TE OGH 2005/10/4 4Ob175/05x

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2005
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I***** Aktiengesellschaft, *****, 2. I***** GmbH, *****, beide vertreten durch Baier Lambert Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Hauser Milchrahm & Stadlmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 20.000 EUR) und Beseitigung (Streitwert 20.000 EUR), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2005, GZ 4 R 298/04d-25, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Juni 2004, GZ 19 Cg 82/02h-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 3.559,64 EUR (darin 593,27 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Im Kennzeichenstreit stehen einander die Firmen der Erstklägerin (Priorität 23. 11. 1994) und der Zweitklägerin (Priorität 21. 12. 1995) mit dem Schlagwort "Immofinanz" und die Firma der Beklagten (Priorität 1. 2. 2000) mit dem Schlagwort "Immofina" gegenüber.

In der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung 4 Ob 116/03t, auf deren Feststellungen verwiesen wird, hat der Senat ausgesprochen, dass das Firmenschlagwort der Klägerinnen ein schwaches Zeichen sei, dessen Schutzbereich jedoch durch Verkehrsgeltung erweitert sein könne. Ob das Firmenschlagwort der Beklagten Verwechslungsgefahr (als Voraussetzung für die Berechtigung der geltend gemachten Unterlassungsansprüche) auslöse, könne erst dann abschließend beurteilt werden, wenn in die Beurteilung die von den Klägerinnen behauptete Verkehrsgeltung einbezogen werde.

Nunmehr steht fest, dass von jenen Personen, die Geld in Immobilien oder Aktien veranlagt oder an eine solche Veranlagung schon gedacht haben, 34 % das Firmenschlagwort "Immofinanz" kennen und 28 % das Firmenschlagwort mit Immobilien-Beteiligungsunternehmen in Zusammenhang bringen; bei einer gestützten Befragung („Die Immofinanz ist eine AG, die Immobilienbeteiligungen anbietet. Können Sie sich daran erinnern, Immofinanz in diesem Zusammenhang schon gehört zu haben?") gaben 40 % der Befragten an, „Immofinanz" als Firmenschlagwort der Klägerinnen zu kennen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei der Frage, wann ausreichende Verkehrsgeltung vorliege, um Verwechslungsgefahr zwischen zwei ähnlichen Kennzeichen zu begründen, sei auf den Einzelfall abzustellen. Berücksichtige man, dass "Immofinanz" insoferne nicht rein beschreibend sei, als daraus nicht mit Sicherheit auf die konkrete Tätigkeit der Klägerinnen geschlossen werden könne, reichten 28 % Bekanntheit für die Schutzfähigkeit aus. Bei Prüfung der Verwechslungsfähigkeit sei zu berücksichtigen, dass zwar die Firma der Klägerinnen einen Sinngehalt aufweise, jene der Beklagten aber nicht, weil "Fina" keine Umschreibung einer mit Immobilien zusammenhängenden Tätigkeit sei. Für einen oberflächlichen Betrachter sei "Immofina" dem ihm bekannten Zeichen "Immofinanz" soweit ähnlich, dass Verwechslungsgefahr gerade bei einem nicht überragend bekannten Zeichen zu bejahen sei, weil bei letzterem eher ins Auge falle, dass die Endsilben voneinander abwichen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab; es sprach - ohne seinen Entscheidungsgegenstand zu bewerten - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in seinem Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang offen gelassen habe, ab welchem Grad der Verkehrsgeltung im konkreten Fall Verwechslungsgefahr angenommen werden müsse. Während die Wechselwirkung zwischen dem Grad der Ähnlichkeit von Bezeichnungen und dem Grad der Branchenverschiedenheit völlig einleuchtend sei, sei nur schwer nachvollziehbar, weshalb Bezeichnungen mit gesteigerter Verkehrsgeltung leichter verwechslungsfähig sein sollten. Dies würde bedeuten, dass je höher der Kennzeichnungsgrad sei, also je höher der Prozentsatz innerhalb der beteiligten Verkehrskreise sei, die das Zeichen als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, eine bestimmte Ware oder Leistung ansähen, dieses Zeichen umso eher mit einem anderen, ähnlichen, verwechselt werden könne. Dies sei nur schwer verständlich. Das Firmenschlagwort der Klägerinnen besitze nur einen durchschnittlichen oder „normalen", jedenfalls keinen überragenden Grad an Verkehrsgeltung. Berücksichtige man dazu die ganz erheblichen Unterschiede der beiden Firmenschlagwörter nach Wortbild (die Endung "nz" des Firmenbestandteils der Klägerinnen sei besonders markant und gebe dem Wortbild eine völlig andere Erscheinungsform), Betonung und Wortsinn sowie den Umstand, dass Geldanlagen keine Geschäfte des täglichen Lebens seien, einem höheren Aufmerksamkeitsgrad unterlägen und regelmäßig von überdurchschnittlich gebildeten Personen durchgeführt würden, liege keine Verwechslungsgefahr im engeren Sinne vor. Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne sei zu verneinen, weil der Verkehr nicht annehmen werde, die Klägerinnen hätten im Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Medizinbereich für eine Tochtergesellschaft den Firmenbestandteil „Finanz" aufgegeben und durch einen Bestandteil ohne jede Aussagekraft ersetzt, der noch dazu nicht auf den neuen Geschäftsbereich hinweise.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht (das im ersten Rechtsgang ausgesprochen hat, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, weshalb mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass es weiterhin diese Bewertung zugrundelegt) von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberinnen stellen die Aussage des Berufungsgerichts in Frage, der festgestellte Kennzeichnungsgrad von 28 % sei als durchschnittlich oder normal einzustufen; richtigerweise sei schon ab 25 % eine beachtliche Verkehrsgeltung anzunehmen. Berücksichtige man dazu die Branchengleichheit und Zeichenähnlichkeit, sei Verwechslungsgefahr gegeben. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen.

