlichkeitsgebot und das Gleichheitsrecht ebenso verletzt, wie sie in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Erwerbsfreiheit eingreift, wurde bereits dargestellt. Durch Art2 Abs3 der Novelle des BGBl I 73/2001 wird aber darüber hinaus auch in bestehende Rechte der Antragsteller in verfassungswidriger Weise eingegriffen.

2.2. Aufgrund der Bestellung zum Fleischuntersuchungsorgan konnten die Antragsteller davon ausgehen, dass ihre Rechtsstellung als Fleischuntersuchungsorgan lediglich in den äußerst restriktiv gehaltenen Fällen im Sinne des §6 Abs4 FUG widerrufen werden kann. Im Vertrauen auf diese Rechtslage und unter Zugrundelegung dieser wohlerworbenen Rechte haben die Antragsteller darauf vertraut, auch zukünftig hin die Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgane wahrnehmen zu können.

Ohne sachliche Rechtfertigung und ohne öffentliches Interesse hat der Gesetzgeber in diese Rechte in der Form eingegriffen, dass die Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan von Gesetzes wegen im Sinne des Art2 des Gesetzes BGBl I 73/2001 erlischt.

Es ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass aufgrund dieser wohlerworbenen Rechte, die Antragsteller auch eine entsprechende Lebensplanung und damit im Zusammenhang stehende finanzielle Aufwendungen in Kauf genommen haben. Durch den Entfall der Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan und im Hinblick auf die praktische Zugangsbeschränkung gem. §6 Abs3 FUG wird es den Antragstellern zukünftig hin verwehrt sein, eine Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan auszuüben. Gänzlich unzumutbar wäre die Aufgabe einer Tätigkeit als Amtstierarzt, was jedoch die Voraussetzung dafür wäre, die Möglichkeit der Ausübung als Fleischuntersuchungsorgan auch zukünftig hin sicherzustellen.

Mit der Regelung in Art2 Abs3 BGBl I 73/2001 entstehen für die Antragsteller und ihre Familien existenzbedrohende Situationen, die letztlich auch dazu führen werden, dass sie zum Teil laufende Kreditverbindlichkeiten nicht rückführen werden können, eine massive Einschränkung der gegenwärtigen Lebensumstände eintritt und zum Teil sich gezwungen sehen werden, ihre wohlerworbenen Rechte gänzlich aufzugeben.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat einen Eingriff in wohlerworbene Rechte nur dann zugelassen, wenn langfristig die Konsequenzen absehbar sind und der Eingriff in die wohlerworbenen Rechte von sachlichen Erwägungen getragen ist.

Gerade dies ist im gegenständlichen Zusammenhang nicht der Fall. Ohne tatsächliches öffentliches Interesse und ohne sachliche Erwägungen wurde in die wohl erworbenen Rechte der Antragsteller mit der Regelung in Art2 Abs3 des Gesetzes BGBl I 73/2001 eingegriffen.

Die lediglich einjährige Übergangsfrist vermag eine Abänderung der Lebensplanung schon im Hinblick darauf nicht zu gewährleisten, als mit der Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan naturgemäß eine Einnahmenquelle verbunden ist, mit welcher auch die Lebensplanung kalkuliert wird. Darauf gestützte Dispositionen der Antragsteller werden gänzlich vernichtet und das in die Rechtsordnung getragene Vertrauen gänzlich erschüttert.

Mit der gegenständlichen Regelung wird nicht nur plötzlich und unvorhersehbar in erworbene Rechte, welche schon lange Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes BGBl I 73/2001 erworben wurden, eingegriffen, sondern wird auch so intensiv eingegriffen, dass die Existenz der Antragsteller gänzlich gefährdet ist. Eine sachliche Begründung für einen derartigen plötzlichen intensiven Eingriff vermag der Gesetzgeber nicht zu liefern.

Im Hinblick auf die gewählte Vorgangsweise des Gesetzgebers muss daher davon ausgegangen werden, dass ein verfassungskonformer Eingriff in die wohlerworbenen Rechte der Antragsteller gerade nicht vorgenommen wird. Tatsächlich ist der Eingriff weder geringfügig, noch langfristig absehbar oder von sachlichen Erwägungen getragen. Das Erlöschen der Bestellung zu Fleischuntersuchungsorganen, somit einer Erwerbstätigkeit, die die Antragsteller seit mehreren Jahren ausüben, erfolgt aufgrund der angefochtenen Gesetzesstelle innerhalb nur eines einzigen Jahres.

