TE OGH 2005/12/19 2Ob162/05w

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Veröffentlicht am 19.12.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika L*****, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in Schladming und Liezen, gegen die beklagte Partei Mag. Jutta S*****, vertreten durch Mag. Christian Hacker, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 6.286,39 sA und Feststellung (Streitwert EUR 10.000), über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 4. April 2005, GZ 2 R 35/05t-61, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Dezember 2004, GZ 19 Cg 137/03d-51, in der Hauptsache bestätigt und im Kostenpunkt abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 419,83 (darin EUR 69,97 USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ereignete sich in den Abendstunden des 15. 2. 2003 auf der als Rodelweg präparierten Zufahrtsstraße zur M*****alm in Donnersbachwald ein Rodelunfall. Die auf der 3,3 bis 3,5 m breiten Rodelbahn mit ca 25 km/h Geschwindigkeit talwärts fahrende Beklagte fuhr dabei ungebremst auf die Rodel der Klägerin auf, die eine Geschwindigkeit von ca 5 bis 10 km/h und eine Fahrlinie im Bereich der Bahnmitte eingehalten hatte. Während die Klägerin trotz der herrschenden Finsternis ohne jegliche Beleuchtung fuhr, war die Beklagte zwar mit einer Stirnlampe ausgerüstet, deren Reichweite aber zur Ausleuchtung ihres Anhalteweges nicht genügte. Die Klägerin kam infolge der Kollision zu Sturz und verletzte sich schwer. An Dauerschäden verblieben eine Verschiebung der 12. Rippe links um Corticalisbreite sowie eine geringgradige Fehlstellung der Querfortsätze eins bis drei an der Lendenwirbelsäule links. Spätfolgen derartiger Verletzungen sind aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Das Berufungsgericht, das von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten der Beklagten ausgegangen ist, hat die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, dass der Rodelunfall Anlass zur Fortbildung der einschlägigen Rechtsprechung geben könne.

Die von beiden Parteien erhobenen Revisionen sind entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gebot des Fahrens auf Sicht auch beim Rodeln zu beachten ist (ZVR 1982/250; JBl 1993, 315; SZ 69/287; ZVR 2001/18; RIS-Justiz RS0023686). Ein Rodler hat daher seine Fahrweise so zu gestalten, dass er bei Auftreten eines Hindernisses oder Erkennen einer Gefahr in der Lage ist, seine Rodel rechtzeitig zum Stillstand zu bringen (JBl 1993, 315). Einem Rodler wurde auch schon zum Vorwurf gemacht, dass er bei Dunkelheit und Schneefall ohne jedwede Beleuchtung auf einer Rodelbahn talwärts fuhr (ZVR 2003/20). Im damaligen Anlassfall, bei dem der Rodler gegen eine Absperrungsvorrichtung geprallt war, ging es zwar primär um die Klärung der Frage, ob die Betreiberin der Rodelbahn „mit einer dermaßen leichtsinnigen Verhaltensweise" des Rodlers rechnen musste und gemäß § 1319a ABGB für die Unfallsfolgen einzustehen hat. Die Haftung wurde aber unter Betonung des allgemein - und somit auch im vorliegenden Fall - beachtenswerten Grundsatzes verneint, dass ein Rodler in erster Linie selbst für seine Sicherheit verantwortlich ist und dem der Sportausübung anhaftenden Verletzungsrisiko durch kontrolliertes und daher bestehenden Gefahren Rechnung tragendes Verhalten zu begegnen hat (ebenso JBl 1991/652; SZ 69/287; ZVR 2001/18; 6 Ob 167/05k).

Es liegt in der Natur des Rodelsports, dass solche Gefahren nicht nur in vor dem Rodler plötzlich auftauchenden Hindernissen sondern auch in nachfolgenden Rodlern bestehen können, vor allem, wenn - wie im vorliegenden Fall - die für eine Nachtfahrt benützte Bahn relativ schmal und nicht beleuchtet ist. Es bedarf keiner weitwendigen Erörterung, dass ein Rodler diesen Gefahren nur sinnvoll begegnen kann, indem er entweder selbst durch mitgeführte Lichtquellen für eine ausreichende Beleuchtung seiner Rodel sorgt oder in Ermangelung einer solchen die Fahrt überhaupt unterlässt, zumindest aber bei der Wahl seiner Fahrlinie der Möglichkeit besser ausgestatteter und daher schneller fahrender nachfolgender Rodler Rechnung trägt.