Verkehrsgeltung liegt vor, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in dieser besonderen Bezeichnung einen eindeutigen Hinweis auf einen bestimmten Rechtsträger und ein bestimmtes Unternehmen erblickt (RIS-Justiz RS0078751).

Ab welchem Grad der Zuordnung Verkehrsgeltung eingetreten ist, lässt sich nicht allgemein beantworten; das hängt vielmehr davon ab, wie unterscheidungskräftig das Zeichen an sich ist und in welchem Umfang ein Freihaltebedürfnis besteht. Je höher das Freihaltebedürfnis und je geringer die Kennzeichnungskraft, desto höher muss die Verkehrsgeltung sein, um einen Schutz zu rechtfertigen (Kucsko, Geistiges Eigentum 301; 4 Ob 28/97i = ÖBl 1997, 176 - MANZ-Rot mwN; RIS-Justiz RS0078807).

Steht die Verkehrsgeltung eines Zeichens fest, so ist in einer umfassenden Gesamtschau sämtlicher in Betracht kommender Faktoren - dazu zählen neben dem Umfang des Schutzbereichs des nach den Behauptungen verletzten Kennzeichens auch die Zeichen- und Branchenähnlichkeit - zu beurteilen, ob nach den im konkreten Fall gegebenen Umständen Verwechslungsgefahr besteht.

Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht die Wechselbeziehung zwischen gesteigerter Kennzeichnungskraft und Verwechslungsgefahr in Frage: Zeichen mit erhöhter Kennzeichnungskraft können einen erweiterten Schutzumfang beanspruchen (4 Ob 325/00y = ÖBl 2001, 159 [Brandstätter/Görg] - T-One; 4 Ob 116/03t mwN; RIS-Justiz RS0118216, RS0115351, RS0114778; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106 - Sabèl/Puma, RdN 24), und zwar ungeachtet der Möglichkeit, dass sie gerade wegen ihrer Bekanntheit von anderen Kennzeichen leichter zu unterscheiden sind (Ströbele/Klaka, dMarkenG § 9 Rz 110 mwN in FN 225).Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht die Wechselbeziehung zwischen gesteigerter Kennzeichnungskraft und Verwechslungsgefahr in Frage: Zeichen mit erhöhter Kennzeichnungskraft können einen erweiterten Schutzumfang beanspruchen (4 Ob 325/00y = ÖBl 2001, 159 [Brandstätter/Görg] - T-One; 4 Ob 116/03t mwN; RIS-Justiz RS0118216, RS0115351, RS0114778; EuGH Slg 1997, I-6191 = ÖBl 1998, 106 - Sabèl/Puma, RdN 24), und zwar ungeachtet der Möglichkeit, dass sie gerade wegen ihrer Bekanntheit von anderen Kennzeichen leichter zu unterscheiden sind (Ströbele/Klaka, dMarkenG Paragraph 9, Rz 110 mwN in FN 225).