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass Alternativen zur Erzielung eines vergleichbaren Entgeltes, welches jenem im Rahmen der Fleischuntersuchung entsprechen würde, insbesondere im ländlichen Raum nicht bestehen und insbesondere im Hinblick auf die Kurzfristigkeit der Erlöschung der Befugnis zur Ausübung der Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan gänzlich unmöglich und undenkbar ist.

2.4. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass auch Art2 Abs3 FUG gänzlich ohne gesellschaftspolitische Begründung und gänzlich ohne sachliche Rechtfertigung vom Gesetzgeber beschlossen wurde. Der Gesetzgeber war offenbar in Kenntnis dessen, da in der Regierungsvorlage (586 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI.GP) in Art2 Abs3 noch das Erlöschen der Bestellung innerhalb von 6 Monaten nach dem Inkrafttreten der Novelle vorgesehen war. Die lediglich optische Kosmetik des Gesetzgebers, die Frist zur Löschung auf ein Jahr zu verlängern, mag nicht über den exzessiven, unsachgemäßen und plötzlichen Eingriff in wohlerworbene Rechte hinwegzutäuschen.

2.5. Im Sinne obiger Ausführungen zu Art6 Abs1 StGG ist davon auszugehen, dass mit der Regelung in Art2 Abs3 des Gesetzes BGBl I 73/2001 in die Erwerbsausübung der Antragsteller in verfassungswidriger Weise eingegriffen wird. Es besteht zweifellos kein öffentliches Interesse daran, dass Amtstierärzte außerhalb ihres Amtssprengels keine Fleischuntersuchungen als Fleischuntersuchungsorgane durchführen können. Es besteht kein sachlich rechtfertigbarer Grund dafür, dass Amtstierärzte, so insbesondere die Antragsteller von einer Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgane zukünftig hin außerhalb ihres Amtssprengels, wie dies schon bisher durch §6 Abs3 FUG vor der Novelle im Sinne des BGBl I 73/2001 geregelt war, ausgeschlossen werden. Das gesetzliche Erlöschen der Tätigkeit der Amtstierärzte, so insbesondere der Antragsteller als Fleischuntersuchungsorgane im Sinne der angefochtenen Bestimmung des Art2 Abs3 BGBl I 73/2001 stellt eine völlig undifferenzierte Vorgangsweise war, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend angesehen werden kann; dies umso weniger, als eine Neubestellung im Sinne des §6 Abs3 FUG faktisch gänzlich ausgeschlossen ist.

2.6. Hinzu kommt, dass es sich bei den Antragstellern um keine sogenannten Härtefälle oder Grenzfälle im Sinne der Judikatur des Hohen Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 8871; 11.193) handelt, sondern es sich dabei um einen Regelfall handelt, welcher ausschließlich Amtstierärzte, sohin die Antragsteller betrifft. Jeder Amtstierarzt, sohin nicht nur die Antragsteller ist daher von der gegenständlichen Regelung betroffen und handelt es sich daher nicht um Einzelfälle, die als Härtefälle zu bezeichnen wären. Tatsächlich handelt es sich existentiell für jeden Antragsteller um einen Härtefall, der durch unsachgemäßen Eingriff in die dargestellten verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte verursacht wurde.

2.7. Art18 StGG lautet:

'Es steht jedermann frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will.'

Sowohl durch §6 Abs3 FUG, wie aber auch durch Art2 Abs3 des Gesetzes BGBl I 73/2001 wird das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Ausübung eines Berufes durch die Antragsteller im Sinne des Art18 StGG verletzt.

