TE OGH 2005/11/8 10Ob127/05g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2005
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Josef Broinger und Mag. Markus Miedl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Thomas Kustor, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1,863.072,-- s. A., über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 29. August 2005, GZ 4 R 126/05k-17, womit der Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 4. Mai 2005, GZ 30 Cg 26/05k-8, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei und die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Versicherung macht gegen die beklagte Gesellschaft, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, einen durch Legalzession (§ 67 VersVG) auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruch aus dem am 31. 1. 2003 ausgebrochenen Brand eines im Sprengel des Landesgerichtes Linz gelegenen Betriebsgebäudes geltend. Die beklagte Partei habe der Versicherungsnehmerin der klagenden Partei, der Firma P***** GmbH & Co KG, im Rahmen einer Geschäftsbeziehung im Dezember 2002 eine Elektrostatik-Spritzanlage zum Test zur Verfügung gestellt. Bei einem zufriedenstellenden Probebetrieb hätte die Versicherungsnehmerin eine Anlage dieses Typs für den betrieblichen Einsatz gekauft. Durch den Bruch einer unzureichend dimensionierten Erdungsstange sei es zum Funkenschlag von der Spritzpistole zu einem in der Lackierkabine aufgestellten Metalltisch und in der Folge zum Brand gekommen. Das angerufene Landesgericht Linz sei nach Art 5 Z 3 EuGVVO, in eventu nach Art 5 Z 1 EuGVVO zuständig.Die klagende Versicherung macht gegen die beklagte Gesellschaft, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, einen durch Legalzession (Paragraph 67, VersVG) auf sie übergegangenen Schadenersatzanspruch aus dem am 31. 1. 2003 ausgebrochenen Brand eines im Sprengel des Landesgerichtes Linz gelegenen Betriebsgebäudes geltend. Die beklagte Partei habe der Versicherungsnehmerin der klagenden Partei, der Firma P***** GmbH & Co KG, im Rahmen einer Geschäftsbeziehung im Dezember 2002 eine Elektrostatik-Spritzanlage zum Test zur Verfügung gestellt. Bei einem zufriedenstellenden Probebetrieb hätte die Versicherungsnehmerin eine Anlage dieses Typs für den betrieblichen Einsatz gekauft. Durch den Bruch einer unzureichend dimensionierten Erdungsstange sei es zum Funkenschlag von der Spritzpistole zu einem in der Lackierkabine aufgestellten Metalltisch und in der Folge zum Brand gekommen. Das angerufene Landesgericht Linz sei nach Artikel 5, Ziffer 3, EuGVVO, in eventu nach Artikel 5, Ziffer eins, EuGVVO zuständig.

