TE OGH 2006/1/31 1Ob215/05g

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Veröffentlicht am 31.01.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wetzl & Partner, Rechtsanwälte in Steyr, gegen die beklagte Partei Dietmar B*****, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen EUR 27.713,48 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Juli 2005, GZ 1 R 75/05x-24, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 17. Jänner 2005, GZ 42 Cg 85/04h-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur allfälligen Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im Jahr 2001 trat der Beklagte an Norbert L*****, den er bereits von früher kannte, mit der Idee heran, einen Casino-Betrieb zu eröffnen. L***** machte sich erbötig, sich nach passenden Räumlichkeiten umzusehen. Im Jahr 2002 fand er ein Lokal namens „G*****". Es war geplant, dass die Geschäftsführerin der Klägerin, die Ehegattin von Norbert L*****, die Gastronomie übernehmen und der Beklagte einen Teil der Räumlichkeiten für seinen Spielbetrieb anmieten sollte. Die Klägerin, die ihrerseits Untermieterin des Gastlokals war, schloss daher einen Unterbestandvertrag über einen Teil der Bestandräumlichkeiten, und zwar einen im Lokal „G*****" gelegenen Raum sowie eine im ersten Stock des Hauses darüber gelegene Wohnung, mit Peter B*****, dem gewerberechtlichen Geschäftsführer und Konzessionär des Casinos. Dieser fungierte als Strohmann. Der Beklagte unterfertigte diesen Vertrag als Bürge und Zahler für sämtliche Forderungen der Untervermieterin. Das Untermietverhältnis begann am 1. 10. 2002 und war auf unbestimmte Dauer mit einem Mietzins von EUR 2000,-- mtl zuzüglich USt einschließlich anteiliger Betriebskosten für den betrieblich genutzten Bereich abgeschlossen. Die Betriebskosten für die Wohnung waren gesondert zu bezahlen und betrugen damals EUR 95,--. Weiters wurde der Erlag einer Kaution in Höhe von 6 Monatsmieten vereinbart. Zwischen den Streitteilen war „besprochen", dass damit die Miete für die letzten 6 Monate des Unterbestandvertrages schon vorausbezahlt sei. Ob der Unterbestandvertrag vor oder nach der im August 2002 beim Verfasser des Unterbestandvertrags stattgefundenen Besprechung abgeschlossen wurde, war nicht feststellbar.

Am 28. 8. 2002 traf sich der Beklagte mit Norbert L***** in der Rechtsanwaltskanzlei des Vertragsverfassers zu einer Besprechung. Über das Gespräch wurde eine Besprechungsnotiz verfasst, die vom Beklagten und von Norbert L***** an Ort und Stelle unterfertigt wurde. Die Besprechungsnotiz beginnt mit dem Satz: „Herr L***** und Herr B***** (Gruppe) einigten sich heute auf folgende Investitions- und Beteiligungsregeln in Zukunft". Für welche Art von Unternehmen oder Betrieb diese „Investitions- und Beteiligungsregeln" in Zukunft gelten sollten, ist nicht festgehalten. Besprochen wurden Investitions- und Beteiligungsregeln, insbesondere ein Investitionsbeitrag von L***** in der Höhe von maximal EUR 10.000,-- und vom Beklagten in maximaler Höhe von EUR 40.000,--. Weiters waren Akonti für gemeinsame Anschaffungen Thema des Gesprächs, wobei diese im Verhältnis 1 : 4 aufgeteilt werden sollten. Eine erste Akontozahlung wurde am selben Tag - von Norbert L***** (EUR 1.000,--) und vom Beklagten (EUR 4.000,--) erlegt. Bei Eröffnung des Betriebs sollte eine weitere Bareinlage von EUR 5.000,-- seitens L***** und EUR 10.000,-- (vermutlich vom Beklagten) erfolgen.

Ab Bestehen des Bestandvertrags wurde das Lokal benützt. Die Miete wurde anfangs pünktlich bezahlt, ebenso wurde die vereinbarte Kaution geleistet. Im Sommer 2003 erfolgten die Mietzinszahlungen unregelmäßig. Ende Oktober 2003 teilte der Beklagte mit, überhaupt keine Mietzahlungen mehr zu leisten. Ab November 2003 wurde keine Miete mehr bezahlt. Sämtliche Mieten sind bis zu diesem Zeitpunkt vollständig bezahlt worden. Die ausständigen Betriebskosten wurden weder von der Klägerin noch vom Beklagten bezahlt. Beiträge zu Investitionskosten wurden von beiden Seiten bezahlt und davon „diverse Rechnungen für Anschaffungen" beglichen.