Die Ausübung der Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan durch die Antragsteller stellt einen wesentlichen, zumindest wirtschaftlich genau so bedeutsamen ökonomischen Faktor dar, wie ihre Tätigkeit als Amtstierärzte. Wirtschaftlich sind daher diese beiden Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten; dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Antragsteller im jährlichen Durchschnitt ca. zwischen € 10.900,00 und € 35.000,00 mit ihrer Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan ins Verdienen bringen. Da die Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan durch die Antragsteller eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ist und im allgemeinen zur Erzielung des Lebensunterhaltes dient, ist auch davon auszugehen, dass es sich bei der Ausübung der Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan um einen Beruf im Sinne des Art18 StGG handelt (so auch VfSlg 6751; 8630). Durch Art2 Abs3 des BGBl I 73/2001 wird die weitere Berufsausübung und durch §6 Abs3 FUG wird die Möglichkeit des Berufsantritts nach Erlöschen der Bestellung gem. Art2 Abs3 des Gesetzes BGBl I 73/2001 unmöglich gemacht. Wie bereits dargestellt wurde, ist davon auszugehen, dass infolge Erlöschens der Berechtigung und im Hinblick auf die restriktiven tatsächlich gänzlich ausschließenden Bestimmungen des §6 Abs3 FUG, ein Zugang von Amtstierärzten zur Tätigkeit als Fleischuntersuchungsorgan und Ausübung des Berufes rechtlich und somit auch faktisch ausgeschlossen ist.

Durch die angefochtenen Bestimmungen hat der Gesetzgeber daher auch das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Antragsteller gem. Art18 StGG auf freie Wahl und Ausübung eines Berufes verletzt."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge erwogen:

Die Anträge sind nicht zulässig.

1. Zum Antrag auf Aufhebung des §6 Abs3 FleischUG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001:

a) Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein; dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 13.870/1994 m.w.H.).

b) Ein solcher anderer zumutbarer Weg besteht für die Antragsteller(innen) im vorliegenden Fall:

Gemäß §4 Abs6 erster Satz FleischUG hat die Beauftragung der Fleischuntersuchungsorgane (dazu zählen auch die Fleischuntersuchungstierärzte - vgl. §4 Abs2 FleischUG) mit deren Zustimmung durch Bescheid des Landeshauptmannes zu erfolgen.

§6 Abs3 erster Satz FleischUG (in der angefochtenen Fassung) normiert zwar, dass Amtstierärzte grundsätzlich nicht zum Fleischuntersuchungstierarzt bestellt werden dürfen. Die Bestimmung sieht jedoch auch vor, dass bei Vorliegen näher umschriebener Voraussetzungen Amtstierärzte von diesem Verbot ausgenommen sind (Z1 in §6 Abs3 zweiter Satz FleischUG) oder ausgenommen werden können (Z2 in §6 Abs3 zweiter Satz leg.cit.).

Somit würde erst in einem Verfahren zur Bestellung als Fleischuntersuchungsorgan (§4 FleischUG) konkret darüber entschieden werden, ob trotz der Verbotsnorm des §6 Abs3 erster Satz FleischUG die Antragsteller(innen) zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellt werden können, da erst dabei zu klären wäre, ob allenfalls die Voraussetzungen der in §6 Abs3 zweiter Satz (Z1 und 2) FleischUG normierten Ausnahmen von diesem Verbot vorliegen.

Der Verfassungsgerichtshof geht also davon aus, dass das in §6 Abs3 erster Satz FleischUG normierte Verbot mit Blick auf die eben erwähnten, im zweiten Satz (Z1 und 2) des §6 Abs3 vorgesehenen Ausnahmen nicht mit Sicherheit Wirkung für die Antragsteller entfaltet (vgl. auch schon VfGH 27.6.2002, G325/01, Pkt. II.2.a).

Die Einschreiter(innen) hätten die Möglichkeit, einen Bescheid, mit dem die Beauftragung als Fleischuntersuchungsorgan - mangels Erfüllung eines der beiden Ausnahmetatbestände - unter Verweis auf das Verbot nach §6 Abs3 erster Satz FleischUG versagt wird, nach Ausschöpfung des Instanzenzuges beim Verfassungsgerichtshof mit Beschwerde nach Art144 B-VG zu bekämpfen und auf diese Weise ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von ihnen angefochtene Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. z.B. VfSlg. 14.017/1995, 14.673/1996, 15.163/1998).

Der Antrag auf Aufhebung des §6 Abs3 FleischUG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 war daher zurückzuweisen.

