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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des P P, geboren 1982, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 31. März 2005, Zl. St 67/05, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Aufwand von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 31. März 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt.
Der Beschwerdeführer sei am 16. Jänner 1990 im Alter von acht Jahren mit seiner Familie nach Österreich eingereist. 1993 hätten die Eltern des Beschwerdeführers ihre Asylanträge zurückgezogen. Ab November 1993 seien ihm Aufenthaltstitel erteilt worden. Er habe einen Teil seiner Schulpflicht in Österreich erfüllt.
Am 11. Dezember 1998 sei er gemeinsam mit Stefan D. wegen des Verdachtes des Vergehens der Sachbeschädigung angezeigt worden. Das diesbezügliche Verfahren sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes Wildshut vom 20. Jänner 1999 vorläufig für eine Probezeit von zwei Jahren eingestellt worden. Im Alter von ca. 16 Jahren habe er in der Nacht vom 20. zum 21. November 1998 mit verschiedenfärbigem Lackspray diverse Objekte (Zigarettenautomaten, eine Eingangstür, ein Wartehäuschen, eine Postbushaltestelle, eine Unterführung, ein Vorrangszeichen, zwei ebenerdig gelegene Fenster) beschmiert und damit beschädigt. Das Strafverfahren sei gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 JGG unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt worden.
Mit Urteil des Amtsgerichtes Altötting vom 14. Juni 2002 sei er wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je EUR 30,-- verurteilt worden.
Mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 23. August 2002 sei er wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach § 15, § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB und wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Er habe am 9. Oktober 2001 Franz S. zur sofortigen Rückzahlung eines Bargeldbetrages in Höhe von S 3.000,--
dadurch zu nötigen versucht, dass er diesem eine einer echten Faustfeuerwaffe täuschend ähnliche Gaspistole gegen Stirn und Bauch gehalten sinngemäß mit dem Erschießen gedroht habe. Darüber hinaus habe er am 20. Jänner 2002 in Salzburg mit dem gesondert verfolgten Elvis B. im bewussten und gewollten Zusammenwirken einen anderen, nämlich Markus W. und Thomas G., durch die mehrfach geäußerte Androhung des Umbringens (wobei sich die Drohung gegenüber Markus W. auch auf dessen Frau und Kind erstreckt habe) gefährlich mit dem Tod bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. Juli 2004 sei er wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 erster Fall SMG, des versuchten Verbrechens nach § 15 Abs. 1 StGB, § 28 Abs. 2 erster Fall SMG und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden. Er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Dominique P. (seiner Verlobten) bis zum 15. November 2002 Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 462,5 g brutto (50,7 netto) Cannabis, durch Anbau und Abernten von Hanfpflanzen erzeugt und zudem jeweils den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift erworben und besessen, und zwar der Beschwerdeführer am 22. September 2002 1,8 g Cannabiskraut und 0,8 g Kokain. Er habe im Jahr 2002 in den Geschäften "Hanf-In" und "Puff and Stuff", Hanfstöcke, Lampen und Dünger (um damit mit Dominique P. Hanfpflanzen zu ziehen und Cannabiskraut zu gewinnen) erworben. Er habe sich im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Dominique P. um das Gedeihen der Pflanzen gekümmert und habe schließlich Cannabiskraut für den Eigenkonsum ernten können. Am 15. November 2002 sei von den Sicherheitsbehörden in der Wohnung der Dominique P. das abgeerntete Cannabiskraut mit einem Nassgewicht von 2,2 kg sowie bereits getrocknetes Cannabiskraut im Umfang von 11,2 g vorgefunden und sichergestellt worden. Am 22. September 2003 habe der Beschwerdeführer aus Tschechien kommend 1,8 g Cannabiskraut und 0,8 g Kokain mit sich geführt. Er habe mit Dominique P. im Bewusstsein der Illegalität des von ihm durchgeführten Suchtgiftanbaues, -erwerbes und -besitzes, wobei sich sein Vorsatz auch auf die festgestellten Mengen und Qualitäten bezogen habe, gehandelt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 9. August 2004 sei er wegen der Verbrechen nach § 28 Abs. 2 zweiter und vierter Fall sowie Abs. 3 erster Fall SMG und wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 Abs. 1 StGB und § 28 Abs. 2 zweiter und vierter Fall sowie Abs. 1 erster Fall SMG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. Juli 2004 zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von 19 Monaten verurteilt worden, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, sodass der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe vier Monate betrage. Er habe mit zwei Mitangeklagten Suchtgift in einer großen Menge eingeführt bzw. in Verkehr gesetzt, wobei die Tat teilweise gewerbsmäßig begangen worden und es teilweise beim Versuch geblieben sei. Er habe nach dem 14. Februar 2003 in mehreren Angriffen insgesamt 2000 Stück Ecstasy-Tabletten von Denis G erhalten. Er habe nach dem 14. Februar 2003 gewerbsmäßig 2000 Stück Ecstasy-Tabletten an unbekannt gebliebene Abnehmer weiterverkauft. Er habe zwischen dem
10. und dem 14. Februar 2003 hinsichtlich der Einfuhr von ca. 4000 Stück Ecstasy-Tabletten von Holland über Deutschland nach Österreich (wobei die Verbringung des Suchtmittels nach Österreich durch Denis G. und Urim K. erfolgt sei) dadurch beigetragen, dass er von Österreich aus mit dem Suchtgiftlieferanten "Mo" Kontakt aufgenommen habe, den Kontakt zwischen "Mo" und Denis G. und Urim K. hergestellt und den Treffpunkt zwischen diesen Personen koordiniert habe.
Bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn würden überdies aus den Jahren 2001 und 2002 Verwaltungsvorstrafen wegen § 102 Abs. 5 lit. b KFG (EUR 36,34), § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG (EUR 72,67), § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG (EUR 109,01) sowie § 58 Abs. 1 erster Satz StVO (EUR 281,--) aufscheinen.
Die Mutter des Beschwerdeführers habe die Zusicherung zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erhalten. Sein Vater sei am 31. Oktober 2004 verstorben. Der Beschwerdeführer habe in Österreich die Volks- und Hauptschule sowie ein Jahr der Höheren Technischen Bundeslehranstalt sowie die Bundesfachschule Braunau im Inn besucht und bei seinen Eltern gelebt. Er sei mit Ausnahme von kurzfristigen Urlaubsaufenthalten in seiner Heimat Rumänien, wo nur mehr seine Großmutter lebe, seit Jänner 1990 ständig in Österreich aufhältig. Er beherrsche die rumänische Sprache nicht gut. Seit drei Jahren sei er mit der österreichischen Staatsbürgerin Dominique P. eng befreundet und habe die Absicht, sie zu heiraten. Zuletzt sei er durchwegs erwerbstätig gewesen. Von Juni bis Dezember 2001 sei er fast ausnahmslos im Arbeitslosen- bzw. Notstandsbezug gestanden. Auch vom 2. Dezember 2002 bis Ende Mai 2003 habe er Notstandshilfe bezogen. Seit 9. August 2003 stehe er in laufender Beschäftigung als Hilfsdrucker. In Anbetracht der doch langen Aufenthaltsdauer in Österreich sei ihm ein gewisses Maß an Integration zuzubilligen. Wenn er sich auch auf dem Gebiet der Beschäftigung in Österreich habe integrieren können, so sei ihm das in sozialer und strafrechtlicher Hinsicht nicht gelungen. Aus der Beziehung zu seiner Verlobten Frau P., welche mit ihm wegen eines Drogendeliktes rechtskräftig verurteilt worden sei, würden sich noch keine familiären Bindungen ergeben. Seiner Mutter sei die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt, diese bisher aber nicht verliehen worden. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres habe der Beschwerdeführer die Volljährigkeit erreicht und sei für sein Tun und Handeln verantwortlich, sodass er die Konsequenzen für sein Verhalten im Gastland zu tragen habe. In die Gesamtbeurteilung seiner Person sei auch das Fehlverhalten miteinzubeziehen, welches er als Minderjähriger gesetzt habe. In Anbetracht aller bisher festgestellten und auch geahndeten Vergehen und Verbrechen könne eine Steigerung seines inkriminierten Verhaltens festgestellt werden.