Der Casino-Betrieb wurde am 18. 10. 2002 eröffnet; es waren mehrere Croupiers angestellt. Die Zahlung des laut Besprechungsnotiz an Norbert L***** zu leistenden Taggeldes (für „bisherige Bemühungen" und „künftige Kontrolltätigkeiten") - in der in der Besprechungsnotiz vom 28. 8. 2002 festgehaltenen Höhe (100 EUR) erfolgte nie. Kontrolltätigkeiten - welcher Art auch immer - wurden von Norbert L***** nicht durchgeführt, da dieser krankheitsbedingt dazu auch nicht imstande gewesen wäre. Handschriftliche Monatslisten wurden Frau bzw Herrn L***** von einem Casino-Angestellten gebracht und von Norbert L***** angesehen. Es gab keine Gewinnausschüttungen durch den Beklagten an Frau oder Herrn L*****.

Am 16. 7. 2003 kam es zu einer weiteren Besprechung bei der Familie L***** im Beisein des Beklagten sowie des Verfassers des Unterbestandvertrags. Dieser fasste den Gesprächsinhalt in einem Aktenvermerk zusammen und sandte diesen der Geschäftsführerin der Klägerin, die ihn gemeinsam mit ihrem Ehegatten unterfertigte und dem Beklagten übermittelte. Dieser unterschrieb den Aktenvermerk jedoch nicht. In diesem Schriftstück ist festgehalten, dass ein Rückstand „betreffend des Taggeldes" bestehe und dieser künftig in jenen Monaten, in denen im Casino ein Überschuss erzielt wird, an Herrn und Frau L***** ausbezahlt werden sollte. Wegen des schlechter als erwarteten Geschäftsganges sollte der Beklagte Taggeld in Höhe von EUR 50,-- (an Sonntagen EUR 100,--) zahlen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob dieser Aktenvermerk lediglich eine Wiedergabe der Aussagen des Vertragsverfassers bzw von Herrn und Frau L***** und der sich aus deren Vorstellungen ergebenden Zusagen eines Rückstandes durch den Beklagten darstellt oder ob der Beklagte tatsächlich einen Taggeldrückstand mündlich anerkannt und Übereinstimmung über dessen ratenweise Abzahlung sowie künftige Zahlungsverpflichtungen erzielt hat und dies festgehalten worden ist. Tatsächlich wurde in der Folge ein Betrag von EUR 50,-- pro Werktag sowie EUR 100,-- pro Sonntag drei Monate lang bezahlt. Diese Zahlungen erfolgten ebenso wie die Bestandzinszahlungen bis Anfang November 2003 und wurden dann eingestellt. Per 12. 12. 2003 wurde mangels Mietzinszahlungen das Unterbestandverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Der Casino-Betrieb wurde im Dezember 2003 von der Klägerin zugesperrt. Der Betrieb der Gastronomie wurde Ende Jänner 2004 eingestellt. Herr L***** hat sämtliche Ansprüche an seine Gattin als Geschäftsführerin der Klägerin abgetreten.

Die Klägerin begehrt EUR 27.713,48 sA. Am 28. 8. 2002 sei zwischen dem Beklagten und Norbert L***** eine Vereinbarung getroffen worden, wonach Letzterer unabhängig davon, ob aus dem Casinobetrieb ein Gewinn erzielt werde, EUR 100,-- pro Tag für seine „bisherigen Bemühungen und künftigen Kontrolltätigkeiten" erhalten sollte. Eine aktive Mitarbeit Norbert L***** im Casino-Betrieb sei nicht vereinbart und auch nicht möglich gewesen. Der Beklagte sei mit der Erfüllung der Taggeldzahlung in Verzug geraten, obwohl er seinerseits täglich Entnahmen für sich und seine Angestellten getätigt habe. Aus diesem Grund sei es am 16. 7. 2003 zu einer Vereinbarung gekommen, wonach der Rückstand an Taggeldern von insgesamt EUR 24.500,-- vorerst gestundet worden und ab 16. 7. 2003 nur mehr ein Taggeld von EUR 50,-- je Wochentag und EUR 100,-- an Sonntagen zu zahlen gewesen sei. Insgesamt bestehe ein Taggeldrückstand von EUR 24.500,-- (18. 10. 2002 bis 15. 7. 2003) und EUR 2.650 (1. 11. bis 1. 12. 2003) sowie ein Bestandzinsrückstand von EUR 4.990,-- (inklusive Betriebskosten) für November und Dezember 2003, von EUR 2.000,-- für Jänner 2004, und weitere Betriebskosten aus dem Jahr 2003 von EUR 573,48); überdies sei die Rückerstattung eines Investitionsbeitrags von EUR 5.000,-- offen. Hiervon sei die vom Beklagten bezahlte Kaution von EUR 12.000,-- in Abzug zu bringen.

Der Beklagte wendete ein, eine Vereinbarung mit dem behaupteten Inhalt sei nie getroffen worden. Die Klägerin habe ihrerseits ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. Das Taggeld stehe nicht zu, da überhaupt keine Kontrolltätigkeiten durchgeführt worden seien. Gehe man von einer wirksamen Vereinbarung aus, habe sich der Beklagte mit 30 % an den Investitionen zu beteiligen, was einen Betrag von EUR 13.500,-- ergebe. Dieser Betrag wurde gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klagsforderung kompensando eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ergänzend zum bereits wiedergegebenen Sachverhalt traf es folgende wesentliche Feststellungen:

In der Besprechungsnotiz vom 28. 8. 2002 war weiters festgehalten, dass ab dem ersten Tag des Betriebs Herr L***** für seine bisherigen Bemühungen und künftigen Kontrolltätigkeiten „aus den Einnahmen täglich EUR 100,-- vorweg erhalten" und mit 30 % am Gewinn beteiligt sein sollte. Was mit bisherigen Bemühungen und künftigen Kontrolltätigkeiten gemeint war, wurde nicht definiert. Vor Gewinnausschüttungen sollten jedoch zuerst die Investitionsgelder refundiert werden und wären bei dem Anteil von Herrn L***** die ausbezahlten Taggelder noch in Abzug zu bringen gewesen. Besprochen wurden auch vom Beklagten prognostizierte Überschüsse in Höhe von mindestens EUR 20.000,--. Weiters wurde besprochen, dass im Fall des Erfolgs eine Gesellschaft mbH gegründet werden sollte und war noch an weitere Filialen gedacht. Steuerliche Aspekte sollten noch mit einem Steuerberater besprochen werden. Weitergehende rechtliche Fragen sollten vom Vertragsverfasser abgeklärt werden. In diesem Zusammenhang konnte nicht festgestellt werden, ob die Parteien im Zuge dieses Gesprächs nur Visionen und Prognosen, also Eckpunkte eines zukünftig zu gestaltenden (Gesellschafts-)Vertrags besprochen haben, oder ob die Parteien einen korrespondierenden Vertragswillen hatten und sogleich mit dieser Besprechungsnotiz eine verbindliche Vereinbarung schließen wollten. Ebenfalls konnte nicht festgestellt werden, dass sonstige mündliche Vereinbarungen oder Bedingungen getroffen wurden oder auch wie bestimmte Begriffe zwischen den Gesprächspartnern definiert waren.

Rechtlich führte es aus, die Klägerin stütze ihren Anspruch auf eine Vereinbarung, deren Rechtsverbindlichkeit nicht habe festgestellt werden können. Zwar seien verschiedene Punkte bezüglich einer geschäftlichen Zusammenarbeit besprochen worden, ein Bindungswille des Beklagten sei aber nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin könne daher mit ihrem Begehren auf Zahlung der Taggelder bzw des Investitionsbeitrags nicht durchdringen. Hinsichtlich der „offenen Mieten" sei anzuführen, dass eine Kaution bezahlt worden sei, mit der allfällige offene Mieten sowie die Betriebskostennachzahlung jedenfalls abgedeckt seien.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zwar sei den Argumenten der Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts im Zusammenhang mit der Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden könne, ob die Parteien eine verbindliche Vereinbarung schließen wollten, „durchaus näher zu treten"; allerdings seien die bekämpften und fehlenden Feststellungen „für die rechtliche Beurteilung nicht wesentlich". Die Klägerin habe sich im Verfahren erster Instanz auf eine in der Besprechungsnotiz vom 28. 8. 2002 wiedergegebene Vereinbarung gestützt. Damit werde aber von ihr zugestanden, dass Norbert L***** mit 30 % am Gewinn beteiligt sein sollte, jedoch vor Gewinnausschüttungen zuerst die Investitionsgelder refundiert und die an ihn ausbezahlten Taggelder angerechnet werden sollten und nur ein darüber hinaus gehender Gewinn an ihn gesondert auszuzahlen gewesen sei. Ob die Taggelder unabhängig vom Umsatz auszuzahlen gewesen wären, spiele für die rechtliche Beurteilung keine Rolle. Den täglich auszuzahlenden „Taggeldern" komme nur Vorschusscharakter auf eine allfällige Gewinnausschüttung zu. Vorschüsse seien Geldbeträge, die jemandem im Voraus zu zahlen seien, obgleich er darauf erst später Anspruch habe. Einem Gesellschafter zugestandene Vorschüsse seien dann nicht mehr auszuzahlen, wenn die Gesellschaft bzw die Beteiligung aufgelöst sei. Der Betrieb des Casinos sei eingestellt worden. Norbert L***** stünde lediglich aus der Auseinandersetzung aus dem Beteiligungsverhältnis ein Anspruch zu, den er jedoch nicht schlüssig und nachvollziehbar begründet habe. Von ihm sei nie behauptet worden, dass das Unternehmen einen entsprechenden Gewinn erzielt habe, der die Klagsforderung „in Höhe der ausbezahlten Taggelder" rechtfertige.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht als wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens geltend, von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ihr lediglich Ansprüche aus der Auseinandersetzung aus dem Beteiligungsverhältnis zustünden, diese jedoch nicht schlüssig und nachvollziehbar begründet worden seien, überrascht worden zu sein. Die durch die ZVN 2002 eingefügte Bestimmung des § 182a ZPO normiert die Pflicht des Gerichtes, das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und schreibt das von der Rechtsprechung schon bisher aus § 182 ZPO abgeleitete „Verbot von Überraschungsentscheidungen" fest (Beran ua, [Franz] Klein, aber Fein; die Zivilverfahrensnovelle 2002 aus der Sicht des „Arbeitskreises-Verfahrensvereinfachung" in RZ 2002, 258 [265]). Danach darf das Gericht, sieht man von Nebenansprüchen (Zinsen, Kosten uä) ab, seine Entscheidung nur auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, stützen, wenn es sie zuvor mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Damit wurde die Rechtsprechung, dass die Parteien von einer Rechtsansicht nicht überrascht werden dürfen (SZ 57/85; SZ 63/138; ZVR 1997/147), in das Gesetz aufgenommen. Überraschend ist also eine Rechtsansicht, wenn sie bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt wurde und daher keine Gelegenheit zur Stellungnahme bestand (SZ 72/28; JBl 2002, 385; Schragel in Fasching/Konecny2 II/2 §§ 182, 182a Rz 10) bzw das Prozessgericht einen maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt, der von einer Partei „ins Spiel gebracht" und von der Gegenpartei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden war, seiner Entscheidung zu Grunde legte (7 Ob 83/05i).Die Rechtsmittelwerberin macht als wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens geltend, von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ihr lediglich Ansprüche aus der Auseinandersetzung aus dem Beteiligungsverhältnis zustünden, diese jedoch nicht schlüssig und nachvollziehbar begründet worden seien, überrascht worden zu sein. Die durch die ZVN 2002 eingefügte Bestimmung des Paragraph 182 a, ZPO normiert die Pflicht des Gerichtes, das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und schreibt das von der Rechtsprechung schon bisher aus Paragraph 182, ZPO abgeleitete „Verbot von Überraschungsentscheidungen" fest (Beran ua, [Franz] Klein, aber Fein; die Zivilverfahrensnovelle 2002 aus der Sicht des „Arbeitskreises-Verfahrensvereinfachung" in RZ 2002, 258 [265]). Danach darf das Gericht, sieht man von Nebenansprüchen (Zinsen, Kosten uä) ab, seine Entscheidung nur auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, stützen, wenn es sie zuvor mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Damit wurde die Rechtsprechung, dass die Parteien von einer Rechtsansicht nicht überrascht werden dürfen (SZ 57/85; SZ 63/138; ZVR 1997/147), in das Gesetz aufgenommen. Überraschend ist also eine Rechtsansicht, wenn sie bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt wurde und daher keine Gelegenheit zur Stellungnahme bestand (SZ 72/28; JBl 2002, 385; Schragel in Fasching/Konecny2 II/2 Paragraphen 182,, 182a Rz 10) bzw das Prozessgericht einen maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt, der von einer Partei „ins Spiel gebracht" und von der Gegenpartei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden war, seiner Entscheidung zu Grunde legte (7 Ob 83/05i).

Die Unterlassung der Erörterung eines bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunktes kann nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er auf Grund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte. Solches Vorbringen verstößt nicht gegen das Neuerungsverbot, weil es noch nicht als Prozessvorbringen zu werten ist; der Rechtsmittelwerber muss aber dartun, dass der Verfahrensmangel erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken kann; dies kann er nur durch Anführung jenes Vorbringens, das er, über die relevante Rechtsansicht informiert, erstattet hätte (Schragel aaO Rz 10 mwH).Die Unterlassung der Erörterung eines bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunktes kann nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des Paragraph 182 a, ZPO hat der Rechtsmittelwerber darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er auf Grund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte. Solches Vorbringen verstößt nicht gegen das Neuerungsverbot, weil es noch nicht als Prozessvorbringen zu werten ist; der Rechtsmittelwerber muss aber dartun, dass der Verfahrensmangel erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken kann; dies kann er nur durch Anführung jenes Vorbringens, das er, über die relevante Rechtsansicht informiert, erstattet hätte (Schragel aaO Rz 10 mwH).