Dies hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Welche konkreten Verhaltensweisen innerhalb dieses, im Wesentlichen von den örtlichen Gegebenheiten, den Witterungs- und Sichtverhältnissen, aber auch dem Fahrkönnen abhängigen Rahmens einem Rodler jeweils zumutbar und geboten sind, entzieht sich aber wegen der Einzelfallbezogenheit genereller Aussagen.

Auch in den Revisionen werden keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

1. Zur Revision der Klägerin:

a) Das Ausmaß des Mitverschuldens des Geschädigten berührt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0087606; insbesondere T1). Dies gilt auch für die von der Klägerin relevierte Frage, ob ein - ihrer Ansicht nach hier allenfalls vorliegendes - geringes Verschulden noch vernachlässigt werden kann (2 Ob 213/02s; 2 Ob 65/05f ua).

Dem Berufungsgericht ist jedenfalls keine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es in der unbeleuchteten, trotz der geringen Geschwindigkeit etwa in Bahnmitte fahrenden Rodel der Klägerin ein erhebliches Gefahrenpotenzial erkannte und zu der Auffassung gelangte, dass dessen Verursachung ein nicht vernachlässigbares Mitverschulden der Klägerin begründe. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin von der Möglichkeit, in der M*****hütte eine Stirnlampe zu entleihen, keinen Gebrauch gemacht hat. Die Revisionsbehauptung, das Benützen einer Taschenlampe hätte keine frühere Erkennbarkeit der Klägerin bewirkt, weicht in unzulässiger Weise von der erstgerichtlichen Feststellung ab, wonach die Beklagte die Klägerin im Falle der Verwendung einer „Beleuchtung" früher erkennen und entweder durch Verlagerung der Fahrlinie oder durch ein Bremsmanöver rechtzeitig reagieren hätte können.

b) Nach ständiger Rechtsprechung ist die Einbringung einer (schadenersatzrechtlichen) Feststellungsklage - welche nicht nur dem Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde und dem Umfang nach dient - unter anderem immer dann zulässig, wenn unfallbedingte, jedoch erst künftig entstehende Ersatzansprüche nicht auszuschließen sind, also die Möglichkeit künftiger Unfallschäden besteht; insbesondere weil die Unfallfolgen noch nicht abgeklungen sind und eine weitere ärztliche Behandlung notwendig ist; Dauerfolgen bestehen oder wenn die Möglichkeit von Spätfolgen nicht gänzlich mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0038976; ausführlich Danzl in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller Schmerzengeld8 219 f). Zur Bejahung des Feststellungsinteresses iSd § 228 ZPO genügt dabei bereits der allgemeine Hinweis, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis (etwa derzeit noch nicht abschätzbare Schmerzen) nicht mit Sicherheit auszuschließen sind; ein Feststellungsinteresse ist schon dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte (JBl 2001, 107 mwN; 2 Ob 119/04w; 2 Ob 29/05m; 2 Ob 30/05h; Danzl aaO mwN).

