TE OGH 2006/1/26 6Ob273/05y

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Veröffentlicht am 26.01.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Helmut S*****, vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. Walter P*****, und 2. F*****, beide vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 12. September 2005, GZ 12 R 178/05t-12, womit der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 14. August 2004, GZ 4 Cg 101/05a-5, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt lautet:

Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des mit am 2. Juni 2005 eingelangter Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs des Klägers wird den Beklagten bis zur Rechtskraft des über den Unterlassungsanspruch ergehenden Urteils verboten, die unwahre Behauptung, die SPÖ sei unter der Führung des Klägers nun vollends am Durchdrehen und der Kläger biete gemeindeeigene Grundstücke Frank S***** bzw dem Fußballclub Wiener Austria als Geschenk an, oder ähnliche Behauptungen zu verbreiten. Das darüber hinausgehende Sicherungsbegehren, den Beklagten schlechthin zu verbieten, „unwahre Behauptungen über den Kläger zu verbreiten", wird abgewiesen.

Der Kläger hat seine Kosten des Sicherungsverfahrens zur Hälfte einstweilen selbst und zur Hälfte endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger war Bürgermeister der Marktgemeinde L*****. Der zweitbeklagte Verein trat bei den Gemeinderatswahlen, die am 26. 6. 2005 stattfanden, als wahlwerbende Liste auf. Vor den Wahlen wurde von den Beklagten ein Flugblatt verbreitet, das den Zweitbeklagten als Herausgeber und den Erstbeklagten als für den Inhalt Verantwortlichen bezeichnete. Das Flugblatt enthielt unter der in Großbuchstaben verfassten Überschrift „Neuer SPÖ-Skandal! SPÖ-BGM S***** (Kläger) verschenkt L***** an Austria-Boss Frank S*****!" auszugsweise folgenden Text: „Hat die SPÖ bis vor kurzem noch im Hauptplatz-Größenwahn geschwelgt, ist diese unter der Führung von BGM

S***** .... nun vollends am Durchdrehen. Wie unter

www.wienerschiri.at .... zu lesen, hat Interims-BGM S***** dem Austria-Boss Frank S***** nicht nur ein gemeindeeigenes Grundstück in L***** für seinen Fußball-Stadion-Neubau und ein dazugehörendes Einkaufszentrum angeboten - Nein - er will es Frank S***** sogar schenken! Hand aufs Herz liebe L*****, selbst der größte Austria-Fan muss einsehen, dass sich dies mit den Kapazitäten unserer Gemeinde nicht vereinbaren lässt!" Weiters wurde im Flugblatt dargestellt, welche negativen Folgen durch eine derartige Vorgangsweise auf L***** zukommen könnten. Es ist die Rede von 40.000 oder noch mehr Fans, die nach gewonnenem oder verlorenem Spiel randalierend und grölend eine Spur der Verwüstung durch die Marktgemeinde ziehen könnten. Das vorgeplante Chaos wiege ungleich schwerer als ein paar geschaffene Arbeitsplätze.