Die Klägerin hat im gesamten bisherigen Verfahren die Auffassung vertreten, dass ihr die Klagsansprüche - insbesondere das Taggeld - auf Grund einer zwischen Norbert L***** und dem Beklagten getroffenen Vereinbarung unabhängig davon zustünden, ob der Casino-Betrieb mit Gewinn oder Verlust arbeite. Der Beklagte hat das Bestehen der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung bestritten. Dieser rechtlichen Einschätzung ist das Erstgericht gefolgt.

Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung seiner Rechtsansicht, dass auch für den Fall einer die Vertragsschließenden bindenden Vereinbarung im Sinn der „Gesprächsnotiz vom 28. 8. 2002" ein Anspruch auf „Taggelder" nicht bestünde, da es sich bei diesen nur um Vorschüsse auf eine allfällige Gewinnausschüttung handle und die Klägerin nie behauptet habe, dass das Casino einen entsprechenden Gewinn erzielt habe, die Beweisrüge der Klägerin, soweit sie die Feststellungen bekämpfte, dass „nicht festgestellt werden kann, ob die Parteien .... einen korrespondierenden Vertragswillen hatten und zugleich mit dieser Besprechungsnotiz eine verbindliche Vereinbarung schließen wollten ....", nicht behandelt. Die vom Berufungsgericht erstmals in dieser Form vorgenommene Auslegung des Inhalts der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung erfolgte insoweit für die Klägerin überraschend, als ihr mangels Erörterung dieser Rechtsansicht die Zweckmäßigkeit ergänzenden Vorbringens über einen allfällig vom Beklagten aus dem Casino-Betrieb erzielten Gewinn nicht bewusst sein konnte. Dem vermag auch die Revisionsbeantwortung mit dem Hinweis auf den Inhalt der Vereinbarung ./A nichts von Relevanz entgegenzusetzen, bestand doch für die Klägerin in Unkenntnis der Rechtsansicht des Berufungsgerichts keine Notwendigkeit, das Klagebegehren auch auf Schadenersatz zu stützen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts (und des Beklagten), dass die Klägerin selbst dargelegt habe, dass sich die erwarteten Umsatz- bzw Gewinnprognosen nicht erfüllt hätten, sind in dieser Form nicht zutreffend. Die Klägerin hat zwar mehrfach auf einen „nach Darstellung des Beklagten schlechten Geschäftsgang" hingewiesen, zu keinem Zeitpunkt aber zugestanden, dass der Casino-Betrieb mit Verlust gearbeitet habe. In ihrer Revision weist sie nun darauf hin, dass sie, wäre ihr die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Kenntnis gebracht worden, vorgebracht hätte, dass der Casino-Betrieb in der Zeit nach der Eröffnung sehr wohl hohe Gewinne abgeworfen, der Beklagte das Casino dann aber aus nicht nachvollziehbaren Gründen nur mehr sporadisch geöffnet gehalten und dadurch eine Vielzahl von Kunden verloren habe. Die Revisionswerberin hätte ihr Klagebegehren daher auch darauf gestützt, dass sich die erwarteten Gewinnprognosen deshalb nicht erfüllten, weil der Beklagte das Geschäft entgegen der ursprünglichen Vereinbarung schlecht und äußerst nachlässig geführt habe. Da das Ausbleiben von Gewinn daher ausschließlich dem Verhalten des Beklagten zuzurechnen sei, würden die Taggelder jedenfalls auch aus dem Titel des Schadenersatzes zustehen, worauf das Klagebegehren eventualiter gestützt worden wäre. Damit hat die Revisionswerberin zu Recht eine wesentliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens aufgezeigt. Sollte das Berufungsgericht im Hinblick auf die bereits geäußerten Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung - nach Beweiswiederholung - zu der in diesem Zusammenhang von der Klägerin gewünschten Feststellungsgrundlage gelangen, wäre dieser Gelegenheit zu geben, im Hinblick auf die vom Berufungsgericht geäußerte überraschende Rechtsansicht ergänzendes Vorbringen zu erstatten und dieses unter Beweis zu stellen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E79790 1Ob215.05g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0010OB00215.05G.0131.000

Dokumentnummer

JJT_20060131_OGH0002_0010OB00215_05G0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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