TE Vwgh Erkenntnis 2007/8/30 2006/19/0108

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Veröffentlicht am 30.08.2007
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Index

E3R E19103000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003R0343 Dublin-II;
AsylG 1997 §24a Abs8;
AsylG 1997 §32a Abs1;
AsylG 1997 §5 Abs1;
AsylG 1997 §5a;
MRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. Dezember 2004, Zl. 254.773/0-VIII/23/04, betreffend Behebung eines auf §§ 5 und 5a Asylgesetz 1997 gestützten Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

G.A., ein Staatsangehöriger Georgiens, gelangte am 2. September 2004 in das Bundesgebiet und beantragte Asyl. Durch einen "Eurodac-Treffer" erfuhr das Bundesasylamt noch am selben Tag, dass er im August 2004 in der Slowakischen Republik einen Asylantrag gestellt hatte.

Nach Einvernahmen des Asylwerbers am 7. September 2004 und am 9. September 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) als unzulässig zurück. Es stellte fest, für die Prüfung des Asylantrages sei die "Slowakei" zuständig, und wies den Asylwerber gemäß § 5a AsylG dorthin aus.

In der Begründung dieses - der Vertreterin des Asylwerbers am 5. November 2004 zugestellten - Bescheides wurde u.a. ausgeführt, im Hinblick auf Übereinkünfte des Europäischen Rates bei einer "Sondertagung ... in Tampere" und angesichts des "offenkundig ersichtlichen Umstandes, wonach sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union untereinander als sichere Staaten für AsylwerberInnen ansehen", erachte das Bundesasylamt die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2003, Zl. 2000/01/0386, über das Erfordernis einer Bedachtnahme auf Gesichtspunkte der Europäischen Menschenrechtskonvention bei Ausweisungen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Zuständigkeit eines anderen Staates "nicht mehr als einschlägig". Eine "Prüfung orientiert an Gemeinschaftsrecht und mit den Maßstäben des Gemeinschaftsrechts" ergebe, "dass für eine derartige Auseinandersetzung ... nun kein Raum verbleibt".

Die belangte Behörde behob diesen Bescheid in Erledigung der vom Asylwerber dagegen erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

In der Amtsbeschwerde wird die Auffassung vertreten, "im vorliegenden Fall" sei "die Ermessensübung gemäß § 66 Abs. 2 AVG gesetzwidrig vorgenommen worden". Hiezu wird u.a. ausgeführt, bei näher genannten - der Sache nach an den hg. Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2000/20/0084 und Zl. 2002/20/0315, orientierten - Erwägungen der belangten Behörde handle es sich um eine "Scheinbegründung", die belangte Behörde verkenne "die einschlägige Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK" und für Entscheidungen der vorliegenden Art würde Österreich "gemeinschaftsrechtlich haftbar" werden.

Der Beschwerdeführer unterlässt es dabei, darauf einzugehen, dass das Bundesasylamt eine einzelfallbezogene Bedachtnahme auf Gesichtspunkte der Europäischen Menschenrechtskonvention in seiner Entscheidung rundweg abgelehnt und gemeint hatte, nach dem Inkrafttreten der Dublin-Verordnung bleibe dafür "kein Raum". Dieser von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid kritisierten Anschauung, der zufolge eine Prüfung der Frage, ob die Entscheidung den Asylwerber in Rechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzten würde, in erster Instanz nicht stattgefunden haben konnte, ist der Verwaltungsgerichtshof etwa in dem Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2005/20/0082, entgegen getreten (vgl. zusammenfassend das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 2006, Zl. 2005/01/0141).

Eine weitere Auseinandersetzung mit den Argumenten in der Amtsbeschwerde erübrigt sich aber schon deshalb, weil die Beschwerde aus einem in ihr nicht erkannten Grund im Ergebnis berechtigt ist. Dadurch, dass der Bescheid des Bundesasylamtes - nach Abschluss des Konsultationsverfahrens mit der Slowakischen Republik durch deren Zustimmungserklärung vom 22. September 2004 - der Vertreterin des Beschwerdeführers erst im November 2004 zugestellt werden konnte, wurde nämlich die Entscheidungsfrist des § 24a Abs. 8 AsylG überschritten, was die Zulassung des Asylantrages bedeutete und jede weitere Auseinandersetzung mit der Qualität des Refoulementschutzes in der Slowakischen Republik erübrigte (vgl. auch dazu die Nachweise in dem einen gleichartigen Fall betreffenden hg. Erkenntnis vom 9. Mai 2006, Zl. 2005/01/0141). Etwas anderes als die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 32a Abs. 1 AsylG zur Durchführung eines materiellen Asylverfahrens kam bei dieser Sachlage nicht mehr in Betracht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 30. August 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006190108.X00

Im RIS seit

04.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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