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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des K, vertreten durch Mag. Andreas Daxberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Juli 2004, Zl. 247.688/0-IX/25/04, betreffend Zurückweisung einer Berufung als unzulässig (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, beantragte am 18. November 2002 Asyl in Österreich.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. November 2003 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24. November 2003 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt.
Auch die Mutter des Beschwerdeführers beantragte am 18. November 2002 Asyl in Österreich. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. November 2003 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mutter des Beschwerdeführers in die Ukraine gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.
Am 9. Dezember 2003 langte beim Bundesasylamt ein mit 5. Dezember 2003 datiertes Schreiben der Mutter des Beschwerdeführers in russischer Sprache ein.
Das Bundesasylamt legte diese Eingabe samt Asylakten mit Schreiben vom 8. März 2004 der belangten Behörde vor. Es wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer und seine Mutter am 4. März 2004 in das Bundesasylamt gekommen seien und bekannt gegeben hätten, dass die Mutter in ihrem Berufungsschreiben (gemeint offensichtlich die Eingabe vom 9. Dezember 2003) auch ihren Sohn berücksichtigt hätte.
Nach Vorliegen der Übersetzung des Schreibens vom 5. Dezember 2003 qualifizierte die belangte Behörde dieses als Berufungsschrift. Mit Schreiben vom 29. April 2004 forderte die belangte Behörde die Mutter des Beschwerdeführers auf, den zu ihrem eigenen Asylverfahren eingebrachten Berufungsschriftsatz durch Bescheidbezeichnung und Berufungsbegründung im Zuge eines Mängelbehebungsauftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu ergänzen. Unter einem wurde die Mutter des Beschwerdeführers darauf hingewiesen, dass nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist die Berufung zurückgewiesen würde. Gleichzeitig wurde die Mutter des Beschwerdeführers in diesem Schreiben aufgefordert, eine schriftliche Bevollmächtigung ihres Sohnes (des Beschwerdeführers), die sie zur Einbringung einer Berufung in seinem Namen berechtigte, der belangten Behörde binnen einer zweiwöchigen Frist vorzulegen, "widrigenfalls dieses Schreiben (Berufung) ihrem Sohn nicht zugerechnet werden könnte".
Die Mutter des Beschwerdeführers teilte der belangten Behörde daraufhin mit Schreiben vom 11. Mai 2004 Folgendes mit:
"Ich habe ihren Brief erhalten und bitte sie inständig, zu glauben, dass meine ganze Familie immer von Staats wegen verfolgt worden war. Besonders in der männlichen Linie - wo man hinschaut Gefängnis - und fast alle sind umgekommen. Da ich nur einen Sohn habe, der drei Jahre verfolgt war, helfen sie uns bitte beiden, in Ihrem Land zu bleiben. Ich hoffe auf ihre Hilfe, dass sie in unserem Land vor Verfolgung schützen können, sodass wir ihrem Land von Nutzen sein können und entsprechend den Gesetzen leben können."
Der Beschwerdeführer richtete ebenfalls am 11. Mai 2004 ein Schreiben an die belangte Behörde mit folgendem Inhalt:
"Ich danke Ihnen für Ihren Brief und die Möglichkeit, Ihnen zu erklären, warum ich nicht in die Ukraine zurückkehren möchte. Die Demokratie existiert in meinem Land nur auf dem Papier! Diejenigen, die zu Zeiten der Sowjetunion an der Macht waren, sind auch heute noch an der Macht. Sie wollen keine neuen Leute sehen, die neue Ideen und den Wunsch haben, ihrem Land von Nutzen zu sein. Mein Land krankt an der Korruption und am Banditentum. Ich fühle mich in der Ukraine nicht sicher. Die Erfahrung meines Vaters, meines Großvaters, meines Bruders und meines Onkels, die alle im Gefängnis saßen, sagt mir, dass ich nicht auf das Unglück warten, sondern vor ihm fliehen soll. Ich hoffe aufrichtig auf ihr Verständnis und ihre Hilfe."
