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L40017 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
LPolG Tir 1976 §14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des FK in W, vertreten durch Föger, Pall & Schallhart, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Josef-Speckbacher-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 19. November 2003, Zl. uvs-2002/K9/015-30, betreffend Bestrafung gemäß § 19 Abs. 2 i. V.m. § 15 Abs. 1 Tiroler Landes-Polizeigesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2002/09/0149, zu verweisen (vgl. inzwischen auch das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0229).
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft K vom 8. Oktober 2002 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe zumindest im Zeitraum vom 10. Juni 2002 bis zum 20. Juli 2002 in seinem Bar- und Beherbergungsbetrieb D in W ein Bordell betrieben, ohne im Besitz einer behördlichen Bewilligung zum Betrieb eines Bordells gemäß § 15 Abs. 1 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes (LGBl. Nr. 60/1976, im Folgenden: LPolG) gewesen zu sein. Er habe hiedurch die Bestimmungen des § 15 Abs. 1 LPolG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 19 Abs. 2 LPolG eine Geldstrafe von EUR 32.700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 Tagen) verhängt werde.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er die ihm zur Last gelegte Tat bestritt und hilfsweise die Herabsetzung der Geldstrafe beantragte.
Mit Schriftsatz vom 29. April 2003 ergänzte er diese Berufung u. a. dahingehend, dass gegen ihn ein gerichtliches Strafverfahren wegen des Verdachtes der Zuhälterei (§ 216 StGB) geführt werde. Dabei gehe es um "denselben Sachverhalt". Zwischen dem gegen ihn im Verwaltungsstrafverfahren erhobenen Vorwurf und dem Tatbestand des § 216 StGB sei eine "gesetzesimmanente Subsidiarität" anzunehmen, weshalb die Aussetzung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 30 Abs. 2 VStG beantragt werde.
In der mündlichen Berufungsverhandlung am 19. November 2003 gab der Beschwerdeführer zu, dass der im erstinstanzlichen Straferkenntnis enthaltene Vorwurf richtig sei. Nach Einvernahme einer Zeugin und Verlesung der Strafanzeige vom Oktober 2003, wonach gegen den Beschwerdeführer nunmehr u.a. auch der Verdacht des Menschenhandels nach § 217 StGB in Bezug auf insgesamt 102 Personen bestehe, erklärte sein Vertreter, die Berufung auf die Strafhöhe einzuschränken. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens werde jedoch aufrechterhalten, weil eine Bestrafung sowohl im gegenständlichen Verfahren als auch durch das Gericht einer Doppelbestrafung gleichkommen würde.
Die belangte Behörde verkündete die Abweisung des Antrages auf Aussetzung des Verfahrens und den angefochtenen Bescheid, mit dem sie der Berufung insofern Folge gab, als die Höhe der Geldstrafe auf EUR 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) herabgesetzt wurde.
In der schriftlichen Ausfertigung ihrer Entscheidung begründete die belangte Behörde zunächst, weshalb dem in der Berufungsergänzung vorgebrachten Argument, zwischen dem anzuwendenden Verwaltungsstraftatbestand und § 216 StGB bestehe ein Verhältnis der Scheinkonkurrenz, nicht zu folgen sei. Zur Strafhöhe verwies sie u.a. auf eine von ihr mit Berufungserkenntnis vom 7. Februar 2002 und somit nur wenige Monate vor dem jetzt zu beurteilenden Tatzeitraum verhängte, einschlägige Vorstrafe.
Die vorliegende Beschwerde bekämpft diesen Bescheid ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer von der belangten Behörde verkannten möglichen Scheinkonkurrenz im Verhältnis zum Gegenstand der strafgerichtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch geltend gemacht, der belangten Behörde sei bekannt gewesen, dass sich das gerichtliche Strafverfahren nicht mehr auf den - in der Begründung des angefochtenen Bescheides in dieser Hinsicht aber ausschließlich behandelten - Tatbestand des § 216 StGB beschränkt habe.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1.1. § 22 und die ersten beiden Absätze des § 30 VStG lauten:
"Zusammentreffen von strafbaren Handlungen
§ 22. (1) Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen.
