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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des H, vertreten durch Mag. Nikolaus Bauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/2/36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. März 2006, Zl. Fr-61/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von "Serbien und Montenegro", gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
In ihrer Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer sei am 13. September 1997 illegal nach Österreich eingereist und habe am 15. September 1997 einen Asylantrag gestellt, der mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. November 1997 abgewiesen worden sei. Am 5. September 1998 habe der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen, die jedoch mit Urteil vom 21. Dezember 2004 rechtskräftig geschieden worden sei. Dem Beschwerdeführer sei bei der österreichischen Botschaft in Budapest ein Einreisetitel (Visum "D") mit einer Gültigkeit vom 13. Oktober 1998 bis 12. April 1999 ausgestellt worden. Auf Grund seiner Ehe sei ihm gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zugekommen. Vom 22. Dezember 1998 bis 11. September 2004 seien ihm "laufend Niederlassungsbewilligungen und am 12.09.2003 gemäß § 24 Abs. 1 Z. 4 FrG ein Niederlassungsnachweis erteilt" worden.
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 18. Februar 2005 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch als Beitragstäter nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2, 130, erster und zweiter Satz, und § 12, dritter Fall StGB, sowie der Vergehen der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs. 1 StGB und nach § 50 Abs. 1 Z. 2 Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (davon zehn Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden.
Er und Ibrahim A. seien für schuldig erkannt worden, durch Leistung von Aufpasser- und Transportdiensten zur Ausführung näher beschriebener Einbruchsdiebstähle beigetragen zu haben, und zwar vom 18. August 2004 bis 30. August 2004 zur Wegnahme von Wertsachen durch Aufbrechen einer Tür (Schaden EUR 3.997,--), in der Nacht zum 31. August 2004 zur Wegnahme von Bargeld und Wertsachen im Gesamtwert von EUR 15.960,-- und am 15. September 2004 zur Wegnahme von Bargeld, Zigaretten und eines Rucksackes durch Aufbrechen eines Fensters und "durch gewaltsame Öffnung aufgebrochenen Kassen" (Schaden: EUR 1.000,--).
Vom Juli 2004 bis September 2004 habe er sich an einer kriminellen Vereinigung, und zwar an dem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet gewesen sei, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung schwere Diebstähle durch Einbruch ausgeführt werden, als Mitglied beteiligt.
Weiters habe er in der Zeit von Mitte August bis 16. September 2004 eine verbotene Waffe (§ 17 Waffengesetz), und zwar eine die Form eines Kugelschreibers aufweisende Schusswaffe, zumindest fahrlässig unbefugt besessen.
Im Zeitraum vom 5. September 2000 bis zum 19. Juni 2002 sei der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiters in ihrer Begründung - von der Bezirkshauptmannschaft Baden insgesamt sechs Mal wegen Übertretungen nach § 1 Abs. 3 sowie § 37 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 1 Führerscheingesetz rechtskräftig bestraft worden, weil er jeweils ein Kraftfahrzeug ohne eine von der Behörde erteilte gültige Lenkberechtigung auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt habe. Im Zeitraum vom 5. September 2000 bis zum 26. April 2005 seien weitere 16 rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretungen nach dem KFG 1967 und dem § 37 Abs. 1 Führerscheingesetz erfolgt.
Nach dem Vorgesagten könne insbesondere im Hinblick auf die gewerbsmäßige Beteiligung des Beschwerdeführers an Diebstählen durch Einbruch kein Zweifel bestehen, dass sein Verhalten, das den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfülle, den öffentlichen Interessen zuwiderlaufe und eine große Verletzung der öffentlichen Ordnung darstelle, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes insbesondere zur Verhütung von Straftaten und zum Schutz des Eigentums anderer Personen zulässig sei. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer zwischen 5. September 2000 und 26. April 2005 insgesamt "dreiundzwanzig" Mal rechtskräftig verwaltungsbehördlich bestraft worden sei, sodass weiters der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 2 FPG verwirklicht sei.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf sein Geständnis, die Leistung eines untergeordneten Tatbeitrages und die teilweise Schadensgutmachung berufe, sei dem zu entgegnen, dass seine Fehlverhalten noch nicht so lange zurückliegen, dass eine zuverlässige Prognose über sein zukünftiges Wohlverhalten angestellt werden könnte. Unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens sei jedenfalls davon auszugehen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich "eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und eine tatsächliche und hinreichende schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft (Gefahr für fremdes Eigentum)" berühre, darstelle.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG seien der rund siebenjährige Aufenthalt im Bundesgebiet (bis zur erstmaligen Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung) und zudem zu berücksichtigen, dass in Österreich die Mutter und drei Geschwister des Beschwerdeführers samt deren Familien lebten. Seit seiner Scheidung befinde sich der Beschwerdeführer im Haushalt seines Bruders. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2003 acht Monate als Arbeiter beschäftigt gewesen. Danach habe er bis 9. Oktober 2005 Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen. Im Oktober 2005 sei er wieder einen Monat lang beschäftigt gewesen. Seit 12. November 2005 beziehe er Notstandshilfe (Überbrückungshilfe) und sei seit 1. Jänner 2006 geringfügig beschäftigt. Das Berufungsvorbringen "über eine Beschäftigung bei C & K Airportservice ab 27.06.2005" finde damit "keine Bestätigung". Der dargestellten in Österreich ausgeübten Berufstätigkeit komme eine bloß untergeordnete Bedeutung zu.
