TE OGH 2005/12/13 1Ob226/05z

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Veröffentlicht am 13.12.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede T*****, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen EUR 28.268,16 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Juli 2005, GZ 5 R 84/05w-22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. März 2005, GZ 18 Cg 189/04w-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.200,60 (darin enthalten EUR 400,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin unterhielt Konten bei einer Bank, über deren Vermögen am 17. 3. 1995 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung belief sich das Guthaben auf diesen Konten auf insgesamt S 1,945.738,08. Im Zuge des Konkursverfahrens gelangte an die Gläubiger eine Quote von 80,0087 % zur Ausschüttung. Der Forderungsausfall belief sich sohin auf 19,9913 % und betrug somit in Ansehung der Klägerin S 388.978,34 (= EUR 28.268,16).

Im Revisionsverfahren nicht mehr strittig sind die aus einem Vorverfahren (1 Ob 188/02g = SZ 2003/28) übernommenen Feststellungen zum schuldhaften Prüfungs- und Berichtsverhalten des Bankprüfers: Hätte der Bankprüfer ab 1988 den Organen der Bankenaufsicht mitgeteilt, dass die interne Kontrolle der Bank nicht ordnungsgemäß organisiert sei, hätte dies zu Aufsichtsmaßnahmen geführt. Dadurch wären die kriminellen Verhaltensweisen der Vorstandsmitglieder und der Vorstandssekretärin, deren Malversationen in den Büchern nicht aufschienen, erkannt worden; die Eröffnung des Konkurses wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert worden.

Mit Schreiben vom 19. 12. 1997 teilte der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Bank allen Gläubigern der Gemeinschuldnerin mit, „nach derzeitigem Stand der Dinge" belaufe sich der Schaden - exklusive Zinsen - auf rund 20 % der Nominalforderung. Er führte weiters aus, dass in einem bereits von einzelnen Sparern angestrengten Amtshaftungsverfahren ein Sachverständiger zu dem Ergebnis gelangt sei, eine ordnungsgemäß funktionierende interne Kontrolle hätte jene Umstände, die zur Insolvenz geführt haben, verhindern können; der Sachverständige habe die Erkennbarkeit dieser Umstände für den Bankprüfer oder die Organe der Bankenaufsicht bei Anwendung sachkundiger Sorgfalt bejaht. In diesem Schreiben wurde der Klägerin (ebenso wie allen anderen Gläubigern) mitgeteilt, dass ein in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten eines Universitätsprofessors zu dem Ergebnis gelangt sei, „gute Gründe" würden dafür sprechen, dass die den Gläubigern der Bank durch kausale, rechtswidrige und schuldhafte Aufsichtspflichtverletzungen der Bankprüfer entstandenen Schäden dem aufsichtspflichtigen Bund zuzurechnen seien. Nach Ansicht des Gutachters führe eine Pflichtwidrigkeit des Bankprüfers automatisch zu einer Haftung der Bankenaufsicht. In dem Schreiben riet der Masseverwalter, vor Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen und verwies auf den Namen jenes Rechtsanwalts, der als Sparervertreter über den Stand der anhängigen Verfahren informiert sei. Als „Ergebnis" wurde in diesem Schreiben ausgeführt:

„... stellt sich per Stichtag 16. 1. 1998 erstmals die Verjährungsfrage (wenngleich wir .... den Standpunkt vertreten, dass der Schadenseintritt erst mit Scheitern der Sanierungsbemühungen, also mit 17. 3. 1995 „bekannt" iSd AHG wurde). Sollten Sie daher erwägen, Amtshaftungsansprüche an die Republik Österreich... heranzutragen, wäre wohl spätestens vor diesem Zeitpunkt ein entsprechendes Aufforderungsschreiben im Sinne des § 8 AHG an den Rechtsträger zu übermitteln. Es gibt auch Rechtsmeinungen, deren Stichhaltigkeit wir nicht überprüft haben, wonach die Verjährung erst mit Beendigung des Konkursverfahrens zu laufen beginnt, da erst zu diesem Zeitpunkt die endgültige Quote feststeht. Ganz sicher liegt man jedenfalls, wenn man das Aufforderungsverfahren im Sinne der obigen Ausführung vor dem 16. 1. 1998 einleitet...."