(2) Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndenden strafbaren Handlungen.
Zusammentreffen verschiedener strafbarer Handlungen
§ 30. (1) Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.
(2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist."
1.2. Die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren gründete sich auf Vorschriften des LPolG, die - in ihrem Kontext dargestellt - wie folgt lauten:
"5. Abschnitt
Prostitution
§ 14
Verbot
Verboten ist:
a) die gewerbsmäßige Hingabe des eigenen Körpers an andere Personen zu deren sexueller Befriedigung (Prostitution) außerhalb behördlich bewilligter Bordelle (§ 15);
b) die außerhalb behördlich bewilligter Bordelle erfolgende Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution;
c) die Gewährung oder Beschaffung der Gelegenheit, insbesondere durch Überlassung von Räumen, zur Ausübung der Prostitution oder zur Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle.
§ 15
Bordellbewilligung
(1) Ein Bordell darf nur mit behördlicher Bewilligung (Bordellbewilligung) betrieben werden.
(2) Eine Bordellbewilligung darf nur Personen erteilt werden, die
a)
voll handlungsfähig und verlässlich sind;
b)
die Staatsbürgerschaft einer Vertragspartei des EWR-Abkommens besitzen. Als nicht verlässlich sind Personen anzusehen, die
1. wegen einer mit Vorsatz begangenen Tat gerichtlich verurteilt worden sind, es sei denn, dass die Verurteilung getilgt ist oder der Beschränkung über die Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister nach § 6 des Tilgungsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 68, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 44/2001, oder einer vergleichbaren Vorschrift eines anderen Staates unterliegt, oder
2. wenigstens dreimal wegen einer Übertretung von Vorschriften auf dem Gebiet der Prostitution, des Veranstaltungswesens oder des Jugendschutzes bestraft worden sind.
(3) Eine Bordellbewilligung darf nur erteilt werden, wenn
a)
ein Bedarf nach dem Betrieb eines Bordells (Abs. 4) besteht,
b)
das Bordell in einem nicht auch anderen Zwecken dienenden Gebäude betrieben werden soll und
c) öffentliche Interessen nicht dagegen sprechen, insbesondere nicht zu befürchten ist, dass der Betrieb eines Bordells zu Missständen führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben in unzumutbarer Weise stören. Hiebei ist insbesondere auf mögliche Beeinträchtigungen der in der Nachbarschaft lebenden oder sonst sich längere Zeit dort aufhaltenden Personen, insbesondere Jugendlicher, Bedacht zu nehmen.
(4) Ob ein Bedarf nach dem Betrieb eines Bordells besteht, ist insbesondere unter Bedachtnahme auf die Einwohnerzahl und die Bevölkerungsstruktur des voraussichtlichen Einzugsgebietes sowie unter Bedachtnahme darauf zu beurteilen, ob in einer benachbarten Gemeinde bereits ein Bordell betrieben wird.
(5) Eine Bordellbewilligung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 2 und 3 vorliegen.
(6) Eine Bordellbewilligung ist befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies zur Wahrung öffentlicher Interessen im Sinne des Abs. 3 erforderlich ist.
(7) Eine Bordellbewilligung ist zu versagen, wenn auch nur eine der Voraussetzungen nach Abs. 2 und 3 nicht vorliegt.
(8) Eine Bordellbewilligung erlischt, wenn der Betrieb des Bordells nicht binnen zwei Jahren nach Eintritt ihrer Rechtskraft aufgenommen oder für mehr als acht Monate unterbrochen wurde.
(9) Eine Bordellbewilligung ist zu widerrufen, wenn auch nur eine der Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 2 ist von der Behörde in Abständen von höchstens fünf Jahren, beginnend mit dem Eintritt der Rechtskraft der Bordellbewilligung, zu überprüfen.
