TE Vwgh Erkenntnis 2007/8/30 2006/19/0400

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Veröffentlicht am 30.08.2007
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Mag. Nedwed und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der A, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. Februar 2005, Zl. 256.986/0-VI/18/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung der Beschwerdeführerin "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Republik Moldau, beantragte am 28. August 2003 Asyl. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. September 2003 gab sie zu ihren Fluchtgründen an, ihr Bruder Ruslan sei Alkoholiker. Sie habe begonnen, die Bibel im Rahmen der Zeugen Jehovas zu studieren. Ihr Bruder habe deshalb all ihre Sachen verbrannt und sie von zu Hause "weggejagt". Er habe sie am 26. August 2000 in alkoholisiertem Zustand mit einer Schaufel attackiert und am Bein verletzt. Sie habe dabei eine Schwellung und eine Infektion im Bein erlitten. Als sie dann im Spital gewesen sei, sei eine Blutvergiftung festgestellt worden; das Bein habe amputiert werden müssen; sie habe jetzt eine Prothese am Bein. Die Polizei habe im Krankenhaus die Verletzung aufgenommen; die Beschwerdeführerin habe dabei aber angegeben, dass sie sich selbst verletzt habe. Sie habe ausschließlich Probleme mit ihrem Bruder und ihren Eltern.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 11. Jänner 2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Moldau fest (Spruchpunkt II.) und wies sie gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch ihren Bruder könnten die Flüchtlingseigenschaft nicht begründen. Dass die staatlichen Behörden des Heimatlandes der Beschwerdeführerin nicht in der Lage und nicht gewillt gewesen wären, ihr Schutz vor Verfolgung zu gewähren, sei ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin habe vielmehr erklärt, dass sie keine Anzeige bei den Behörden erstattet habe. Es bestehe kein zeitlicher Konnex zwischen den erwähnten Vorfällen im Jahr 2000 und der Ausreise im August 2003. Es bestünden auch keine stichhaltigen dem Refoulement der Beschwerdeführerin nach Moldau entgegenstehende Gründe. Es liege kein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vor.

Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welche die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid "gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG" abwies.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde macht geltend, der Bescheid sei unzureichend begründet; der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei nicht festgestellt worden. Auch sei auf die konkrete politische Situation in "Moldawien" nicht eingegangen worden. Die Beschwerdeführerin hätte auch bei einer Anzeige bei der Polizei keine Hilfe erhalten können. Die Behörde erster Instanz sei ihrer Manuduktionspflicht gegenüber der Beschwerdeführerin nicht nachgekommen. Sollte die Beschwerdeführerin abgeschoben werden, würde sie festgenommen werden; sie liefe Gefahr, unmenschlicher Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.

Ein relevanter Verfahrensmangel oder eine Rechtswidrigkeit des Inhalts wird mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt. Die belangte Behörde hatte die Abweisung des Asylantrages auch darauf gestützt, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht ableitbar sei. Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2000, Zl. 98/20/0430). Die behauptete Verfolgungshandlung ereignete sich im Jahr 2000; die Ausreise der Beschwerdeführerin erfolgte aber erst im Jahr 2003. Ein Anhaltspunkt für eine im vorliegenden Fall trotz des fehlenden zeitlichen Zusammenhanges bestehende "wohlbegründete Furcht" kann dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entnommen werden. Auch die Beschwerde unternimmt keinen Versuch, durch ein konkretes Vorbringen die behauptete asylrelevante Intensität der Verfolgungsgefahr mit der Verzögerung der Ausreise in Einklang zu bringen.

Es sind auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin der Gefahr einer gegen § 57 Abs. 1 FrG verstoßenden Behandlung ausgesetzt sein könnte; hiezu ist neuerlich darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin nach der behaupteten Verfolgungshandlung noch jahrelang im Herkunftsland verblieb. Dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland - wie in der Beschwerde behauptet - festgenommen würde (oder einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen würde), ist aus den Aussagen der Beschwerdeführerin in keiner Weise ableitbar.

Die Beschwerde erweist sich daher, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, als unbegründet (§ 42 Abs. 1 VwGG).

Bei der unveränderten Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides über die Ausweisung der Beschwerdeführerin "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das - nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangene - hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwanderersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. August 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006190400.X00

Im RIS seit

14.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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