In der im Vorverfahren ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. 3. 2003, 1 Ob 188/02g, wurde erstmals ausgesprochen, dass der Bankprüfer, der den bankaufsichtlichen Prüfungsbericht erstellt und diesen pflichtgemäß der Aufsichtsbehörde übermittelt, Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG sei.In der im Vorverfahren ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. 3. 2003, 1 Ob 188/02g, wurde erstmals ausgesprochen, dass der Bankprüfer, der den bankaufsichtlichen Prüfungsbericht erstellt und diesen pflichtgemäß der Aufsichtsbehörde übermittelt, Organ im Sinne des § 1 Absatz 2, AHG sei.

Mit der am 6. 8. 2004 bei Gericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin den Ersatz ihres Forderungsausfalls samt Anhang und stützte ihr Begehren insbesondere auf den Titel der Amtshaftung.

Die beklagte Partei bestritt, dass sie für die Fehler des Bankprüfers nach § 1 AHG einzustehen habe unter Hinweis darauf, dass die bisher einzige, zur Frage der Organeigenschaft eines Bankprüfers vom Obersten Gerichtshof ergangene Entscheidung im Gegensatz zur überwiegenden Literatur und zu den Ausführungen „in der Regierungsvorlage" stehe. Außerdem habe auch der EuGH in einem Urteil vom 12. 10. 2004 in einem gegen die Bundesrepublik Deutschland geführten Rechtsstreit klargestellt, dass dem Anlegerschutz ausschließlich das Institut der Einlagensicherung diene. Die Aufsichtsnormen des BWG bzw KWG würden nur „die Funktionsfähigkeit des Kreditinstituts im Gesamtinteresse des Bankwesens" sichern, hätten aber nicht den Sinn, jeden einzelnen Anleger vor Forderungsverlusten zu bewahren. Der Klagsanspruch sei zudem verjährt. Bereits mit Konkurseröffnung sei festgestanden, dass jene Gläubiger, deren Forderungen nicht zur Gänze durch die Einlagensicherung gedeckt seien, einen Forderungsausfall erleiden werden. Die Konkurseröffnung habe jedenfalls den Verlust von Zinsen und Verfahrenskosten und damit einen Primärschaden bewirkt. Durch das Rundschreiben des Masseverwalters vom 19. 12. 1997 seien schließlich sämtliche Gläubiger ausführlich über die „amtshaftungsrechtlichen Aspekte" des Konkurses informiert worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe ein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet werden können. Am 20. 7. 2001 sei über das erstinstanzliche klagsstattgebende Urteil des Vorprozesses in den Medien ausführlich berichtet worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin Kenntnis vom Kausalzusammenhang erlangt. Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 6. 8. 2004 sei bereits Verjährung eingetreten gewesen.

Die Klägerin replizierte, erst mit Beendigung des Konkursverfahrens im Sommer 2003 habe sie erkennen können, dass sie tatsächlich einen Schaden erleide. Es sei eine hohe Quote ausgeschüttet worden und bis zum Schluss nicht klar gewesen, ob nicht eine gänzliche Befriedigung der Gläubiger möglich sei. Auch sei erst mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. 3. 2003, 1 Ob 188/02g, Rechtssicherheit geschaffen worden. Erst ab diesem Zeitpunkt habe der Klägerin ein Organverschulden der beklagten Partei bekannt sein können. Da die Schadensverursachung durch ein Organ des Rechtsträgers nicht „auf der Hand gelegen" sei, beginne die Verjährungsfrist erst mit dieser Entscheidung zu laufen, da erst dann die Klägerin auf Grund der ihr bekannten Umstände zumutbarerweise ohne nennenswerte Mühe auf das Verschulden eines Organs der beklagten Partei schließen habe können. Verjährung sei nicht eingetreten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von einem Teil des Zinsenbegehrens, dessen Abweisung in Rechtskraft erwuchs - statt. Es ging in Anlehnung an die Entscheidung 1 Ob 188/02g davon aus, dass der Bankprüfer als Organ der beklagten Partei anzusehen sei und rechtswidrig und schuldhaft den Schaden der Klägerin herbeigeführt habe. Die Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs könne erst zu einem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der Geschädigte ausreichend Gewissheit über ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten habe. Die Kenntnis des Schädigers - als Voraussetzung für die aussichtsreiche Einbringung der Amtshaftungsklage - sei für die Klägerin erst mit der oberstgerichtlichen Entscheidung 1 Ob 188/02g vom 25. 3. 2003 gegeben gewesen. Die Verjährungsfrist habe daher erst mit diesem Tag begonnen.

Das Berufungsgericht änderte das klagsstattgebende in ein klagsabweisliches Urteil ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Klagsanspruch sei verjährt. Bereits mit Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Bank sei der Klägerin der Schaden entstanden. Bei einer juristischen Person sei ein Insolvenzverfahren nur zu eröffnen, wenn Überschuldung vorliege; diese bedinge, dass nicht mit einer vollständigen Befriedigung der Gläubigerforderungen zu rechnen sei. Nicht erforderlich sei, dass der Schaden schon zur Gänze eingetreten war oder die Schadenshöhe endgültig beziffert werden konnte. Abgesehen davon sei die Klägerin ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung jedenfalls der Verzinsung ihrer Einlagen verlustig gegangen. Sei - wie hier - schon ein Primärschaden entstanden, so hätte die Klägerin der drohenden Verjährung durch eine Feststellungsklage begegnen müssen. Im Hinblick auf die Organstellung des Bankprüfers führte das Berufungsgericht aus, die dreijährige Verjährungsfrist werde grundsätzlich erst dann in Gang gesetzt, wenn dem Geschädigten neben der Kenntnis des Schadens der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt so weit bekannt sei oder zumutbarerweise bekannt sein musste, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann. Dennoch sei nicht die völlige Gewissheit des Prozesserfolgs Voraussetzung. Jeder Rechtsstreit schließe vielmehr gewisse Risken ein. Die Klägerin habe mit dem durch ein Sachverständigengutachten untermauerten Inhalt des Rundschreibens der Masseverwalterin sämtliche für eine Amtshaftungsklage erforderlichen Kenntnisse vom objektiven Sachverhalt erlangt. Ihr sei der Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Prüfberichten des Bankprüfers und der den Schaden auslösenden Insolvenz hinreichend klar geworden. Es sei ihr die Möglichkeit offen gestanden, bei einem Rechtskundigen - insbesondere bei dem für andere geschädigte Sparer bereits tätigen Anwalt - Rat einzuholen. Die damals noch unentschiedene Rechtsfrage, ob der Bankprüfer als Organ des Bundes anzusehen sei, habe den Beginn der Verjährungsfrist nicht weiter hinausschieben können. Es komme nicht auf die richtige rechtliche Qualifikation des - bekannten - Sachverhalts für das Ingangsetzen der Verjährungsfrist an, sondern habe die Verjährungsfrist mit dem Zugang des Schreibens des Masseverwalters vom 19. 12. 1997 begonnen. Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 6. 8. 2004 sei die Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist klarzustellen, dass der erkennende Senat keine Veranlassung sieht, von den rechtlichen Ausführungen zu 1 Ob 188/02g abzugehen, auch nicht im Hinblick auf die danach zur Darstellung gebrachten Lehrmeinungen. Ein näheres Eingehen darauf ist aber nicht geboten, zumal der Verjährungseinwand der beklagten Partei berechtigt ist.

Zur Frage des Schadenseintritts bzw zur Kenntnis eines Geschädigten vom Schadenseintritt ist auszuführen:

Der weit gefasste Schadensbegriff des § 1293 ABGB gilt auch für den Bereich des Amtshaftungsgesetzes (Schragel, AHG³ Rz 167) und umfasst jeden rechtlich als Nachteil zu beurteilenden Zustand. Ist beispielsweise an Stelle eines präsenten Bargeldbetrags eine gleich hohe Geldforderung getreten, ist der Schaden bereits eingetreten, weil diese Forderung mit dem Risiko der Einbringlichkeit bzw dem der Rechtsverfolgung behaftet ist. Eine Ausnahme wurde nur dann angenommen, wenn der Schuldner in einem solchen Fall imstande und bereit war, seine Verbindlichkeit unverzüglich abzutragen (SZ 69/145; SZ 65/41). Im Fall der Konkurseröffnung über das Vermögen einer Bank hat dies bei einem Aktivstand des Kontos zur Folge, dass sich die liquide Forderung des Bankkunden auf jederzeitige Auszahlung seines Kontoguthabens in einen Anspruch auf Teilnahme am Konkurs wandelt. Er kann nur mehr nach Maßgabe der Konkursordnung, jedenfalls aber nicht sofort Zahlung erhalten. Damit ist aber bereits ein „Primärschaden" eingetreten, weil an die Stelle eines liquiden Bankguthabens eine Konkursforderung tritt.

Jedenfalls aber war der Klägerin ein weitergehender Schaden mit Zugang des Schreibens des Masseverwalters vom 19. 12. 1997 bekannt bzw musste ihr dieser bekannt sein:

Da bei einer juristischen Person als Voraussetzung für die Eröffnung des Konkurses deren Überschuldung bescheinigt sein muss, indiziert im Regelfall die Konkurseröffnung einen Vermögensnachteil, der darin besteht, dass die Forderung nur aliquot befriedigt werden kann. Wenn auch allein aus der Tatsache der Konkurseröffnung noch nicht in allen Fällen mit voller Gewissheit geschlossen werden kann, dass es zu einem Forderungsausfall kommen wird, muss für den Gläubiger (Einleger) der Schadenseintritt dann erkennbar sein, wenn auf Grund des Verlaufs des Konkursverfahrens unter Berücksichtigung der ihm zumutbaren Erkundigungspflicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Konkursgläubiger einen Forderungsausfall erleiden werden. Kann der Geschädigte (Einleger) den Forderungsausfall ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen, so gilt seine Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (SZ 68/179 mwN). Im Konkursverfahren stehen den Gläubigern hinreichende Möglichkeiten offen, sich über einen etwaigen Forderungsausfall entsprechend zu informieren. So verfasst der Masseverwalter einen Vermögensstatus (§ 81a Abs 2 KO) und berichtet über die Befriedigungsaussichten der Konkursgläubiger in der Gläubigerversammlung sowie in den Sitzungen des Gläubigerausschusses. In diese Protokolle oder Unterlagen kann der Konkursgläubiger Einsicht nehmen. Vielfach sind auch Gläubigerschutzverbände bereit, entsprechende Auskünfte zu geben, sodass der Geschädigte eine Vielfalt von Informationsquellen hat, um sich über die Einbringlichkeit seiner Forderung zu informieren. Ob und welche Maßnahmen dem Geschädigten zumutbar sind, ist jeweils im konkreten Einzelfall zu beurteilen (SZ 57/171; RIS-Justiz RS0113916). Im vorliegenden Fall erhielt die Klägerin mit Schreiben des Masseverwalters vom 19. 12. 1997 eine Information, aus der sie ersehen konnte, dass sich nach „derzeitigem Stand der Dinge" der Schaden - exklusive Zinsen - auf rund 20 % ihrer Forderung belief. Im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen in diesem Schreiben konnte die Klägerin nicht mehr vermuten, dass ihre Forderung zu 100 % beglichen werde und kein Forderungsausfall stattfinde. Auf Grund dieser Mitteilung des Masseverwalters musste die Klägerin den bereits erfolgten Schadenseintritt jedenfalls erkennen, zumal der weitere Inhalt des Schreibens ausdrücklich auf die Verjährungsproblematik hinweist. Die Klägerin konnte sich nach Erhalt dieses Schreibens nicht mehr damit begnügen, die Beendigung des - insgesamt acht Jahre in Anspruch nehmenden - Konkursverfahrens im Sommer 2003 abzuwarten, um einen Differenzanspruch zwischen der Konkursquote und der angemeldeten Forderung als einen (erst) zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Schaden geltend zu machen. Die Verjährungsfrist wird bereits mit Kenntnis vom Eintritt der Rechtsgutverletzung in Gang gesetzt, ohne dass der Geschädigte schon die Höhe seines Schadens beziffern können muss (JBl 1996, 315 mwN ; 1 Ob 286/03w).Da bei einer juristischen Person als Voraussetzung für die Eröffnung des Konkurses deren Überschuldung bescheinigt sein muss, indiziert im Regelfall die Konkurseröffnung einen Vermögensnachteil, der darin besteht, dass die Forderung nur aliquot befriedigt werden kann. Wenn auch allein aus der Tatsache der Konkurseröffnung noch nicht in allen Fällen mit voller Gewissheit geschlossen werden kann, dass es zu einem Forderungsausfall kommen wird, muss für den Gläubiger (Einleger) der Schadenseintritt dann erkennbar sein, wenn auf Grund des Verlaufs des Konkursverfahrens unter Berücksichtigung der ihm zumutbaren Erkundigungspflicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Konkursgläubiger einen Forderungsausfall erleiden werden. Kann der Geschädigte (Einleger) den Forderungsausfall ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen, so gilt seine Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (SZ 68/179 mwN). Im Konkursverfahren stehen den Gläubigern hinreichende Möglichkeiten offen, sich über einen etwaigen Forderungsausfall entsprechend zu informieren. So verfasst der Masseverwalter einen Vermögensstatus (§ 81a Absatz 2, KO) und berichtet über die Befriedigungsaussichten der Konkursgläubiger in der Gläubigerversammlung sowie in den Sitzungen des Gläubigerausschusses. In diese Protokolle oder Unterlagen kann der Konkursgläubiger Einsicht nehmen. Vielfach sind auch Gläubigerschutzverbände bereit, entsprechende Auskünfte zu geben, sodass der Geschädigte eine Vielfalt von Informationsquellen hat, um sich über die Einbringlichkeit seiner Forderung zu informieren. Ob und welche Maßnahmen dem Geschädigten zumutbar sind, ist jeweils im konkreten Einzelfall zu beurteilen (SZ 57/171; RIS-Justiz RS0113916). Im vorliegenden Fall erhielt die Klägerin mit Schreiben des Masseverwalters vom 19. 12. 1997 eine Information, aus der sie ersehen konnte, dass sich nach „derzeitigem Stand der Dinge" der Schaden - exklusive Zinsen - auf rund 20 % ihrer Forderung belief. Im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen in diesem Schreiben konnte die Klägerin nicht mehr vermuten, dass ihre Forderung zu 100 % beglichen werde und kein Forderungsausfall stattfinde. Auf Grund dieser Mitteilung des Masseverwalters musste die Klägerin den bereits erfolgten Schadenseintritt jedenfalls erkennen, zumal der weitere Inhalt des Schreibens ausdrücklich auf die Verjährungsproblematik hinweist. Die Klägerin konnte sich nach Erhalt dieses Schreibens nicht mehr damit begnügen, die Beendigung des - insgesamt acht Jahre in Anspruch nehmenden - Konkursverfahrens im Sommer 2003 abzuwarten, um einen Differenzanspruch zwischen der Konkursquote und der angemeldeten Forderung als einen (erst) zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Schaden geltend zu machen. Die Verjährungsfrist wird bereits mit Kenntnis vom Eintritt der Rechtsgutverletzung in Gang gesetzt, ohne dass der Geschädigte schon die Höhe seines Schadens beziffern können muss (JBl 1996, 315 mwN ; 1 Ob 286/03w).