Aufgrund des festgestellten Zuordnungsgrads ist davon auszugehen, dass „Immofinanz" jedenfalls kein schwaches Zeichen ist. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit im Wortbild ist zu beachten, dass Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet werden (Ingerl/Rohnke, Markengesetz² § 14 dMarkenG Rz 536 mwN; s auch 4 Ob 50/03m = wbl 2003/280 - CATSAN/CatSil) und dass, wenn zwei Zeichen in mehreren Teilen übereinstimmen, der Umstand zurücktritt, dass sie sich in anderen Teilen unterscheiden (s 3 Ob 433/57 = ÖBl 1957, 89 - Bad Ischler Gesundheitssalz/Bad Ischler Spezialsalz). „Immofinanz" und „Immofina" stimmen in den ersten beiden Silben und auch im daran anschließenden Wortteil „fina" überein. Ihnen sind damit jene Zeichenbestandteile gemeinsam, die den Gesamteindruck des Zeichens der Klägerinnen entscheidend prägen. Angesichts der mit dem Zeichen „Immofinanz" verbundenen und dessen Kennzeichnungskraft begründenden Vorstellungen kann daher das Fehlen der beiden letzten Buchstaben leicht übersehen und beim Hören des Zeichens auch leicht überhört werden. Damit fällt auch nicht ins Gewicht, dass „Immofinanz", zum Unterschied von „Immofina", ohne weiteres Nachdenken an Finanzierungen im Zusammenhang mit Immobilien denken lässt. Diesem Sinngehalt steht kein Sinngehalt von „Immofina" gegenüber, mag der Zeichenbestandteil „Fina" nach dem Vorbringen der Beklagten auch verschiedene Bedeutungen (wie als Bezeichnung des internationalen Schwimmverbands oder als Name einer Heiligen) haben. Keine dieser Bedeutungen ergibt in Verbindung mit „Immo" - anders als die Verbindung von „Immo" und „Finanz" - irgendeinen nachvollziehbaren Sinn.Aufgrund des festgestellten Zuordnungsgrads ist davon auszugehen, dass „Immofinanz" jedenfalls kein schwaches Zeichen ist. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit im Wortbild ist zu beachten, dass Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet werden (Ingerl/Rohnke, Markengesetz² Paragraph 14, dMarkenG Rz 536 mwN; s auch 4 Ob 50/03m = wbl 2003/280 - CATSAN/CatSil) und dass, wenn zwei Zeichen in mehreren Teilen übereinstimmen, der Umstand zurücktritt, dass sie sich in anderen Teilen unterscheiden (s 3 Ob 433/57 = ÖBl 1957, 89 - Bad Ischler Gesundheitssalz/Bad Ischler Spezialsalz). „Immofinanz" und „Immofina" stimmen in den ersten beiden Silben und auch im daran anschließenden Wortteil „fina" überein. Ihnen sind damit jene Zeichenbestandteile gemeinsam, die den Gesamteindruck des Zeichens der Klägerinnen entscheidend prägen. Angesichts der mit dem Zeichen „Immofinanz" verbundenen und dessen Kennzeichnungskraft begründenden Vorstellungen kann daher das Fehlen der beiden letzten Buchstaben leicht übersehen und beim Hören des Zeichens auch leicht überhört werden. Damit fällt auch nicht ins Gewicht, dass „Immofinanz", zum Unterschied von „Immofina", ohne weiteres Nachdenken an Finanzierungen im Zusammenhang mit Immobilien denken lässt. Diesem Sinngehalt steht kein Sinngehalt von „Immofina" gegenüber, mag der Zeichenbestandteil „Fina" nach dem Vorbringen der Beklagten auch verschiedene Bedeutungen (wie als Bezeichnung des internationalen Schwimmverbands oder als Name einer Heiligen) haben. Keine dieser Bedeutungen ergibt in Verbindung mit „Immo" - anders als die Verbindung von „Immo" und „Finanz" - irgendeinen nachvollziehbaren Sinn.

Der Ähnlichkeit in Wortbild und Wortklang entspricht die Ähnlichkeit in den von den Streitteilen angebotenen Dienstleistungen. Beide sind in der Immobilienbranche tätig; beide erwerben und vermieten Immobilien, wobei die Beklagte bisher vor allem im medizinischen Bereich tätig war. Auch die Beklagte hat daher mit Finanzierungen in der Immobilienbranche zu tun, sodass der Schluss nahe liegt, es handle sich - wenn nicht sogar um dasselbe Unternehmen, dessen Name nur unvollständig wiedergegeben wird - jedenfalls um Unternehmen, zwischen denen wirtschaftlich oder organisatorisch ein Zusammenhang besteht. Damit besteht jedenfalls Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn, die im Übrigen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht nur dann zu bejahen ist, wenn der Anschein erweckt wird, es handle sich um Unternehmen, die im Mutter-Tochter-Verhältnis stehen.

Verwechslungsgefahr besteht nicht nur gegenüber der Erstklägerin, sondern auch gegenüber der Zweitklägerin. Ihre Firma enthält - ebenso wie die Firma der Erstklägerin - den Bestandteil „Immofinanz". Als Holdinggesellschaft ist sie im geschäftlichen Verkehr tätig, womit zwangsläufig eine Nutzung ihrer Firma verbunden ist, die - auch für die Zweitklägerin - zur festgestellten Zuordnung des Zeichens führt. Auch die Zweitklägerin ist daher legitimiert, die Verletzung ihrer Zeichenrechte geltend zu machen. In der Revisionsbeantwortung verweist die Beklagte dazu im Übrigen nur auf ihre Ausführungen in der Berufung; der bloße Verweis auf den Inhalt eines früheren Schriftsatzes vermag aber entsprechendes Sachvorbringen nicht zu ersetzen (4 Ob 14/04v). Die Rechtsrüge ist daher insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Der Revision ist Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.Die Kostenentscheidung ist in den Paragraph 41, Absatz eins,, Paragraph 50, Absatz eins, ZPO begründet.

Textnummer

E78821

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0040OB00175.05X.1004.000

Im RIS seit

03.11.2005

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten