TE OGH 2005/12/20 5Ob260/05d

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Veröffentlicht am 20.12.2005
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred A*****, vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen die beklagte Partei V*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Dr. Franz Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen EUR 4.500 s.A. über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 26. Juli 2005, GZ 2 R 205/05b-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 23. Mai 2005, GZ 4 C 1172/04y-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die erstinstanzliche Entscheidung wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 582,96 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 97,16 USt) und die mit EUR 929,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 530 Barauslagen und EUR 66,62 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt auf Grund einer nicht lege artis durchgeführten Operation am Landeskrankenhaus F***** eine Rotationsfehlstellung des rechten Oberschenkels im Umfang von 25 - 30°. Daraus resultiert eine leicht sichtbare Beinfehlstellung und eine jedermann auffallende Veränderung des natürlichen Gangs des Klägers. Aus medizinischer Sicht ist ihm eine operative Korrektur der Fehlstellung nicht zumutbar.

Die fehlerhafte Operation war im März 2000 erfolgt.

Der 39jährige Kläger ist seit Mai 2002 in zweiter Ehe verheiratet. Er hat eine Mechanikerlehre absolviert und war 14 Jahre unselbständig und 5 Jahre selbständig als Mechaniker tätig. Seit März 2003 arbeitet er bei der Firma F***** R***** als einer der sieben Betriebsschlosser.

Der Kläger begehrt eine Verunstaltungsentschädigung von zuletzt EUR 4.500 s.A. mit der Begründung, die geschilderte Verunstaltung sei geeignet, sein privates und berufliches Fortkommen zu beeinträchtigen.

Die beklagte Partei bestritt das Begehren auf Zuerkennung einer Verunstaltungsentschädigung und beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, dass eine Verunstaltung vorliege, die die Beeinträchtigung des besseren Fortkommens nicht unwahrscheinlich erscheinen lasse. Durch das veränderte Gangbild seien Chancen des Klägers auf Erlangung eines Arbeitsplatzes merklich gemindert. Im Licht allgemeiner Rationalisierungstrends könne nicht davon ausgegangen werden, dass der derzeitige Arbeitsplatz für eine unbeschränkte Zeit zur Verfügung stehe. Für weitere berufliche Bewerbungen bedeute die Rotationsfehlstellung einen Nachteil. Ausgehend von diesen Erwägungen sprach das Erstgericht dem Kläger an Verunstaltungsentschädigung einen Betrag von EUR 4.500 (anstelle der ursprünglich begehrten EUR 5.000) zu.

Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Zuerkennung einer Verunstaltungsentschädigung zur Gänze ab und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei. Erst über Antrag nach § 508 ZPO erklärte die ordentliche Revision für zulässig.Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Zuerkennung einer Verunstaltungsentschädigung zur Gänze ab und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei. Erst über Antrag nach Paragraph 508, ZPO erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht die Sache wie folgt: Wenn auch an die Behauptungs- und Beweislast für auf § 1326 ABGB gestützte Ansprüche keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden könnten, hätte der Kläger doch im vorliegenden Fall über den bloßen Gesetzeswortlaut hinaus zumindest behaupten müssen, dass er auf Grund seiner Verunstaltung entweder seinen Arbeitsplatz verlieren könne oder nach dem Verlust des Arbeitsplatzes aus arbeitsmarktbedingter Situation wegen der Verunstaltung keinen entsprechenden Arbeitsplatz erhalte. Selbst wenn sich aus der Lebenserfahrung eine Behinderung besseren Fortkommens ergebe, reiche das Vorbringen des Klägers für einen Zuspruch der Verunstaltungsentschädigung nicht aus. Aus dem Vorbringen des Klägers lasse sich auch nicht ableiten, worin er konkret die Möglichkeit der Behinderung eines besseren Fortkommens erblicke. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wegen der Verunstaltung seinen derzeitigen Arbeitsplatz verlieren könne, lägen nicht vor. Vielmehr sei schon im Zeitpunkt seiner Einstellung als Betriebsschlosser im Jahr 2003 die festgestellte Verunstaltung vorhanden gewesen und somit kein Hindernis gewesen.Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht die Sache wie folgt: Wenn auch an die Behauptungs- und Beweislast für auf Paragraph 1326, ABGB gestützte Ansprüche keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden könnten, hätte der Kläger doch im vorliegenden Fall über den bloßen Gesetzeswortlaut hinaus zumindest behaupten müssen, dass er auf Grund seiner Verunstaltung entweder seinen Arbeitsplatz verlieren könne oder nach dem Verlust des Arbeitsplatzes aus arbeitsmarktbedingter Situation wegen der Verunstaltung keinen entsprechenden Arbeitsplatz erhalte. Selbst wenn sich aus der Lebenserfahrung eine Behinderung besseren Fortkommens ergebe, reiche das Vorbringen des Klägers für einen Zuspruch der Verunstaltungsentschädigung nicht aus. Aus dem Vorbringen des Klägers lasse sich auch nicht ableiten, worin er konkret die Möglichkeit der Behinderung eines besseren Fortkommens erblicke. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wegen der Verunstaltung seinen derzeitigen Arbeitsplatz verlieren könne, lägen nicht vor. Vielmehr sei schon im Zeitpunkt seiner Einstellung als Betriebsschlosser im Jahr 2003 die festgestellte Verunstaltung vorhanden gewesen und somit kein Hindernis gewesen.

