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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den am 15. März 2005 verkündeten und am 25. April 2005 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 228.874/12-II/04/05, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides (Zulässigerklärung der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan) gemäß § 8 Asylgesetz 1997 bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gelangte im Februar 2002 in das Bundesgebiet und beantragte Asyl. Bei seiner Einvernahme zu den Fluchtgründen am 18. April 2002 gab er an, Afghanistan im Dezember 2001 wegen eines Konfliktes zwischen seiner Familie und der Familie eines mit seinem - inzwischen ermordeten - Bruder befreundeten Mädchens verlassen zu haben.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 14. Mai 2002 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II).
Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid holte die belangte Behörde ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch über die Frage der Sicherung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens für zwangsweise nach Afghanistan zurückkehrende afghanische Staatsangehörige ein. Dass Ausfertigungen dieses Gutachtens vom 25. November 2003, das am 1. Dezember 2003 bei der belangten Behörde einlangte, den Parteien des Berufungsverfahrens zur Verfügung gestellt worden wären, geht aus den vorgelegten Akten nicht hervor.
Am 12. Dezember 2003 verhandelte die belangte Behörde unter Beiziehung des Sachverständigen Dr. Klimburg über die Berufungen des Beschwerdeführers ("BW VIII") und anderer Asylwerber. Nach mehr als sechsstündiger Verhandlung, in der der Fall des Beschwerdeführers aber nur zweimal kurz zur Sprache kam, vertagte die belangte Behörde sein Verfahren.
In der fortgesetzten Berufungsverhandlung am 15. März 2005 äußerte sich der Sachverständige Dr. Klimburg näher zum Fall des Beschwerdeführers, der zu einzelnen Aspekten der behaupteten Fluchtgründe und der Folgen seiner allfälligen Abschiebung nach Afghanistan auch ergänzend befragt wurde.
Am Schluss der Verhandlung verkündete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG zur Gänze abwies.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Erwägungen, aus denen die belangte Behörde den Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Fluchtgründe - nämlich dem Vorbringen über einen aus einer Beziehung eines Bruders des Beschwerdeführers zu einem Mädchen entstandenen Konflikt mit dessen Familie - nicht gefolgt ist, halten der auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Von einer bloßen "Scheinbegründung" oder gar bloß der "Wiedergabe des Gesetzestextes" kann in dieser Hinsicht, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, nicht die Rede sein.
Insoweit sich die Beschwerde gegen die gemäß § 7 AsylG erfolgte Bestätigung des Spruchpunktes I des erstinstanzlichen Bescheides richtet, kann sie daher - mangels tauglicher Hinweise auf andere dem Beschwerdeführer drohende und allenfalls mit einem Konventionsgrund zusammenhängende Verfolgungsgefahren - nicht erfolgreich sein.
In Bezug auf die Ansicht der belangten Behörde, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan könne gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt werden, ist die Begründung des angefochtenen Bescheides hingegen nicht ausreichend. Die belangte Behörde hat darauf verzichtet, über die Rückkehrbedingungen für afghanische Staatsbürger nähere Feststellungen zu treffen und sich vor allem in Bezug auf die allgemeine Sicherheitslage mit pauschalen Verweisungen auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Klimburg in der Verhandlung begnügt, was ihre Entscheidung im vorliegenden Fall schon hinsichtlich der Abgrenzung zum schriftlichen Gutachten des (im angefochtenen Bescheid nicht namentlich genannten) Sachverständigen Dr. Danesch nicht zu tragen vermag.
Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dazu ausführt, der Sachverständige Dr. Klimburg habe sich mit dem "etwas pessimistischeren" schriftlichen Gutachten "für den unabhängigen Bundesasylsenat überzeugend ... auseinandergesetzt", so ist dies zunächst schon zu allgemein gehalten. Hinzu kommt aber noch, dass die im Verhandlungsprotokoll festgehaltenen Äußerungen des Sachverständigen Dr. Klimburg zum schriftlichen Gutachten sich im Wesentlichen darauf beschränken, dass er die darin enthaltenen Ausführungen "in der Schärfe ... nicht bestätigen" könne, er bei seinen eigenen Reisen einen anderen "Eindruck gewonnen" habe und es sich bei Dr. Danesch um einen Iraner handle, der "vermutlich deshalb Afghanistan gegenüber besonders kritisch eingestellt" sei; es falle nämlich "naturgemäß die allgemeine Situation in Afghanistan gegenüber jener im Iran drastisch ab, dazu komme ein kulturelles Überlegenheitsgefühl vieler Iraner".
Der Verweis auf solche Ausführungen vermag eine sachbezogene Auseinandersetzung mit den Inhalten des schriftlichen Gutachtens nicht zu ersetzen, wobei das Gutachten im fortgesetzten Verfahren - sofern dies bisher tatsächlich nicht geschehen sein sollte - auch dem Beschwerdeführer förmlich zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zu geben sein wird, etwa eine Aktualisierung dieses Gutachtens zu beantragen.
Es war daher der angefochtene Bescheid insoweit, als darin - durch Bestätigung des entsprechenden Teils des erstinstanzlichen Bescheides - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan für zulässig erklärt wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen - nämlich hinsichtlich der Bestätigung der Abweisung des Asylantrages - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff , insbesondere auf § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. August 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190143.X00Im RIS seit
04.10.2007