TE Vwgh Erkenntnis 2007/8/30 2006/21/0099

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Veröffentlicht am 30.08.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §72;
FrPolG 2005 §82;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Ernst Tremmel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 16-18, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. Jänner 2006, Zl. UVS- 01/19/9498/2005/1, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit am selben Tag in Vollzug gesetztem Bescheid vom 14. Oktober 2005 ordnete die Bundespolizeidirektion Wien (kurz: BPD) gegen den Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben einen Staatsangehörigen von Uganda, gemäß § 61 Abs. 1  des (bis 31. Dezember 2005 geltenden) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft u.a. zur Sicherung der (zur Durchsetzung eines gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes beabsichtigten) Abschiebung (§ 56 FrG) an.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2005 stellte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer den Antrag, ihn "gegen Anwendung gelinderer Mittel aus der Schubhaft zu enthaften". Er habe einen festen Wohnsitz in Wien, sei aufrecht gemeldet und besuche die AHS. Er sei um die Regelung seines Aufenthaltes bemüht, habe seine Rechtsvertreterin "mit der Einbringung eines Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck 'Ausbildung' beauftragt" und sei überdies bereit, sich im Fall einer Enthaftung in regelmäßigen Abständen an einer Polizeidienststelle zu melden.

Die BPD hielt dazu in einem Aktenvermerk vom 20. Oktober 2005 fest, "nach Rücksprache mit Dr. P. erfolgte keine Enthaftung".

Am 1. Dezember 2005 übermittelte der Beschwerdeführer an die BPD per Telefax neuerlich einen "Enthaftungsantrag". Darin berief er sich, neben dem bisher erstatteten Vorbringen, weiters auf einen mittlerweile gestellten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sowie einen (nach rechtskräftiger Abweisung eines bereits im Oktober 2000 eingebrachten Antrages mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Jänner 2001 nunmehr neuerlich gestellten) Asylantrag, über die jeweils noch nicht entschieden worden sei. Es wäre unverhältnismäßig, müsste er monatelang auf die Entscheidung über seine Anträge in Schubhaft warten.

Überdies befindet sich im vorgelegten Verwaltungsakt (Blatt 373) eine weder vom Beschwerdeführer noch von seiner Rechtsvertreterin unterfertigte, näher begründete Schubhaftbeschwerde, datiert mit 7. November 2005.

Am 2. Dezember 2005 wurde der Beschwerdeführer infolge seines Hungerstreikes enthaftet.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Jänner 2006 wies der unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) gemäß § 83 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, "die Beschwerde" als unbegründet ab und erklärte "die bescheidmäßige Verhängung" der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft bis 2. Dezember 2005 für rechtmäßig. Weiters wurde dem Beschwerdeführer der Ersatz von Verfahrenskosten an den Bund aufgetragen.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der gesamten Aktenlage und dem nunmehrigen Vorbringen des Beschwerdeführers sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass er "zu keinem Zeitpunkt der fremdenpolizeilichen Erfassung willens" gewesen sei, dem über ihn verhängten Aufenthaltsverbot nachzukommen. Auch das Vorbringen in der Schubhaftbeschwerde lasse erkennen, dass er beabsichtige, den Aufenthalt weiter fortzusetzen, um eine begonnene Ausbildung auch abzuschließen. Die verhängte Schubhaft sei daher zur Sicherung der Abschiebung in jedem Fall zulässig.

Es habe nicht ausgeschlossen werden können, dass der Beschwerdeführer dem finalen Zweck des fremdenpolizeilichen Verfahrens, nämlich seiner Entfernung aus dem Bundesgebiet, zuwiderhandeln und gegebenenfalls auch der Anordnung eines gelinderen Mittels "den Gehorsam versagen" werde. Die Beschwerde müsse daher erfolglos bleiben.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nie eine Beschwerde (im Sinn des nunmehrigen § 82 FPG) erhoben, sondern "lediglich einen Enthaftungsantrag vom 19.10.2005" an die BPD gestellt. Damit habe er - auch erkennbar - keine "Rechtswidrigerklärung des Schubhaftbescheids" der BPD vom 14. Oktober 2005 angestrebt. Zur Entscheidung über diesen Enthaftungsantrag wäre die belangte Behörde nicht zuständig gewesen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:

Die an die BPD gerichteten Anträge auf Enthaftung vom 19. Oktober und vom 1. Dezember 2005 sind nicht als Beschwerden an den unabhängigen Verwaltungssenat nach § 72 FrG (nunmehr § 82 FPG) deutbar. Der - seinem Inhalt nach zweifelsfrei eine Schubhaftbeschwerde darstellende - Schriftsatz vom 7. November 2005 ist nicht unterfertigt und schon daher dem Beschwerdeführer nicht zurechenbar. Vielmehr handelt es sich - nach der Reihung im Akt - offenbar nur um einen schon früher (am 7. November 2005) erstellten, (möglicherweise irrtümlich) bei der BPD im Wege des Bundesministeriums für Inneres eingelangten Entwurf einer Schubhaftbeschwerde.

Mithin hätte die belangte Behörde keine Entscheidung zu treffen gehabt, weshalb sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit belastet hat.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i. V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. August 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006210099.X00

Im RIS seit

11.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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