TE OGH 2005/10/18 1Ob191/05b

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Veröffentlicht am 18.10.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau sowie Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Friedrich K*****, infolge Revisionsrekurses des W*****vereins, *****, vertreten durch Dr. Michael Zerdik, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 7. April 2005, GZ 25 R 267/04y, 268/04w, 269/04t-32, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Schwechat je vom 2. November 2004, GZ 8 A 181/03w-19, 20 und vom 22. November 2004, GZ 8 A 181/03w-23, teilweise aufgehoben wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Erblasser verstarb unter Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung, in welcher er seine Ehegattin zur Alleinerbin einsetzte und anordnete, für den Fall dass seine Ehegattin vor ihm, gleichzeitig mit ihm oder noch vor Abgabe einer Erbserklärung zu seinem Nachlass versterben sollte, seine Schwiegermutter Erbin sei. Falls auch diese bereits verstorben sein sollte, solle der Revisionsrekurswerber sein Erbe sein. Die Ehegattin verstarb etwa sechs Wochen nach dem Erblasser, ohne eine Erbserklärung abgegeben zu haben, hinterließ aber ein Testament, in welchem sie ihrerseits einen Alleinerben zu ihrem Nachlass eingesetzt hatte, wobei der Nachlass diesem Erben auch eingeantwortet wurde. Die Schwiegermutter war zum Todeszeitpunkt des Erblassers bereits vorverstorben.

Das Erstgericht nahm die vom Revisionsrekurswerber auf Grund des Testaments des Erblassers zum gesamten Nachlass abgegebene bedingte Erbserklärung an und übertrug ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses. Die Erklärung des erbserklärten Alleinerben in der Verlassenschaft nach der erblasserischen Witwe, namens dieser deren Pflichtteil geltend zu machen, nahm das Erstgericht zur Kenntnis.

Der Revisionsrekurswerber bestritt den Pflichtteilsanspruch mit der Begründung, es habe keine Transmission stattgefunden, weshalb ihm als Ersatzerben der Nachlass unbelastet durch Pflichtteilsansprüche zugefallen sei.

Mit Beschluss vom 2. 11. 2004 (ON 19) ermächtigte das Erstgericht den Bevollmächtigten des Revisionsrekurswerbers, bestimmte Guthaben zu beheben (Punkt 4), erließ die Einantwortungsurkunde und erklärte mit deren Rechtskraft die Verlassenschaftsabhandlung für beendet (Punkt 6). Der Nachlass wurde auf Grund des Testaments zur Gänze dem Revisionswerber eingeantwortet (ON 20).

Noch vor Zustellung der Einantwortungsurkunde beantragte der mittlerweile eingeantwortete Erbe nach der Witwe die Absonderung des Nachlasses vom Vermögen des Ersatzerben (des Revisionsrekurswerbers) mit dem Vorbringen, nach Medienberichten stehe dieser vor der Insolvenz.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Nachlassseparation mit Beschluss vom 22. 11. 2004 (ON 23) ab. Die Witwe sei im Testament als Alleinerbin eingesetzt worden, weshalb „die Entstehung eines Pflichtteilsanspruchs ausscheide". Eine sonstige Forderung, die die Absonderung des Nachlasses rechtfertigte, habe der Erbe der Witwe nicht behauptet.

