Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Sabine B*****, geboren am *****, infolge der außerordentlichen Revisionsrekurse der Betroffenen und ihrer Sachwalterin Helga B*****, beide *****, beide vertreten durch Brandstetter Pritz & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 31. Mai 2005, GZ 10 R 25/05m-80, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 28. Februar 2005, GZ 1 P 90/00w-62, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die am 29. 5. 1981 geborene Betroffene leidet an einem organischen Psychosyndrom. Deshalb bestehen bei ihr grobe Wissensmängel und eine Rechenschwäche. Das Denkvermögen und die Unterscheidungsfähigkeit sind mäßig reduziert, am stärksten beim rechnerischen Denken und Zahlenbegriff. Die allgemeine Anpassungsfähigkeit - insbesondere auch auf der praktischen Ebene - ist relativ gut. Die Gemütssphäre ist durch das organische Psychosyndrom sichtlich nicht tangiert.
Die Ehe der Eltern der Betroffenen ist seit mehr als zehn Jahren geschieden. Nach der Scheidung gab es Auseinandersetzungen zwischen den Eltern in der Obsorgefrage. Am 25. 7. 2000 beantragte die nunmehr Betroffene, deren Mutter zu ihrer Sachwalterin zu bestellen. In dieses Verfahren schaltete sich der Vater der Antragstellerin ein. Er warf der Mutter vor, die Entwicklung seiner Tochter zu behindern und Letztere nicht zu fördern; er bot an, die Antragstellerin in seinem Unternehmen zu beschäftigen und stellte Anträge. Das Verfahren ergab, dass nach der Lebenssituation der Antragstellerin, wegen ihrer Verunsicherung und Anlehnungsbedürftigkeit, aber auch zufolge ihrer sichtbaren, noch sehr kindlichen Bindung an die Mutter deren Bestellung als Sachwalterin vorzuziehen sei.
Mit Beschluss vom 17. 5. 2001 bestellte das Erstgericht die Mutter der Antragstellerin als deren Sachwalterin mit dem Wirkungskreis „Verwaltung von Einkommen und Vermögen, Vertretung bei Ämtern und Behörden, Wahl des Aufenthaltsortes und des Arbeitsplatzes". Die Anträge des Vaters und dessen Rekurs gegen den Beschluss vom 17. 5. 2001 wies das Erstgericht am 6. 6. 2001 zurück. Das vom Vater dagegen erhobene Rechtsmittel blieb erfolglos.
Die Betroffene lebt im Haushalt der Mutter und ist im Unternehmen des Vaters beschäftigt. Am 3. 1. 2002 regte Letzterer an, die Mutter „ihres Amtes" als Sachwalterin „zu entheben, sie zur sofortigen Rechnungslegung über die von ihr inkassierten Beträge aufzufordern und den Verein für Sachwalterschaft zum Sachwalter ... zu bestellen". Mit Schreiben vom 14. 3. 2002 begründete er im Einzelnen, weshalb die Mutter ungeeignet sein solle, eine gedeihliche Entwicklung der Betroffenen zu gewährleisten. Am 4. 10. 2004 regte er an, ihn zum Sachwalter der Betroffenen zu bestellen und die - zur Ausübung der Sachwalterschaft nach seinen Behauptungen ungeeignete - Mutter jedenfalls auch „zur präzisen Rechnungslegung" über das Arbeitseinkommen der Betroffenen zu verhalten. Die Mutter setzte sich gegen die erhobenen Anschuldigungen zur Wehr.
Mit Beschluss vom 28. 2. 2005 enthob das Erstgericht die Mutter als bisherige Sachwalterin „ihres Amtes" und bestellte einen familienfremden Rechtsanwalt zum neuen Sachwalter der Betroffenen mit einem Wirkungskreis, wie ihn bereits die Mutter zu besorgen hatte. Es listete Vorwürfe der Eltern gegen den jeweils anderen Teil auf, stellte (offenkundig) ein „kindliches Anlehnungsbedürfnis" der Betroffenen „gegenüber ihrer Mutter" fest, referierte die Äußerung der Betroffenen, sie fühle sich bei beiden Elternteilen wohl, „ziehe keinen der beiden vor und lehne auch keinen der beiden ab", und gelangte bereits auf dieser Grundlage zum Schluss, „die ständig wiederholten, teils sehr persönlichen Vorwürfe der Eltern" ließen es „als das Beste für das Wohl des Kindes erscheinen, die Sachwalterschaft einer unbeteiligten Person zu übertragen".
