TE Vwgh Beschluss 2007/8/1 AW 2007/05/0055

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Veröffentlicht am 01.08.2007
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Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L82001 Bauordnung Burgenland;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauG Bgld 1997 §3;
B-VG Art118 Abs2;
B-VG Art118 Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art119a Abs9;
VwGG §30 Abs1;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Gemeinde B, vertreten durch S und H Rechtsanwälte OEG, der gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 22. Mai 2007, Zl. MA-02-04-63-2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A, 2. G), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG richtet sich gegen einen Vorstellungsbescheid, mit welchem die im innergemeindlichen Instanzenzug erfolgte Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines überdachten Autoabstellplatzes durch den Bauwerber G aufgehoben worden war.

Die Vorstellungsbehörde nahm auf Grund der Vorstellung der mitbeteiligten Nachbarn eine Fülle von Verfahrensfehlern an, deren Behebung sie im fortgesetzten Verfahren auf Gemeindeebene verlangte. Dabei ging sie von der Rechtsauffassung aus, dass auch die Berufungsbehörde im Bauverfahren die von einem Bau zu erwartenden Beeinträchtigungen der Nachbarn von Amts wegen zu prüfen habe und die baupolizeilichen Interessen, die im § 3 Bgld. Baugesetz aufgezählt seien, von der Baubehörde von Amts wegen zu prüfen seien, unabhängig von allfälligen Einwendungen der Nachbarn.

Die beschwerdeführende Gemeinde stützt ihren Antrag, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzubilligen, darauf, dass der aufhebende Vorstellungsbescheid einem Vollzug zugänglich sei; der Gemeinderat wäre innerhalb von drei Monaten verpflichtet, einen Ersatzbescheid zu erlassen, wobei eine Bindung an die rechtskräftigen, jedoch nach Auffassung der Beschwerdeführerin rechtswidrigen Vorgaben der belangten Behörde bestehe. Im Rahmen der geforderten Interessenabwägung sei zu bedenken, dass mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin schon deshalb ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden sei, als in ihr Recht auf Selbstverwaltung eingegriffen werde. Es wäre der beschwerdeführenden Gemeinde verwehrt, den ihr im eigenen Wirkungsbereich zugestandenen Vollzug der Bauvorschriften gesetzmäßig durchzuführen, dies widerspräche der Funktionsfähigkeit des Rechtschutzsystems der Bundesverfassung. Diesen Interessen der beschwerdeführenden Gemeinde stünden keine, schon gar keine gleichwertigen anderweitigen Interessen bzw. öffentlichen Interessen entgegen; eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung liege vielmehr auch im besonderen Interesse des Bauführers.

Die belangte Behörde räumte in ihrer Äußerung die Vollzugstauglichkeit des abweisenden (richtig: aufhebenden) Bescheides ein; dem zur Dartuung des unverhältnismäßigen Nachteiles geforderten Konkretisierungsgebot entspreche der behauptete Eingriff in die Selbstverwaltung nicht. Es liege kein unverhältnismäßiger Nachteil vor, da das Verfahren mangelhaft durchgeführt worden sei und nicht ersichtlich sei, warum dadurch in das Recht auf Selbstverwaltung eingegriffen werde. Das Verfahren diene bloß der Vervollständigung der Entscheidungsgrundlagen und es liege daher der rasche Abschluss im Interesse der Parteien. Ein unverhältnismäßiger Nachteil sei nicht erkennbar.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der angefochtene Vorstellungsbescheid ist - trotz seines kassatorischen Charakters - zufolge der durch die eingetretene Rechtskraft verursachten Bindung an die tragenden Aufhebungsgründe einer Umsetzung in die Wirklichkeit zugänglich (siehe dazu die hg. Beschlüsse vom 23. November 1987, Zl. AW 87/05/0031, BauSlg. Nr. 1009, vom 3. Mai 2006, AW 2006/05/0026und vom 19. Jänner 2004, AW 2003/06/0055). Allerdings kann die in den beiden zuletzt genannten Beschlüssen aufgezeigte Folge, dass die Gemeindebehörden auf Grund der bindenden Rechtsansicht eine Baubewilligung erteilen und damit ein irreversible Entscheidung treffen müssen, bei der hier gegebenen Verfahrenskonstellation nicht eintreten; hier liegt ja ein Mehrparteienverfahren vor, bei dem der jeweils Gegenbeteiligte (Nachbar oder Bauwerber) wieder den Instanzenzug beschreiten kann. Der "Nachteil" der Gemeinde besteht allein darin, dass sie ihre Entscheidungsgrundlage verbreitern muss; die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde ist jedenfalls einer Überprüfung - sei es im gegebenen Fall, sei es auf Grund einer neuerlichen Entscheidung der Gemeindebehörden - zugänglich.

Allein die Berufung auf das Recht auf Selbstverwaltung würde dazu führen, dass den bei einer gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG erhobenen Beschwerde stets die aufschiebende Wirkung zuzubilligen wäre; dem steht schon der Grundtatbestand des § 30 Abs. 1 VwGG entgegen, wonach den Beschwerden eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zukommt. Auch eine Verfahrensergänzung ist typische Folge einer kassatorischen Vorstellungsentscheidung; soweit damit "Nachteile" für die Gemeinde verbunden sind, ist nicht erkennbar, wieso diese Nachteile "unverhältnismäßig" sein sollen. Verfehlt ist der Verweis der Beschwerdeführerin auf die Nachteile des Bauwerbers; abgesehen davon, dass der Bauwerber nicht gehindert war, seine Interessen durch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und einen damit verbundenen Antrag zu wahren, müsste die Interessenlage der Nachbarn genauso Berücksichtigung finden.

Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt werden. Wien, am 1. August 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Baurecht Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde (siehe auch B-VG Art118 Abs2 und Abs3) Unverhältnismäßiger Nachteil Vollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:AW2007050055.A00

Im RIS seit

02.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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