Das Rekursgericht hob den Beschluss ON 19 in diesem Punkten 4), 6) und 7) (in den übrigen Punkten blieb er unbekämpft) auf, ebenso die Beschlüsse ON 20 (Einantwortungsurkunde) und ON 23, und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt EUR 20.000 übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Der Pflichtteilsanspruch entstehe bereits mit dem Tod des Erblassers und nicht erst mit dieser Geltendmachung, weshalb er auch sofort vererblich sei. Der Umstand, dass die Witwe auf Grund testamentarischer Anordnung Alleinerbin gewesen sei, verhindere nicht den Anfall des Pflichtteils zum Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers, könne sich doch auch der letztwillig oder kraft Gesetzes berufene Erbe auf sein Pflichtteilsrecht stützen und gemäß den §§ 785, 951 ABGB vorgehen. Dieser Pflichtteilsanspruch der Witwe sei im Erbweg auf deren Testamentserben übergegangen, weshalb dieser unter den Vorraussetzungen des § 812 ABGB die Nachlassseparation geltend machen könne.Das Rekursgericht hob den Beschluss ON 19 in diesem Punkten 4), 6) und 7) (in den übrigen Punkten blieb er unbekämpft) auf, ebenso die Beschlüsse ON 20 (Einantwortungsurkunde) und ON 23, und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt EUR 20.000 übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Der Pflichtteilsanspruch entstehe bereits mit dem Tod des Erblassers und nicht erst mit dieser Geltendmachung, weshalb er auch sofort vererblich sei. Der Umstand, dass die Witwe auf Grund testamentarischer Anordnung Alleinerbin gewesen sei, verhindere nicht den Anfall des Pflichtteils zum Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers, könne sich doch auch der letztwillig oder kraft Gesetzes berufene Erbe auf sein Pflichtteilsrecht stützen und gemäß den Paragraphen 785,, 951 ABGB vorgehen. Dieser Pflichtteilsanspruch der Witwe sei im Erbweg auf deren Testamentserben übergegangen, weshalb dieser unter den Vorraussetzungen des § 812 ABGB die Nachlassseparation geltend machen könne.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Ersatzerben ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Rahmen der Voraussetzungen des § 812 ABGB kann ein Erbschaftsgläubiger die Nachlassabsonderung verlangen. Der Zweck einer solchen Maßnahme besteht darin, die Befriedigung des Absonderungsgläubigers aus dem getrennt verwalteten Sondervermögen auch noch nach Einantwortung des Nachlasses sicherzustellen, somit den Separationsgläubiger vor allen Gefahren zu schützen, die infolge der tatsächlichen Nachlassverfügungsgewalt des Erben entstehen könnten (1 Ob 2222/96p; 1 Ob 2086/96p; SZ 65/113; SZ 61/131 ua). Ein Nachlassgläubiger hat die behauptete Forderung zu bescheinigen (1 Ob 2222/96p; Eccher in Schwimann, ABGB2 § 812 Rz 7; Welser in Rummel, ABGB3 Rz 13 zu § 812), nicht existente Ansprüche verleihen keine Gläubigerstellung (RIS-Justiz RS0109530). Der strikte Nachweis des Bestands seiner Forderung kann jedoch vom Gläubiger nicht verlangt werden (RIS-Justiz RS0013067). Beim Noterben ist die Bescheinigungspflicht schon durch den Hinweis auf die für seine Rechtsstellung gemäß § 762 ABGB erforderliche verwandtschaftliche Beziehung zum Erblasser erfüllt (1 Ob 2086/96p). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, der Antragsteller habe die von ihm behauptete Forderung ausreichend bescheinigt, um die Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben zu erreichen - sofern die von ihm angeführten Umstände eine subjektive Besorgnis begründet erscheinen lassen (vgl 6 Ob 32/01a) -, steht mit diesen Grundsätzen in Einklang:Im Rahmen der Voraussetzungen des § 812 ABGB kann ein Erbschaftsgläubiger die Nachlassabsonderung verlangen. Der Zweck einer solchen Maßnahme besteht darin, die Befriedigung des Absonderungsgläubigers aus dem getrennt verwalteten Sondervermögen auch noch nach Einantwortung des Nachlasses sicherzustellen, somit den Separationsgläubiger vor allen Gefahren zu schützen, die infolge der tatsächlichen Nachlassverfügungsgewalt des Erben entstehen könnten (1 Ob 2222/96p; 1 Ob 2086/96p; SZ 65/113; SZ 61/131 ua). Ein Nachlassgläubiger hat die behauptete Forderung zu bescheinigen (1 Ob 2222/96p; Eccher in Schwimann, ABGB2 § 812 Rz 7; Welser in Rummel, ABGB3 Rz 13 zu § 812), nicht existente Ansprüche verleihen keine Gläubigerstellung (RIS-Justiz RS0109530). Der strikte Nachweis des Bestands seiner Forderung kann jedoch vom Gläubiger nicht verlangt werden (RIS-Justiz RS0013067). Beim Noterben ist die Bescheinigungspflicht schon durch den Hinweis auf die für seine Rechtsstellung gemäß § 762 ABGB erforderliche verwandtschaftliche Beziehung zum Erblasser erfüllt (1 Ob 2086/96p). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, der Antragsteller habe die von ihm behauptete Forderung ausreichend bescheinigt, um die Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben zu erreichen - sofern die von ihm angeführten Umstände eine subjektive Besorgnis begründet erscheinen lassen vergleiche 6 Ob 32/01a) -, steht mit diesen Grundsätzen in Einklang:

