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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §24a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Werner Johannes Krauss, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. Oktober 2005, Zl. 264.265/0-XI/38/05, betreffend §§ 5 und 5a Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, gelangte am 21. August 2005 in das Bundesgebiet und beantragte Asyl. Nach seiner Einvernahme am 26. August 2005 und am 30. August 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag mit Bescheid vom 13. September 2005 gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) als unzulässig zurück. Es stellte fest, für die Prüfung des Asylantrages sei Polen zuständig, und wies den Beschwerdeführer gemäß § 5a AsylG dorthin aus.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer u.a. aus, er habe nach den beiden Einvernahmen einen Termin für eine psychologische Untersuchung gehabt, deren Ergebnis ihm aber nicht mitgeteilt worden sei. Im Bescheid finde sich dazu "gar nichts". Er äußerte sich in diesem Zusammenhang kritisch zu den von den Ärztinnen in der Betreuungsstelle Traiskirchen verwendeten Anamnesebögen, berief sich auf § 24b Abs. 1 AsylG und machte geltend, er habe in Tschetschenien die Kämpfer unterstützt und miterlebt, wie sein bester Freund vor seinen Augen in die Luft gesprengt und der Körper dieses Freundes "in Fetzen gerissen" worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 5 und 5a AsylG ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht auch in der Beschwerde u.a. geltend, sein Verfahren wäre gemäß § 24b Abs. 1 AsylG zuzulassen gewesen. Die erwähnte Bestimmung lautete, soweit hier wesentlich:
"Ergeben sich in der Ersteinvernahme oder einer weiteren Einvernahme im Zulassungsverfahren (§ 24a) medizinisch belegbare Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber Opfer von Folter oder durch die Geschehnisse in Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis traumatisiert sein könnte, ist das Verfahren zuzulassen und der Asylwerber kann einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werden."
Die belangte Behörde hat gemeint, sich mit dem - durch den Hinweis auf ein bestimmtes Erlebnis konkretisierten - Vorbringen dazu in der Berufung wegen des in § 24b Abs. 1 AsylG enthaltenen Verweises auf § 24a AsylG nicht auseinandersetzen zu müssen. § 24a AsylG behandle der Überschrift zufolge das Zulassungsverfahren "in der Erstaufnahmestelle", wohingegen das Berufungsverfahren vor der belangten Behörde "jedenfalls nicht in der Erstaufnahmestelle geführt" werde. Das "erstmals in der Berufung angedeutete Vorliegen einer möglichen Traumatisierung" sei daher "für das Berufungsverfahren als unbeachtlich anzusehen".
Diese Rechtsauffassung wird vom Verwaltungsgerichthof nicht geteilt, wozu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 17. April 2007, Zlen. 2006/19/0163 bis 0166, in Verbindung mit der dort genannten weiteren Judikatur verwiesen werden kann. Nach dem Erkenntnis vom 30. Mai 2007, Zlen. 2006/19/0433 bis 0436, ist Hinweisen im Vorbringen auf traumatisierende Erlebnisse im Übrigen auch von Amts wegen nachzugehen, sodass es nicht darauf ankommt, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung eine "weitere fachärztliche oder psychotherapeutische Untersuchung" beantragt hatte.
Der angefochtene Bescheid war schon deshalb, weil die belangte Behörde das Berufungsvorbringen zur möglichen Traumatisierung des Beschwerdeführers als "unbeachtlich" ansah, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. August 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190570.X00Im RIS seit
04.10.2007