Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes DDr. Huberger als Vorsitzenden sowie den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Lindner und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Jahn in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr. C*****, Rechtsanwalt in Wien, als bestellter Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Dr. M*****, vertreten durch Dr. S*****, Rechtsanwalt in Wien, als bestellter Verfahrenshelfer, wegen EUR 133.461,36 s.A., Anfechtung und Feststellung über den Rekurs des Antragstellers Dr. A*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21.6.2005, 55 Cg 65/00h-71, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung, allenfalls nach Ergänzung des Verfahrens über den Antrag auf Entlohnung des Antragstellers aufgetragen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22.5.2000 zu 57 Nc 4/00v wurde dem Kläger die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt und in der Folge von der Rechtsanwaltskammer Wien der Antragsteller Rechtsanwalt Dr. A*****zum Verfahrenshilfeanwalt bestellt.
Dieser vertrat den Kläger von der Klagseinbringung am 26.5.2000 bis zur Umbestellung mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 22.11.2002 (ON 33), mit welchem Rechtsanwalt Dr. C***** von der Rechtsanwaltskanzlei F***** - welcher zuvor auch der Antragsteller angehört hatte - als Verfahrenshilfeanwalt bestellt wurde. Mit Urteil vom 9.12.2002 (ON 46) gab das Erstgericht dem auf die Aufhebung eines Kaufvertrages, Zahlung von EUR 133.461,36 s.A. und Feststellung der Haftung für künftige Schäden, Kosten und Nachteile gerichteten Klagebegehren statt, wies ein - nicht ins Gewicht fallendes - Mehrbegehren ab und verpflichtete die Beklagte gemäß § 43 Abs 2 1. Fall ZPO zum Kostenersatz in Höhe von EUR 18.589,73. Der gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht mit Urteil vom 14.5.2003 (ON 50) zu 13 R 40/03b nicht Folge.Dieser vertrat den Kläger von der Klagseinbringung am 26.5.2000 bis zur Umbestellung mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 22.11.2002 (ON 33), mit welchem Rechtsanwalt Dr. C***** von der Rechtsanwaltskanzlei F***** - welcher zuvor auch der Antragsteller angehört hatte - als Verfahrenshilfeanwalt bestellt wurde. Mit Urteil vom 9.12.2002 (ON 46) gab das Erstgericht dem auf die Aufhebung eines Kaufvertrages, Zahlung von EUR 133.461,36 s.A. und Feststellung der Haftung für künftige Schäden, Kosten und Nachteile gerichteten Klagebegehren statt, wies ein - nicht ins Gewicht fallendes - Mehrbegehren ab und verpflichtete die Beklagte gemäß Paragraph 43, Absatz 2, 1. Fall ZPO zum Kostenersatz in Höhe von EUR 18.589,73. Der gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht mit Urteil vom 14.5.2003 (ON 50) zu 13 R 40/03b nicht Folge.
Mit Schriftsatz vom 22.3.2005 (ON 62) beantragte der ehemalige Verfahrenshilfeanwalt Dr. A***** unter Vorlage eines Kostenverzeichnisses, seine Entlohnung nach § 71 ZPO mit EUR 10.174,78 zu bestimmen. Der Kläger habe von den in diesem Verfahren zugesprochenen Beträgen exekutiv EUR 61.650,-- erhalten. Darüber hinaus habe er von der Vermittlerin nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches EUR 110.000,-- und die mit dem Urteil vom 9.12.2002 zugesprochene Maklerprovision von EUR 3.488,30 erhalten. Auch könne er die Grunderwerbssteuer von EUR 3.942,50 zurückfordern. Dies gestatte dem Kläger die tarifmäßige Entlohnung der Leistungen seines Verfahrenshilfeanwaltes (EUR 12.470,06 abzüglich eines von der Rechtsanwaltskanzlei F***** überwiesenen Betrages von EUR 2.295,28) ohne Beeinträchtigung seines notwendigen Unterhalts. Mit Schriftsatz vom 28.4.2005 (ON 66) legte der Kläger ein Vermögensbekenntnis vor und brachte ergänzend vor, er habe sämtliche Gelder an seine damals den Kauf finanzierenden Eltern weitergeleitet und zur Finanzierung eines anderen Objektes neuerlich ein Darlehen aufnehmen müssen. Zudem habe der Antragsteller seine Leistungen als Verfahrenshilfeanwalt im Zuge seiner Tätigkeit für die Anwaltskanzlei F***** erbracht und mit dieser vereinbart, dass sämtliche Einnahmen aus von ihm geführten Akten der Sozietät zustünden. Zur Abgeltung seiner Leistungen nach seinem Ausscheiden aus der Anwaltskanzlei seien dem Antragsteller EUR 2.295,28 überwiesen worden. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag mit der Begründung zurück, über die Vertretungskosten des Antragstellers sei gemäß § 70 ZPO bereits mit Urteil vom 9.12.2002 rechtskräftig abgesprochen worden, weshalb eine nachträgliche Kostenbestimmung nach § 71 ZPO nicht in Frage komme.Mit Schriftsatz vom 22.3.2005 (ON 62) beantragte der ehemalige Verfahrenshilfeanwalt Dr. A***** unter Vorlage eines Kostenverzeichnisses, seine Entlohnung nach Paragraph 71, ZPO mit EUR 10.174,78 zu bestimmen. Der Kläger habe von den in diesem Verfahren zugesprochenen Beträgen exekutiv EUR 61.650,-- erhalten. Darüber hinaus habe er von der Vermittlerin nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches EUR 110.000,-- und die mit dem Urteil vom 9.12.2002 zugesprochene Maklerprovision von EUR 3.488,30 erhalten. Auch könne er die Grunderwerbssteuer von EUR 3.942,50 zurückfordern. Dies gestatte dem Kläger die tarifmäßige Entlohnung der Leistungen seines Verfahrenshilfeanwaltes (EUR 12.470,06 abzüglich eines von der Rechtsanwaltskanzlei F***** überwiesenen Betrages von EUR 2.295,28) ohne Beeinträchtigung seines notwendigen Unterhalts. Mit Schriftsatz vom 28.4.2005 (ON 66) legte der Kläger ein Vermögensbekenntnis vor und brachte ergänzend vor, er habe sämtliche Gelder an seine damals den Kauf finanzierenden Eltern weitergeleitet und zur Finanzierung eines anderen Objektes neuerlich ein Darlehen aufnehmen müssen. Zudem habe der Antragsteller seine Leistungen als Verfahrenshilfeanwalt im Zuge seiner Tätigkeit für die Anwaltskanzlei F***** erbracht und mit dieser vereinbart, dass sämtliche Einnahmen aus von ihm geführten Akten der Sozietät zustünden. Zur Abgeltung seiner Leistungen nach seinem Ausscheiden aus der Anwaltskanzlei seien dem Antragsteller EUR 2.295,28 überwiesen worden. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag mit der Begründung zurück, über die Vertretungskosten des Antragstellers sei gemäß Paragraph 70, ZPO bereits mit Urteil vom 9.12.2002 rechtskräftig abgesprochen worden, weshalb eine nachträgliche Kostenbestimmung nach Paragraph 71, ZPO nicht in Frage komme.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der im Sinne des in eventu gestellten Aufhebungsantrages berechtigte Rekurs des Antragstellers (ON 72).
Auf die Erstattung einer Rekursbeantwortung wurde - für den Fall des Bestehens einer solchen Möglichkeit - seitens der Revisoren (AS 507 verso) verzichtet.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes schließt die rechtskräftige Verpflichtung des Prozessgegners einer durch einen Verfahrenshilfeanwalt vertretenen Partei zum Kostenersatz iSd § 70 Satz 3 ZPO nicht die Verpflichtung zur Nachzahlung nach § 71 ZPO - liegen die Voraussetzungen dafür vor - aus. Wie der Rekurswerber richtig darauf hinweist, ist Gläubiger des Kostenersatzanspruches nicht der Verfahrenshilfeanwalt, sondern die Partei selbst. § 70 Satz 3 ZPO entspricht dem Grundsatz, den Prozessgegner kostenmäßig soweit wie möglich eben so zu behandeln, als würde er gegen eine Partei ohne Verfahrenshilfe prozessieren (vgl Bydlinski in Fasching² § 70, Rz 7f). Hingegen gewährt § 71 ZPO dem Verfahrenshilfeanwalt einen Entlohnungsanspruch unabhängig vom Prozessausgang bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Hat daher die durch einen Verfahrenshilfeanwalt vertretene Partei obsiegt und wurde ihr Kostenersatz in Höhe des (fiktiven) Anwaltshonorars nach § 70 Satz 3 ZPO zugesprochen, so führt ein nach § 71 Abs 2 ZPO ergehender Beschluss über die Verpflichtung der Partei zur Entlohnung des Rechtsanwalts in bestimmter Höhe dazu, dass einerseits die Partei vom Gegner, anderseits aber der Anwalt von der Partei Ersatz der Rechtsanwaltskosten bzw des Anwaltshonorars verlangen kann, womit soweit wie möglich sichergestellt ist, dass der Anwalt ohne größere Komplikationen zu einer Honorierung der von ihm erbrachten Leistungen - im Ergebnis zu Lasten des unterlegenen Prozessgegners - kommen kann (Bydlinski aaO § 71, Rz 6).Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes schließt die rechtskräftige Verpflichtung des Prozessgegners einer durch einen Verfahrenshilfeanwalt vertretenen Partei zum Kostenersatz iSd Paragraph 70, Satz 3 ZPO nicht die Verpflichtung zur Nachzahlung nach Paragraph 71, ZPO - liegen die Voraussetzungen dafür vor - aus. Wie der Rekurswerber richtig darauf hinweist, ist Gläubiger des Kostenersatzanspruches nicht der Verfahrenshilfeanwalt, sondern die Partei selbst. Paragraph 70, Satz 3 ZPO entspricht dem Grundsatz, den Prozessgegner kostenmäßig soweit wie möglich eben so zu behandeln, als würde er gegen eine Partei ohne Verfahrenshilfe prozessieren vergleiche Bydlinski in Fasching² Paragraph 70,, Rz 7f). Hingegen gewährt Paragraph 71, ZPO dem Verfahrenshilfeanwalt einen Entlohnungsanspruch unabhängig vom Prozessausgang bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Hat daher die durch einen Verfahrenshilfeanwalt vertretene Partei obsiegt und wurde ihr Kostenersatz in Höhe des (fiktiven) Anwaltshonorars nach Paragraph 70, Satz 3 ZPO zugesprochen, so führt ein nach Paragraph 71, Absatz 2, ZPO ergehender Beschluss über die Verpflichtung der Partei zur Entlohnung des Rechtsanwalts in bestimmter Höhe dazu, dass einerseits die Partei vom Gegner, anderseits aber der Anwalt von der Partei Ersatz der Rechtsanwaltskosten bzw des Anwaltshonorars verlangen kann, womit soweit wie möglich sichergestellt ist, dass der Anwalt ohne größere Komplikationen zu einer Honorierung der von ihm erbrachten Leistungen - im Ergebnis zu Lasten des unterlegenen Prozessgegners - kommen kann (Bydlinski aaO Paragraph 71,, Rz 6).
Es kommt daher auch hier eine Verpflichtung des Klägers zur Nachzahlung gemäß § 71 ZPO in Betracht. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat das Erstgericht aber zur dafür erforderlichen Beurteilung keine Feststellungen getroffen, weshalb dem Rekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung, allenfalls nach Ergänzung des Verfahrens über den Entlohnungsantrag aufzutragen war. Bei einer neuerlichen Beschlussfassung werden insbesondere die dem Kläger zugekommenen Beträge und die Art deren allfälliger Verwendung durch ihn - die Aufwendung erheblicher Barmittel für andere Zwecke in Kenntnis der Prozesskosten befreit nicht von der Nachzahlungspflicht (MGA ZPO15 § 71, E 5) - sowie allenfalls die Vermögensverhältnisse von (soweit vorhanden) unterhaltspflichtigen Personen (Bydlinski aaO § 63, Rz 70) zu berücksichtigen sein. Weiters wird zu beachten sein, dass bei Einforderung der gestundeten Gebühren die in § 71 Abs 2 ZPO vorgesehene Rangordnung zwingend einzuhalten ist (vgl dazu Bydlinski aaO § 71, Rz 13). Hingegen ist es ohne Bedeutung, welche Vereinbarungen der Antragsteller mit der Anwaltskanzlei F***** getroffen hat.Es kommt daher auch hier eine Verpflichtung des Klägers zur Nachzahlung gemäß Paragraph 71, ZPO in Betracht. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat das Erstgericht aber zur dafür erforderlichen Beurteilung keine Feststellungen getroffen, weshalb dem Rekurs Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung, allenfalls nach Ergänzung des Verfahrens über den Entlohnungsantrag aufzutragen war. Bei einer neuerlichen Beschlussfassung werden insbesondere die dem Kläger zugekommenen Beträge und die Art deren allfälliger Verwendung durch ihn - die Aufwendung erheblicher Barmittel für andere Zwecke in Kenntnis der Prozesskosten befreit nicht von der Nachzahlungspflicht (MGA ZPO15 Paragraph 71,, E 5) - sowie allenfalls die Vermögensverhältnisse von (soweit vorhanden) unterhaltspflichtigen Personen (Bydlinski aaO Paragraph 63,, Rz 70) zu berücksichtigen sein. Weiters wird zu beachten sein, dass bei Einforderung der gestundeten Gebühren die in Paragraph 71, Absatz 2, ZPO vorgesehene Rangordnung zwingend einzuhalten ist vergleiche dazu Bydlinski aaO Paragraph 71,, Rz 13). Hingegen ist es ohne Bedeutung, welche Vereinbarungen der Antragsteller mit der Anwaltskanzlei F***** getroffen hat.
Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Anmerkung
EW00558 13R212.05zEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2005:01300R00212.05Z.1104.000Dokumentnummer
JJT_20051104_OLG0009_01300R00212_05Z0000_000