Zum Einwand des Beschwerdeführers, das Aufenthaltsverbot hätte nicht erlassen werden dürfen, weil er bereits vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Voraussetzungen zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft gehabt habe und dass die Verurteilung wegen der Sachbeschäftigung nicht als relevant anzusehen sei, sei zu entgegnen, dass die Wortfolge "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" so auszulegen sei, dass zu prüfen sei, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes bereits zehn Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen gewesen sei. Beim "maßgeblichen Sachverhalt" handle es sich nicht um die Verurteilung, sondern um das zu Grunde liegende Fehlverhalten. § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG finde auf den Beschwerdeführer keine Anwendung, weil er sich seit 1990 im Bundesgebiet aufhalte und in der Nacht vom 20. zum 21. November 1998 mehrere Sachbeschädigungen verwirklicht habe. Bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes hätten nicht ausschließlich die Straftaten betreffend die Suchtgiftkriminalität Berücksichtigung gefunden, sondern auch das aggressive, gewaltbereite und von einer geringen Hemmschwelle geprägte Verhalten, dass der Verurteilung durch das Landesgericht Ried im Innkreis vom 23. August 2002 zu Grund gelegen sei. Die Geringschätzung des Beschwerdeführers gegenüber der österreichischen Rechtsordnung äußere sich auch in dem Verhalten, welches seiner abermaligen Verurteilung durch das Landesgericht Salzburg vom 12. Juli 2004 sowie der Verurteilung durch das Landesgericht Salzburg vom 9. August 2004 zu Grunde liege. Die in sein Privat- und Familienleben eingreifende Maßnahme sei schon im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft, und hier vor allem der Jugendlichen, die diesen Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt seien, dringend erforderlich. Die Wiederholungsgefahr sei bei Suchtgiftdelikten besonders groß. Könnten - wie im Fall des Beschwerdeführers - ständige rechtskräftige Bestrafungen und Verurteilungen einen Fremden nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten, so sei die Behörde verpflichtet, von der Möglichkeit eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch zu machen, zumal andere Mittel nicht mehr auszureichen scheinen, um den Beschwerdeführer zur Einhaltung der Rechtsordnung seines Gastlandes zu bewegen. Wegen der angeführten Tatsachen sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers sei schwerwiegender Natur. Es habe nicht mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werden können, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden müssen. Insbesondere angesichts der der Verurteilung durch das Landesgericht Ried im Innkreis vom 23. August 2002 zu Grunde liegenden Handlung, die die Gewaltbereitschaft und die Aggression des Beschwerdeführers zum Ausdruck bringe, sowie auch angesichts der folgenden Verurteilungen, die die Gleichgültigkeit des Beschwerdeführers gegenüber der Rechtsordnung zum Ausdruck brächten, habe von der Ermessensbestimmung Gebrauch gemacht werden müssen.
Dem Beschwerdeführer sei in Anbetracht seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie seiner vielmonatigen Berufstätigkeit und des Umstandes, dass er mit seiner Verlobten zusammenleben wolle, ein gewisses Maß an Integration zuzugestehen. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass seiner Mutter die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt worden sei. Die ins Treffen geführte Integration werde jedoch in ihrer sozialen Komponente durch die begangenen strafbaren Handlungen und den dadurch dokumentierten Charaktermangel in erheblichem Ausmaß gemindert. Unter Abwägung aller angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Daher sei das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Daran könne sein Vorbringen nichts ändern, dass er keinen Kontakt zu Drogen hätte, weil dies keine ausreichende Gewähr dafür biete, dass er nicht mehr straffällig würde, zumal selbst Vorstrafen und eine Einstellung des Verfahrens nicht hätten bewirken können, ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Selbst wenn der Beschwerdeführer seit 2003 keine strafbaren Handlungen mehr begangen habe, könne nicht vorhergesehen werden, ob bzw. wann er sich wieder an die für ihn maßgeblichen Rechtsvorschriften halten werde. Das Aufenthaltsverbot sei daher auf unbestimmte Dauer zu verhängen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorwegen ist festzuhalten, dass der vorliegende Fall nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu beurteilen ist, sodass der Umstand, dass die Staatsangehörigen Rumäniens mit 1. Jänner 2007 EWR-Bürger geworden sind (BGBl. III Nr. 185/2006), nicht zu berücksichtigen ist (vgl. § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) und im Hinblick darauf die Sonderbestimmungen des § 48 Abs. 1 und 3 FrG keine Anwendung finden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2007, Zl. 2004/18/0074, mwN).
2. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG (in mehrfacher Hinsicht) verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
3. Auf Grund des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer trotz wiederholter strafrechtlicher Verurteilung nicht davon abhalten ließ, immer wieder straffällig zu werden, wobei er die Schwere seiner strafbaren Handlungen noch steigerte, begegnet auch die Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.
