Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des W, vertreten durch Gehmacher Hüttinger Hessenberger Kommandit-Partnerschaft, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Alter Markt 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. Mai 2005, Zl. 225.187/0- IV/11/01, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides (Zulässigerklärung der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, gelangte im Juni 2001 in das Bundesgebiet und beantragte Asyl. Bei seiner Einvernahme zu den Fluchtgründen am 31. Juli 2001 gab er an, in Kabul im "Panjirwat" genannten Stadtteil gelebt und Afghanistan nach der Ermordung seines Vaters und der Verschleppung seines Bruders durch einen Vizebürgermeister der Taliban und dem dadurch ausgelösten Tod seiner Mutter verlassen zu haben. Durch einen Beschwerdebrief sei er kurz vor der Ausreise auch selbst ins Blickfeld der Verfolger geraten.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 9. November 2001 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 AsylG für zulässig.
Über die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid - in der insbesondere auf die damalige Kriegssituation in Afghanistan hingewiesen wurde - verhandelte die belangte Behörde unter Beiziehung des Sachverständigen Dr. Rasuly am 24. März 2005. Der Beschwerdeführer erklärte die Ermordung seines Vaters nun mit dem Angriff der Familie einer jungen Frau, in die der Beschwerdeführer verliebt gewesen sei, auf das Geschäft seines Vaters und das Verschwinden des Bruders mit dessen Versuch, sich über den Vorfall bei höheren Instanzen zu beschweren.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 7 und 8 AsylG zur Gänze ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Erwägungen, aus denen die belangte Behörde den Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Fluchtgründe - nämlich dem in der Berufungsverhandlung weitgehend ausgetauschten Vorbringen über die Umstände des Todes seiner Angehörigen - nicht gefolgt ist, halten der auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Der Beschwerde ist zwar zuzugestehen, dass die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt in einer offenkundig angespannten Atmosphäre stattfand und die Niederschrift auch wiederholte Anmerkungen über Schwierigkeiten bei der Protokollierung der Angaben enthält. Wenn die belangte Behörde aus dem Verhältnis der dessen ungeachtet festgehaltenen Angaben vor dem Bundesasylamt zur völlig anderen Darstellung in der Berufungsverhandlung die Überzeugung gewann, die Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Fluchtgründe seien insgesamt nicht glaubwürdig, so ist dies aber nicht als unschlüssig zu erkennen.
Insoweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG in Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet, kann sie daher - mangels tauglicher Hinweise auf von den behaupteten Fluchtgründen unabhängige, dem Beschwerdeführer etwa schon wegen einer bestimmten Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit drohende asylrelevante Verfolgungsgefahren - nicht erfolgreich sein.
In Bezug auf die Ansicht der belangten Behörde, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan könne gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt werden, ist die Begründung des angefochtenen Bescheides hingegen nicht ausreichend. Die belangte Behörde hat nur verhältnismäßig kurz und allgemein gehaltene, dabei - wie die Beschwerde mit Recht hervorhebt - eher gegen die in diesem Spruchpunkt getroffene Entscheidung sprechende Feststellungen über die "in mancher Beziehung sogar verschlechterte" Lage in Afghanistan getroffen und sich darauf gestützt, dass die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen auch zur Folge habe, dass nicht feststellbar sei, in welcher Weise er von den Verhältnissen in Afghanistan im Fall seiner Abschiebung dorthin betroffen wäre.
Dieser Überlegung kann die grundsätzliche Berechtigung nicht abgesprochen werden. Die belangte Behörde hätte sie aber näher ausführen und insbesondere darauf eingehen müssen, inwieweit sich aus der Unglaubwürdigkeit der Angaben über die Flüchtgründe auch diejenige der Behauptungen über den persönlichen und familiären Hintergrund, die Herkunft aus einer bestimmten Region in Kabul und ähnliche für eine differenzierende Gefahrenbeurteilung relevante Faktoren ergeben solle oder inwiefern sich die Nichtgewährung des subsidiären Schutzes auch ausgehend von diesen Behauptungen oder von einem Teil derselben, allenfalls auch von dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Personaldokument, mit dem Gesetz vereinbaren lasse. Zu diesem Zweck wäre es erforderlich gewesen, sich insbesondere mit den Behauptungen des Beschwerdeführers über sein Alter und seine Ausbildung und mit den Hinweisen auf seine Vertrautheit mit der von ihm genannten Region in Kabul auseinander zu setzen und den zur Verhandlung beigezogenen Sachverständigen in den Versuch einer entsprechenden Konkretisierung der Beurteilung einzubeziehen.
Es war daher Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen - nämlich hinsichtlich der Bestätigung der Abweisung des Asylantrages - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff , insbesondere auf § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. August 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190144.X00Im RIS seit
02.10.2007