Der im Flugblatt zitierte, auf der Website „wienerschiri.at" veröffentlichte Artikel trug den Titel „Austrias schwierige Suche nach einem Stadionstandort. Rothneusiedl, L***** in NÖ, Aspern oder doch Favoriten?". Es wurde dort dargestellt, dass die Wiener Austria auf der Suche nach einem Standort für ein neues Stadion befinde. Bisher habe sich nur ein kleines Fleckchen Rothneusiedler Erde gefunden, das im Besitz der Stadt Wien sei. Genau an diesem Punkt komme L***** ins Spiel. Bürgermeister Helmut S*****, der sich wie Frank S***** nach einem Platz in den Geschichtsbüchern sehne, wisse um die Möglichkeiten, die ein Fußballstadion samt Einkaufszentrum einer kleinen Gemeinde wie L***** bringen würde. Prall gefüllte Gemeindekassen, Steuereinnahmen en masse und tausende Besucher, die sicherlich den einen oder anderen Euro im Dorf ließen. Deshalb habe S***** der Wiener Austria „nach Sport1-Information" ein Angebot gemacht, das man eigentlich nicht ablehnen könne. Die Violetten bekämen Grund und Boden nicht zu einem Spottpreis, sondern gratis. Der Kläger begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, „ab sofort bei sonstiger Exekution unwahre Behauptungen über den Kläger zu unterlassen, insbesondere die SPÖ sei unter Führung des Klägers nun vollends am Durchdrehen, sowie insbesondere der Kläger biete gemeindeeigene Gründe Frank S***** bzw dem Fußballklub Wiener Austria als Geschenk an", diese Behauptungen gegenüber den Lesern des Flugblatts als unwahr zu widerrufen und den Widerruf auf Kosten der Beklagten in näher bezeichneter Weise zu veröffentlichen. Zugleich beantragte der Kläger, den Unterlassungsanspruch durch eine einstweilige Verfügung des Inhalts zu sichern, dass den Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils verboten werde, „unwahre Behauptungen über den Kläger zu verbreiten, insbesondere die SPÖ sei unter Führung des Klägers nun vollends am Durchdrehen sowie insbesondere der Kläger biete gemeindeeigene Grundstücke Frank S***** bzw dem Fußballklub Wiener Austria als Geschenk an". Die Beklagten hätten den im Internet veröffentlichten Artikel unrichtig und in veränderter Form wiedergegeben. Der Artikel sei zudem unwahr. Der Kläger habe weder mit Frank S***** gesprochen noch geplant, der Wiener Austria oder Frank S***** ein Grundstück zu schenken. Die betreffenden Vorwürfe gefährdeten den Erwerb und das Fortkommen des politisch aktiven Klägers und grenzten an den Vorwurf des Amtsmissbrauchs.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Tatsachenbehauptungen seien einem seriösen Sportfachjournal entnommen worden und Grundlage für wertende Aussagen gewesen, die im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung anlässlich der Gemeinderatswahl zulässig gewesen seien.