Aus der vom Erstgericht getroffenen Feststellung, dass zwar bestimmte Dauerschäden vorhanden, Spätfolgen derartiger Verletzungen aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sind, ergibt sich jedoch mit ausreichender Sicherheit (erhöhtes Regelbeweismaß; vgl dazu 2 Ob 185/98i; 10 Ob 98/02p; RIS-Justiz RS0110701; Rechberger in Fasching/Konecny² III, vor § 266 Rz 11 ff), dass künftige Schäden zu verneinen sind (2 Ob 2087/96t; Danzl aaO Fn 798). Den von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel zitierten Entscheidungen 2 Ob 187/00i2 Ob 119/04w und 2 Ob 29/05m, in denen das Feststellungsinteresse jeweils bejaht worden ist, lagen andere Feststellungen zugrunde, sodass sie den Standpunkt der Klägerin nicht zu stützen vermögen. Die Verneinung des Feststellungsinteresses durch die Vorinstanzen hält sich im Rahmen der zitierten Judikatur. Eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht daher auch in dieser Frage nicht unterlaufen.Aus der vom Erstgericht getroffenen Feststellung, dass zwar bestimmte Dauerschäden vorhanden, Spätfolgen derartiger Verletzungen aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sind, ergibt sich jedoch mit ausreichender Sicherheit (erhöhtes Regelbeweismaß; vergleiche dazu 2 Ob 185/98i; 10 Ob 98/02p; RIS-Justiz RS0110701; Rechberger in Fasching/Konecny² römisch III, vor Paragraph 266, Rz 11 ff), dass künftige Schäden zu verneinen sind (2 Ob 2087/96t; Danzl aaO Fn 798). Den von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel zitierten Entscheidungen 2 Ob 187/00i2 Ob 119/04w und 2 Ob 29/05m, in denen das Feststellungsinteresse jeweils bejaht worden ist, lagen andere Feststellungen zugrunde, sodass sie den Standpunkt der Klägerin nicht zu stützen vermögen. Die Verneinung des Feststellungsinteresses durch die Vorinstanzen hält sich im Rahmen der zitierten Judikatur. Eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht daher auch in dieser Frage nicht unterlaufen.

2. Zur Revision der Beklagten:

Die Verschuldensabwägung richtet sich, wie schon in den Ausführungen zu Punkt 1a) angeklungen ist, stets nach den besonderen Umständen des Einzelfalles und begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (1 Ob 217/04t; 2 Ob 62/05i; RIS-Justiz RS0087606, RS0042405).

Atypische Gefahren einer Rodelbahn sind solche, die bei zweckgerechter Bahnbenützung über die mit dem Rodeln normalerweise verbundenen Gefahren hinausgehen, mit denen der Benützer daher nicht rechnet und die für ihn nicht ohne weiteres erkennbar sind (RIS-Justiz RS0106491). In dem zu 1 Ob 325/99x (ZVR 2001/18) entschiedenen Fall wurde ein die Rodelbahn trotz ausdrücklicher Sperre für solche Fahrzeuge befahrender und dort „hängengebliebener" Motorschlitten als atypische Gefahrenquelle für Rodler beurteilt und das Verschulden des Lenkers des Motorschlittens gegenüber jenem des verunglückten Rodlers, der eine geringfügige Geschwindigkeitsüberschreitung oder eine Reaktionsverspätung zu verantworten hatte, als weit überwiegend qualifiziert. Damit ist aber der vorliegende Fall, in welchem zwei Rodlerinnen kollidierten, nicht vergleichbar. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass ein die Rodelbahn bei Nacht ohne Beleuchtung benützender Rodler für einen anderen Rodler keine atypische, sondern eine typische Gefahrenquelle sei, hält sich im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes. Dem Berufungsgericht ist auch keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten der nicht auf Sicht fahrenden Beklagten für sachgerecht hielt. Dabei kann unerörtert bleiben, ob aus den Feststellungen auch noch eine Reaktionsverspätung oder ein „Beobachtungsfehler" der Beklagten abgeleitet werden kann, weil das Berufungsgericht ohnedies nur den Verstoß gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht als für die Verschuldensabwägung bedeutsam gewertet hat.

3. Zu beiden Revisionen:

Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, sind beide Revisionen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 43 Abs 1, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten nicht hingewiesen. Hingegen hat die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin ausdrücklich nur insoweit releviert, als diese die Abweisung des Feststellungsbegehrens bekämpft. In diesem Umfang diente die Revisionsbeantwortung der Beklagten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weshalb ihr - allerdings ausgehend vom richtig berechneten Revisionsinteresse der Klägerin (EUR 12.900,46) - bei einer „Obsiegensquote" von 78 % ein Anteil von 56 % der Kosten dieses Rechtsmittelschriftsatzes gebührt.

Textnummer

E79181

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0020OB00162.05W.1219.000

Im RIS seit

18.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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