Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Wien 4, Prinz Eugen-Straße 20-22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 1.192,08 sA (Streitwert gemäß § 55 Abs 4 JN EUR 4.500), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. April 2005, GZ 60 R 165/04a-13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 22. September 2004, GZ 2 C 180/04s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Ein Verbraucher, der in der Folge seine Ansprüche an die klagende Partei abtrat, nahm bei der beklagten Partei im Oktober 1993 einen Kredit über S 100.000 auf, auf den er vorerst vereinbarungsgemäß monatliche Pauschalraten von S 1.309 abzahlte. Am 31. 1. 2001 leistete er eine letzte Zahlung von S 42.500 als vorzeitige Tilgung, worauf die beklagte Partei das Kreditkonto mit Null saldierte.
Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei EUR 1.192,08 samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, der Verbraucher habe insgesamt um diesen Betrag höhere Zahlungen geleistet, als er tatsächlich geschuldet habe. Die beklagte Partei habe eine vertraglich vereinbarte Zinsanpassungsklausel zwar zum Anlass für Zinserhöhungen, niemals aber auch für Verminderungen des vereinbarten Zinssatzes von 9,5 % p.a. genommen. Der Kreditnehmer habe die Kreditabrechnung der beklagten Partei durch die Arbeiterkammer Wien überprüfen lassen, wobei diese eine Vergleichsberechnung unter Berücksichtigung einer nach objektiven Kriterien angemessenen Zinssatzanpassung nach näher angeführten Durchschnittswerten vorgenommen habe; die klagende Partei legte dazu eine Berechnung (Beilage ./B) vor, aus der ua die ihrer Ansicht nach in den jeweiligen Zeiträumen anzuwendenden Zinssätze ersichtlich sind. Bei richtiger Zinsanpassung habe der Debetsaldo zum Zeitpunkt der letzten Zahlung nur mehr S 26.096,67 betragen, sodass mit der Überweisung von S 42.500 eine (irrtümliche) Überzahlung in Höhe des Klagebetrags erfolgt sei. Die Bereicherung der beklagten Partei sei erst mit der Überzahlung, hier also mit der letzten Zahlung des Kreditnehmers, eingetreten. Die Klageforderung sei daher nicht verjährt.
Die beklagte Partei wandte ein, die Kreditzinsen stets richtig berechnet und auf Grund der Anpassungsermächtigung an Hand ihrer Refinanzierungssituation im Rahmen des billigen Ermessens festgesetzt zu haben. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, bei der Anpassung der Kreditzinsen bestimmte Formeln oder Mittelwerte zur Berechnung zu verwenden. Allfällige Ansprüche wären auch verjährt, zumal dem Kreditnehmer das Sinken des allgemeinen Zinsniveaus spätestens seit 1995 bekannt gewesen sei. Die Verjährungsfrist beginne bei Annuitätendarlehen auch nicht erst mit der letzten Zahlung, sondern mit jeder einzelnen Ratenzahlung, weil der Kreditnehmer behaupte, wegen überhöhter Zinsen (teilweise) eine Nichtschuld geleistet zu haben. Schließlich sei das Klagebegehren auch insofern unschlüssig, als sich daraus nicht ergebe, welcher Zinsenanteil nach Ansicht der klagenden Partei in den jeweiligen Raten zu viel bezahlt worden und welcher Zinsenanteil vom Kreditnehmer ihrer Ansicht nach geschuldet gewesen sei, weshalb insgesamt nicht ersichtlich sei, aus welchem Zinsenanteil sich die Klageforderung zusammensetze.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend davon, dass die kurze Verjährungsfrist mit jeder einzelnen Ratenzahlung zu laufen beginne, lasse sich aufgrund des geltend gemachten Differenzbetrags zwischen S 26.096,67 und den geleisteten S 42.500 nicht entnehmen, zu welchem Verrechnungszeitpunkt welcher Zinsenanteil zu viel bezahlt worden sei, sodass sich mangels Nachvollziehbarkeit des Gesamtbetrags weder ein Bereicherungs- noch ein Schadenersatzanspruch schlüssig ableiten lasse.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens liege nicht vor, weil im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht nur die Rechtsansicht erörtert worden sei, dass die Verjährung mit der Zahlung jeder einzelnen Rate zu laufen begonnen habe, sondern auch gefragt worden sei, welcher Zinsanteil in der letzten Zahlung enthalten gewesen sei. Die klagende Partei habe daraufhin erklärt, dass die Bereicherung erst mit der letzten Zahlung (= Überzahlung) eingetreten sei. Dass die klagende Partei kein konkretes Tatsachenvorbringen erstattet habe, liege in ihrem Ingerenzbereich. Die Auffassung, die Klage sei schon deshalb schlüssig, weil sich die klagende Partei auf eine Vergleichsberechnung unter Berücksichtigung einer nach objektiven Kriterien angemessenen Zinssatzanpassung, der bestimmte Mittelwerte zugrundegelegt worden seien, berufen habe, sei unzutreffend. Die klagende Partei habe es unterlassen, in ihrer Klagserzählung darzulegen, „um wieviele Prozentpunkte zu welchem Zeitpunkt die beklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, die Zinsen herabzusetzen". Somit sei der Betrag von S 26.096,67 mangels konkret der Rechnung zugrundegelegter Zinssätze nicht nachvollziehbar. Auch die Durchführung eines Beweisverfahrens, etwa durch Sachverständigengutachten, erscheine infolge der fehlenden Angaben nicht möglich. Es sei daher unabhängig von der Frage der Verjährung davon auszugehen, dass die von der klagenden Partei behaupteten Tatsachen für die Durchführung eines Beweisverfahrens keinesfalls ausgereicht hätten. Die Revision sei nicht zulässig, weil die Schlüssigkeit einer Klage nur an Hand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden könne.
Die dagegen erhobene Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass entgegen der Auffassung des Erstgerichts nach nunmehr gesicherter Judikatur des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 234/04i; 3 Ob 148/04t; 9 Ob 62/04i; 7 Ob 222/04d; 7 Ob 190/04y ua) eine Bereicherung des Darlehensgebers wegen dem Darlehensnehmer überhöht verrechneter und von diesem geleisteter Darlehenszinsen bei Pauschalraten erst eintritt, wenn insgesamt eine „Überzahlung" geleistet wird, nicht jedoch bereits mit Zahlung der - auf den Gesamtsaldo anzurechnenden - einzelnen Raten (eingehend zuletzt 1 Ob 68/05i). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei behauptet, dass zum Zeitpunkt der letzten Zahlung am 31. 1. 2001 richtigerweise eine Verbindlichkeit von rund 26.000 S bestanden habe. Nach den Klagebehauptungen konnte somit eine Bereicherung der beklagten Partei erst mit der letzten Zahlung eintreten, weshalb sich in Anbetracht der Klageeinbringung am 30. 1. 2004 die Frage der Verjährung auch bei einer dreijährigen Verjährungsfrist nicht stellt.
Zutreffend macht die Revisionswerberin geltend, das Berufungsgericht hätte zu Unrecht eine Unschlüssigkeit der Klagebehauptungen angenommen. Nach § 226 Abs 1 ZPO hat jede Klage die Tatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet, im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben. Diesen Erfordernissen ist die klagende Partei im vorliegenden Verfahren nachgekommen, hat sie doch ausdrücklich vorgebracht, die beklagte Partei hätte richtigerweise unter Berücksichtigung der Veränderungen des allgemeinen Zinsniveaus eine nach objektiven Kriterien angemessene Zinsanpassung vornehmen müssen, wobei ein Mittelwert aus der Sekundärmarktrendite und dem EURIBOR/VIBOR (vgl dazu auch 9 Ob 62/04i = ecolex 2005, 445 = ÖBA 2005, 642 mit zustimmender Anmerkung von G. Graf) heranzuziehen wäre. Darüber hinaus legte sie die der Ermittlung des Klagebetrags zugrundegelegte Berechnung (Beilage ./B) vor, aus der für jedes Quartal exakt der nach Ansicht der klagenden Partei heranzuziehende Zinssatz ersichtlich ist. Aus welchen Erwägungen das Berufungsgericht von der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Beträge mangels konkret der Rechnung zugrundegelegter Zinssätze ausgeht, ist nicht verständlich. Sollte das Berufungsgericht die Auffassung vertreten haben, die Vorlage der - das Klagevorbringen präzisierenden - Aufstellung ./B reiche nicht aus und deren Inhalt müsste ausdrücklich zum Prozessvorbringen erhoben werden, hätte es der klagenden Partei Gelegenheit geben müssen, dies nachzuholen (vgl dazu nur RIS-Justiz RS0036355). Spätestens in der Revision ist dies nun auch (ausdrücklich) geschehen. Zeitpunkte und Höhe der geleisteten Zahlungen sind nicht strittig.Zutreffend macht die Revisionswerberin geltend, das Berufungsgericht hätte zu Unrecht eine Unschlüssigkeit der Klagebehauptungen angenommen. Nach § 226 Abs 1 ZPO hat jede Klage die Tatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet, im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben. Diesen Erfordernissen ist die klagende Partei im vorliegenden Verfahren nachgekommen, hat sie doch ausdrücklich vorgebracht, die beklagte Partei hätte richtigerweise unter Berücksichtigung der Veränderungen des allgemeinen Zinsniveaus eine nach objektiven Kriterien angemessene Zinsanpassung vornehmen müssen, wobei ein Mittelwert aus der Sekundärmarktrendite und dem EURIBOR/VIBOR vergleiche dazu auch 9 Ob 62/04i = ecolex 2005, 445 = ÖBA 2005, 642 mit zustimmender Anmerkung von G. Graf) heranzuziehen wäre. Darüber hinaus legte sie die der Ermittlung des Klagebetrags zugrundegelegte Berechnung (Beilage ./B) vor, aus der für jedes Quartal exakt der nach Ansicht der klagenden Partei heranzuziehende Zinssatz ersichtlich ist. Aus welchen Erwägungen das Berufungsgericht von der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Beträge mangels konkret der Rechnung zugrundegelegter Zinssätze ausgeht, ist nicht verständlich. Sollte das Berufungsgericht die Auffassung vertreten haben, die Vorlage der - das Klagevorbringen präzisierenden - Aufstellung ./B reiche nicht aus und deren Inhalt müsste ausdrücklich zum Prozessvorbringen erhoben werden, hätte es der klagenden Partei Gelegenheit geben müssen, dies nachzuholen vergleiche dazu nur RIS-Justiz RS0036355). Spätestens in der Revision ist dies nun auch (ausdrücklich) geschehen. Zeitpunkte und Höhe der geleisteten Zahlungen sind nicht strittig.
Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin liegt kein Fall eines vom Berufungsgericht vermeinten Mangel des Verfahrens erster Instanz vor. Das Erstgericht hatte - zu Unrecht - im Hinblick auf die Verjährungsfrage eine Aufschlüsselung der einzelnen Raten in einem Kapital- und einen Zinsenanteil gefordert, wogegen das Berufungsgericht eine (generelle) Unschlüssigkeit darin gesehen hat, dass die klagende Partei die ihrer Ansicht nach gerechtfertigten Zinssätze für die einzelnen Zinsperioden nicht konkret dargestellt hätte.
Das Erstgericht wird somit im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen haben, ob, bejahendenfalls in welchem Ausmaß, die beklagte Partei verpflichtet gewesen wäre, die in den einzelnen Quartalen aufgelaufenen Zinsen nach niedrigeren Zinssätzen als den tatsächlich herangezogenen zu berechnen. Sollte sich bei der daran anschließenden „Nachrechnung" des Kreditverhältnisses zum 31. 1. 2001 ein den Betrag von 42.500 S unterschreitender Debetsaldo ergeben, wird dem Klagebegehren insoweit stattzugeben sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E78985European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00162.05P.1109.000Im RIS seit
09.12.2005Zuletzt aktualisiert am
06.12.2010