In seiner Gegenäußerung führte der Kläger aus, dass die Verbreitung unwahrer Tatsachen nicht damit gerechtfertigt werden könne, dass die Information aus einem „seriösen Sportfachjournal" stamme. Von einer neutralen Wiedergabe der unwahren Behauptungen könne keine Rede sein. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es nahm zwar als bescheinigt an, dass kein Gespräch zwischen dem Sportverein Austria oder Frank S***** und dem Kläger stattgefunden habe, das die Überlassung von Gemeindegründen zum Bau eines Stadions zum Gegenstand gehabt habe und dass der Kläger auch niemals Gemeindegründe zum Geschenk angeboten habe. Es vertrat aber die Rechtsansicht, dass entscheidend sei, ob die Beklagten die Unwahrheit der als Tatsachenbehauptungen zu qualifizierenden strittigen Äußerungen gekannt hätten oder kennen hätten müssen. An dieser Voraussetzung für ein auf § 1330 ABGB gestütztes Begehren fehle es hier, weil der Kläger ausdrücklich zugestanden habe, dass es sich bei der herangezogenen Informationsquelle um ein seriöses Sportfachjournal gehandelt habe.In seiner Gegenäußerung führte der Kläger aus, dass die Verbreitung unwahrer Tatsachen nicht damit gerechtfertigt werden könne, dass die Information aus einem „seriösen Sportfachjournal" stamme. Von einer neutralen Wiedergabe der unwahren Behauptungen könne keine Rede sein. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es nahm zwar als bescheinigt an, dass kein Gespräch zwischen dem Sportverein Austria oder Frank S***** und dem Kläger stattgefunden habe, das die Überlassung von Gemeindegründen zum Bau eines Stadions zum Gegenstand gehabt habe und dass der Kläger auch niemals Gemeindegründe zum Geschenk angeboten habe. Es vertrat aber die Rechtsansicht, dass entscheidend sei, ob die Beklagten die Unwahrheit der als Tatsachenbehauptungen zu qualifizierenden strittigen Äußerungen gekannt hätten oder kennen hätten müssen. An dieser Voraussetzung für ein auf Paragraph 1330, ABGB gestütztes Begehren fehle es hier, weil der Kläger ausdrücklich zugestanden habe, dass es sich bei der herangezogenen Informationsquelle um ein seriöses Sportfachjournal gehandelt habe.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ob es sich bei der von den Beklagten herangezogenen Informationsquelle um ein „seriöses Fachjournal" gehandelt habe, sei nicht wesentlich. Die strittige Äußerung enthalte zwar nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt die unrichtige Tatsachenbehauptung, der Kläger verschenke ein gemeindeeigenes Grundstück. Diese Behauptung sei aber weder ehrenbeleidigend noch rufschädigend im Sinn des § 1330 ABGB. Bei wertenden Äußerungen sei im politischen Meinungsstreit ein großzügiger Maßstab anzulegen. Politiker müssten zu Gunsten des Grundrechts der freien Meinungsäußerung deutlich weitere Grenzen annehmbarer Kritik dulden. Die im Zuge des Wahlkampfs aufgestellte Behauptung, die SPÖ sei unter der Führung des Klägers nun vollends am Durchdrehen, überschreite das Maß einer zulässigen politischen Kritik nicht. Dies gelte selbst bei Berücksichtigung des Umstands, dass die Behauptung, der Kläger habe Frank S***** ein gemeindeeigenes Grundstück zur Errichtung eines Fußballplatzes angeboten, unrichtig sei. Denn auch diese Behauptung sei weder beleidigend noch kreditschädigend. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs sei nicht erhoben worden. Die Beklagten hätten bloß aufgezeigt, welche negativen Auswirkungen das dargestellte Verhalten des Klägers haben könnte. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sei und eine Entscheidung im Einzelfall vorliege.Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ob es sich bei der von den Beklagten herangezogenen Informationsquelle um ein „seriöses Fachjournal" gehandelt habe, sei nicht wesentlich. Die strittige Äußerung enthalte zwar nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt die unrichtige Tatsachenbehauptung, der Kläger verschenke ein gemeindeeigenes Grundstück. Diese Behauptung sei aber weder ehrenbeleidigend noch rufschädigend im Sinn des Paragraph 1330, ABGB. Bei wertenden Äußerungen sei im politischen Meinungsstreit ein großzügiger Maßstab anzulegen. Politiker müssten zu Gunsten des Grundrechts der freien Meinungsäußerung deutlich weitere Grenzen annehmbarer Kritik dulden. Die im Zuge des Wahlkampfs aufgestellte Behauptung, die SPÖ sei unter der Führung des Klägers nun vollends am Durchdrehen, überschreite das Maß einer zulässigen politischen Kritik nicht. Dies gelte selbst bei Berücksichtigung des Umstands, dass die Behauptung, der Kläger habe Frank S***** ein gemeindeeigenes Grundstück zur Errichtung eines Fußballplatzes angeboten, unrichtig sei. Denn auch diese Behauptung sei weder beleidigend noch kreditschädigend. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs sei nicht erhoben worden. Die Beklagten hätten bloß aufgezeigt, welche negativen Auswirkungen das dargestellte Verhalten des Klägers haben könnte. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sei und eine Entscheidung im Einzelfall vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist jedoch zulässig, weil die Rechtsansicht des Rekursgerichts zu der im folgenden dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Widerspruch steht. Er ist teilweise auch berechtigt.

Die (im Zusammenhang zu lesenden) Behauptungen, der Kläger „verschenkt L***** an Austria-Boss Frank S*****" und die SPÖ sei (eben deshalb) unter der Führung des Klägers „nun vollends am Durchdrehen", könnten zwar, hätte der Beklagte tatsächlich Gespräche über die Zurverfügungstellung von Gemeindegründen zum Bau eines Stadions geführt, als im politischen Meinungsstreit, insbesondere in Wahlkampfzeiten noch zu tolerierende, auf einen wahren Tatsachenkern

beruhende Werturteile qualifiziert werden. Hier gibt es aber nach dem

von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt keinen

wahren Tatsachenkern. Die Behauptungen enthalten den in die Ehre und den wirtschaftlichen Ruf des Klägers eingreifenden Vorwurf, der Beklagte agiere als Bürgermeister zum finanziellen Schaden der Gemeinde, wobei dieses Verhalten noch mit dem abwertenden Begriff des „Durchdrehens" belegt wurde. Auch für wertende Äußerungen ist es Voraussetzung, dass das ehrverletzende Werturteil auf der Basis eines wahren Sachverhalts geäußert wurde (6 Ob 114/01k).