Diese Entscheidung bekämpften die Betroffene und deren Mutter als (enthobene) Sachwalterin. Das Rekursgericht bejahte die Vertretungsbefugnis der Mutter, es gab jedoch keinem der Rechtsmittel Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach dessen Begründung leitete die bisherige Rechtsprechung aus § 12 AußStrG alt ab, dass im Außerstreitverfahren ergangene Beschlüsse schon mit ihrer Zustellung rechtswirksam würden. Daher sei ein Sachwalter nach seiner Enthebung nicht mehr befugt gewesen, den Beschluss, mit dem ein anderer zum Sachwalter bestellt worden sei, im eigenen oder im Namen des Betroffenen zu bekämpfen. Hier sei der angefochtene Beschluss nach dem 31. 12. 2004 erlassen worden. Deshalb seien die Beschlusswirkungen und die Frage nach der vorläufigen Vollstreckbarkeit gemäß §§ 199, 203 Abs 6 AußStrG neu nach dem geltenden Außerstreitgesetz zu beurteilen. Gemäß dessen § 43 Abs 1 träten die Vollstreckbarkeit, die Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung erst mit der Rechtskraft eines Beschlusses ein. Eine vorläufige Zuerkennung von Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit nach § 44 AußStrG sei hier nicht erfolgt, im Übrigen ordne § 125 AußStrG an, dass einem Beschluss auf Bestellung eines Sachwalters die vorläufige Wirksamkeit nicht zuerkannt werden könne. Ob dieser Grundsatz auch für die Umbestellung eines Sachwalters gelte, müsse nicht geklärt werden, weil der angefochtene Beschluss keinen Ausspruch gemäß § 44 AußStrG enthalte. Infolge dessen werde die Umbestellung des Sachwalters hier - anders als nach der alten Rechtslage - jedenfalls erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam. § 127 AußStrG bezeichne die im Bestellungsverfahren rekurslegitimierten Personen. Aus § 128 Abs 1 AußStrG folge, dass der bereits bestellte Sachwalter im Verfahren auf Beendigung, Einschränkung oder Erweiterung der Sachwalterschaft die Funktion eines Verfahrenssachwalters habe. Obgleich diese Bestimmung nicht ausdrücklich den Wechsel in der Person des Sachwalters betreffe, müsse dafür das Gleiche gelten. Der bisherige Sachwalter könne außerdem bis zum Eintritt der Rechtskraft seiner Enthebung jedenfalls noch Interessen des Betroffenen wahrnehmen. Solche würden von der Mutter der Betroffenen auch geltend gemacht.
Das Erstgericht habe den beschlossenen Sachwalterwechsel lediglich auf die Tatsache gestützt, dass „eine ausreichende Gesprächsbasis der Eltern" wegen der „wechselseitig erhobenen Vorwürfe" nicht bestehe. Dieser Ansicht sei beizutreten. Nicht ausschlaggebend sei, inwieweit die von den Elternteilen wechselseitig erhobenen Vorwürfe zuträfen, sondern es sei schon wegen deren tiefgreifenden Zerwürfnisses geboten, einen neutralen Dritten, der keinem der Elternteile nahe stehe, zum Sachwalter zu bestellen. Der springende Punkt liege „in der Verflechtung der Lebensbereiche der betroffenen Person" mit jenen beider Elternteile und in den „Auseinandersetzungen und Meinungsdifferenzen" der Eltern darüber, was zur Förderung des Wohls der Betroffenen notwendig sei. Die besondere Lebenssituation der Betroffenen bestehe darin, dass sie im Haushalt der Mutter lebe und „in der Firma des Vaters" arbeite. Diese Sachlage erfordere „ein gewisses Maß an Zusammenarbeit" zwischen der Mutter als Sachwalterin und dem Vater als Dienstgeber. Das bisherige Verfahren habe indes „mehr als deutlich gezeigt, dass die Eltern ... eine ausreichende Kommunikationsbasis" zum Schutz der Betroffenen vor dem Eintritt allfälliger Nachteile nicht herstellen könnten. Wer das Verschulden daran trage, sei nicht wesentlich, weil die Gewährleistung des Wohls der Betroffenen jedenfalls die Bestellung eines Familienfremden als Sachwalter erfordere. Die Stellungnahmen der Betroffenen im Verfahren hätten sich inhaltlich jeweils danach gerichtet, „in wessen Einflusssphäre sie sich gerade" befunden habe. Das indiziere einen Loyalitätskonflikt, der ebenso die Bestellung eines Familienfremden als Sachwalter notwendig mache.
