Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gerta J*****, vertreten durch Dr. Helmut Klement, Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner und Mag. Heimo Allitsch, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Birgit J*****, vertreten durch Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 14. Juni 2005, GZ 3 R 63/05i-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz vom 18. Jänner 2005, GZ 6 C 167/04s-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Berufungsgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Beklagte bewohnt eine im Eigentum der Klägerin, ihrer Mutter, stehende Wohnung mit einer Fläche von ca 120 m².
Die Klägerin begehrte die Räumung dieser Wohnung. Sie habe der Beklagten „aufgrund familienrechtlicher Beziehungen" gestattet, die Wohnung fünf Jahre lang, bis November 2002, zu nutzen. Nach Ablauf dieser Frist habe es die Beklagte abgelehnt, im Sinne der schon seinerzeit getroffenen Vereinbarungen ein Mietverhältnis zu begründen und einen angemessenen Mietzins zu zahlen.
Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, es habe von vornherein ein Mietvertrag bestanden, der nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer - mangels Auflösung durch die Klägerin - fortgesetzt worden sei. Ungeachtet des geringfügigen Hauptmietzinses von 1 S pro Monat habe es sich im Hinblick auf die Höhe der monatlich zu leistenden Betriebskosten und der Heizkosten um kein familienrechtliches Nutzungsverhältnis gehandelt. Schon durch die Übernahme der anteiligen Grundsteuer im Rahmen der Betriebskosten liege eine die Annahme eines Mietverhältnisses rechtfertigende Gegenleistung vor. Auch die als Immobilienmaklerin mit dem entsprechenden Fachwissen ausgestattete Klägerin habe den Willen gehabt, ein Mietverhältnis zu begründen.
Die Klägerin replizierte, die Beklagte habe von Beginn an lediglich die Betriebskosten gezahlt. Ein Parteiwille, schon ursprünglich ein kündigungsgeschütztes Mietverhältnis abzuschließen, habe nicht bestanden. Der Beklagten sei lediglich die Option eingeräumt worden, nach Ablauf der vereinbarten Befristung ein Mietverhältnis zu begründen, was diese jedoch schließlich abgelehnt habe.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt und vertraten die Rechtsansicht, es habe kein Mietvertrag, sondern eine (befristete) unentgeltliche Gebrauchsüberlassung vorgelegen. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Art nicht zu lösen gewesen seien.Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt und vertraten die Rechtsansicht, es habe kein Mietvertrag, sondern eine (befristete) unentgeltliche Gebrauchsüberlassung vorgelegen. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil Rechtsfragen der in § 502 Absatz eins, ZPO genannten Art nicht zu lösen gewesen seien.
Rechtliche Beurteilung
Offenbar im Hinblick auf § 502 Abs 5 Z 2 ZPO hat das Berufungsgericht einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO unterlassen. Dabei hat es jedoch übersehen, dass Räumungsklagen nur dann der Regelung des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO unterfallen, wenn es sich um „unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallende Streitigkeiten" handelt. Eine solche Streitigkeit liegt jedoch nicht vor, hat doch die Klägerin ihr Klagebegehren nicht auf die Beendigung oder Auflösung eines Bestand- oder sonstigen Vertrags iSd der genannten Vorschrift der JN gestützt, sondern sich darauf berufen, dass das Benützungsrecht der Beklagten durch Ablauf einer unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung geendet habe. Für die Qualifikation eines Räumungsbegehrens als eine „unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallende Streitigkeit" kommt es regelmäßig allein auf die Klagebehauptungen an (vgl dazu nur die Nachweise bei Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 191).Offenbar im Hinblick auf § 502 Abs 5 Ziffer 2, ZPO hat das Berufungsgericht einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands gemäß § 500 Abs 2 Ziffer eins, ZPO unterlassen. Dabei hat es jedoch übersehen, dass Räumungsklagen nur dann der Regelung des § 502 Abs 5 Ziffer 2, ZPO unterfallen, wenn es sich um „unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallende Streitigkeiten" handelt. Eine solche Streitigkeit liegt jedoch nicht vor, hat doch die Klägerin ihr Klagebegehren nicht auf die Beendigung oder Auflösung eines Bestand- oder sonstigen Vertrags iSd der genannten Vorschrift der JN gestützt, sondern sich darauf berufen, dass das Benützungsrecht der Beklagten durch Ablauf einer unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung geendet habe. Für die Qualifikation eines Räumungsbegehrens als eine „unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallende Streitigkeit" kommt es regelmäßig allein auf die Klagebehauptungen an vergleiche dazu nur die Nachweise bei Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 191).
Ohne eine entsprechenden Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts kann somit nicht beurteilt werden, ob eine außerordentliche Revision überhaupt in Betracht kommt. Das Berufungsgericht wird den unterlassenen Bewertungsausspruch daher nachzuholen haben. Sollte es aussprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000 übersteigt, wird es zweckmäßigerweise den als „außerordentliche Revision" bezeichneten Schriftsatz der Beklagten gleichzeitig als Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO zu behandeln und darüber abzusprechen habe, ob der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision abgeändert (§ 508 Abs 3 ZPO) oder der Antrag gemeinsam mit der Revision zurückgewiesen (§ 508 Abs 4 ZPO) wird.Ohne eine entsprechenden Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts kann somit nicht beurteilt werden, ob eine außerordentliche Revision überhaupt in Betracht kommt. Das Berufungsgericht wird den unterlassenen Bewertungsausspruch daher nachzuholen haben. Sollte es aussprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000 übersteigt, wird es zweckmäßigerweise den als „außerordentliche Revision" bezeichneten Schriftsatz der Beklagten gleichzeitig als Antrag nach § 508 Absatz eins, ZPO zu behandeln und darüber abzusprechen habe, ob der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision abgeändert (§ 508 Absatz 3, ZPO) oder der Antrag gemeinsam mit der Revision zurückgewiesen (§ 508 Abs 4 ZPO) wird.
Im Falle der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs bzw einer Bewertung des Entscheidungsgegenstandes mit einem EUR 20.000 übersteigenden Betrag sind die Akten - im ersten Fall unter Berücksichtigung des § 508 Abs 5 ZPO - wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Textnummer
E78987European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00199.05D.1018.000Im RIS seit
17.11.2005Zuletzt aktualisiert am
13.12.2010