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern, insbesondere in Wahlkampfzeiten, weiter gesteckt sind als bei Privatpersonen (RIS-Justiz RS0054817; RS0115541; RS0082182), kann hier nicht herangezogen werden, weil sich die Kritik nicht an konkreten Fakten orientierte. Auch eine in die Ehre eingreifende politische Kritik auf Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen verstößt gegen § 1330 ABGB (6 Ob 88/00k). Das Recht auf freie Meinungsäußerung findet in der Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung seine Grenze in einer unwahren Tatsachenbehauptung (4 Ob 38/02w). Es kann eine Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen, mit denen jemand eines verwerflichen Verhaltens - hier des „Durchdrehens" und der Verschleuderung von Gemeindevermögen - bezichtigt wird, nicht rechtfertigen (RIS-Justiz RS0032201). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EGMR, der selbst im politischen Meinungsstreit prüft, ob die notwendige Tatsachenbasis für einen wertenden Vorwurf vorliegt, weil auch ein Werturteil ohne jede unterstützende Tatsachengrundlage exzessiv sein kann (6 Ob 238/02x mwN). Der Unterlassungsanspruch des Betroffenen nach § 1330 ABGB setzt kein Verschulden voraus. Es genügt, wenn die zu verbreitende Handlung rechtswidrig ist (RIS-Justiz RS0031682). Es kommt daher bei dem Klageanspruch, der hier durch die einstweilige Verfügung gesichert werden soll, nicht darauf an, ob die Beklagten auf die Richtigkeit des auf der Website eines Sportfachjournals veröffentlichen Artikels, auf dem ihre strittigen Äußerungen beruhten, vertrauen durften. Auf die sogenannte Zitatenjudikatur kann sich der Beklagte nicht berufen. Die Weiterverbreitung der Äußerung eines Dritten kann zwar im Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein, doch setzt dieser Rechtfertigungsgrund voraus, dass das bekämpfte Zitat in einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung des Dritten besteht und keine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfand (RIS-Justiz RS0111733). Ob eine identifizierende Berichterstattung vorliegt, richtet sich danach, wie die Aussagen von einem zumindest nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Leser bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (6 Ob 114/01k). In diesem Sinn besteht an der Identifizierung der Beklagten mit dem - im wesentlichen Punkt unrichtigen - Artikel, der im Internet veröffentlicht wurde, kein Zweifel, bringt doch schon der die Wiedergabe des Presseberichts einleitende Satz, dass die SPÖ unter der Führung des Klägers nun vollends am Durchdrehen sei, und die dem Zitat nachfolgende Kommentierung des angeblichen Verhaltens des Klägers klar zum Ausdruck, dass sich die Beklagten die zitierte Behauptung zu eigen machten.Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Grenzen zulässiger Kritik an Politikern, insbesondere in Wahlkampfzeiten, weiter gesteckt sind als bei Privatpersonen (RIS-Justiz RS0054817; RS0115541; RS0082182), kann hier nicht herangezogen werden, weil sich die Kritik nicht an konkreten Fakten orientierte. Auch eine in die Ehre eingreifende politische Kritik auf Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen verstößt gegen Paragraph 1330, ABGB (6 Ob 88/00k). Das Recht auf freie Meinungsäußerung findet in der Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung seine Grenze in einer unwahren Tatsachenbehauptung (4 Ob 38/02w). Es kann eine Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen, mit denen jemand eines verwerflichen Verhaltens - hier des „Durchdrehens" und der Verschleuderung von Gemeindevermögen - bezichtigt wird, nicht rechtfertigen (RIS-Justiz RS0032201). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EGMR, der selbst im politischen Meinungsstreit prüft, ob die notwendige Tatsachenbasis für einen wertenden Vorwurf vorliegt, weil auch ein Werturteil ohne jede unterstützende Tatsachengrundlage exzessiv sein kann (6 Ob 238/02x mwN). Der Unterlassungsanspruch des Betroffenen nach Paragraph 1330, ABGB setzt kein Verschulden voraus. Es genügt, wenn die zu verbreitende Handlung rechtswidrig ist (RIS-Justiz RS0031682). Es kommt daher bei dem Klageanspruch, der hier durch die einstweilige Verfügung gesichert werden soll, nicht darauf an, ob die Beklagten auf die Richtigkeit des auf der Website eines Sportfachjournals veröffentlichen Artikels, auf dem ihre strittigen Äußerungen beruhten, vertrauen durften. Auf die sogenannte Zitatenjudikatur kann sich der Beklagte nicht berufen. Die Weiterverbreitung der Äußerung eines Dritten kann zwar im Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein, doch setzt dieser Rechtfertigungsgrund voraus, dass das bekämpfte Zitat in einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung des Dritten besteht und keine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfand (RIS-Justiz RS0111733). Ob eine identifizierende Berichterstattung vorliegt, richtet sich danach, wie die Aussagen von einem zumindest nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Leser bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (6 Ob 114/01k). In diesem Sinn besteht an der Identifizierung der Beklagten mit dem - im wesentlichen Punkt unrichtigen - Artikel, der im Internet veröffentlicht wurde, kein Zweifel, bringt doch schon der die Wiedergabe des Presseberichts einleitende Satz, dass die SPÖ unter der Führung des Klägers nun vollends am Durchdrehen sei, und die dem Zitat nachfolgende Kommentierung des angeblichen Verhaltens des Klägers klar zum Ausdruck, dass sich die Beklagten die zitierte Behauptung zu eigen machten.