In seinem Zulassungsausspruch vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, im gegenständlichen Fall sei die Verunstaltung offenkundig und nicht nur eine „Bagatellbeeinträchigung". Eine Beeinträchtigung habe im Allgemeinen zur Folge, dass das bessere Fortkommen behindert sei, weshalb die vom Kläger aufgestellte Klagsbehauptung auch für einen Zuspruch der Verunstaltungsentschädigung ausreichen könnte. Insofern fehle konkrete höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Behauptungs- und Beweislast bei Verunstaltungsentschädigungen, konkret zur Frage, was unter „keine hohen Anforderungen" zu verstehen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zur Ermöglichung einer Verfahrensergänzung durch das Gericht zweiter, in eventu erster Instanz gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in Verkennung der Rechtslage zu Unrecht von mangelnden Entscheidungsgrundlagen für die vom Kläger begehrte Verunstaltungsentschädigung ausgegangen ist.

Die Revision ist auch im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils berechtigt.

Der Revisionswerber vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass dann, wenn sich die Behinderung des besseren Fortkommens schon nach der Lebenserfahrung von selbst ergebe, es keines weiteren Vorbringens bedürfe. Es liege auf der Hand, dass mit den vorgebrachten Beeinträchtigungen des beruflichen Fortkommens nur die Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren und einen neuen nicht zu erlangen, gemeint sein konnte. Das sei eine selbstverständliche und die einzig mögliche Interpretation seines Vorbringens, das daher keine Ergänzung bedürfe. Im Übrigen sei in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes die Feststellung enthalten, dass aus der operationsbedingten Fehlstellung ein schwerfälliger Gang des Klägers resultiere. Zu Recht habe daher das Erstgericht den Begriff der „Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens" in der einzig möglichen Weise dahingehend konkretisiert, dass darunter die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes oder der Nichterlangung eines neuen Arbeitsplatzes zu verstehen sei.

Die berufungsgerichtliche Entscheidung verstoße gegen einhellige Rechtsprechung, dass bei der Geltendmachung einer Verunstaltungsentschädigung an die Behauptungs- und Beweislast des Klägers keine hohen Anforderungen zu stellen seien. Dies insbesondere dann, wenn sich die Behinderung des besseren Fortkommens schon nach der Lebenserfahrung von selbst ergebe (8 Ob 96/81; 1 Ob 2227/96y; EF 43.530; EF 31.532; EF 36.189; 8 Ob 184/80; ZVR 1978/176; 8 Ob 25/80 ua).

Die beklagte Partei vertritt zusammengefasst den Standpunkt, die Revision sei unzulässig und die vom Berufungsgericht herangezogene Begründung für deren Zulassung unrichtig, weil es nur auf die Beurteilung im Einzelfall ankomme. Darüber hinaus sei dem Kläger der Nachweis der Möglichkeit der Verhinderung besseren Fortkommens nicht gelungen.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich in Wahrheit nicht, weil im erstinstanzlichen Urteil ausreichende Feststellungen getroffen wurden, die sich im Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrunds (§ 1326 ABGB) halten und daher zu berücksichtigen sind (vgl RIS-Justiz RS0040318 ua).Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich in Wahrheit nicht, weil im erstinstanzlichen Urteil ausreichende Feststellungen getroffen wurden, die sich im Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrunds (Paragraph 1326, ABGB) halten und daher zu berücksichtigen sind vergleiche RIS-Justiz RS0040318 ua).

Das Berufungsgericht hätte diese Feststellungen seiner rechtlichen Beurteilung zugrundelegen müssen. Aus diesen ergibt sich, dass der Anspruch des Klägers auf Zuspruch der begehrten Verunstaltungsentschädigung berechtigt ist.

Bei Ansprüchen, gestützt auf § 1326 ABGB, ist nicht der Beweis der Behinderung eines bestimmten besseren Fortkommens erforderlich; es genügt vielmehr die bloße Möglichkeit einer solchen Behinderung. Der Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung ist schon dann geboten, wenn das durch die Verunstaltung hervorgerufene äußere Erscheinungsbild das bessere Fortkommen beeinträchtigen kann (RIS-Justiz RS0031366).Bei Ansprüchen, gestützt auf Paragraph 1326, ABGB, ist nicht der Beweis der Behinderung eines bestimmten besseren Fortkommens erforderlich; es genügt vielmehr die bloße Möglichkeit einer solchen Behinderung. Der Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung ist schon dann geboten, wenn das durch die Verunstaltung hervorgerufene äußere Erscheinungsbild das bessere Fortkommen beeinträchtigen kann (RIS-Justiz RS0031366).

Die Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung ist im vorliegenden Fall ausreichend dargetan. Dass ein dauernd negativ verändertes Gangbild, wie etwa ein deutlich rechtsbetonter und hinkender Gang den Zuspruch von Verunstaltungsentschädigung rechtfertigt, wurde erst kürzlich vom Obersten Gerichtshof bejaht (vgl 7 Ob 29/05y). Eine deutliche Störung des Gangbildes kann, wie das Erstgericht zutreffend ausführte, die Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt schmälern (vgl EF 38.610).Die Möglichkeit einer solchen Beeinträchtigung ist im vorliegenden Fall ausreichend dargetan. Dass ein dauernd negativ verändertes Gangbild, wie etwa ein deutlich rechtsbetonter und hinkender Gang den Zuspruch von Verunstaltungsentschädigung rechtfertigt, wurde erst kürzlich vom Obersten Gerichtshof bejaht vergleiche 7 Ob 29/05y). Eine deutliche Störung des Gangbildes kann, wie das Erstgericht zutreffend ausführte, die Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt schmälern vergleiche EF 38.610).

Auch die Höhe des Anspruchs hält sich im Rahmen der dafür in vergleichbaren Fällen laufend zuerkannten Beträge (OLG Linz: 4 R 233/96d; OLG Graz: 2 R 131/98x; OLG Graz: 2 R 79/00f; 7 Ob 29/05y).

Die Revision des Klägers war daher berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Textnummer

E79465

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0050OB00260.05D.1220.000

Im RIS seit

19.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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