4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe am 20. bzw. 21. November 1998 im Alter von ca. 16 Jahren mit einem Lackspray verschiedene Objekte beschmiert. Dieses Verhalten könne für das nunmehr verhängte Aufenthaltsverbot jedoch nicht maßgeblich sein. Der Unrechtsgehalt dieser in einem Alter von 16 Jahren verübten Tat sei äußerst gering. Der für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Sachverhalt umfasse daher nur die Drogendelikte und die Handlungen, die das Rechtsgut der Freiheit nicht beachten würden. Der Beschwerdeführer habe seit dem besagten Vorfall mit dem Farbspray kein ähnliches Verhalten mehr gesetzt. Unter Berücksichtigung des seither verstrichenen Zeitraumes könne dieses Fehlverhalten keine relevante Vergrößerung der von ihm ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen darstellen. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei daher gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG unzulässig.
4.2. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StGB 1985) hätte verliehen werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" ist der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen. Im Fall eines auf strafbaren Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbotes handelt es sich beim "maßgeblichen Sachverhalt" nicht um die jeweilige Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern um das einer Verurteilung bzw. Bestrafung zu Grunde liegende Fehlverhalten, weil nur dieses die im § 36 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 36 Abs. 1 Z. 2 FrG umschriebene, für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendige Annahme rechtfertigen kann. Der "maßgebliche Sachverhalt" umfasst alle Umstände, die die Behörde zulässigerweise zur Begründung des im konkreten Fall in der festgesetzten Dauer (bzw. auf unbestimmte Zeit) verhängten Aufenthaltsverbotes herangezogen hat. Unzulässig wäre es, auch ein solches Fehlverhalten dem Aufenthaltsverbot zu Grunde zu legen und nach dem Gesagten in den "maßgeblichen Sachverhalt" iSd § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG einzubeziehen, das unter Berücksichtigung des seither verstrichenen Zeitraumes nicht (mehr) geeignet ist, eine relevante Vergrößerung der von dem Fremden ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen, weil es die Behörde dadurch in der Hand hätte, den für die Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG maßgeblichen Zeitpunkt so weit nach vorne zu verschieben, dass der Fremde "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" die zehnjährige Wohnsitzfrist des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt. Die belangte Behörde ist aber nicht verpflichtet, die Gesamtheit der Umstände, die demnach noch geeignet erscheinen, eine relevante Vergrößerung der von dem Fremden ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen, als für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblich anzusehen, wenn schon in der jüngeren Vergangenheit liegende Umstände allein ausreichen, die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen. Hat die belangte Behörde den Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" nach diesen Grundsätzen ermittelt, so liegt der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund nach § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG vor, wenn dem Fremden zu diesem Zeitpunkt gemäß § 10 Abs. 1 StbG 1985 die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Eine Verleihungsmöglichkeit in anderen Zeitpunkten vermag allerdings diesen Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund nicht zu verwirklichen. Bei der Beurteilung, ob die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können, ist die Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 StbG 1985 zu prüfen. Dabei können die vor dem genannten Zeitpunkt liegenden Verhaltensweisen des Fremden einen Umstand darstellen, der der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu diesem Zeitpunkt gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. entgegengestanden wäre. Diesfalls würde § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG die Verhängung eines - ausschließlich auf nach diesem Zeitpunkt eingetretene Umstände gestützten - Aufenthaltsverbotes nicht hindern (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 99/18/0462).
4.3. Dem Beschwerdeführer ist nun darin beizupflichten, dass der Umstand, dass er in der Nacht vom 20. auf den 21. November 1998 im Alter von ca. 16 Jahren mit Lackspray diverse Objekte beschmiert hat (wobei das darüber geführte Strafverfahren gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 JGG unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt worden war und der Beschwerdeführer auch in der Folge keine vorsätzlichen Sachbeschädigungen mehr vorgenommen hat) unter Berücksichtigung des seit diesem Fehlverhalten bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen Zeitraumes von knapp sechseinhalb Jahren nicht (mehr) geeignet ist, eine (über die später im Erwachsenenalter verübten Gewalt- und Drogendelikte hinausgehende) relevante Vergrößerung der von ihm ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen. Es war daher vorliegend nicht zulässig, diesen Sachverhalt zur Begründung des im konkreten Fall verhängten Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.
Ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer Anfang des Jahres 2000 zehn Jahre seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet gehabt. Zu diesem Zeitpunkt hätte dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 und Z. 6 StbG 1985 die Staatsbürgerschaft verliehen werden können, weil der besagte Vorfall der Sachbeschädigung durch Besprühen von Gegenständen mit Lackspraydosen keinen hinreichenden Grund dargestellt hätte, dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG 1985 die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu versagen.
5. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
6. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 6. September 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005180161.X00Im RIS seit
05.11.2007