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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit der Festlegung einer als Benützungsgebühr zuwertenden Wasserleitungsanschlußgebühr; Zulässigkeit derAusschreibung durch die Gemeinde aufgrund desFinanzausgleichsgesetzes ohne landesgesetzliche ErmächtigungSpruch
§2 Z2 erster Satz der Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 1. Februar 1993, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 5. Februar bis zum 22. Februar 1993, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.
Im übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2388/98 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
1.1. Mit Bescheid vom 2. April 1998 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Kirchdorf in Tirol dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für ein Bauvorhaben. In der Folge schrieb er ihm mit Bescheid vom 15. April 1998 eine Wasseranschlußgebühr von S 156.966,92 (einschließlich 10 % USt.) vor. Der Gemeindevorstand der Gemeinde Kirchdorf in Tirol gab mit Bescheid vom 30. September 1998 einer Berufung keine Folge, nachdem bereits der Bürgermeister eine abweisende Berufungsvorentscheidung erlassen hatte.
Mit Bescheid vom 2. November 1998 wies die Tiroler Landesregierung eine Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Berufungsbescheid ab.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §2 Z2 der Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 1. Februar 1993, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 5. Februar bis zum 22. Februar 1993, (in der Folge: WLGO) entstanden. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, diese Bestimmung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Im verfassungsgerichtlichen Verfahren sind zunächst keine Äußerungen abgegeben worden. Aufgrund eines Ersuchens des Verfassungsgerichtshofes äußerten sich in weiterer Folge die Landesregierung und der Beschwerdeführer des Anlaßverfahrens (nicht jedoch die Gemeinde) zu der Frage, ob die Gebührenpflicht nach §2 Z2 erster Satz erste Alternative WLGO unabhängig davon entstehe, ob die Liegenschaft an die Wasserversorgungsanlage tatsächlich angeschlossen sei, sowie zu der Frage, ob nach der Tiroler Bauordnung 1998 (in der Folge: TBO) mit dem Bau eines Objektes begonnen werden dürfe, bevor die Liegenschaft an die Wasserversorgungsanlage angeschlossen sei.
3. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
3.1. §14 Abs1 des - hier maßgeblichen - Finanzausgleichsgesetzes 1997, Art65 BG BGBl. 201/1996 (FAG 1997), lautet auszugsweise:
"Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:
1. - 14. ...
15. Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern;
16. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen;
17. ..."
§15 Abs3 FAG 1997 lautet auszugsweise:
"Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:
1. - 4. ...
5. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."
Vergleichbare Bestimmungen enthielt auch das Finanzausgleichsgesetz 1993 BGBl. 30 in §14 Abs1 Z15 und 16 sowie in §15 Abs3.
3.2.1. Die WLGO lautet auszugsweise (die in Prüfung genommene Bestimmung ist durch Fettdruck hervorgehoben):
"§1 Einteilung der Gebühren:
Zur Deckung des Aufwandes der Gemeindewasserleitung erhebt die Gemeinde Benützungsgebühren in der Form einer
Anschlußgebühr
und einer laufenden Gebühr den
Wasserzins und Zählermiete
§2 Anschlußgebühr:
1. Die Gemeinde erhebt zur Deckung der Kosten der Errichtung oder Erweiterung der Wasserleitungsanlage eine Anschlußgebühr. Die Bestimmungen des §12 der WLO, über die Einhebung von Benützungsgebühren für den laufenden Wasserbezug und für die Bereitstellung des Wasserzählers werden hievon nicht berührt.
2. Die Gebührenpflicht entsteht mit Baubeginn eines Objektes oder mit Genehmigung des Ansuchens für ein bestehendes Objekt. Bei Zu- und Umbauten und bei Wiederaufbau von abgerissenen Bauten entsteht die Gebührenpflicht mit Baubeginn nur insoweit, als die Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.
3. Bei einem Neubau oder einer Erweiterung der Gemeindewasserleitungsanlage entsteht die Gebührenpflicht für alle im erschließbaren Bereich dieser Anlage liegenden Baugrundstücke, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses einen Monat nach Baubeginn der Anlage.
§4 Berechnung der Anschlußgebühr:
1. Bemessungsgrundlage ist die verbaute Grundfläche, vervielfacht mit der Anzahl der Geschoße, wobei Keller und ausgebautes Dachgeschoße als je ein Geschoß zählen.
2. Die Anschlußgebühr beträgt pro Quadratmeter der Bemessungsgrundlage ÖS ....... Schilling.
[Der Betrag ist in der Verordnung nicht angegeben.]
§7 Vorschreibung der Gebühren:
Die Gebühren sind bescheidmäßig vorzuschreiben.
§8 Gebührenschuldner:
Zur Entrichtung der Gebühren sind die Abnehmer verpflichtet. Die Nutzniesser haften anteilsmäßig für die richtige und rechtzeitige Entrichtung der Gebühren.
§9 Inkrafttreten:
Diese Wasserleitungsgebührenordnung tritt am 1. März 1993 in Kraft.
Mit dem Inkrafttreten dieser Wasserleitungsgebührenordnung tritt die Wasserleitungsgebührenordnung vom 15.12.1962 außer Kraft."
3.2.2. Am 17. November 1997 beschloß der Gemeinderat der Gemeinde Kirchdorf eine Verordnung, mit der - mit Wirkung ab 1. Jänner 1998 - verschiedene Gebühren, Steuern und Hebesätze festgelegt wurden, so auch die "Wasseranschlußgebühr pro m2 verbaute Fläche/Stockwerke" mit S 40,-. Die entsprechende Kundmachung wurde vom 19. November 1997 bis zum 9. Dezember 1997 an der Amtstafel angeschlagen.
3.3. §12 der Wasserleitungsordnung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 1. Februar 1993 lautet auszugsweise:
"§12. Wassergebühren:
1) Für den Anschluß eines Grundstückes an die Wasserversorgungsanlage, für den laufenden Wasserbezug und für die Bereitstellung des Wasserzählers werden Benützungsgebühren erhoben.
2) Gebührenpflichtig ist der Abnehmer.
3) Die Art, Fälligkeit und Höhe der Gebühren regelt die einen Bestandteil dieser Wasserleitungsordnung bildende Wasserleitungsgebührenordnung."
II. 1.1. In seinem Einleitungsbeschluß nahm der Gerichtshof vorläufig an, daß die Beschwerde zulässig sei, daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides §2 Z2 WLGO angewandt habe und daß auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei der Beurteilung der Beschwerde anzuwenden hätte.
Nach §4 Z2 WLGO wird die Anschlußgebühr als Produkt aus der Bemessungsgrundlage und einem Schilling-Betrag errechnet; dieser Betrag ist in der WLGO nicht angegeben, sondern durch eine Reihe von Punkten ersetzt. Für das - hier maßgebliche - Jahr 1998 wurde die Wasseranschlußgebühr mit S 40,- "pro m2 verbaute Fläche/Stockwerke" festgelegt (Verordnung vom 17. November 1997; vgl. oben Punkt I.3.2.2.). Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluß vorläufig davon aus, daß bei einer Zusammenschau dieser beiden Vorschriften §4 WLGO vollziehbar sei, sodaß sich der Bescheid denkmöglich auf diese Bestimmung und somit auch auf §2 WLGO stütze.
1.2. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß diese Annahmen des Prüfungsbeschlusses zutreffen. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß §2 Z2 zweiter Satz WLGO nicht - wie ursprünglich angenommen - mit dem ersten, präjudiziellen Satz des §2 Z2 WLGO in untrennbarem Zusammenhang steht.
Das Verfahren war daher hinsichtlich §2 Z2 zweiter Satz WLGO einzustellen. Im übrigen ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2.1. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof gegen §2 Z2 WLGO das Bedenken, daß es keine gesetzliche Grundlage gebe, welche die Gemeinde Kirchdorf ermächtigte, Wasseranschlußgebühren wie die in der WLGO geregelten vorzuschreiben. Dazu führte er im Prüfungsbeschluß aus:
"Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 10947/1986 Anschlußgebühren dann als Benützungsgebühren iSd §15 Abs3 Z5 FAG qualifiziert, wenn sie in einem förmlichen Benützungsverhältnis, und zwar immer am Beginn eines solchen, entstehen. Gemäß §2 Z2 WLGO entsteht die Gebührenpflicht mit Baubeginn eines Objektes oder mit Genehmigung des Ansuchens für ein bestehendes Objekt. Zu dieser Regelung treten Regelungen über Zu- und Umbauten, über den Wiederaufbau abgerissener Bauten und über den Neubau oder die Erweiterung der Gemeindewasserleitungsanlage (§2 Z2 zweiter Satz und Z3 WLGO). Die Gebührenpflicht dürfte daher unter Umständen bereits entstehen, bevor der Anschluß möglich ist und benützt werden kann, sohin unabhängig davon, ob das Objekt an die Wasserleitungsanlage tatsächlich angeschlossen ist oder nicht (vgl. VfGH 7.3.2001, V5/01; 30.11.2001, V66/01, jeweils zu anscheinend vergleichbaren Fällen in bezug auf Kanalanlagen).
Der Verfassungsgerichtshof hat eine Wasseranschlußgebühr, die unmittelbar am Beginn eines förmlichen Benützungsverhältnisses stand, als Benützungsgebühr (VfSlg. 10947/1986), hingegen einen Kanalisationsbeitrag nach dem Steiermärkischen Kanalabgabengesetz, der ohne Rücksicht darauf zu leisten ist, ob die anschlußpflichtigen Liegenschaften an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht, als Interessentenbeitrag qualifiziert (VfSlg. 10947/1986, 11376/1987, 15608/1999; vgl. auch VfSlg. 11244/1987), ebenso Anschlußgebühren nach den Kanalgebührenordnungen der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental und der Gemeinde Kirchdorf in Tirol, nach denen die Gebührenpflicht mit Eintritt der Rechtskraft des Anschlußbescheides (iSd Tir. Kanalisationsgesetzes LGBl. 40/1985) entstand (VfGH 7.3.2001, V5/01; 30.11.2001, V66/01).
Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, daß es sich bei der Anschlußgebühr nach §2 Z2 WLGO nicht um eine Benützungsgebühr iSd §14 Abs1 Z16, §15 Abs3 Z5 FAG 1997, sondern um einen Interessentenbeitrag iSd §14 Abs1 Z15 FAG 1997 handelt. Solche Interessentenbeiträge sind ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben, die, sollen sie aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung erhoben werden, gemäß §8 Abs5 F-VG eines Landesgesetzes bedürfen, das die Gemeinden zur Erhebung solcher Abgaben ermächtigt (vgl. VfSlg. 10947/1986; VfGH 7.3.2001, V5/01; 30.11.2001, V66/01). Der Verfassungsgerichtshof hegt nun das Bedenken, daß ein solches Gesetz, welches die Gemeinden des Bundeslandes Tirol zur Erhebung von Interessentenbeiträgen im allgemeinen oder zur Einhebung einer Anschlußgebühr nach der WLGO im besonderen ermächtigte, nicht besteht. Auch die belangte Behörde hat eingeräumt, daß der Tiroler Landesgesetzgeber ein 'Interessentenbeiträgegesetz' (noch) nicht erlassen hat."
2.2. Die Tiroler Landesregierung führt in ihrer Stellungnahme ua. aus:
"[§2 Z2 WLGO] stellt ... hinsichtlich der Entstehung der Gebührenpflicht auf den Zeitpunkt ab, zu dem üblicherweise die Inanspruchnahme der (öffentlichen) Wasserversorgungsanlage - und damit das tatsächliche Benützungsverhältnis - beginnt. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ist nämlich davon auszugehen, dass die Durchführung eines Baues Wasser erfordert, welches im Regelfall aus der (öffentlichen) Wasserversorgungsanlage bezogen wird. Die Erschließung eines Grundstückes durch die Wasserversorgungsanlage erfolgt daher grundsätzlich vor dem Baubeginn."
Dieser Ansicht ist zu folgen. Die Landesregierung weist zu Recht darauf hin, daß das Erfordernis einer Abwasserbeseitigung typischerweise erst entsteht, sobald ein Gebäude benützt wird, während Wasser typischerweise schon gebraucht wird, sobald mit dem Bau eines Gebäudes begonnen wird. Die im Prüfungsbeschluß erwähnte Rechtsprechung zu Kanalanschlußgebühren in Tirol läßt sich daher auf Wasseranschlußgebühren nicht übertragen. Vielmehr ist im vorliegenden Fall - angesichts der hier zulässigen Durchschnittsbetrachtung - davon auszugehen, daß der Beginn der Wasserversorgung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Baubeginn steht. Die Anschlußgebühr steht damit am Beginn eines förmlichen Benützungsverhältnisses und ist somit als Benützungsgebühr zu qualifizieren (vgl. VfSlg. 10947/1986). Für eine Benützungsgebühr bedarf es jedoch keiner landesgesetzlichen Grundlage; sie kann aufgrund des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes (hier: §15 Abs3 Z5 FAG 1997) ausgeschrieben werden (VfSlg. 8847/1980, 10738/1985, 14642/1996 ua.).
Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs haben sich daher nicht als zutreffend erwiesen.
Die Argumente, die der Beschwerdeführer des Anlaßverfahrens in seiner Stellungnahme vorbringt, überzeugen dagegen nicht. Er stützt sich, soweit er über die Überlegungen des Prüfungsbeschlusses hinausgeht, im wesentlichen darauf, daß nach §2 Z3 WLGO bei einem Neubau oder bei einer Erweiterung der Gemeindewasserleitungsanlage die Gebührenpflicht "ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses einen Monat nach Baubeginn der Anlage" eintritt. Dazu genügt der Hinweis, daß es im Beschwerdefall nicht um einen Neubau oder um eine Erweiterung der Wasserleitungsanlage geht und §2 Z3 WLGO daher nicht Gegenstand des Verordnungsprüfungsverfahrens ist.
2.3. §2 Z2 erster Satz WLGO war daher nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Abgabenbegriff, Gebühr, Interessentenbeiträge, Finanzverfassung,Finanzausgleich, Abgaben Gemeinde-, VfGH / Prüfungsumfang,WasserversorgungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:V123.2001Zuletzt aktualisiert am
23.10.2009