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E2D Assoziierung Türkei;Norm
ARB1/80 Art6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des H M in W, geboren 1946, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Mai 2007, Zl. E1/134411/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Antrag, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten, wird als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Mai 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei seit 12. Oktober 1979 in Österreich aufhältig und niedergelassen.
Mit Urteil vom 1. April 1999 sei über den Beschwerdeführer wegen Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB und wegen des unrechtmäßigen Waffenbesitzes nach § 50 Abs. 1 und 2 Waffengesetz eine unbedingte Freiheitsstrafe von zehn Jahren rechtskräftig verhängt worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass er am 14. September 1997 in einem Lokal in Wien einen anderen zu töten versucht habe, indem er mit einem umgebauten Gasrevolver aus einer Entfernung von höchstens 1 m zwei gegen den Oberkörper des anderen gerichtete Schüsse abgegeben habe, wodurch dieser einen Bauchsteckschuss mit Eröffnung der Bauchhöhle und Beschädigung des Dünn- und Dickdarmes und der Milz sowie einen Streifschuss im Bereich des linken Ellbogens erlitten habe.
Diese Verurteilung erfülle den in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierten Tatbestand.
Das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers stelle eine erhebliche, tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und die öffentliche Ordnung und Sicherheit in derart erheblichem Ausmaß gefährde, dass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 leg. cit. - im Grund des § 87 leg. cit. gegeben gewesen seien. Hiebei sei die in § 86 Abs. 1 in Bezug auf Familienangehörige von Österreichern, die - wie der Beschwerdeführer - ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet gehabt hätten, umschriebene Annahme zweifelsfrei gerechtfertigt. Nicht nur, dass es sich beim Verbrechen des (versuchten) Mordes um das wohl am schwersten wiegende Kapitalverbrechen handle, das die österreichische Rechtsordnung kenne, sei das aktenkundige bisherige Fehlverhalten des Beschwerdeführers in keiner Weise geeignet, die von ihm ausgehende erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu relativeren. Nachdem er bereits am 10. Februar 1982 und am 23. März 1983 bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht worden sei (die Verfahren seien gemäß § 90 StPO eingestellt worden), sei er erstmals am 3. April 1984 gemäß § 83 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Schon am 18. November 1985 sei die nächste Verurteilung des Beschwerdeführers gemäß § 107 Abs. 1, §§ 15, 127 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten erfolgt. Wegen dieser Verurteilungen und mehrfacher Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes sei gegen ihn mit Bescheid vom 17. Dezember 1985 ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Im Anschluss daran seien ihm wiederholt Abschiebungsaufschübe erteilt worden. Dies habe den Beschwerdeführer jedoch nicht gehindert, erneut straffällig zu werden, weshalb er am 14. Dezember 1987 gemäß § 83 Abs. 1 StGB wiederum zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Trotzdem habe die Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) den damaligen Beteuerungen des Beschwerdeführers, sich zukünftig rechtskonform zu verhalten, Glauben geschenkt und mit Bescheid vom 27. Februar 1990 das Aufenthaltsverbot aufgehoben.
Auf Grund einer Anzeige vom 7. November 1994 sei über den Beschwerdeführer gemäß § 82 Abs. 1 SPG eine Geldstrafe von ATS 800,-- rechtskräftig verhängt worden. Am 9. August 1993 seien wegen zweimaliger Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO Geldstrafen von ATS 8.000,-- und ATS 10.000,-- verhängt worden.
Am 4. April 1995 sei der Beschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1, § 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden.
Nach der Begehung des Verbrechens (des versuchten Mordes) sei der Beschwerdeführer in die Türkei geflüchtet, wo er laut seinen Angaben neun Monate aufhältig gewesen sei, bevor er bei seiner Rückkehr auf Grund des gegen ihn bestehenden Haftbefehles festgenommen worden sei.
Zwar könnten die zwischen 1984 und 1987 gelegenen Verurteilungen infolge ihrer Tilgung zur Begründung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes nicht "herhalten", alle Verurteilungen und Bestrafungen gemeinsam verdeutlichten jedoch die ausgesprochen geringe Rechtsverbundenheit des Beschwerdeführers und dessen mit Aggression gegen andere verbundenen Lebenswandel, der letztlich im genannten Mordversuch mit einer widerrechtlich besessenen Schusswaffe gemündet habe. Diese nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erweise sich daher als derart gewichtig, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Sinn des § 86 Abs. 1 zweiter Satz FPG zulässig sei.
Der Beschwerdeführer unterliege nicht den begünstigenden Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB). Im Hinblick auf seine aktenkundigen (geringen) Beschäftigungszeiten gehöre er keiner der in Art. 6 ARB normierten Personengruppen an. Da seine Ehegattin seit 1989 österreichische Staatsbürgerin sei, könne er auch keine Rechte nach Art. 7 ARB geltend machen, weil die Bestimmungen des ARB erst mit dem EU-Beitritt Österreichs hier anwendbar geworden seien.
Der Beschwerdeführer sei verheiratet. Weitere familiäre Bindungen bestünden zu zwei (volljährigen) Kindern. Unzweifelhaft sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz des Lebens und der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, einen Mordversuch mit einer illegal besessenen Schusswaffe begehe, beeinträchtige die obgenannten öffentlichen Interessen derart gewichtig, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei. Seinem Vorbringen, wonach ein abgesichertes und stabiles Privat- und Familienleben, in concreto:
seine familiären und sozialen Bindungen im Bundesgebiet, die von ihm ausgehende Gefahr minderten, könne nicht gefolgt werden. Diese Bindungen hätten ihn auch bislang nicht davon abgehalten, die oben genannten Straftaten und sonstigen Rechtsbrüche zu begehen. Auch sei das von ihm geltend gemachte Alter nicht geeignet gewesen, angesichts seiner kriminellen Vergangenheit eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose zu rechtfertigen.
Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erweise sich zwar als gewichtig, trotz der langen Aufenthaltsdauer jedoch als keinesfalls ausgeprägt. Zum einen sei die einer jeglichen Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das besonders schwerwiegende und auch mehrfache strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich an Gewicht gemindert. Zum anderen sei aktenkundig, dass er während seines Aufenthaltes nur sehr unregelmäßig und in einem im Verhältnis zur Dauer seines Aufenthaltes zeitlich geringen Ausmaß in Österreich beschäftigt gewesen sei. Noch in seiner Stellungnahme vom 1. April 2003 habe er angegeben, zu wenig Deutsch zu können, um selbst eine Stellungnahme zur Aufforderung der Erstbehörde abgeben zu können. Das Ausmaß der ihm zurechenbaren Integration sei daher keinesfalls derart ausgeprägt, wie dies die Dauer seines inländischen Aufenthaltes implizieren würde. Seinen familiären Bindungen komme hingegen zweifelsfrei besonders erhebliches Gewicht zu. Zu beachten sei jedoch auch gewesen, dass die beiden Kinder des Beschwerdeführers, die beide die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, bereits volljährig seien. Seinem Vorbringen, wonach er in seiner Heimat keine familiären Bindungen mehr hätte, seien seine Angaben noch in der Stellungnahme vom 20. August 2001 entgegenzuhalten, wonach seine Mutter in der Türkei lebte.
Diesen insgesamt sehr gewichtigen, in einem entscheidenden Punkt jedoch deutlich relativierten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers seien die maßgeblichen großen öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und am Schutz der Gesundheit und des Lebens Dritter gegenübergestanden. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation und die seiner Familie wögen nicht schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.
Ein Sachverhalt gemäß § 61 leg. cit. sei im Hinblick auf die Dauer der zuletzt gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe ebenso wenig gegeben wie ein Anlass, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Eine solche Ermessensübung stünde mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht in Übereinstimmung.
Was die unbefristete Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so könne angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers und der daraus resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen auch unter Bedachtnahme auf seine private und familiäre Lebenssituation nicht vorhergesehen werden, ob jemals und gegebenenfalls wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gegen den Beschwerdeführer als Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG - wie von der belangten Behörde richtig erkannt - nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei dieses persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Hiebei können strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes begründen und sind vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen nicht zulässig. Bei der Beurteilung der Frage, ob gegen einen Fremden gemäß § 86 Abs. 1 FPG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2007, Zl. 2007/18/0185, mwN).
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid primär auf das der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 1. April 1999 zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers, nämlich den am 14. September 1997 verübten Mordversuch gestützt und - entgegen der Beschwerdeansicht - ausreichende Feststellungen zu diesem Fehlverhalten getroffen. Nach den oben (I.1.) wiedergegebenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde versuchte der Beschwerdeführer am 14. September 1997 in einem Lokal in Wien, einen anderen zu töten, indem er mit einem umgebauten Gasrevolver aus einer Entfernung von höchstens 1 m zwei gegen den Oberkörper des anderen gerichtete Schüsse abgab. Durch dieses massive Fehlverhalten hat der Beschwerdeführer in gravierender Weise gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Gewaltkriminalität und am Schutz des Lebens und der Gesundheit anderer verstoßen.
Darüber hinaus bestreitet die Beschwerde auch nicht, dass der Beschwerdeführer bereits vor der Verübung dieses Verbrechens wiederholt durch die Begehung vorsätzlicher Körperverletzungsdelikte strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Wenn auch die diesbezüglichen, zwischen 1984 und 1987 gelegenen Verurteilungen bereits getilgt sind, so durfte das diesen zu Grunde liegende strafbare Verhalten - entgegen der Beschwerdeansicht - bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers dennoch berücksichtigt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0285, mwN). Ferner war bei der gegenständlichen Beurteilung zu berücksichtigen, dass gegen den Beschwerdeführer bereits mit Bescheid vom 17. Dezember 1985 ein (für die Dauer von zehn Jahren befristetes) Aufenthaltsverbot erlassen worden war, im Anschluss daran ihm wiederholt Abschiebungsaufschübe erteilt worden waren und dies ihn nicht hinderte, - wie (oben I.1.) dargestellt - sowohl während der Gültigkeitsdauer dieses Aufenthaltsverbotes als auch nach dessen Aufhebung (mit Bescheid vom 27. Februar 1990) erneut wiederholt straffällig zu werden und sodann in weiterer Folge das obgenannte, gravierende Tötungsverbrechen zu begehen.
In Anbetracht dieses massiven Gesamt(fehl)verhaltens begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes unter dem Blickwinkel des § 86 Abs. 1 FPG zulässig sei, keinen Bedenken. Ob - wie die Beschwerde vorbringt - der Beschwerdeführer aus der Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren bedingt entlassen worden sei, ist bei dieser Beurteilung schon deshalb nicht von wesentlicher Bedeutung, weil die belangte Behörde ihre Beurteilung unabhängig von den eine bedingte Entlassung begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenpolizeirechts zu treffen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0474). Im Übrigen ist zu dem von der Beschwerde behaupteten Gesinnungswandel des Beschwerdeführers während der Strafhaft festzuhalten, dass ein solcher Wandel nicht am Verhalten in der Strafhaft, sondern nur daran geprüft werden kann, wie lang sich der Beschwerdeführer in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 2007, Zl. 2006/18/0497, mwN). Im Hinblick darauf erscheint der seit der Verübung des Verbrechens im Jahr 1997 verstrichene Zeitraum jedenfalls noch zu kurz, um einen Wegfall oder auch nur eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr anzunehmen, zumal sich bereits einmal - nachträglich betrachtet - gezeigt hat, dass die Aufrechterhaltung eines gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes (nämlich des mit Bescheid vom 17. Dezember 1985 für die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes) vonnöten gewesen wäre, um Schaden von einer anderen Person abzuwenden.
2.1. Die Beschwerde bringt weiters vor, dass der angefochtene Bescheid in Widerspruch zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vom 12. September 1963 stehe, weil gegen integrierte türkische Staatsangehörige nur dann ein Aufenthaltsverbot verhängt werden dürfe, wenn die konkrete Gefahr bestehe, dass sie neuerlich ein schwer wiegendes strafrechtliches Delikt begingen. Dieser Nachweis sei durch die belangte Behörde nicht erbracht worden. Darüber hinaus bestünden Zweifel über die Auslegung dieses Abkommens und sei zu klären, ob ein türkischer Arbeitnehmer, der seit 28 Jahren in einem Mitgliedsstaat der EU integriert sei, mittels eines Aufenthaltsverbotes aus diesem Staat nachhaltig entfernt werden dürfe. Es werde daher die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens und die Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH begehrt. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Strafhaft beschäftigt und sozialversichert gewesen, weshalb er dem genannten Assoziierungsabkommen unterliege; auch habe keine Berücksichtigung gefunden, dass er sich bis kurz vor seiner Verurteilung "in einem soliden Beschäftigungsverhältnis" befunden habe.
2.2. Dazu ist Folgendes auszuführen:
Art. 6 Abs. 1 und 2 des auf der Grundlage des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei vom 12. September 1963 ergangenen Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (ARB) lautet:
"(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats angehört, in diesem Mitgliedsstaat
-
nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
-
nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedsstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
-
nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit, werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die auf Grund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche."
Art. 14 Abs. 1 ARB lautet:
"Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind."
Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen - insoweit nicht substanziiert bestrittenen - Feststellungen weist der Beschwerdeführer (lediglich) geringe Beschäftigungszeiten auf, weshalb die belangte Behörde die Auffassung vertrat, dass er keiner der in Art. 6 ARB normierten Personengruppen angehöre und auf ihn daher nicht die begünstigenden Bestimmungen dieses Beschlusses Anwendung fänden. Mit ihrem Vorbringen legt die Beschwerde nicht dar, dass der Beschwerdeführer vor seiner Inhaftierung zumindest ein Jahr beim selben Arbeitgeber ordnungsgemäß beschäftigt gewesen sei. Schon im Hinblick darauf kann die Beurteilung der belangten Behörde, dass die vor seiner Inhaftierung zurückgelegten (geringen) Beschäftigungszeiten eine Rechtsposition im Sinn des Art. 6 ARB nicht begründen könnten, nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 98/21/0299, mwN).