Zur Kenntnis der Organeigenschaft des Bankprüfers:

Die dreijährige Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG wird dann in Gang gesetzt, wenn dem Geschädigten neben der Kenntnis des Schadens der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt so weit bekannt ist oder zumutbarerweise bekannt sein muss, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (SZ 64/23; SZ 52/186 u.a.). Es sind also die Kenntnisse des Geschädigten vom objektiven Sachverhalt maßgebend; auf die erforderlichen Rechtskenntnisse bzw auf die richtige rechtliche Qualifikation des - bekannten - Sachverhalts kommt es für die Ingangsetzung der Verjährungsfrist nicht an (SZ 60/204, 1 Ob 8/02m; Mader in Schwimann ABGB3 § 6 Rz 4 mwN). Mit dem Schreiben des Masseverwalters erlangte die Klägerin sämtliche für eine Amtshaftungsklage erforderlichen Kenntnisse vom objektiven Sachverhalt: Unter Hinweis auf ein bereits von einem anderen Geschädigten gegen die beklagte Partei angestrengten Amtshaftungsprozess wird dort ausgeführt, dass durch ein in diesem Verfahren eingeholtes Gutachten das schuldhafte Fehlverhalten des Bankprüfers erwiesen sei. Gleichzeitig wurde die Klägerin darüber informiert, die erfolgreiche Geltendmachung des Amtshaftungsanspruches setze voraus, dass der Bankprüfer als Organ der beklagten Partei tätig geworden sei. Die Ungewissheit der Klägerin bestand somit nicht in einem anspruchsbegründenden Sachverhaltselement, sondern in der Beurteilung einer Rechtsfrage, welche darin bestand, ob die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs im Hinblick auf die damals noch rechtlich zweifelhafte Organstellung des Bankprüfers erfolgreich sein werde. Um den Beginn der Verjährungsfrist hinauszuschieben, müsste sich die mangelnde Kenntnis aber auf einen unklaren Sachverhalt beziehen, wie etwa mangelnden Einblick in die für das Verschulden maßgebenden Zusammenhänge oder die Schadensursache (SZ 74/14 uva). Ein Zuwarten wegen Unkenntnis der Person des Schädigers ist somit nur dann zulässig, wenn Unklarheit darüber besteht, ob im Sinne des Kausalitätsverlaufs die Schadenszufügung auf das Handeln einer bestimmten Person zurückgeführt werden kann. Nur zur Klärung eines solchen Sachverhalts ist es zulässig, Erhebungen der Behörde oder den Ausgang eines Gerichtsverfahrens abzuwarten. Die Unklarheit betreffend die Rechtsfrage, ob das rechtswidrig schuldhafte Verhalten des Bankprüfers der beklagten Partei zurechenbar und diese für Schadenersatzansprüche passiv legitimiert ist, kann den Beginn der Verjährungsfrist nicht weiter hinausschieben. Diese Unklarheit hätte die Klägerin ebenso in Kauf zu nehmen gehabt wie jene Geschädigten, die den Amtshaftungsprozess bereits angestrengt hatten. Sie hätte mit der Klagsführung bzw dem Vorgehen nach § 8 AHG nicht so lange zuwarten dürfen, bis sie nach Klärung der Rechtsfrage durch den Obersten Gerichtshof im Vorprozess sichergehen konnte, auch ihren Rechtsstreit risikolos zu gewinnen.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die damals noch unentschiedene Rechtsfrage, ob ein Bankprüfer als Organ des Bundes anzusehen sei, habe den Beginn der Verjährungsfrist nicht weiter hinausschieben können, sodass die Verjährungsfrist jedenfalls mit dem Zugang des Schreibens des Masseverwalters vom 19. 12. 1997 zu laufen begonnen habe, ist nicht zu beanstanden.

Ausgehend von all diesen Überlegungen war zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 6. 8. 2004 die Verjährungsfrist bereits abgelaufen.

Die Revision der Klägerin erweist sich demnach als nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

Textnummer

E79564

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00226.05Z.1213.000

Im RIS seit

12.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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