Aus § 281 Abs 3 ABGB sei nicht abzuleiten, dass ein Rechtsanwalt nur dann zum Sachwalter bestellt werden dürfe, wenn die Besorgung übertragener Aufgaben vorwiegend Rechtskenntnisse erfordere. Daher sei die vom Erstgericht getroffene Auswahl „rechtlich durchaus zulässig". Im Zuge des weiteren Verfahrens werde jedoch „zu überlegen sein, ob nicht die Auswahl einer Person etwa aus dem Kreis der Vereinssachwalter mittel- bis langfristig zweckmäßiger wäre, da im Vordergrund eher die Wahrnehmung der persönlichen Belange der betroffenen Person" stünden, „zu der ein Sachwalter aus diesem Personenkreis wohl besser geeignet wäre". Es seien auch zur Verwaltung des laufenden Einkommens der Betroffenen „Rechtskenntnisse nicht von Nöten, sodass wohl sobald als möglich die Bestellung eines Sachwalters aus dem sozialarbeiterischen Kreis bzw aus dem Bereich der Vereinssachwalter ins Auge zu fassen sein" werde. Die Bestellung eines Familienfremden als Sachwalter bedeute im Übrigen „keineswegs, dass der Aufenthalt der Betroffenen im Haushalt ihrer Mutter dadurch beeinträchtigt oder gefährdet wäre". Wer immer als Sachwalter zu wirken habe, werde die Interessen der Betroffenen wahrnehmen und dabei deren emotionale Bindung an die Mutter beachten müssen. Durch die Berufung eines Familienfremden zum Sachwalter sei jedenfalls eine „Verminderung des Konfliktpotentials im Verhältnis zum Vater" zu erwarten. Die Entscheidung hänge nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG ab. Ob ein Sachwalterwechsel geboten sei, lasse sich nur nach den besonderen Umständen dieses Falls beurteilen. Die getroffene Sacherledigung beruhe auch nicht auf der Klärung von Grundsatzfragen in Auslegung des geltenden Außerstreitrechts.
Die Revisionsrekurse sind, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird, zulässig; sie sind im Umfang der Aufhebungsanträge auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Anlassfall ist nach den zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts bereits nach dem nunmehr geltenden Außerstreitrecht zu beurteilen. Der Oberste Gerichtshof tritt ferner der Ansicht der zweiten Instanz bei, dass die Enthebung des bisherigen und die Bestellung eines anderen Sachwalters erst mit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung wirksam wird. Damit ist aber, wie das Rekursgericht ebenso richtig ausführte, ein noch nicht rechtskräftig enthobener Sachwalter weiterhin befugt, namens des Betroffenen Rechtsmittel zu ergreifen.
2. Es wurde soeben begründet, dass die Enthebung des bisherigen Sachwalters unter Bestellung eines anderen zum Sachwalter erst mit Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses wirksam wird. Daraus folgt, dass der enthobene Sachwalter bis zum Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem der Sachwalterwechsel ausgesprochen wurde, weiterhin als Sachwalter zu fungieren hat. Gehört zu dessen Aufgabenkreis - wie hier - auch die Vertretung des Betroffenen „bei Ämtern und Behörden", so ist der im Umbestellungsverfahren noch nicht rechtskräftig enthobene Sachwalter weiterhin befugt, im (Revisions-)Rekursverfahren als Vertreter des Betroffenen einzuschreiten. Insofern wird daher nicht die Frage aufgeworfen, ob dem noch nicht rechtskräftig enthobenen Sachwalter im erörterten Verfahren analog § 128 Abs 1 letzter Halbsatz AußStrG (zumindest) die Aufgaben eines Verfahrenssachwalters des Betroffenen zukommen.