Der Kläger hat allerdings seinen Sicherungsantrag teilweise zu weit formuliert. Denn nach ständiger Rechtsprechung hat der durch eine herabsetzende Äußerung Betroffene nur Anspruch auf Untersagung der konkreten Äußerung und ähnlicher Äußerungen. Gegenstand des Urteilsantrags (Sicherungsantrags) ist demnach nur die konkrete Verletzungshandlung (RIS-Justiz RS0037478). Die tatsächliche Äußerung kann zwar im Rahmen des Begehrens allgemeiner gefasst werden, um den Verpflichteten die Umgehung von Unterlassungsgeboten nicht allzu leicht zu machen. Dabei muss aber der Kern der Verletzungshandlung erfasst sein (RIS-Justiz RS0037733).

Dem Sicherungsantrag lässt sich entnehmen, dass der Kläger jedenfalls die Unterlassung der Verbreitung der dort konkret bezeichneten und von ähnlichen Äußerungen anstrebt, auch wenn er sein Begehren insoweit - grammatikalisch verfehlt - als beispielhafte Aufzählung („insbesondere") formulierte. Das darüber hinausgehende Begehren, den Beklagten generell die Verbreitung unwahrer Behauptungen über den Kläger zu verbieten, ist jedoch verfehlt. Es kann den Beklagten nicht ganz allgemein untersagt werden, ehrenbeleidigende oder kreditschädigende Behauptungen aufzustellen (6 Ob 98/01g). Das über das konkret formulierte Unterlassungsbegehren hinausgehende Begehren ist daher abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des im Sicherungsverfahren mit etwa der Hälfte seines Begehrens erfolgreichen Klägers beruht auf § 393 Abs 1 Satz 1 EO.Die Entscheidung über die Kosten des im Sicherungsverfahren mit etwa der Hälfte seines Begehrens erfolgreichen Klägers beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, Satz 1 EO.

Die Beklagten haben im Provisorialverfahren keine Kosten verzeichnet.

Anmerkung

E79748 6Ob273.05y

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0060OB00273.05Y.0126.000

Dokumentnummer

JJT_20060126_OGH0002_0060OB00273_05Y0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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