Auf Grund der Dauer des Aufenthaltes und seiner familiären Anknüpfungspunkte bewirke die Erlassung des Aufenthaltsverbotes einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Dieser sei jedoch auf Grund der dargestellten Begehung schwer wiegender gerichtlich und verwaltungsstrafrechtlich geahndeter Tatbestände in Kauf zu nehmen, zumal das Zusammenleben mit dem Bruder nur auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen sein "dürfte" und der Beschwerdeführer nicht vorgebracht habe, dass seine Beziehung zu diesem über das bei erwachsenen Seitenverwandten dieses Grades übliche Maß hinausgehe.
Die gleichen Überlegungen hätten auch für die Beurteilung des Ermessensspielraumes nach § 60 Abs. 1 FPG zu gelten. Die Behörde sehe sich nicht veranlasst, diese "Kannbestimmung" zu Gunsten des Beschwerdeführers auszulegen, weil keine für ihn "ausreichend positiven Beurteilungsparameter zu finden" seien. Vor Ablauf von zehn Jahren sei im Hinblick auf die gewerbsmäßig verübten Einbruchsdiebstähle die Erstellung einer günstigen Prognose nicht möglich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Im Hinblick auf die obgenannte unstrittige rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Wiener Neustadt begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 (zweiter Fall) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
Dem Beschwerdeführer liegt nach dem genannten Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 18. Februar 2005 insbesondere die wiederholte gewerbsmäßig begangene Beteiligung an Einbruchsdiebstählen, bei denen eine Beute in beachtlicher Höhe erzielt worden war, zur Last. In Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität kann auch die weitere Auffassung der belangten Behörde, dass die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig angesehen werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. Oktober 2005, Zl. 2003/21/0205 (zu § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG), und vom 14. Dezember 2006, Zl. 2006/18/0438).
Dazu kommen die festgestellten - und vom Beschwerdeführer nicht inhaltlich in Zweifel gezogenen - 23 verwaltungsbehördlichen Bestrafungen, durch die dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe sich bislang wohlverhalten und sei "lediglich durch den Kontakt mit den Haupttätern mit dem Strafgesetz und einschlägigen Verwaltungsstrafnormen in Berührung gekommen", die Grundlage entzogen wird.
Auch teilt der Verwaltungsgerichtshof die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, die seit der letzten vom Beschwerdeführer begangenen gerichtlich strafbaren Handlung (im September 2004) verstrichene Zeit sei viel zu kurz, um einen Wegfall oder auch nur eine maßgebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Dem Einwand, die belangte Behörde habe keine Einsicht in seinen Strafakt genommen und daher auch die Milderungsgründe ((richtig: teilweise) Wiedergutmachung des angerichteten Schadens, das Geständnis und die Leistung eines bloß untergeordneten Tatbeitrages) nicht ausreichend gewürdigt, ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FPG und unabhängig von den strafgerichtlichen Erwägungen zu treffen hat (vgl. neuerlich das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2006).
Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte den genannten Strafakt sowie die Akten des Asylverfahrens des Beschwerdeführers beischaffen und diesem die Möglichkeit einer persönlichen Stellungnahme einräumen müssen, was zu einer positiven Prognosebeurteilung geführt hätte, ist zu entgegnen, dass in der Beschwerde nicht ausgeführt wird, welche konkreten Sachverhaltselemente hieraus (sowie durch eine allfällige ergänzende Aktenbeischaffung) hervorgekommen wären, sodass die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dargetan wird.
Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grund des § 66 Abs. 1 FPG. Im Hinblick auf seine langjährige berufliche und soziale Integration sowie den Umstand, dass seine Mutter, zwei Brüder und seine Schwester in Österreich lebten, erschiene das Aufenthaltsverbot als zu intensiver Eingriff und daher als unzulässig.
Dem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen hat. Diesen hat sie jedoch im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung gewerbsmäßiger Eigentumskriminalität zum Schutz der Rechte Dritter, somit zur Erreichung eines im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles, als dringend geboten angesehen. Gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in den Hintergrund zu treten haben, bestehen keine Bedenken. Der Beschwerdeführer hat keine Kernfamilie (Ehegattin oder Kinder) in Österreich. Auch ist seine aus der vorübergehenden (geringfügigen) beruflichen Tätigkeit in Österreich, deren exakter Umfang für diese Schlussfolgerung nicht näher abgeklärt werden musste, ableitbare soziale Integration durch die dargestellten schwer wiegenden Fehlverhalten entscheidend gemindert.
Schließlich sind auch keine Gründe erkennbar, die die belangte Behörde dazu veranlassen hätten müssen, von dem ihr gemäß § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen. Solche werden auch vom Beschwerdeführer nicht konkret dargestellt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. August 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210145.X00Im RIS seit
11.10.2007Zuletzt aktualisiert am
23.06.2009