3. Nach den Gesetzesmaterialien, auf die sich die herrschende Lehre im Ergebnis stützt (Feil/Marent, AußStrG § 128 Rz 1, Fucik/Kloiber, AußStrG § 128 Rz 2; Maurer, AußStrG neu § 128, je mwN), erfasst § 128 AußStrG nicht das Verfahren auf Bewirkung eines Sachwalterwechsels. Dieses Verfahren solle „grundsätzlich nach den Bestimmungen des Allgemeinen Teils abgewickelt werden". Vor diesem Hintergrund ist etwa § 13 Abs 1 und 2 AußStrG maßgeblich, wonach das Gericht von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen und es so zu gestalten hat, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands gewährleistet sind; dabei sind Verfahren, die einen Pflegebefohlenen betreffen, so zu führen, dass dessen Wohl bestmöglich gewahrt wird. Nach § 16 Abs 1 AußStrG hat das Gericht alle für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen von Amts wegen aufzuklären; es muss dabei sämtliche Hinweise auf solche Tatsachen entsprechend berücksichtigen. Gemäß § 18 AußStrG kann das Gericht, sofern eine mündliche Verhandlung - wie etwa im Verfahren auf Auswechslung eines Sachwalters - nicht zwingend vorgeschrieben ist, über den Verfahrensgegenstand mündlich verhandeln, wenn es ein solches Vorgehen für zweckmäßig hält. Das Verfahren zur Aufnahme von Beweisen außerhalb einer mündlichen Verhandlung regelt § 20 AußStrG. Im Übrigen ist das Beweisverfahren nach den Bestimmungen der §§ 31 ff AußStrG abzuwickeln.
Der erkennende Senat teilt die Auffassung der eingangs referierten herrschenden Lehre. Daraus ergibt sich:
Auf das Verfahren zur Bewirkung eines Wechsels in der Person des Sachwalters ist § 128 AußStrG nicht anzuwenden. Unanwendbar sind aber auch die anderen Sonderbestimmungen betreffend das Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (§§ 117 ff AußStrG), maßgebend sind vielmehr die Allgemeinen Verfahrensbestimmungen des Außerstreitgesetzes.
4. Der Oberste Gerichtshof erkannte in der Entscheidung 3 Ob 46/03s, es sei eine Rechtsgrundlage für den Sachwalterwechsel nur in der Bestimmung des § 282 Abs 1 ABGB zu finden. Ausschlaggebend sei insofern die Verweisung auf § 253 ABGB idF KindRÄG 2001. Danach habe das Gericht die Obsorge an eine andere Person zu übertragen, wenn es das Wohl des Minderjährigen erfordere. Das gelte insbesondere auch dann, wenn die mit der Obsorge betraute Person ihre Pflichten nach § 145b ABGB verletze, einer der Umstände des § 188 Abs 2 ABGB eintrete oder bekannt werde, oder die Person, die bisher mit der Obsorge betraut war, versterbe. Aus § 253 ABGB folge somit auch, dass es bei der Umbestellung des Sachwalters „im Grunde allein auf das Wohl des Betroffenen" ankomme. Der erkennende Senat tritt diesen Erwägungen bei. Soweit ist mit Rücksicht auf den Anlassfall hervorzuheben, dass der zwischen den Elternteilen andauernde Konflikt allenfalls im Licht des § 145b ABGB Anlass für einen Sachwalterwechsel sein könnte, wenn der Mutter als bisheriger Sachwalterin tatsächlich anlastbar wäre, das Verhältnis der Betroffenen zu ihrem Vater und Dienstgeber zu beeinträchtigen oder die Erfüllung dessen Aufgaben in den bezeichneten Funktionen zu erschweren. Selbst dieser Gesichtspunkt könnte indes nur dann zum Tragen kommen, wenn ein Sachwalterwechsel das Wohl der Betroffenen nicht beeinträchtigte. Die Gewährleistung des Wohls der Betroffenen als oberstes Prinzip des Rechts über die Sachwalterschaft ist somit