Mit dem gegenüber der Mutter des Beschwerdeführers ergangenen, angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juli 2004, wurde die Berufung der Mutter des Beschwerdeführers vom 5. Dezember 2003 gegen den (den Beschwerdeführer betreffenden) Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. November 2003 als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass weder aus der von der Mutter des Beschwerdeführers in eigener Sache eingebrachten Berufungsschrift noch aus ihrem Antwortschreiben zur schriftlichen Aufforderung der belangten Behörde eine entsprechende Bevollmächtigung durch ihren Sohn vorzulegen, eine Vollmacht erkennbar sei, die die Mutter des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Berufungseinbringung hinsichtlich ihres Sohnes zur Vertretung befugt hätte. Auch ließe das Schreiben des Beschwerdeführers vom 11. Mai 2004, worin er ausschließlich auf seine Fluchtgründe Bezug nehme, eine Bevollmächtigung seiner Mutter zur Einbringung einer Berufung auch in seinem Namen nicht erkennen.
Die Berufung vom 5. Dezember 2003 sei somit nur der Mutter des Beschwerdeführers zuzurechnen, nicht jedoch dem Beschwerdeführer selbst. Bis zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde seien die bestehenden Zweifel am Bestand eines Vollmachtsverhältnisses zum Zeitpunkt der Berufungseinbringung nicht ausgeräumt worden. Da der Mutter im Verfahren über den Asylantrag des Beschwerdeführers jedoch keine Parteistellung zukomme, fehle es ihr an der Berechtigung zur Erhebung einer Berufung. Die Berufung vom 5. Dezember 2003 sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdelegitimation erachtet der Verwaltungsgerichtshof als gegeben. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage der Zurechnung der im Verfahren erhobenen Berufung vom 5. Dezember 2003. Der Beschwerdeführer behauptet, dass seine Mutter mit dem Berufungsschreiben vom 5. Dezember 2003 auch den ihn betreffenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. November 2003 anfechten habe wollen. Damit kann er durch den angefochtenen Bescheid, in dem die verfahrensgegenständliche Berufung ausschließlich seiner Mutter und deren Verfahren zugerechnet wurde, in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. September 2003, Zl. 2001/03/0079, und vom 11. Mai 2004, Zl. 2004/02/0093, mit weiteren Nachweisen).
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
In dem von der belangten Behörde als Berufung gewerteten Schreiben der Mutter des Beschwerdeführers vom 5. Dezember 2003 schilderte diese ihren gemeinsamen Fluchtweg mit dem Beschwerdeführer. Sie beschrieb dann Verfolgungshandlungen gegen andere Familienmitglieder und schilderte detailliert die Fluchtgründe des Beschwerdeführers, welche dieser schon in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt dargestellt hatte. Dieses Schreiben schloss mit der Bitte der Mutter des Beschwerdeführers, gemeinsam mit diesem in Österreich "ein ruhiges Leben zu führen".
Schon der Inhalt des von der belangten Behörde als Berufung gewerteten Schreibens vom 5. Dezember 2003 bezog sich eindeutig auch auf die Fluchtgründe des Beschwerdeführers. Damit bestätigt sich die gemeinsame Erklärung des Beschwerdeführers und seiner Mutter vor dem Bundesasylamt am 4. März 2004, dass "die Mutter in ihrem Berufungsschreiben auch ihren Sohn berücksichtigt hätte".
Die übereinstimmende Erklärung des Beschwerdeführers und seiner Mutter auch gegen den den Beschwerdeführer betreffenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. November 2003 berufen zu wollen, ist so zu verstehen, dass der Beschwerdeführer seine Mutter auch zum Einschreiten in seinem Namen bevollmächtigt hatte. Die Dokumentation dieses Vorgangs durch das Bundesasylamt ist als Nachweis dieser Bevollmächtigung anzusehen, sodass der an die Mutter des Beschwerdeführers gerichtete Auftrag der belangten Behörde vom 29. April 2004 nach § 13 Abs. 3 AVG eine entsprechende Bevollmächtigung ihres Sohnes binnen zwei Wochen vorzulegen, in Verkennung der Rechtslage ergangen ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. August 2007
Schlagworte
Formgebrechen behebbare Bevollmächtigung Formgebrechen behebbare VollmachtsvorlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190327.X00Im RIS seit
17.10.2007