TE OGH 2006/1/16 13R2/06a

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Veröffentlicht am 16.01.2006
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Das Landesgericht Eisenstadt als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Manfred Zechmeister (Vorsitzender), Dr. Jürgen Rassi und Mag. Bernd Marinics in der Rechtssache der klagenden Partei C***** W*****, 7350 Oberpullendorf, *****, vertreten durch die Dr. Werner Schwarz KEG in 7350 Oberpullendorf, gegen die beklagten Parteien 1. C***** D*****, 2. A***** S*****, beide in 7443 Rattersdorf, Bahnhofstraße 8, 3. G*****AG, 8010 Graz, Herrengasse 18-20, alle vertreten durch Dr. Christian Supper, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, wegen Euro 849,02 s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Oberpullendorf vom 22.09.2005, GZ 2 C 588/05 i-14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird F o l g e gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es insgesamt wie folgt zu lauten hat:

  1. „1.Ziffer eins
    Die Klagsforderung besteht mit Euro 636,77 zu Recht.
  2. 2.Ziffer 2
    Die Gegenforderung besteht mit Euro 402,76 zu Recht.
  3. 3.Ziffer 3
    Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen Euro 234,01 samt 4 % Zinsen daraus seit 18.02.2005 zu zahlen.
                  4.              Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien weiters schuldig, dem Kläger Euro 615,01 samt 4 % Zinsen daraus seit 18.02.2005 zu zahlen, abgewiesen.
                  5.              Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien deren mit Euro 389,05 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger dessen mit Euro 194,36 (darin enthalten Euro 34,50 an Barauslagen und Euro 26,64 an USt.) bestimmten Kosten der Berufung binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreterin zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16.02.2005 ereignete sich in Oberpullendorf auf Höhe der Hauptstraße 11 ein Verkehrsunfall, an dem E***** W***** als Lenkerin des dem Kläger gehörigen BMW 525 TDS, Kennzeichen *****, und die Erstbeklagte mit dem vom Zweitbeklagten gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Renault Megane, Kennzeichen ***** beteiligt waren. Die klagende Partei begehrte unter Behauptung des Alleinverschuldens der Erstbeklagten Euro 789,02 an Sachschaden und Euro 60,-- an Generalunkosten. Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, dass die Erstbeklagte beim Rückwärtsfahren mit nach rechts eingeschlagenen Vorderrädern das stehende Klagsfahrzeug gestreift hätte.

Die Beklagten bestritten, beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und brachten vor, dass das Alleinverschulden die Lenkerin des Klagsfahrzeugs treffe, der eine Vorrangverletzung vorzuwerfen sei, weil sie aus einer untergeordneten und benachrangten Fläche gekommen sei und überdies, das im Rückwärtsfahren befindliche Beklagtenfahrzeug jedenfalls wahrnehmen hätte müssen. Zudem sei ihr eine Reaktionsverspätung anzulasten. Dem Klagsbetrag wurde ein Sachschaden von Euro 1.551,05 und Generalunkosten von Euro 60,-- aufrechnungsweise entgegengehalten.

Die Klagsforderung und die Gegenforderung sind der Höhe nach im Berufungsverfahren nicht mehr strittig.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht die Klags- und Gegenforderung jeweils mit Euro 425,51 als zu Recht bestehend festgestellt und das Klagebegehren abgewiesen. Es traf dabei den auf den Seiten 3 bis 6 festgestellten Sachverhalt, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Demnach ging das Erstgericht davon aus, dass die Lenkerin des Klagsfahrzeuges, die ihr Fahrzeug auf der linken Seite einer Einbahn eingeparkt hatte, auszuparken versuchte. Die Erstbeklagte fuhr auf der Einbahn und wollte, um nach vorne einzuparken, etwas zurückschieben. Als sie begann zurückzuschieben, schaute sie jedoch nur über die rechte Schulter zurück. Kurz nach Beginn des Rückfahrmanövers erfolgt auf der Fahrbahn die Kollision zwischen dem rückwärts fahrenden Beklagtenfahrzeug und dem zu diesem Zeitpunkt in die Fahrbahn hineinragenden, in Vorwärtsfahrt befindlichen Klagsfahrzeug.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung ZVR 1981/206, dass hier das Verschulden beider Lenkerinnen gleichteilig sei.

Insoweit mit dem Urteil die Klage im Ausmaß von Euro 234,01 abgewiesen wurde, richtet sich die Berufung der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und dem Antrag, das angefochtene Urteil unter Berücksichtigung einer Verschuldensteilung von 3 : 1 zugunsten des Klägers dahin abzuändern, dass die Klagsforderung mit Euro 636,77 und die Gegenforderung mit Euro 402,76 als zu Recht bestehend festgestellt werde und dem Klagebegehren im Ausmaß von Euro 234,01 stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Insoweit mit der Berufung dem Erstgericht ein sekundärer Feststellungsmangel vorgeworfen wird, weil aus dem Sachverhalt nicht erkennbar sei, welche Abwehrhandlung die Klagslenkerin hätte setzen müssen, ist die Berufung unbegründet. Aus dem Urteil kann, auch unter Zugrundelegung der rechtlichen Beurteilung, erschlossen werden, dass die Klagslenkerin beim Ausparken nicht aufmerksam war (arg: „nicht ausreichend beobachtete"). Eine nähere Erörterung kann jedoch unterbleiben, weil die klagende Partei in ihrer Rechtsrüge ohnedies von einem 25-%-igen Mitverschulden der Klagslenkerin ausgeht und somit selbst auch die vom Erstrichter der Klagslenkerin vorgehaltene Außerachtlassung der erforderlichen Vorsicht ihrer Berufung zugrunde legt.