in jedem Fall vorrangig.4. Der Oberste Gerichtshof erkannte in der Entscheidung 3 Ob 46/03s, es sei eine Rechtsgrundlage für den Sachwalterwechsel nur in der Bestimmung des § 282 Abs 1 ABGB zu finden. Ausschlaggebend sei insofern die Verweisung auf § 253 ABGB in der Fassung KindRÄG 2001. Danach habe das Gericht die Obsorge an eine andere Person zu übertragen, wenn es das Wohl des Minderjährigen erfordere. Das gelte insbesondere auch dann, wenn die mit der Obsorge betraute Person ihre Pflichten nach § 145b ABGB verletze, einer der Umstände des § 188 Abs 2 ABGB eintrete oder bekannt werde, oder die Person, die bisher mit der Obsorge betraut war, versterbe. Aus § 253 ABGB folge somit auch, dass es bei der Umbestellung des Sachwalters „im Grunde allein auf das Wohl des Betroffenen" ankomme. Der erkennende Senat tritt diesen Erwägungen bei. Soweit ist mit Rücksicht auf den Anlassfall hervorzuheben, dass der zwischen den Elternteilen andauernde Konflikt allenfalls im Licht des § 145b ABGB Anlass für einen Sachwalterwechsel sein könnte, wenn der Mutter als bisheriger Sachwalterin tatsächlich anlastbar wäre, das Verhältnis der Betroffenen zu ihrem Vater und Dienstgeber zu beeinträchtigen oder die Erfüllung dessen Aufgaben in den bezeichneten Funktionen zu erschweren. Selbst dieser Gesichtspunkt könnte indes nur dann zum Tragen kommen, wenn ein Sachwalterwechsel das Wohl der Betroffenen nicht beeinträchtigte. Die Gewährleistung des Wohls der Betroffenen als oberstes Prinzip des Rechts über die Sachwalterschaft ist somit in jedem Fall vorrangig.
5. Der Oberste Gerichtshof sprach auf dem Boden seiner ständigen Rechtsprechung in der Entscheidung 2 Ob 301/03h aus, es müsse nach der zwingenden Norm des § 281 Abs 3 ABGB eine rechtskundige Person im Sinn des § 281 Abs 3 ABGB als Sachwalter bestellt werden, wenn klar sei, dass die Besorgung der Angelegenheiten eines Betroffenen vorwiegend Rechtskenntnisse erfordere. Daran ändere der Umstand nichts, dass das Gericht bei der Auswahl jener Person, die zum Sachwalter bestellt werden solle, einen Ermessensspielraum habe. Für die Auswahl des Sachwalters sei daher die Art der zu besorgenden Angelegenheiten wesentlich. Solle der Sachwalter den Behinderten in einem Rechtsstreit vertreten oder forderten die sonst zu besorgenden Angelegenheiten vorwiegend Rechtskenntnisse, so sei zur Wahrung des Wohls des Betroffenen - je nach den Umständen - ein Rechtsanwalt, Notar, Rechtsanwaltsanwärter oder Notariatskanditat als Sachwalter zu bestellen. Diese Grundsätze gälten auch für die Auswechslung des Sachwalters, könne es doch für die Wahrung des Wohls des Betroffenen keinen Unterschied machen, ob die Bestellung eines Sachwalters erstmals erfolge oder ein bereits bestellter Sachwalter durch einen anderen ersetzt werden solle.
6. Hier ist nach dem Akteninhalt nicht zu erkennen, dass der Sachwalter der Betroffenen Angelegenheiten zu besorgen hat oder haben wird, die vorwiegend Rechtskenntnisse voraussetzen. Die Ersetzung der Mutter der Betroffenen als Sachwalterin durch einen in dieser Funktion an deren Stelle tretenden Rechtsanwalt ist daher - nach den Leitlinien der Entscheidung 2 Ob 301/03h - nicht schon deshalb geboten, weil die weitere Wahrung des Wohls der Betroffenen infolge der vom Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten die Bestellung eines Rechtskundigen notwendig machte.
7. Abgesehen von der unter 5. und 6. erörterten Frage der Bestellung eines Rechtskundigen zum Sachwalter müsste nach den Erwägungen unter 4. als Voraussetzung für jeden Sachwalterwechsel feststehen, dass dadurch das Wohl der Betroffenen nicht beeinträchtigt wird. Im Anlassfall mangelt es bisher an jeder durch Beweisergebnisse getragenen Entscheidungsgrundlage dafür, wie sich der beschlossene Sachwalterwechsel auf die Psyche der Betroffenen und damit auf deren Wohl auswirken werde oder auswirken könnte. Insofern ist als Ausgangspunkt der Aufgabenkreis des Sachwalters maßgebend; dieser hat nicht nur das Einkommen und Vermögen der Betroffenen zu verwalten und deren Vertretung bei Ämtern und Behörden zu besorgen, sondern er muss auch bestimmte Angelegenheiten der Personensorge (Näheres zu diesem Begriff bei Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 273 Rz 2, § 282 Rz 3; Weitzenböck in Schwimann, ABGB³ § 273 Rz 6 ff, § 282 Rz 2) wahrnehmen, weil er für die Betroffene die „Wahl des Aufenthaltsortes und des Arbeitsplatzes" zu treffen hat. Unzutreffend ist insoweit die Ansicht des Rekursgerichts, „die Bestellung einer familienfremden Person" als Sachwalter bedeute keineswegs, „dass der Aufenthalt der Betroffenen im Haushalt ihrer Mutter dadurch beeinträchtigt oder gefährdet wäre", könnte doch der an Stelle der Mutter bestellte Sachwalter zur Auffassung gelangen, die Gewährleistung des Wohls der Betroffenen erfordere eine Änderung deren Aufenthaltsorts und/oder deren Arbeitsplatzes. Der Aufenthaltsort und der Arbeitsplatz sind aber für die Betroffene von besonderer Bedeutung, weil sie einerseits eine enge Gefühlsbindung an die Mutter, in deren Haushalt sie lebt, hat, andererseits aber im Unternehmen des Vaters, ihrer zweiten wichtigen Bezugsperson, arbeitet.
8. Es trifft zwar zu, dass ein auf die Betroffene ausstrahlender, deren Wohl beeinträchtigender Elternkonflikt Anlass für einen Sachwalterwechsel nach den unter 4. erörterten Voraussetzungen sein könnte. Vor Ergehen einer solchen Entscheidung ist jedoch zu klären, wie sich die Bestellung eines Familienfremden zum Sachwalter im Vergleich zur Aufrechterhaltung der Funktion der Mutter als Sachwalterin auswirken würde. Ohne solche Feststellungen lässt sich die Frage nach der Notwendigkeit des beschlossenen Sachwalterwechsels nicht lösen. Die bloße Kenntnis des Umstands, dass die geschiedenen Eltern in andauernde Streitigkeiten verwickelt sind, in deren Mittelpunkt die Betroffene steht, reicht als Begründung für die in den Revisionsrekursen bekämpfte Maßnahme nicht aus. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die aufgezeigten Feststellungsmängel zu beheben haben, um die Frage nach dem Erfordernis eines Sachwalterwechsels, weil andernfalls das Wohl der Betroffenen beeinträchtigt wäre, einer abschließenden rechtlichen Beurteilung unterziehen zu können.
9. Erwiese sich ein Sachwalterwechsel nach allen bisherigen Ausführungen als geboten, so ist festzuhalten, dass die Regelung des § 281 ABGB als „Reihung der Prioritäten" zu verstehen ist (Weitzenböck aaO § 281 Rz 1). Käme daher die Bestellung einer der Betroffenen nahestehenden Person - wie etwa ihres Vaters - zum Sachwalter gemäß § 281 Abs 1 ABGB in Betracht, ohne dass das Wohl der Betroffenen eine andere Lösung erforderte, so schiede die Bestellung eines familienfremden Dritten als Sachwalter aus. Im Übrigen ist auf die Erwägungen unter 6. zu verweisen, wonach auf Grund der derzeit bekannten Umstände nicht zu erkennen ist, dass der Sachwalter der Betroffenen Angelegenheiten zu besorgen hat oder haben wird, die vorwiegend Rechtskenntnisse voraussetzten. Vor diesem Hintergrund fehlte es an einer Notwendigkeit, eine Person mit der in § 281 Abs 3 ABGB bezeichneten Qualifikation zum Sachwalter zu bestellen.
Textnummer
E79130European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00182.05D.1122.000Im RIS seit
22.12.2005Zuletzt aktualisiert am
13.12.2010