(10) Wird ein Bordell ohne Bewilligung betrieben, so hat die Behörde dessen Schließung zu verfügen. Von der Schließung ist die zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen nach § 19 zuständige Behörde (§ 23 Abs. 2) zu verständigen.
§ 16
Bewilligungsverfahren
(1) Ein Ansuchen um die Erteilung einer Bordellbewilligung ist schriftlich einzubringen.
(2) Dem Ansuchen sind anzuschließen:
a) die zur Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Pläne und Beschreibungen,
b) der Nachweis des Eigentums an der Liegenschaft oder, wenn der Bewilligungswerber nicht selbst Liegenschaftseigentümer ist, dessen schriftliche Zustimmung und
c) die zur Beurteilung der Verlässlichkeit nach § 15 Abs. 2 erforderlichen Unterlagen wie Strafregisterbescheinigungen oder ähnliche Nachweise.
(3) Im Bewilligungsverfahren ist die zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen nach § 19 berufene Behörde (§ 23 Abs. 2) zu hören. Diese Behörde ist vom Ausgang des Verfahrens zu verständigen.
§ 17
Betrieb eines Bordells
(1) Die Räume eines Bordells dürfen zur Ausübung der Prostitution nur mietweise und nur an eigenberechtigte Personen überlassen werden, die durch eine höchstens eine Woche zurückliegende amtsärztliche Bestätigung nachzuweisen vermögen, dass sie frei von Geschlechtskrankheiten sind.
(2) Der Inhaber der Bordellbewilligung ist verpflichtet, die im Bordell die Prostitution ausübenden Personen unter Anführung ihres Vor- und Familiennamens, Geburtsdatums, Geburtsortes, Wohnortes und der Höhe des von ihnen zu entrichtenden Mietzinses sowie jede Änderung unverzüglich der Behörde und der zur Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren zuständigen Behörde (§ 23 Abs. 2) schriftlich bekanntzugeben.
(3) Der Inhaber der Bordellbewilligung oder sein verantwortlicher Vertreter (§ 18 Abs. 1) muss während der Betriebszeiten im Bordell anwesend sein. Er hat Personen, die durch ihr Verhalten die Ruhe und Ordnung stören, den Zutritt bzw. den weiteren Aufenthalt zu untersagen.
(4) Der Inhaber der Bordellbewilligung hat den Organen der Behörde und der zur Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren zuständigen Behörde (§ 23 Abs. 2) auf Verlangen jederzeit und unverzüglich Eintritt in das Bordell zu gewähren.
(5) Verboten ist:
a)
das persönliche Anwerben von Besuchern vom Bordell aus,
b)
jede andere Werbung für das Bordell,
c)
jeder Hinweis auf den Betrieb des Bordells und
d)
jede Kennzeichnung des Gebäudes, die unmittelbar auf dessen Verwendung als Bordell hinweist.
(6) Den Prostituierten ist es verboten, im Bordell Besuche zu anderen Zwecken als zur Ausübung der Prostitution zu empfangen.
(7) Der Inhaber der Bordellbewilligung hat alles ihm zumutbare zu unternehmen, um Übertretungen der Abs. 5 und 6 hintanzuhalten.
(8) Minderjährigen ist der Besuch eines Bordells verboten. Der Inhaber der Bordellbewilligung hat bei Zweifeln über die Volljährigkeit eines Besuchers diese auf geeignete Weise, etwa durch Aufforderung zur Vorlage eines Ausweises, zu überprüfen. Kann der Besucher seine Volljährigkeit nicht nachweisen, so ist ihm der Zutritt zu untersagen.
(9) Die Gemeinde hat, soweit dies zur Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie zur Sicherung hygienisch einwandfreier Zustände erforderlich ist, nähere Vorschriften über den Betrieb von Bordellen, insbesondere über die Betriebszeiten, den Genuss von alkoholischen Getränken und die Einrichtung, Ausstattung und Reinhaltung der Räume, zu erlassen.
(...)
§ 19
Strafbestimmung
(1) Wer einem Verbot nach § 14 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.630,- Euro oder, bei Vorliegen von besonderen Erschwerungsgründen, mit Arrest bis zu vier Wochen zu bestrafen.
(2) Wer ein Bordell ohne Bewilligung nach § 15 betreibt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 36.330,- Euro oder, bei Vorliegen von besonderen Erschwerungsgründen, mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
(3) Wer den Bestimmungen des § 17 Abs. 1 bis 8 sowie den Bestimmungen einer Verordnung nach § 17 Abs. 9 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 1.450,- Euro oder, bei Vorliegen von besonderen Erschwerungsgründen, mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen.
(4) Der Versuch einer Verwaltungsübertretung nach Abs. 1, 2 oder 3 ist strafbar."
1.3. Die Tatbestände der dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck vorgeworfenen Delikte lauteten (jeweils in der im Juni und Juli 2002 gültigen Fassung, d.h. vor den Novellen BGBl. I Nr. 134/2002 und BGBl. I Nr. 15/2004), soweit hier wesentlich:
"Zehnter Abschnitt
Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit
(...)
Förderung gewerbsmäßiger Unzucht
§ 215. Wer eine Person der gewerbsmäßigen Unzucht zuführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Zuhälterei
§ 216. (1) Wer mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausnützt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen.
(2) Wer mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausbeutet, sie einschüchtert, ihr die Bedingungen der Ausübung der Unzucht vorschreibt oder mehrere solche Personen zugleich ausnützt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.
(3) Wer eine nach den vorstehenden Bestimmungen mit Strafe bedrohte Handlung als Mitglied einer Bande begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist auch zu bestrafen, wer durch Einschüchterung eine Person abhält, die gewerbsmäßige Unzucht aufzugeben.
Menschenhandel
§ 217. (1) Wer eine Person, mag sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuführt oder sie hiefür anwirbt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn er die Tat jedoch gewerbsmäßig begeht, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
(2) Wer eine Person (Abs. 1) mit dem Vorsatz, dass sie in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewerbsmäßige Unzucht treibe, durch Täuschung über dieses Vorhaben verleitet oder mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung nötigt, sich in einen anderen Staat zu begeben, oder sie mit Gewalt oder unter Ausnützung ihres Irrtums über dieses Vorhaben in einen anderen Staat befördert, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen."
2. § 19 LPolG enthält keine Subsidiaritätsklausel, der zufolge die Tat - wie in § 30 Abs. 2 VStG erwähnt - nur zu ahnden sei, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Dem Beschwerdeführer ist aber darin zu folgen, dass eine Scheinkonkurrenz, die ein Vorgehen nach § 30 Abs. 2 VStG erfordern würde, auch ohne solche (ausdrückliche) Klausel im Gesetz denkbar wäre (vgl. etwa Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000) Anm. 4 zu § 22 und Anm. 8 zu § 30 VStG). Gegenteiliges hat - vor dem Hintergrund des Art. 4 des 7. ZPMRK und der dazu bestehenden Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR - auch die belangte Behörde nicht angenommen. Strittig ist nur, ob ein solches Verhältnis der Scheinkonkurrenz zwischen § 19 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 LPolG einerseits und § 216 StGB oder den übrigen oben angeführten, im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Tatbeständen des StGB andererseits besteht.
2.1. Maßgeblich ist in dieser Hinsicht zunächst der Schutzzweck der Vorschrift des LPolG, gegen die der Beschwerdeführer verstoßen hat. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das schon erwähnte, den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2002/09/0149, verwiesen werden. In diesem die Bedarfsprüfung nach § 15 Abs. 3 lit. a und Abs. 4 LPolG betreffenden Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf Gesetzesmaterialien zum 5. Abschnitt "Prostitution" des LPolG und auf ein Vorerkenntnis vom 27. März 2000, Zl. 97/10/0030, näher dargelegt, dass der Landesgesetzgeber den Weg der Bewilligung der Bordellprostitution gewählt habe, weil dadurch die Prostituierten von der Straße verbannt würden, besonders das Zuhältertum eingeschränkt werde und eine intensive gesundheits-, sicherheits- und sittlichkeitspolizeiliche Kontrolle gewährleistet sei. Der zuletzt erwähnte Zweck geht auch aus den Einzelheiten der oben wiedergegebenen Regelungen des LPolG klar hervor.
