TE Vwgh Erkenntnis 2007/8/22 2007/01/0694

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Veröffentlicht am 22.08.2007
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der Y U in L, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. März 2007, Zl. Gem(Stb)-423967/18-2007-Dor, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 5. August 2004 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 StbG 1985" abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, habe ihren Hauptwohnsitz in Österreich am 8. Jänner 2002 begründet und ihn bis dato aufrecht erhalten. Am 7. Dezember 2001 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet; die Ehe sei jedoch mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz seit 23. Jänner 2007 rechtskräftig geschieden worden.

Die belangte Behörde habe der Beschwerdeführerin zwar mit Bescheid vom 30. August 2005 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall ihres Ausscheidens aus dem türkischen Staatsverband zugesichert. Die Einbürgerung komme nun aber nicht mehr in Betracht, weil aufgrund der Ehescheidung die Verleihungsvoraussetzungen des § 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) nicht mehr vorlägen. Da erst ab 8. Jänner 2002 ein ununterbrochener Hauptwohnsitz in Österreich vorliege, sei eine Verleihung der Staatsbürgerschaft auch nach anderen Tatbeständen des StbG nicht möglich.

Dagegen richtet sich die vorliegenden Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe übersehen, dass die Beschwerdeführerin seit 31. Jänner 1996 durchgehend in Österreich aufhältig sei und daher einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet von mehr als zehn Jahren aufweise. In ihrem Fall lägen auch besonders berücksichtigungswürdige Gründe vor, um ihr die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen.

Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, eine Hauptwohnsitzmeldung liege erst seit dem 8. Jänner 2002 vor. Dies allein sei im Staatsbürgerschaftsverfahren relevant. Etwaige Behauptungen über einen länger währenden Aufenthalt in Österreich könnten nicht berücksichtigt werden, sofern sie nicht durch Nachweise (bei denen es sich zwangsläufig um Hauptwohnsitzmeldungen handeln müsse) belegt würden. Im Fall der Beschwerdeführerin läge somit nicht einmal ein sechsjähriger ununterbrochener Hauptwohnsitz in Österreich vor, weshalb auch eine Einbürgerung aufgrund besonders berücksichtigungswürdiger Gründe im Sinne des § 10 Abs. 4 iVm § 10 Abs. 5 StbG 1985 nicht möglich sei.

Diese Rechtsausführungen der belangten Behörde zeigen, dass dem angefochtenen Bescheid ein Rechtsirrtum zugrunde lag, der zu dessen Aufhebung führen muss.

Vorauszuschicken ist, dass aufgrund des vor dem Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 erlassenen Zusicherungsbescheides im gegenständlichen Fall noch die Bestimmungen des StbG in der Fassung vor der Novelle zur Anwendung gelangen (§ 64a Abs. 4 StbG idF BGBl. I Nr. 37/2006). Fallbezogen kommen dabei § 10 Abs. 1 Z 1 StbG (der einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet von zehn Jahren voraussetzt) oder § 10 Abs. 4 Z 1 2. Fall StbG (der einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz von sechs Jahren aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund genügen lässt) in Betracht.

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 31. Jänner 1996 bis 17. September 1997 und dann wieder ab 8. Jänner 2002 in Österreich gemeldet war bzw. noch immer ist. Die Beschwerdeführerin hatte im Verleihungsverfahren - unbestritten - vorgebracht, in der Zeit zwischen 1997 und 2002 zwar nicht gemeldet gewesen zu sein, aber bei Freunden (offenbar im Bundesgebiet) gelebt zu haben. Dem angefochtenen Bescheid, der dieses Vorbringen unkommentiert wiedergibt, ist nicht zu entnehmen, dass die belangte Behörde den Angaben der Beschwerdeführerin keinen Glauben geschenkt hätte (wozu es im Übrigen einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit ihrer Aussage bedurft hätte, die nicht stattgefunden hat). Die belangte Behörde vertritt vielmehr die Rechtsauffassung, mangels einer Hauptwohnsitzmeldung zwischen 1997 und 2002 müsse dieser Zeitraum außer Betracht bleiben. Damit verkennt die belangte Behörde aber die Rechtslage. So hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu den Einbürgerungsfristen klargestellt, dass einer Hauptwohnsitzmeldung zwar Indizwirkung für das gesetzliche Erfordernis eines ununterbrochenen Hauptwohnsitzes in Österreich zukommt, die Verleihungsbehörde aber davon unabhängig (autonom) beurteilen muss, ob die Verleihungswerberin den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen (und damit ihren Hauptwohnsitz) auch in den meldefreien Zeiten in Österreich hatte (vgl. dazu aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 21. März 2006, Zl. 2004/01/0266 mwN, insbesondere auch jenem auf das eine konstitutive Wirkung der Hauptwohnsitzmeldung ausdrücklich verneinende hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2004, Zl. 2003/01/0169). Diese Beurteilung hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall zu Unrecht unterlassen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer, der von der Beschwerdeführerin verzeichnet wurde, findet darin keine Deckung.

Wien, am 22. August 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007010694.X00

Im RIS seit

18.09.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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