Die übrigen Ausführungen in der Rechtsrüge sind allerdings berechtigt.

Wer in einer Einbahnstraße entgegen der allgemeinen Fahrtrichtung fährt, kann einen Vorrang nicht für sich beanspruchen, auch wenn die Rückwärtsfahrt erlaubterweise (zum Einparken) geschieht (ZVR 1981/11). Auch das zulässige Rückwärtsfahren erfordert nun besondere Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer (ZVR 1977/282). Der Lenker eines Kfz ist verpflichtet, bei jedem Rückwärtsfahren sich durch eigenen Augenschein oder durch entsprechende Verständigung mit einer als Einweiser fungierenden Person die Überzeugung zu verschaffen, dass sich auf der von ihm zu befahrenden Verkehrsfläche niemand im Gefahrenbereich befindet und durch das Weiterfahren eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen nicht eintreten kann (ZVR 1987/64). Nach dem vorliegenden Sachverhalt hat die rückwärtsfahrende Erstbeklagte gegen diese Anforderungen verstoßen, zumal sie lediglich über ihre rechte Schulter zurück blickte und den links von ihrem Fahrzeug liegenden Parkstreifen nicht beobachtet hat. Nach überwiegender Rechtsprechung, der sich auch das Berufungsgericht anschließt, ist das Verschulden eines unaufmerksam Rückwärtsfahrenden in der Regel schwerer zu werten als das Verschulden jenes Lenkers, der die Rückwärtsfahrt nicht gehörig beobachtet (vgl. ZVR 1980/185; 1980/252; 1981/11; OLG Wien REDOK 9712). Dagegen sprechen auch nicht die Entscheidungen ZVR 1981/239; 1984/337; 1977/282 oder die vom Erstgericht herangezogene Entscheidung ZVR 1981/206. In diesen Entscheidungen hatte nämlich der Oberste Gerichtshof stets über Revisionen des Rückwärtsfahrenden zu entscheiden und ausgesprochen, dass dieser durch eine Verschuldensteilung von 1 : 1 sich jeweils nicht für beschwert erachten kann. Aus diesen Entscheidungen darf aber nicht abgeleitet werden, dass dem nachfolgenden unaufmerksam fahrenden Lenker oder schnell fahrenden Lenker deshalb immer ein gleichteiliges Verschulden trifft. In Anknüpfung an die vom Rekurswerber in der Berufung ausführlich referierte Entscheidung ZVR 1981/11, die auch Deckung in den anderen oben zitierten Entscheidungen findet, erscheint gegenständlich dem Berufungssenat hier eine Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten der in die Einbahn rückwärts fahrenden Erstbeklagten gegenüber der aus einer Parklücke kommenden Klägerin für angemessen (vgl. auch ZVR 1979/33). Der Berufung der klagenden Partei war somit Folge zu geben und das angefochtene Urteil im beantragten Sinn abzuändern.Wer in einer Einbahnstraße entgegen der allgemeinen Fahrtrichtung fährt, kann einen Vorrang nicht für sich beanspruchen, auch wenn die Rückwärtsfahrt erlaubterweise (zum Einparken) geschieht (ZVR 1981/11). Auch das zulässige Rückwärtsfahren erfordert nun besondere Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer (ZVR 1977/282). Der Lenker eines Kfz ist verpflichtet, bei jedem Rückwärtsfahren sich durch eigenen Augenschein oder durch entsprechende Verständigung mit einer als Einweiser fungierenden Person die Überzeugung zu verschaffen, dass sich auf der von ihm zu befahrenden Verkehrsfläche niemand im Gefahrenbereich befindet und durch das Weiterfahren eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen nicht eintreten kann (ZVR 1987/64). Nach dem vorliegenden Sachverhalt hat die rückwärtsfahrende Erstbeklagte gegen diese Anforderungen verstoßen, zumal sie lediglich über ihre rechte Schulter zurück blickte und den links von ihrem Fahrzeug liegenden Parkstreifen nicht beobachtet hat. Nach überwiegender Rechtsprechung, der sich auch das Berufungsgericht anschließt, ist das Verschulden eines unaufmerksam Rückwärtsfahrenden in der Regel schwerer zu werten als das Verschulden jenes Lenkers, der die Rückwärtsfahrt nicht gehörig beobachtet vergleiche ZVR 1980/185; 1980/252; 1981/11; OLG Wien REDOK 9712). Dagegen sprechen auch nicht die Entscheidungen ZVR 1981/239; 1984/337; 1977/282 oder die vom Erstgericht herangezogene Entscheidung ZVR 1981/206. In diesen Entscheidungen hatte nämlich der Oberste Gerichtshof stets über Revisionen des Rückwärtsfahrenden zu entscheiden und ausgesprochen, dass dieser durch eine Verschuldensteilung von 1 : 1 sich jeweils nicht für beschwert erachten kann. Aus diesen Entscheidungen darf aber nicht abgeleitet werden, dass dem nachfolgenden unaufmerksam fahrenden Lenker oder schnell fahrenden Lenker deshalb immer ein gleichteiliges Verschulden trifft. In Anknüpfung an die vom Rekurswerber in der Berufung ausführlich referierte Entscheidung ZVR 1981/11, die auch Deckung in den anderen oben zitierten Entscheidungen findet, erscheint gegenständlich dem Berufungssenat hier eine Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten der in die Einbahn rückwärts fahrenden Erstbeklagten gegenüber der aus einer Parklücke kommenden Klägerin für angemessen vergleiche auch ZVR 1979/33). Der Berufung der klagenden Partei war somit Folge zu geben und das angefochtene Urteil im beantragten Sinn abzuändern.

Im Hinblick auf die Abänderung der angefochtenen Entscheidung mussten auch die erstinstanzlichen Kosten neu berechnet werden. Das Berufungsgericht stützte sich dabei auf § 43 Abs. 1 ZPO. Auszugehen ist davon, dass die Beklagten im Verfahren erster Instanz (annähernd) mit 70 % obsiegt haben, weshalb ihnen der Kläger 40 % der Verdienstsumme und 70 % der Barauslagen (abzüglich 30 % der eigenen Barauslagen) zu ersetzen hat. Allerdings war die klägerische Urkundenvorlage bzw. die Mitteilung ON 7 (beim Erstgericht eingelangt am 05.07.2005) nicht zu honorieren. Den Beklagten wäre es bereits möglich gewesen, die Mitteilung im Einspruch vorzunehmen bzw. die Urkunden dort vorzulegen, zumal zwischen dem Einspruch und der Urkundenvorlage keine weitere Prozesshandlung der Gegenseite erfolgt ist und auch sonst aus dem Schriftsatz ON 7 nicht hervorgeht, dass die beklagten Parteien erst nach dem Einspruch über die Urkunden verfügt haben. Zudem sind auch die Urkunden mit 02.05.2005 (Beilage ./1) und 18.03.2005 (Beilage ./2, die dem Berufungssenat im übrigen nicht vorgelegt wurde), datiert.Im Hinblick auf die Abänderung der angefochtenen Entscheidung mussten auch die erstinstanzlichen Kosten neu berechnet werden. Das Berufungsgericht stützte sich dabei auf Paragraph 43, Absatz eins, ZPO. Auszugehen ist davon, dass die Beklagten im Verfahren erster Instanz (annähernd) mit 70 % obsiegt haben, weshalb ihnen der Kläger 40 % der Verdienstsumme und 70 % der Barauslagen (abzüglich 30 % der eigenen Barauslagen) zu ersetzen hat. Allerdings war die klägerische Urkundenvorlage bzw. die Mitteilung ON 7 (beim Erstgericht eingelangt am 05.07.2005) nicht zu honorieren. Den Beklagten wäre es bereits möglich gewesen, die Mitteilung im Einspruch vorzunehmen bzw. die Urkunden dort vorzulegen, zumal zwischen dem Einspruch und der Urkundenvorlage keine weitere Prozesshandlung der Gegenseite erfolgt ist und auch sonst aus dem Schriftsatz ON 7 nicht hervorgeht, dass die beklagten Parteien erst nach dem Einspruch über die Urkunden verfügt haben. Zudem sind auch die Urkunden mit 02.05.2005 (Beilage ./1) und 18.03.2005 (Beilage ./2, die dem Berufungssenat im übrigen nicht vorgelegt wurde), datiert.

Die Kostenentscheidung betreffend das Verfahren zweiter Instanz gründet sich auf §§ 40, 41 und 50 ZPO. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 501 ZPO gebührte dem Kläger gegenständlich jedoch nur ein einfacher Einheitssatz (vgl. § 23 Abs. 10 RATG).Die Kostenentscheidung betreffend das Verfahren zweiter Instanz gründet sich auf Paragraphen 40,, 41 und 50 ZPO. Im Hinblick auf die Bestimmung des Paragraph 501, ZPO gebührte dem Kläger gegenständlich jedoch nur ein einfacher Einheitssatz vergleiche Paragraph 23, Absatz 10, RATG).

Gemäß §§ 500 Abs. 2 Z 2, 502 Abs. 2 ZPO war auszusprechen, dass die Revision jedenfalls unzulässig ist.Gemäß Paragraphen 500, Absatz 2, Ziffer 2,, 502 Absatz 2, ZPO war auszusprechen, dass die Revision jedenfalls unzulässig ist.

Landesgericht Eisenstadt

Anmerkung

EES00080 13R2.06a

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00309:2006:01300R00002.06A.0116.000

Dokumentnummer

JJT_20060116_LG00309_01300R00002_06A0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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