2.2. Dem gegenüber dienen die Vorschriften des § 215 StGB - der bei Vorliegen der Voraussetzungen durch § 217 StGB als speziellere Vorschrift verdrängt wird - und des § 216 StGB spezifischen Anliegen des Individualrechtsschutzes, auch wenn dies in der Überschrift des Zehnten Abschnitts des StGB erst seit der Novelle BGBl. I Nr. 15/2004 zum Ausdruck kommt ("Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung" statt "gegen die Sittlichkeit"). Sie bezwecken den Schutz vor finanzieller Ausbeutung in Bezug auf sexuelle Handlungen, wobei es belanglos ist, ob die Tathandlungen im Zusammenhang mit Geheim- oder mit kontrollierter Prostitution erfolgen. Die Prostitution als solche, um die es im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren geht, ist entkriminalisiert und unterliegt nur der verwaltungsrechtlichen Reglementierung vor allem im Hinblick auf einen Jugend- und Belästigungsschutz und den Schutz vor übertragbaren Krankheiten (vgl. zu all dem zuletzt Schick, Wiener Kommentar zum StGB2, Austauschheft 2007 zur 31. Lieferung, Vorbem §§ 201 ff, insb. Rz 5; Philipp, a.a.O., Austauschheft 2006 zur 32. Lieferung, Rz 9 zu § 215, Rz 1 und 5 zu § 216, Rz 20 zu § 217; Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum StGB, 11. Lieferung (2004) Vorbem §§ 201 ff, Rz 13, 14, 17, 26 und 44; Kienapfel/Schmoller, Grundriss des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil III (1999) Vorbem §§ 201 ff RN 10 bis 18 und 60 bis 63 sowie §§ 214-217 RN 18, 28, 49, 60 und 69; Kienapfel/Schmoller, Studienbuch Strafrecht, Besonderer Teil III (2005) Vorbem §§ 201 ff RN 10 bis 18 und 60 bis 63).
2.3. Beim unerlaubten Betrieb eines Bordells einerseits und den in den §§ 215 ff StGB pönalisierten Verhaltensweisen andererseits geht es nach dem Gesagten nicht nur um Erscheinungsformen rechtswidrigen Handelns, von denen jede - den Tatbeständen zufolge - auch ohne die jeweils andere vorliegen kann. Für den Fall ihres Zusammentreffens ist auf Grund der Verschiedenheit der Schutzgüter auch nicht davon auszugehen, dass der Unrechtsgehalt des Verhaltens insgesamt - also unter Einschluss des strafrechtlich belanglosen, kein "wesentliches Element" des gerichtlichen Strafverfahrens bildenden Fehlens der Bewilligung für den Betrieb des Bordells - durch die Verurteilung nach dem StGB erschöpft wäre (vgl. zu diesem Maßstab die Nachweise aus der Judikatur zum verfassungsrechtlichen Doppelbestrafungsverbot etwa in dem hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zl. 2006/06/0037).
3. Bei diesem Ergebnis in Bezug auf die zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittige Frage kommt es nicht mehr darauf an, ob die Einschränkung der Berufung auf die Strafhöhe - zu der die Beschwerde keine Ausführungen enthält - einer Bedachtnahme auf Art. 4 des 7. ZPMRK durch die belangte Behörde entgegen gestanden wäre.
Die Beschwerde war daher ohne Auseinandersetzung mit der zuletzt erwähnten Frage gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 6. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004090005.X00Im RIS seit
04.10.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011