Der Erblasser hatte seine Ehegattin zur Alleinerbin eingesetzt. Diese Erbeinsetzung sollte nach dem Inhalt der letztwilligen Verfügung aber nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn es der Ehegattin noch möglich sein sollte, eine Erbserklärung zum Nachlass des Erblassers abzugeben. Dieser Fall ist nicht eingetreten, weshalb die vom Erblasser angeordnete Ersatzerbschaft zum Tragen kam. Die Erbeneigenschaft der Ehegattin des Erblassers war sohin von der Bedingung abhängig, dass ihr die Abgabe einer Erbserklärung noch möglich wäre. Damit wurde aber die Ehegattin des Erblassers, obwohl sie den Erbanfall erlebt hatte, entgegen § 762 ABGB in der letztwilligen Anordnung des Erblassers in Wahrheit nicht bedacht. Das bedeutet aber, dass sie einen Pflichtteilsanspruch hatte, der - bedingt mit dem Nichtantritt der Erbschaft durch die Gattin des Erblassers, aus welchem Grunde immer - bereits mit dem Tod des Erblassers entstand. Dieser Pflichtteilsanspruch ist nach der ständigen, von der Lehre gebilligten Judikatur des Obersten Gerichthofs vererblich (6 Ob 263/03z mwN), wobei es nicht der Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten selbst bedarf (RIS-Justiz RS0003854). Unstrittig ist, dass der Nachlass nach der Witwe des Erblassers einem Alleinerben eingeantwortet wurde, der die Absonderung des Nachlasses begehrte. Das bedeutet aber, dass der (vererbliche) Pflichtteilsanspruch der Witwe des Erblassers auf deren Alleinerben übergegangen ist und sich dieser sohin zu Recht auf seine Stellung als Erbschaftsgläubiger beruft (Welser aaO Rz 3 zu § 537; Eccher aaO Rz 9 zu § 531 mwN). Die Ansicht des Rekursgerichts, der Erbe nach der Witwe des Erblassers sei unter den Voraussetzungen des § 812 ABGB zur Geltendmachung einer Nachlassseparation berechtigt, ist sohin frei von Rechtsirrtum. Ob diese Voraussetzungen - mit Ausnahme der endgültig klargestellten Nachlassgläubigereigenschaft des Erben der Witwe - vorliegen, kann dennoch nicht abschließend beantwortet werden. Wie schon das Rekursgericht richtig ausführte, wurde der Revisionsrekurswerber zum Absonderungsantrag nicht gehört, obwohl dies dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs zufolge und in Anbetracht der Bestimmung des Art 6 EMRK geboten ist (1 Ob 2222/96p mwN). Es stünde schließlich auch dem Revisionsrekurswerber offen, die Nachlassseparation durch Erlag einer entsprechenden Sicherheit abzuwenden (Welser aaO § 812 Rz 18 mwN).Der Erblasser hatte seine Ehegattin zur Alleinerbin eingesetzt. Diese Erbeinsetzung sollte nach dem Inhalt der letztwilligen Verfügung aber nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn es der Ehegattin noch möglich sein sollte, eine Erbserklärung zum Nachlass des Erblassers abzugeben. Dieser Fall ist nicht eingetreten, weshalb die vom Erblasser angeordnete Ersatzerbschaft zum Tragen kam. Die Erbeneigenschaft der Ehegattin des Erblassers war sohin von der Bedingung abhängig, dass ihr die Abgabe einer Erbserklärung noch möglich wäre. Damit wurde aber die Ehegattin des Erblassers, obwohl sie den Erbanfall erlebt hatte, entgegen § 762 ABGB in der letztwilligen Anordnung des Erblassers in Wahrheit nicht bedacht. Das bedeutet aber, dass sie einen Pflichtteilsanspruch hatte, der - bedingt mit dem Nichtantritt der Erbschaft durch die Gattin des Erblassers, aus welchem Grunde immer - bereits mit dem Tod des Erblassers entstand. Dieser Pflichtteilsanspruch ist nach der ständigen, von der Lehre gebilligten Judikatur des Obersten Gerichthofs vererblich (6 Ob 263/03z mwN), wobei es nicht der Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten selbst bedarf (RIS-Justiz RS0003854). Unstrittig ist, dass der Nachlass nach der Witwe des Erblassers einem Alleinerben eingeantwortet wurde, der die Absonderung des Nachlasses begehrte. Das bedeutet aber, dass der (vererbliche) Pflichtteilsanspruch der Witwe des Erblassers auf deren Alleinerben übergegangen ist und sich dieser sohin zu Recht auf seine Stellung als Erbschaftsgläubiger beruft (Welser aaO Rz 3 zu Paragraph 537 ;, Eccher aaO Rz 9 zu § 531 mwN). Die Ansicht des Rekursgerichts, der Erbe nach der Witwe des Erblassers sei unter den Voraussetzungen des § 812 ABGB zur Geltendmachung einer Nachlassseparation berechtigt, ist sohin frei von Rechtsirrtum. Ob diese Voraussetzungen - mit Ausnahme der endgültig klargestellten Nachlassgläubigereigenschaft des Erben der Witwe - vorliegen, kann dennoch nicht abschließend beantwortet werden. Wie schon das Rekursgericht richtig ausführte, wurde der Revisionsrekurswerber zum Absonderungsantrag nicht gehört, obwohl dies dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs zufolge und in Anbetracht der Bestimmung des Artikel 6, EMRK geboten ist (1 Ob 2222/96p mwN). Es stünde schließlich auch dem Revisionsrekurswerber offen, die Nachlassseparation durch Erlag einer entsprechenden Sicherheit abzuwenden (Welser aaO Paragraph 812, Rz 18 mwN).

Der Aufhebungsbeschluss des Gerichts zweiter Instanz ist demnach zu bestätigen.

Textnummer

E78875

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00191.05B.1018.000

Im RIS seit

17.11.2005

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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