Die beklagte Partei erhob - vor allem im Hinblick auf das Fehlen eines von Art 5 Z 1 geforderten Vertragsverhältnisses und von klägerischen Behauptungen zum Bestehen von deliktischen Ansprüchen iSd Art 5 Z 3 EuGVVO - die Einrede der Unzuständigkeit. Sie habe der P***** GmbH & Co KG die Anlage für einen beschränkten Zeitraum von drei Wochen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Obwohl eine darüber hinausgehende Nutzung nicht gestattet gewesen sei, habe die P***** GmbH & Co KG die Anlage nach Ablauf der Testzeit ohne Zustimmung der beklagten Partei und sogar gegen deren Willen verwendet, weshalb sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche der P***** GmbH & Co KG ausgeschlossen seien. Im Übrigen brachte die beklagte Partei zur Sache vor, dass die von der klagenden Partei geltend gemachten Ansprüche weder dem Grunde noch der Höhe nach berechtigt seien. Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurück. Anzuknüpfen sei nicht an einen beabsichtigten Kaufvertrag und das diesbezügliche vorvertragliche Schuldverhältnis, sondern an die zwischen der beklagten Partei und der P***** GmbH & Co KG geschlossene Vereinbarung über den Testbetrieb einer (anderen) gebrauchten Anlage. Diese Vereinbarung sei als eigenständige leihvertragliche Beziehung zu qualifizieren, die dem Art 5 Nr 1 lit a EuGVVO unterliege. Mangels einer gerichtsstandsbegründenden Erfüllungsortvereinbarung sei der Erfüllungsort nach den gesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen. Nach österreichischem Recht ergebe sich der Erfüllungsort aus der Natur des Geschäftes. Sei eine Bestimmung des Erfüllungsortes in dieser Form nicht möglich, liege er am Sitz des Schuldners zum Zeitpunkt des Vetragsabschlusses. Zum gleichen Ergebnis komme man auch nach der deutschen Rechtsordnung. Mangels anders lautender Vereinbarung sei nach § 269 BGB an dem Ort zu erfüllen, an dem der Schuldner zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz gehabt habe. Selbst die Verpflichtung des Schuldners zur Übersendung indiziere nicht, dass der Erfüllungsort am Sitz des Gläubigers liege (Art 269 Abs 3 BGB). Im Hinblick auf den Sitz des Schuldners in der Bundesrepublik Deutschland sei aber gemäß Art 5 Z 1 lit a EuGVVO die internationale Zuständigkeit des Landesgerichtes Linz und damit auch dessen örtliche Zuständigkeit nicht gegeben. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass die von der beklagten Partei erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Linz verworfen wurde. Der zwischen dem Hersteller und dem Kunden im Rahmen von Verkaufsverhandlungen vereinbarte unentgeltliche Testbetrieb stelle weder nach österreichischem noch nach deutschem Rechte eine uneigennützige Gebrauchsüberlassung dar, sondern diene der Geschäftsanbahnung und dem Abschluss eines Kaufvertrages. Auch wenn noch kein Vertrag über den Kauf einer solchen Anlage geschlossen worden sei, liege bereits die Anknüpfung nach Art 5 Z 1 lit a (gemeint offenbar lit b) EuGVVO vor. Der Gerichtsstand nach Art 5 Z 1 EuGVVO erfasse auch im Wege der Legalzession übergegangene Ansprüche. Selbst bei Verneinung einer vertraglichen Anknüpfung läge der Wahlgerichtsstand nach Art 5 Z 3 EuGVVO vor. Unter diese Bestimmungen würden nach einhelliger Auffassung auch Schadenersatzklagen wegen fehlerhafter Produkte fallen. Eine - wenngleich nur für den Testbetrieb vorgesehene - elektrostatische Lackieranlage mit unterdimensionierter Erdungsstange, wovon gemäß den schlüssigen Klagsangaben vorerst ungeprüft auszugehen sei, sei unabhängig von Ort und Zeit ihrer Inbetriebnahme ein fehlerhaftes Produkt, dessen In-Verkehr-Bringen schon an sich gefährlich sei. Bei einem dadurch im Inland ausgelösten Brand stehe das deliktische Element stark im Vordergrund, ohne durch vertragliche Elemente wesentlich geprägt zu sein. Der Gerichtsstand für Deliktsklagen bestimme sich immer nach dem Ort, an dem es zu einem direkten Eingriff in das Rechtsgut des Geschädigten komme. Somit sei die örtliche und internationale Zuständigkeit des Landesgerichtes Linz gegeben.Die beklagte Partei erhob - vor allem im Hinblick auf das Fehlen eines von Artikel 5, Ziffer eins, geforderten Vertragsverhältnisses und von klägerischen Behauptungen zum Bestehen von deliktischen Ansprüchen iSd Artikel 5, Ziffer 3, EuGVVO - die Einrede der Unzuständigkeit. Sie habe der P***** GmbH & Co KG die Anlage für einen beschränkten Zeitraum von drei Wochen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Obwohl eine darüber hinausgehende Nutzung nicht gestattet gewesen sei, habe die P***** GmbH & Co KG die Anlage nach Ablauf der Testzeit ohne Zustimmung der beklagten Partei und sogar gegen deren Willen verwendet, weshalb sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche der P***** GmbH & Co KG ausgeschlossen seien. Im Übrigen brachte die beklagte Partei zur Sache vor, dass die von der klagenden Partei geltend gemachten Ansprüche weder dem Grunde noch der Höhe nach berechtigt seien. Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurück. Anzuknüpfen sei nicht an einen beabsichtigten Kaufvertrag und das diesbezügliche vorvertragliche Schuldverhältnis, sondern an die zwischen der beklagten Partei und der P***** GmbH & Co KG geschlossene Vereinbarung über den Testbetrieb einer (anderen) gebrauchten Anlage. Diese Vereinbarung sei als eigenständige leihvertragliche Beziehung zu qualifizieren, die dem Artikel 5, Nr 1 Litera a, EuGVVO unterliege. Mangels einer gerichtsstandsbegründenden Erfüllungsortvereinbarung sei der Erfüllungsort nach den gesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen. Nach österreichischem Recht ergebe sich der Erfüllungsort aus der Natur des Geschäftes. Sei eine Bestimmung des Erfüllungsortes in dieser Form nicht möglich, liege er am Sitz des Schuldners zum Zeitpunkt des Vetragsabschlusses. Zum gleichen Ergebnis komme man auch nach der deutschen Rechtsordnung. Mangels anders lautender Vereinbarung sei nach Paragraph 269, BGB an dem Ort zu erfüllen, an dem der Schuldner zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seinen Wohnsitz gehabt habe. Selbst die Verpflichtung des Schuldners zur Übersendung indiziere nicht, dass der Erfüllungsort am Sitz des Gläubigers liege (Artikel 269, Absatz 3, BGB). Im Hinblick auf den Sitz des Schuldners in der Bundesrepublik Deutschland sei aber gemäß Artikel 5, Ziffer eins, Litera a, EuGVVO die internationale Zuständigkeit des Landesgerichtes Linz und damit auch dessen örtliche Zuständigkeit nicht gegeben. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass die von der beklagten Partei erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Linz verworfen wurde. Der zwischen dem Hersteller und dem Kunden im Rahmen von Verkaufsverhandlungen vereinbarte unentgeltliche Testbetrieb stelle weder nach österreichischem noch nach deutschem Rechte eine uneigennützige Gebrauchsüberlassung dar, sondern diene der Geschäftsanbahnung und dem Abschluss eines Kaufvertrages. Auch wenn noch kein Vertrag über den Kauf einer solchen Anlage geschlossen worden sei, liege bereits die Anknüpfung nach Artikel 5, Ziffer eins, Litera a, (gemeint offenbar Litera b,) EuGVVO vor. Der Gerichtsstand nach Artikel 5, Ziffer eins, EuGVVO erfasse auch im Wege der Legalzession übergegangene Ansprüche. Selbst bei Verneinung einer vertraglichen Anknüpfung läge der Wahlgerichtsstand nach Artikel 5, Ziffer 3, EuGVVO vor. Unter diese Bestimmungen würden nach einhelliger Auffassung auch Schadenersatzklagen wegen fehlerhafter Produkte fallen. Eine - wenngleich nur für den Testbetrieb vorgesehene - elektrostatische Lackieranlage mit unterdimensionierter Erdungsstange, wovon gemäß den schlüssigen Klagsangaben vorerst ungeprüft auszugehen sei, sei unabhängig von Ort und Zeit ihrer Inbetriebnahme ein fehlerhaftes Produkt, dessen In-Verkehr-Bringen schon an sich gefährlich sei. Bei einem dadurch im Inland ausgelösten Brand stehe das deliktische Element stark im Vordergrund, ohne durch vertragliche Elemente wesentlich geprägt zu sein. Der Gerichtsstand für Deliktsklagen bestimme sich immer nach dem Ort, an dem es zu einem direkten Eingriff in das Rechtsgut des Geschädigten komme. Somit sei die örtliche und internationale Zuständigkeit des Landesgerichtes Linz gegeben.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Judikatur zu einem hinreichend vergleichbaren Zuständigkeitssachverhalt fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die erstgerichtliche Klagszurückweisung wiederherzustellen. Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Rekurs mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben. Der Revisionsrekurs der beklagten Partei und die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei sind unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die in § 519 Abs 1 Z 1 ZPO für das Berufungsverfahren normierte Anfechtungsbeschränkung analog auf das Rekursverfahren anzuwenden (10 Ob 22/05s uva; RIS-Justiz RS0054895). Es wäre ein unüberbrückbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar im Berufungsverfahren die Verwerfung einer wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung und die Ablehnung der beantragten Zurückweisung der Klage nicht angefochten werden könnte, ein inhaltsgleiches Rechtsschutzbegehren im Rekursverfahren aber einer Überprüfung in dritter Instanz zugänglich wäre. Diese analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO führt dazu, dass die Ansicht des Rekursgerichtes, für den vorliegenden Rechtsstreit sei die internationale Zuständigkeit gegeben, vom Obersten Gerichtshof nicht mehr geprüft werden kann (10 Ob 39/03p; 9 ObA 149/92 = infas 1994 A 48 mwN; RIS-Justiz RS0054895 [T3]). Mangels Anfechtbarkeit der Entscheidung des Rekursgerichtes liegt daher eine bindende Vorentscheidung gemäß § 42 Abs 3 JN über die internationale Zuständigkeit vor (6 Ob 67/05d mwN).Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die in Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO für das Berufungsverfahren normierte Anfechtungsbeschränkung analog auf das Rekursverfahren anzuwenden (10 Ob 22/05s uva; RIS-Justiz RS0054895). Es wäre ein unüberbrückbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar im Berufungsverfahren die Verwerfung einer wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung und die Ablehnung der beantragten Zurückweisung der Klage nicht angefochten werden könnte, ein inhaltsgleiches Rechtsschutzbegehren im Rekursverfahren aber einer Überprüfung in dritter Instanz zugänglich wäre. Diese analoge Anwendung des Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO führt dazu, dass die Ansicht des Rekursgerichtes, für den vorliegenden Rechtsstreit sei die internationale Zuständigkeit gegeben, vom Obersten Gerichtshof nicht mehr geprüft werden kann (10 Ob 39/03p; 9 ObA 149/92 = infas 1994 A 48 mwN; RIS-Justiz RS0054895 [T3]). Mangels Anfechtbarkeit der Entscheidung des Rekursgerichtes liegt daher eine bindende Vorentscheidung gemäß Paragraph 42, Absatz 3, JN über die internationale Zuständigkeit vor (6 Ob 67/05d mwN).

Es ist aber auch die Revisionsrekursbeantwortung nicht zulässig. Den Verfahrensgesetzen ist die Beantwortung eines jedenfalls unzulässigen Rechtsmittels fremd; das vorliegende Revisionsrekursverfahren ist daher auch nicht zweiseitig (7 Ob 152/05m mwN).

Die von der klagenden Partei erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist aber auch schon deshalb nicht zu honorieren, weil sie mangels Hinweises auf die Unanfechtbarkeit der vom gegnerischen Rekurs bekämpften Entscheidung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war (7 Ob 152/05m mwN).

Anmerkung

E78955 10Ob127.05g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0100OB00127.05G.1108.000

Dokumentnummer

JJT_20051108_OGH0002_0100OB00127_05G0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten