TE OGH 2005/11/22 1Ob113/05g

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Veröffentlicht am 22.11.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Willibald P*****, vertreten durch Dr. Helwig Keber, Rechtsanwalt in Graz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Riedl, Dr. Gerold Ludwig und Mag. Jörg Tockner, Rechtsanwälte in Stadt Haag, wider die beklagte Partei M***** OHG, *****, vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wegen EUR 216.390,50 sA, über die Revisionen beider Parteien (Revisionsinteresse je EUR 108.195,25) gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 1. Februar 2005, GZ 21 R 417/04p-60, womit das Urteil des Bezirksgerichts Haag vom 30. September 2004, GZ 2 C 531/02y-51, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 10.127,43 (darin enthalten EUR 980,07 USt und EUR 4.247,00 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erwarb bei der beklagten Handelsgesellschaft einen Reisebus. Zufolge eines Konstruktionsfehlers des von Daimler-Chrysler hergestellten Motors (samt Leitungssystem) kam es zweimal zu einem Abspringen bzw Reißen des Hauptkeilriemens. Dabei wurde die metallene Leckkraftstoff-Rückleitung jeweils in Richtung Motorgehäuse gebogen, wodurch der Zugang zu einer Spannschraube erschwert wurde. Da das Erreichen der Spannschraube zum Austausch des Keilriemens nötig war, bogen der Kläger bzw sein Sohn anlässlich des Austauschs des Keilriemens die Leitung händisch in die ursprüngliche Position zurück. Dies führte im Zusammenhalt mit den Schwingungen des Motors zur Brüchigkeit und zum Leckwerden der Leitung. Dadurch kam es zum Austritt von Kraftstoff in den Motorraum. Während einer Auslandsfahrt geriet der Bus daher in Brand. Selbst im Zusammenhang mit den Vibrationen des Motors konnte die Undichtheit der Leitung durch das Verbiegen zum Motorgehäuse hin infolge der Keilriemenrisse (noch) nicht entstehen. Alleinige Ursache der Undichtheit und Materialveränderung war das manuelle Rückbiegen. Wären die Rückbiegehandlungen nicht gesetzt worden, wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Leckbildung und zum Brand gekommen.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger aus den Rechtsgründen der Gewährleistung, der Garantie, des Schadenersatzes und des Produkthaftungsgesetzes EUR 216.390,50 an Sachschaden, Kosten der Beistellung eines Ersatzbusses, Berge- und Rückholkosten, Kosten einer Befundaufnahme und Gutachtenserstattung sowie Telefon- und frustrierten Zinsenaufwand. Als Brandursache sei ein Riss in der Leckkraftstoff-Rückleitung anzusehen, der auf eine durch einen Keilriemenriss verursachte mechanische Einwirkung zurückzuführen sei. Der Umstand, dass es trotz regelmäßiger Wartung durch eine autorisierte Fachwerkstätte (die Nebenintervenientin) zu wiederholten Keilriemenrissen kommen konnte, wie auch die Tatsache, dass durch die Art der Führung der Leckkraftstoff-Rückleitung im Falle von Keilriemenrissen die Gefahr deren mechanischer Beschädigung durch wegschleudernde Keilriemenstücke gegeben war, würden bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhandene gravierende Mängel des Reisebusses darstellen. Zudem habe die beklagte Partei auf die Funktion des Motors eine Garantie für die Dauer von zwei Jahren abgegeben. Sollte das für den Brand kausale Verbiegen der Leckkraftstoff-Rückleitung im Zuge eines Werkstättenaufenthalts bei der Nebenintervenientin stattgefunden haben, so hafte diese und demzufolge die beklagte Partei, als deren Erfüllungsgehilfin die Nebenintervenientin anzusehen sei. Infolge Vorhersehbarkeit der Beschädigung der Leitungen bestehe auch ein Verschulden der Vorlieferanten der beklagten Partei.

Die Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers brachte vor, es handle sich um Produkt- bzw Materialfehler, da sie sämtliche Reparaturarbeiten ordnungsgemäß und fachgerecht ausgeführt habe. Im Rahmen der Reparaturarbeiten seien keinerlei Manipulationen an der Kraftstoffrückleitung vorgenommen und sei diese auch nicht beschädigt worden.

Die beklagte Partei wendete zusammengefasst ein, sie (bzw ihre Rechtsvorgängerin) sei zum Zeitpunkt der Bestellung und Auslieferung des Reisebusses eine reine Handelsgesellschaft gewesen, deren Unternehmensgegenstand der Vertrieb von Autobussen gewesen sei. Die Schadensursache, insbesondere die Knickbildung, sei offensichtlich auf das unsachgemäße mechanische Verbiegen der Kraftstoff-Rückleitung durch den Kläger bzw seine Leute zurückzuführen. Diese Handlungen habe sie keinesfalls zu vertreten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die Beklagte müsse sich die unsachgemäßen Handlungen des Klägers bzw seines Sohnes nicht zurechnen lassen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es mit Zwischen- und Teilurteil die Klagsforderung als dem Grunde nach mit 50 %, also mit EUR 108.195,25 sA, als zu Recht bestehend erkannte, das Mehrbegehren von EUR 108.195,25 abwies und „in Ansehung des Betrages des dem Grunde nach zu Recht bestehenden Teiles des Klagebegehrens" das erstgerichtliche Urteil aufhob und dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für nicht zulässig. Wegen des Konstruktionsfehlers im Zusammenhang mit der Keilriemenbefestigung treffe auch die beklagte Partei eine anteilige Verantwortung für das Schadensereignis. Nur durch den Konstruktionsfehler sei es zum wiederholten (atypischen) Reißen des Keilriemens und damit zur zweimaligen Verbiegung der Leckkraftstoff-Rückleitung gekommen. Die verbogene Stellung habe das Auflegen der neuen Keilriemen gehindert, was im Falle einer Reparatur „in Eigenregie" gewissermaßen eine manuelle Rückverformung bzw Rückverbiegung der Leitung provoziert habe. Allein der Umstand, dass bei Unterlassen der manuellen Rückverformung kein Leck in der Leitung aufgetreten wäre, führe nicht zu einer völligen Haftungsbefreiung der beklagten Partei. Vielmehr bewege sich das nicht (ganz) fachmännische Einschreiten auf Seiten des Klägers noch innerhalb der Ädaquanz, müsse doch an sich bei wiederholten Keilriemenrissen mit Verbiegungen von nahe gelegenen Leitungen und insbesondere im Fall eines Keilriemenrisses im Ausland mit sofortigen Behelfsreparaturen durch den jeweiligen Chauffeur des Reisebusses gerechnet werden. Keinesfalls sei daher das schädigende Ereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden geworden. Der zunächst eingetretene Schaden (in Form der Primärverbiegung) sei durch Handlungen „des Verletzten" vergrößert worden, was aber keine ungewöhnliche Reaktion auf das schädigende Ereignis darstelle und somit in einem adäquaten Kausalzusammenhang stehe. Zudem hafte die beklagte Partei auf Grund der von ihr abgegebenen Garantieerklärung für die letztlich „mitschadensauslösenden" Keilriemenrisse, die auf einen Konstruktionsfehler zurückzuführen seien. Ohne einen derartigen Konstruktionsfehler wäre es nicht zur Primärverbiegung der Leckkraftstoffleitung gekommen und hätte insoweit gar keine Veranlassung für entsprechende Eingriffe im Motorraum bestanden. Eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 sei daher angemessen und gerechtfertigt.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien.

Die Revision des Klägers ist unzulässig, jene der beklagten Partei ist hingegen zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die bloß als Händler und nicht als Hersteller des Reisebusses aufgetretene beklagte Partei musste den Konstruktionsfehler des Motors nicht kennen. Es würde die Sorgfaltspflichten des Händlers überspannen, legte man ihm die Verpflichtung auf, die vom Hersteller zugesicherten oder allgemein vorausgesetzten Eigenschaften der von ihm bloß vertriebenen Ware durch eigene Tests überprüfen zu lassen, verfügt der Händler doch zumeist nicht über entsprechende Prüfvorrichtungen und das notwendige know-how. Mangels Offenkundigkeit und mangels besonderer Umstände oder konkreter Verdachtsmomente bestand für die beklagte Partei somit keine Prüfpflicht und daher auch nicht die Möglichkeit, den Konstruktionsfehler zu erkennen. Damit liegt aber auch kein Verschulden der beklagten Partei am Zustandekommen des Brandes vor (JBl 1997, 456), weshalb eine Klagsstattgebung aus dem Titel des Schadenersatzes ausscheidet. Soweit der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung davon ausgeht, die beklagte Partei habe den Konstruktionsmangel gekannt und dies sogar „eingestanden", ist ihr entgegenzuhalten, dass sie sich einerseits von den Feststellungen der Vorinstanzen entfernt und andererseits entsprechendes Vorbringen in erster Instanz nicht erstattet wurde. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die beklagte Partei habe - unter bestimmten Voraussetzungen - ihre Mithaftung „gar nicht in Zweifel gezogen" (S 16 f des Berufungsurteils unter Bezugnahme auf ON 47), sind aktenwidrig, denn die beklagte Partei hat in ON 47 nur vorgebracht, ihre Mithaftung sei allenfalls „nicht auszuschließen". Damit gehen die Ausführungen zur gebotenen Aufklärung des Käufers ins Leere.

Die dem Kläger gewährte „Garantie" für „2 Jahre oder 200.000 km auf Motor" etc bedeutet, dass die Güte des garantierten Fahrzeugteils über die Ablieferung hinaus noch 2 Jahre anhalte, die Sachqualität also gegeben sei. Aus dieser Garantie stehen dem Kläger als Garantieberechtigtem mangels gegenteiliger Vereinbarung nur die Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung (Reischauer in Rummel, ABGB3, Rz 12 zu § 933 mwN). Ohne besondere Umstände kann die Garantiezusage für einen bestimmten Zeitraum nicht dahin verstanden werden, dass die Vertragspartner über die Gewährleistungsfolgen hinaus eine zusätzliche Haftung für alle Folgen eines Mangels übernehmen will. Die Gewährleistung ist nur auf Minderung, Verbesserung oder Nachtrag des Fehlenden, allenfalls auch auf Vertragsaufhebung gerichtet (JBl 1991, 385). Im Lichte dessen war die beklagte Partei zweifellos verpflichtet, den Keilriemen zu tauschen und die verbogene Kraftstoffleitung wiederherzustellen bzw die Kosten hiefür zu tragen.

Sie musste aber nicht damit rechnen, dass ein Reisebuschauffeur, der während einer Fahrt den gerissenen Keilriemen selbst zweimal getauscht und dabei jeweils die Leckkraftstoff-Rückleitung in die ursprüngliche Position zurückgebogen hatte, nach Rückkehr von den Fahrten nicht unverzüglich den Austausch der Kraftstoffleitung durch eine befugte Werkstätte veranlasst. Es war für die beklagte Partei nicht vorhersehbar, dass ein Busunternehmer bzw dessen Chauffeure in Unkenntnis davon sind, ein händisches (mehrmaliges) Verbiegen einer metallenen Kraftstoffleitung führe im Zusammenhalt mit den Vibrationen des Motors zu Materialermüdung und Undichtheit, sodass umgehend ein Austausch der Leitung erforderlich sei. Zwar ist das Rückbiegen der Leitung gerade durch den infolge des Konstruktionsfehlers aufgetretenen Riss des Keilriemens erforderlich gewesen, doch stellt es einen selbstständigen Entschluss des Klägers dar, nach Rückkehr von der jeweiligen Fahrt den Austausch der Leitung durch eine Werkstätte zu unterlassen. Sie hat die Schadensfolge allein zu verantworten, weil die Garantie sich nicht darauf erstrecken kann, für unvorhersehbare Fehlleistungen des Garantiebegünstigten zu haften. Auch im Wege des § 1313a ABGB ergibt sich keine Haftung der beklagten Partei: Diese haftet als (Zwischen)-Händler dem Käufer gegenüber nur für die Erfüllung der sie selbst treffenden Verpflichtungen, wie beispielsweise die Auswahl eines geeigneten Erzeugers, die einwandfreie Lagerung der Ware etc. Sie haftet jedoch nicht für jedes Verschulden des Produzenten, da der Erzeuger nicht als Erfüllungsgehilfe des Händlers anzusehen ist (SZ 52/74; SZ 67/101; RIS-Justiz RS0022662).

Letztlich bietet auch das Produkthaftungsgesetz schon deshalb keine Grundlage für eine Haftung der beklagten Partei, da der Schaden von einem Unternehmer erlitten wurde, der den Bus gewiss überwiegend in seinem Unternehmen verwendet hat (§ 2 Z 1 PHG). Des weiteren wäre die Haftung der beklagten Partei, die das Produkt (= Bus) nicht hergestellt hat, gemäß § 1 Abs 2 PHG lediglich subsidiär, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Hersteller nicht hätte festgestellt werden können. Derartiges wurde auch nicht vorgebracht.Letztlich bietet auch das Produkthaftungsgesetz schon deshalb keine Grundlage für eine Haftung der beklagten Partei, da der Schaden von einem Unternehmer erlitten wurde, der den Bus gewiss überwiegend in seinem Unternehmen verwendet hat (Paragraph 2, Ziffer eins, PHG). Des weiteren wäre die Haftung der beklagten Partei, die das Produkt (= Bus) nicht hergestellt hat, gemäß § 1 Absatz 2, PHG lediglich subsidiär, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Hersteller nicht hätte festgestellt werden können. Derartiges wurde auch nicht vorgebracht.

Die Frage der "Anwendung des § 1304 ABGB im Verhältnis Garantiegeber - Garantienehmer" stellt sich nicht, da es der beklagten Partei weder als Verschulden anzulasten ist noch unter deren Garantiezusage fällt, wenn der Kläger bzw dessen Sohn eine im Motorraum befindliche Kraftstoffleitung händisch verbiegt, ohne sie danach in einer Werkstätte austauschen zu lassen. Die nachteiligen Folgen dieser Unterlassung hat der Kläger allein zu tragen.Die Frage der "Anwendung des Paragraph 1304, ABGB im Verhältnis Garantiegeber - Garantienehmer" stellt sich nicht, da es der beklagten Partei weder als Verschulden anzulasten ist noch unter deren Garantiezusage fällt, wenn der Kläger bzw dessen Sohn eine im Motorraum befindliche Kraftstoffleitung händisch verbiegt, ohne sie danach in einer Werkstätte austauschen zu lassen. Die nachteiligen Folgen dieser Unterlassung hat der Kläger allein zu tragen.

Zum Vorwurf des „Fehlens einer nachvollziehbaren Interessenabwägung unter Feststellung und Gewichtung der die Parteien jeweils treffenden Belastungsmomente" ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist zu verneinen.

Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Die von der beklagten Partei erhobene Revision ist hingegen berechtigt, sodass das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Ausgehend von einem Revisionsinteresse von EUR 108.195,25 gebührt für die Revision nur ein Einheitssatz von 50 % (§ 23 Abs 3 RATG).Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Ausgehend von einem Revisionsinteresse von EUR 108.195,25 gebührt für die Revision nur ein Einheitssatz von 50 % (Paragraph 23, Abs 3 RATG).

Textnummer

E79064

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00113.05G.1122.000

Im RIS seit

22.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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