TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/6 2007/09/0030

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Veröffentlicht am 06.09.2007
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Index

64/03 Landeslehrer;
70/06 Schulunterricht;

Norm

LDG 1984 §29 Abs1;
LDG 1984 §70 Abs1 Z3;
SchUG 1986 §17 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Mag. HN in K, vertreten durch Dr. Georg Gschnitzer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 1, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 12. Dezember 2006, Zl. DOK-18-19, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 2006 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

-

(zu Spruchpunkt I.1 des Disziplinarerkenntnisses der Behörde erster Instanz) dadurch, dass er am 7. März 2005 während des Informatikunterrichtes der 4a Klasse zwischen 14:15 Uhr und 15:55 Uhr die Schülerinnen NS und NH sexuell belästigt habe, indem er diese beiden Schülerinnen am Oberschenkel gestreichelt habe, eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 29 Abs. 1 (nicht rechtmäßige Erfüllung der Unterrichts- und Erziehungsaufgaben) und Abs. 2 (Wahrung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Erfüllung der dienstlichen Aufgaben) des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 (LDG 1984) iVm mit § 17 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes 1986 (SchUG) begangen;

-

(zu Spruchpunkt I.3. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses) dadurch, dass er am 20. Juni 2005 während des Informatikunterrichtes zwischen 14:15 Uhr und 15:55 Uhr die Schülerinnen NS und NH einkaufen gehen gelassen habe, eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984 iVm mit § 17 Abs. 1 SchUG begangen.

Gemäß § 70 Abs. 1 Z. 3 LDG 1984 wurde über den Beschwerdeführer als Disziplinarstrafe eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- verhängt.

Die belangte Behörde hatte eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Verlauf zahlreiche Zeugen einvernommen wurden.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde zur Beweiswürdigung betreffend Punkt I.1. aus:

"Die Zeuginnen NS, NH und KE machten bei ihren Aussagen in der mündlichen Verhandlung zwar einen zurückhaltenden und betroffenen Eindruck (was durch das im sexuellen Bereich liegende und die Zeuginnen sichtlich unangenehm berührende Thema nur zu verständlich ist), waren insgesamt aber gefestigt und wirkten auch auf Fragen (die für die Zeuginnen wegen der sexuellen Konnotation zum Teil wohl etwas peinlich waren) nicht nervös oder verunsichert. Der grobe Auflauf (gemeint wohl: Ablauf), wie sich das Geschehen am 07. März 2005 im Informatikunterricht der 4a Klasse zwischen 14:15 Uhr und 15:55 Uhr abgespielt hat, stimmt in allen drei Aussagen überein. Gewisse Ungereimtheiten bleiben bei Details. So hat KE angegeben, sie wisse nicht mehr 'ob auch NH mit uns aufs Klo gegangen ist'. Die Zeugin KE hat sich besonders an NS erinnert. Schlüssig und mit den Ermittlungsergebnissen übereinstimmend ist die Aussage von KE, dass die Mädchen nicht während der Stunde am 07. März 2005, sondern erst viel später zum Direktor gegangen sind. Die Zeuginnen NS und NH haben angegeben, dass sie alle drei (NS, NH und KE) nachher aufs Klo gegangen sind. Für den erkennenden Senat sprechen solche kleinen Widersprüche nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen. Im Gegenteil wird so offensichtlich, dass die drei Zeuginnen sich nicht abgesprochen haben und dass sie nicht eine Intrige gegen den Berufungswerber geführt haben. Die Schilderung, wie die drei Zeuginnen dann die Klasse verlassen haben und hinaus aufs Klo gegangen sind war gut vorstellbar und insgesamt überzeugend. Die Zeuginnen haben auch nichts erfunden. So hat NS auf Nachfrage noch einmal gesagt:

'Damals (am 07. März 2005) als dieser Vorfall gewesen ist, bin ich mit NH zusammen am Lehrer-PC gesessen. EK war auch dabei. Ich habe nicht gesehen, dass HOL N NH am Oberschenkel gestreichelt hätte. Ich habe auch nicht gesehen, dass HOL N KE am Oberschenkel gestreichelt hätte.' Auch NH hat bestätigt: 'Ich weiß nicht, ob KE und NS, damals als wir zusammen am Lehrer-PC gesessen sind auch von HOL N am Oberschenkel gestreichelt worden sind. Ich habe nichts gesehen.' Die Zeugin KE hat angegeben: 'Als wir gemeinsam draußen waren habe ich nichts besonderes beobachtet. Als wir draußen am PC waren hat uns HOL N am Bildschirm etwas gezeigt. Ich habe deshalb auf den Computerbildschirm geschaut.' Solche Aussagen bestätigen in eindrucksvoller Weise die Glaubwürdigkeit der drei Zeuginnen. Es zeigt, dass keine von den drei Zeuginnen bestrebt war, durch etwas, was sie nicht tatsächlich wahrgenommen hat, den Berufungswerber zu belasten. Es spricht überhaupt nichts dafür, dass sich die Zeuginnen verabredet hätten und durch falsche Aussagen den Berufungswerber belasten wollten. An der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen besteht kein Zweifel. Die Glaubwürdigkeit von NS vermag auch die Aussage der Zeugin ND nicht zu erschüttern, die in der mündlichen Verhandlung ausgesagt hat:

'VA hat mir einmal erzählt, dass sie von NS 'einizogen' worden ist. 'Einizogen' verstehe ich so, dass sie überredet worden ist, dass sie halt da auch etwas sagt. Auch so etwas sagt, verstehe ich, dass HOL N auch so 'angegriffen' hat. Diese Darstellung hat VA so herum erzählt. Das ist damals so die Runde gegangen, ich weiß aber nicht mehr, wem genau VA das erzählt hat.' An der Glaubwürdigkeit der Zeugin VA bestehen - wie noch zu Spruchpunkt II zu zeigen sein wird - erhebliche Zweifel. Wenn VA also tatsächlich so etwas erzählt haben sollte, so ist zu berücksichtigen, dass der erkennende Senat bei der Zeugin VA keine ausreichende Glaubwürdigkeit feststellen konnte. Dass NH die Zeugin ND aufgefordert habe zum Direktor zu gehen und 'etwas über Belästigung zu klagen' konnte im Verfahren nicht festgestellt werden. Eine diesbezügliche Aussage der Zeugin ND erfolgte über die Suggestivfrage des Rechtsanwaltes des Beschuldigten, die im Protokoll auch ausdrücklich wiedergegeben ist: 'Auf Frage des Rechtsanwaltes des Beschuldigten, ob die Zeugin auch von NH oder NS angesprochen worden sei, zum Direktor zu gehen und über HOL N etwas über Belästigungen zu klagen.' Die Zeugin ND wich der konkreten Fragestellung aus ('NH hat mich einmal in diese Richtung angesprochen.'), die Antwort war ihr sichtlich unangenehm. Auf diese vage Aussage der Zeugin ND gestützt die Glaubwürdigkeit der Zeugin NH herabzusetzen ist für den erkennenden Senat nicht zulässig.

Allfällige weitere Berührungen außer am 07. März 2005 konnten nicht mit ausreichender Bestimmtheit nachgewiesen werden. Insbesondere konnte der genaue Tatzeitpunkt solcher weiterer Berührungen nicht erhoben werden. Die Aussagen des Zeugen PM in der mündlichen Verhandlung waren widersprüchlich und wurden von NS selbst widerlegt. Auch dies spricht in beeindruckender Weise für die Glaubwürdigkeit der Zeugin NS. ('Als ich mit PM zusammen am Lehrercomputer gesessen bin, hat mich HOL N nicht am Oberschenkel gestreichelt. Da bin ich mir ganz sicher.')"

Zu Punkt I.3. sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer NS und NH am 20. Juni 2005 habe einkaufen gehen lassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 29 Abs. 1 und 2 des LDG 1984 lautet:

"(1) Der Landeslehrer ist verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Landeslehrer hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt."

§ 17 des SchUG lautet (auszugsweise):

"(1) Der Lehrer hat in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgabe der österreichischen Schule (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes) zu erfüllen. In diesem Sinne und entsprechend dem Lehrplan der betreffenden Schulart hat er unter Berücksichtigung der Entwicklung der Schüler und der äußeren Gegebenheiten den Lehrstoff des Unterrichtsgegenstandes dem Stand der Wissenschaft entsprechend zu vermitteln, eine gemeinsame Bildungswirkung aller Unterrichtsgegenstände anzustreben, den Unterricht anschaulich und gegenwartsbezogen zu gestalten, die Schüler zur Selbsttätigkeit und zur Mitarbeit in der Gemeinschaft anzuleiten, jeden Schüler nach Möglichkeit zu den seinen Anlagen entsprechenden besten Leistungen zu führen, durch geeignete Methoden und durch zweckmäßigen Einsatz von Unterrichtsmitteln den Ertrag des Unterrichtes als Grundlage weiterer Bildung zu sichern und durch entsprechende Übungen zu festigen. ...."

Zu I.1.: Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die belangte Behörde sei unzulässigerweise vom Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss "hinsichtlich des Tatzeitpunktes" abgewichen.

Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass ihm im Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss sowie im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis - wie er selbst ausführt - als Tatzeit vorgeworfen worden war, er habe im Schuljahr 2004/2005 im Zeitraum zwischen Beginn des zweiten Semesters und dem Beginn der Osterferien jeweils montags von 14:15 Uhr bis 15:55 Uhr die Schülerinnen NS und NH sexuell belästigt, indem er zu verschiedenen Zeitpunkten während des Unterrichts deren Knie berührt bzw. deren Oberschenkel gestreichelt habe. Die nunmehrige - oben wiedergegebene - Tatumschreibung wirft dem Beschwerdeführer aber nur mehr einen Vorfall hinsichtlich eines einzigen Tages vor, der innerhalb des im Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss und auch noch im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis umschriebenen Tatzeitraumes gelegen ist. Die belangte Behörde hat damit nicht "etwas anderes vorgeworfen" - wie der Beschwerdeführer vorbringt - , sondern lediglich eine Einschränkung der vorgeworfenen Tat vorgenommen, wozu sie berechtigt war.

Insoweit sich die beschwerdeführende Partei gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen. Insbesondere stellen die vom Beschwerdeführer hervorgehobenen, aus verschiedenen Aussagen in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten stammenden Unterschiede durchaus Ungereimtheiten dar. Diese Unterschiede sind jedoch keine derartig gewichtigen Widersprüche, welche die Beweiswürdigung - die ua. auf dem in der durchgeführten mündlichen Verhandlung von den einzelnen Zeugen gewonnenen persönlichen Eindruck beruhte - als unschlüssig erkennen ließen, zumal die belangte Behörde bereits auf "gewisse Ungereimtheiten" Bedacht genommen hat. Dass der Beschwerdeführer auch versucht, aus in früheren Aussagen nicht enthaltenen Details zum Sachverhalt den Schluss auf die Unglaubwürdigkeit solcher, in späteren Aussagen aufscheinenden Details zu ziehen, überzeugt schon angesichts der verschiedenen Personen, welche den Zeugen jeweils Fragen stellten (nicht zuletzt auch der Vertreter des Beschwerdeführers), nicht, weil bekanntermaßen jeder Fragesteller andere ihm wesentlich erscheinende Aspekte in den Vordergrund stellt und die Antworten sich nach den Fragen richten. Im Übrigen kommt es im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz wesentlich auf die in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde geleisteten Aussagen an; frühere Aussagen wären nur dann von Bedeutung, wenn in ihnen gravierende, in der Verhandlung nicht geklärte Widersprüche zu den in der Verhandlung getätigten Aussagen enthalten wären. Derartige ungeklärte Widersprüche zeigt der Beschwerdeführer aber nicht auf.

Zu I.3: Der Beschwerdeführer wendet ein - ohne dies jedoch näher zu konkretisieren -, es sei "durchaus zulässig" gewesen, den Schülerinnen den Einkauf einer Jause zu gestatten, er habe dadurch nicht gegen den "Aufsichtserlass 2005" verstoßen. Dem ist einerseits zu entgegnen, dass dem Beschwerdeführer eine Missachtung des "Aufsichtserlasses 2005" nicht vorgeworfen wurde. Andererseits ist es aber für jedermann unmittelbar einsichtig, dass Unterrichtsstunden nicht dazu dienen, Schülern das Verlassen des Unterrichtsbereiches zwecks "Einkaufen einer Jause" zu gestatten, weil dies nichts mit den in § 17 Abs. 1 SchUG näher umschriebenen Zielen der Vermittlung des Lehrstoffes zu tun hat. Das weitere Vorbringen, der Beschwerdeführer habe an diesem Tag von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der sexuellen Belästigungen erfahren und sei "geradezu geschockt" gewesen, ist nicht geeignet, einen "Schuldausschließungsgrund" darzulegen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 6. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007090030.X00

Im RIS seit

16.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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