Die Beschwerde begründet ihre Ansicht, dass der ARB auf den Beschwerdeführer anzuwenden sei, im Wesentlichen damit, dass dieser während seiner Strafhaft beschäftigt und sozialversichert gewesen sei.
Nach der hg. Judikatur ist die Ordnungsmäßigkeit einer während eines bestimmten Zeitraumes ausgeübten Beschäftigung an Hand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt. Nach der Judikatur des EuGH setzt die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 ARB ferner (u.a.) eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates voraus. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0031, mwN.)
Die Beschäftigung eines Strafgefangenen ist im Strafvollzugsgesetz - StVG, BGBl. Nr. 144/1969, geregelt. Danach ist jeder arbeitsfähige Strafgefangene verpflichtet, Arbeit zu leisten, und haben zur Arbeit verpflichtete Strafgefangene die Arbeiten zu verrichten, die ihnen zugewiesen werden, wobei sie zu Arbeiten, die für sie mit einer Lebensgefahr oder Gefahr schweren Schadens an ihrer Gesundheit verbunden sind, nicht herangezogen werden dürfen (§ 44). Bei der Zuweisung der Arbeit ist auf den Gesundheitszustand, das Alter, die Kenntnisse und Fähigkeiten des Strafgefangenen, die Dauer der Strafe, das Verhalten des Strafgefangenen im Vollzug und sein Fortkommen nach der Entlassung, endlich auch auf seine Neigungen angemessen Rücksicht zu nehmen, und es darf die Art der Beschäftigung nur geändert werden, wenn es zur sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Führung der Anstalt geboten ist (§ 47 Abs. 1). Der Ertrag der Arbeit fließt dem Bund zu (§ 51 Abs. 1). Strafgefangene, die eine befriedigende Arbeitsleistung erbringen, haben für die von ihnen geleistete Arbeit eine Arbeitsvergütung zu erhalten, und bei unbefriedigender Arbeitsleistung, die auf Bosheit, Mutwillen oder Trägheit zurückzuführen ist, ist die Arbeitsvergütung nach vorangegangener Ermahnung in einem der Leistungsminderung entsprechenden Ausmaß zu kürzen und zu entziehen (§ 51 Abs. 2 und 3).
Schon in Anbetracht dieser Regelungen kann kein Zweifel bestehen, dass es sich bei einer allfälligen Arbeitstätigkeit als Strafgefangener nicht um eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates handelt, sodass keine Rede davon sein kann, dass der Beschwerdeführer auf Grund einer Tätigkeit als Strafgefangener im Sinn des Art. 6 Abs. 1 ARB ordnungsgemäß beschäftigt gewesen sei oder eine gesicherte Position auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gehabt habe.
Die Ansicht der belangten Behörde, dass der ARB auf den Beschwerdeführer keine Anwendung finde, begegnet daher keinem Einwand. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass jedoch auch bei gegenteiliger Ansicht (im Fall der Anwendbarkeit des ARB) nach Art. 14 Abs. 1 dieses Beschlusses die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer in Anbetracht seines gravierenden Fehlverhaltens (vgl. oben II.1.) nicht unzulässig gewesen wäre.
Schon im Hinblick auf die Nichtanwendbarkeit des ARB auf den Beschwerdeführer bestand keine Veranlassung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu stellen. Der diesbezügliche Antrag war zurückzuweisen, weil dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf das Einholen einer derartigen Vorabentscheidung nicht zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2002, Zl. 2002/18/0021, mwN).
3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde die lange Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1979 und den inländischen Aufenthalt seiner österreichischen Ehegattin und seiner beiden volljährigen Kinder, die österreichische Staatsbürger sind, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Diesen gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht jedoch die oben beschriebene, sich aus dem gravierenden Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers ergebende massive Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Auch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Jahr 1985 konnte den Beschwerdeführer nicht zu einem Wohlverhalten bewegen. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei und darüber hinaus die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie nicht schwerer wögen als das gegenläufige öffentliche Interesse, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. zulässig sei, ist daher nicht zu beanstanden, und es wird insoweit auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.
4. Schließlich ist auch der Beschwerdevorwurf, dass die belangte Behörde "das von ihr angewendete Ermessen nicht ausreichend und nachvollziehbar begründet" habe, nicht berechtigt, zumal auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers im Sinn des § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aus den im hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0066, dargelegten Gründen nicht in Betracht käme (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 13. März 2007, Zl. 2007/18/0040).
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 6. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007180409.X00Im RIS seit
05.11.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2013