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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §38 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. Juli 2005, Zl. 258.735/0-IX/49/05, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylsache gemäß § 63 Abs. 5 AVG in Verbindung mit § 5a Abs. 3 Asylgesetz 1997 (mitbeteiligte Partei: D), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Georgien, gelangte am 26. Februar 2005 in das Bundesgebiet und beantragte Asyl. Nach Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 1. März 2005 und am 10. März 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag mit Bescheid vom 11. März 2005 gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) als unzulässig zurück. Es stellte die Zuständigkeit der Tschechischen Republik für die Prüfung des Asylantrages fest und wies den Mitbeteiligten gemäß § 5a AsylG dorthin aus.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 63 Abs. 5 AVG in Verbindung mit § 5a Abs. 3 AsylG als unzulässig zurück. Sie stützte diese Entscheidung darauf, dass sich eine Berufung nur gegen einen Bescheid richten könne und der Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 5a Abs. 3 AsylG außer Kraft getreten sei. Letzteres leitete die belangte Behörde aus einer Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Gmünd ab, wonach die Rückstellung des Mitbeteiligten in die Tschechische Republik abgelehnt worden und daher nicht möglich sei. Könnten Fremde, deren Asylantrag gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen nach Erlassung des Bescheides gemäß der Dublin-Verordnung nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden, so trete der Bescheid gemäß § 5a Abs. 3 AsylG außer Kraft. Aus der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Gmünd gehe hervor, dass dies hier der Fall sei. Da der Bescheid des Bundesasylamtes somit außer Kraft getreten sei, erweise sich die Berufung als unzulässig.
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Im vorliegenden Fall sind Schriftstücke, die über die Vorgänge nach dem Grenzübertritt des Mitbeteiligten - insbesondere über den genauen Zeitpunkt seiner erstmaligen Erklärung, in Österreich Asyl beantragen zu wollen - und in weiterer Folge über das Zustandekommen der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Mitteilung näher Auskunft geben, erst nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu den Akten gelangt. Erst über Anfrage der Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 2006 stellte der Amtsbeschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Mai 2006 auch klar, dass im vorliegenden Fall - entgegen der in der Amtsbeschwerde beschriebenen Vorgangsweise - ein auf einem Abkommen von 1991 beruhendes Übernahmeersuchen an die tschechische Fremdenpolizeibehörde gerichtet wurde, obwohl der Mitbeteiligte bereits erklärt hatte, in Österreich Asyl zu suchen. In dem Schriftsatz wird dies auf ein "Versehen" zurückgeführt, bei dem es sich einem dem Schriftsatz u.a. angeschlossenen, einen anderen Asylwerber betreffenden Schriftstück zufolge aber offenbar nicht um einen Einzelfall handelte. Durch den "dargestellten Irrtum" sei es dem Schriftsatz zufolge "somit zu zwei parallel abgelaufenen Verfahren" gekommen. Die Ablehnungserklärung der tschechischen Behörden, die den Asylbehörden von der Bezirkshauptmannschaft Gmünd mitgeteilt worden sei, habe sich auf das ursprüngliche (aus "Versehen") an die tschechische Fremdenpolizeibehörde gerichtete Ersuchen bezogen und demgegenüber den Vorrang des Konsultationsverfahrens nach der Dublin-Verordnung betont. Sie habe nicht die nahezu gleichzeitige Zustimmungserklärung in diesem Konsultationsverfahren durch eine darauf bezogene Ablehnung ersetzen sollen.
Hiezu lässt sich aus den nunmehr vorliegenden Aktenteilen entnehmen, dass die mit 8. März 2005 datierte, an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gerichtete und auf ein Ersuchen vom 1. März 2005 bezogene Ablehnungserklärung der Polizei der Tschechischen Republik, die bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit einem Eingangsstempel vom 10. März 2005 versehen wurde, am 11. März 2005 an die Bezirkshauptmannschaft Gmünd weitergeleitet wurde. In einer mit 14. März 2005 datierten "Mitteilung gemäß § 57 Abs. 7 FrG 1997" teilte die Bezirkshauptmannschaft Gmünd dem Bundesasylamt ohne nähere Einzelheiten mit, die "Rückstellung" (u.a.) des Mitbeteiligten "in die Tschechische Republik" sei "abgelehnt" worden und daher "nicht möglich". Diese Mitteilung langte am 17. März 2005 beim Bundesasylamt und 18. März 2005 bei der belangten Behörde ein.
Das Konsultationsverfahren nach der Dublin-Verordnung begann - ebenfalls am 1. März 2005 - mit einem via "Dublinet" verschickten Ersuchen des Bundesasylamtes und führte zu einer Zustimmungserklärung der "Dublin Unit section" des tschechischen Innenministeriums, die zwar mit 11. März 2005 datiert war, aber schon am 9. März 2005 beim Bundesasylamt mit einem Eingangsstempel versehen (und in das Asylwerberinformationssystem eingetragen) wurde und dem erstinstanzlichen Bescheid vom 11. März 2005 zu Grunde lag. In dieser Erklärung wurden die österreichischen Behörden eingeladen, sich hinsichtlich der Übernahmemodalitäten spätestens drei Tage im Voraus an die "Dublin Unit" zu wenden.
Hätte die belangte Behörde alle diese Aktenteile gekannt, so hätte für sie nicht zweifelhaft sein können, dass sich die Mitteilung, auf die sich ihre Entscheidung stützte, auf eine Erklärung bezog, die mit der faktischen Umsetzung der vom Bundesasylamt getroffenen Zuständigkeitsentscheidung nichts zu tun hatte. Dem Amtsbeschwerdeführer ist auch dahin gehend beizupflichten, dass die belangte Behörde angesichts des Inhalts und des - bezogen auf den Abschluss des Konsultationsverfahrens - sehr frühen Zeitpunktes der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 14. März 2005 Anlass dazu gehabt hätte, sich über den Gegenstand dieser Mitteilung näher zu informieren. Dies gilt auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass die belangte Behörde mit "Versehen" der in der ergänzenden Stellungnahme des Amtsbeschwerdeführers beschriebenen Art wohl nicht im Vorhinein rechnen musste.
Es trifft aber auch zu, dass die belangte Behörde den rechtlichen Kontext der von ihr angewendeten Bestimmung des § 5a Abs. 3 AsylG, die sich (im Gegensatz zu der in der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Gmünd genannten Bestimmung des Fremdengesetzes) auf die Dublin-Verordnung bezieht, nicht beachtet hat und der Mitteilung nur deshalb die von ihr angenommene Bedeutung beimessen konnte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. August 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190531.X00Im RIS seit
16.10.2007