2. Zum Antrag auf Aufhebung des Art2 Abs3 des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001:

a) Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegt (vgl. dazu jüngst VfGH 21.6.2002, G6/02, Pkt. II.1.2.), kann dem Art140 Abs1 B-VG nur der Sinn beigemessen werden, dass über bestimmt umschriebene Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes lediglich ein einziges Mal entschieden werden kann. Eine Entscheidung über bestimmte, im Sinne des §62 Abs1 zweiter Satz VfGG dargelegte Bedenken gegen ein Gesetz schafft also nicht nur gegenüber dem Antragsteller, sondern nach allen Seiten hin Rechtskraft (s. zB VfSlg. 15.763/2000, S 302). Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass der Verfassungsgesetzgeber es als zulässig angesehen hat, dass ein Antrag gemäß Art140 Abs1 B-VG (ein vom Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gefasster Beschluss, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, steht hier einem solchen Antrag gleich), über den der Verfassungsgerichtshof schon einmal entschieden hat, von einem anderen Antragsteller mit gleicher Begründung neuerlich gestellt und der Verfassungsgerichtshof so zu einer Wiederholung der bereits durchgeführten Gesetzesprüfung veranlasst werden könnte (vgl. z.B. VfSlg. 5872/1968, S 909, und 12.661/1991).

Die entschiedene Sache liegt im Verhältnis zwischen einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und einem neuen Gesetzesprüfungsantrag allerdings nur vor, wenn zum einen zwischen der seinerzeit geprüften und der nunmehr zur Prüfung gestellten Norm Identität besteht (vgl. hiezu etwa VfSlg. 12.784/1991, S 957) und zum anderen über das im neuen Antrag vorgetragene Bedenken vom Verfassungsgerichtshof bereits im Vorerkenntnis abgesprochen wurde (zur Zulässigkeit einer neuerlichen Sachentscheidung ob bisher nicht behandelter Bedenken vgl. etwa VfSlg. 13.179/1992, S 159).

b) Bereits im Rahmen eines früheren, auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Individualantrages hatte ein als Amtstierarzt und gleichzeitig als Fleischuntersuchungstierarzt tätiger Einschreiter mit näherer Begründung unter anderem begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge Art2 Abs3 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 als verfassungswidrig aufheben.

Der Verfassungsgerichtshof hat in dieser Rechtssache mit Erkenntnis vom 27. Juni 2002, G325/01, entschieden, dass der Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung zulässig, jedoch hinsichtlich der vorgebrachten Bedenken nicht begründet und deshalb abzuweisen war. Der Antragsteller des damaligen Verfahrens hatte vorgebracht, Art2 Abs3 leg. cit. verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot des Art7 B-VG und verletze das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG. Er hatte insbesondere auch behauptet, dass durch diese Bestimmung - in unter den gegebenen Umständen verfassungswidriger Weise - ein Eingriff in seine bestehende (wohlerworbene) Rechtsstellung (als Fleischuntersuchungstierarzt) bewirkt werde.

Indem der Verfassungsgerichtshof mit seinem zuvor erwähnten Erkenntnis vom 27. Juni 2002 bereits über diese Bedenken entschieden hat, ist er im Sinne der (oben wiedergegebenen) ständigen Rechtsprechung gehindert, sich mit den auch von den nunmehrigen Antragsteller(inne)n vorgebrachten gleichartigen Bedenken neuerlich auseinanderzusetzen. Dies gilt auch für jene Bedenken, die unter Berufung auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht "auf Ausübung eines Berufes" (Art18 StGG) erhoben werden; sie sind nämlich jenen gleichzuhalten, die der Verfassungsgerichtshof im erwähnten Vorerkenntnis im Lichte des Grundrechts auf Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) abgehandelt hat.

Da somit zu Art2 Abs3 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 von den Antragsteller(inne)n keine Bedenken vorgebracht wurden, über die der Verfassungsgerichtshof im Vorerkenntnis noch nicht abgesprochen hat, war der Antrag auf Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litd und e VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Gesundheitswesen, Fleischbeschau, res iudicata, Veterinärwesen, Fleischuntersuchung, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Erwerbsausübungsfreiheit, Berufsausübungsfreiheit, Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G183.2002

Dokumentnummer

JFT_09978871_02G00183_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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