TE OGH 2006/3/7 1Ob8/06t

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Veröffentlicht am 07.03.2006
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herta K*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Weber, Dr. Hannes Hirtzberger und Mag. Herbert Nigl, Rechtsanwälte in Krems, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 8.192,49 EUR sA, infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 6.021,03 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. Juni 2005, GZ 36 R 361/05p-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. Jänner 2005, GZ 22 C 229/04y-20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil in folgender Weise abgeändert:

Das Ersturteil wird in der Hauptsache mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass der der Abweisung verfallene Kapitalbetrag von „8.129,49 EUR" richtig „8.192,49" EUR zu lauten hat. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.267,93 EUR bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Landwirtin. Sie nahm 2002 und 2003 am Österreichischen Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL 2000) teil. 1995 hatte sie bereits einmal eine Förderung nach einem früheren ÖPUL erhalten. Die Teilnahme am ÖPUL 2000 wurde von der beklagten Partei auf Grund der Verordnung (EG) Nr 1257/1999 des Rates vom 17. 5. 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) im ganzen Bundesgebiet angeboten. Subventionen wurden auf Grund von Verträgen mit den Förderungswerbern zuerkannt und über die Agrarmarkt Austria abgewickelt. Die Regeln, denen das Förderungsprogramm unterworfen war, fanden sich in der Sonderrichtlinie des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) vom 27. 7. 2000, Zl 25.014/37-II/B8/00 (SRL-ÖPUL 2000). Die Klägerin als Vertragspartnerin erhielt für 2002 eine Förderung von 8.192,49 EUR. Sie hatte „jährlich den Herbstantrag sowie den Mehrfachantrag-Flächen" unterfertigt und damit bestätigt, „'die umseitige Verpflichtungserklärung als verbindlich zur Kenntnis genommen zu haben'". Diese betraf das ÖPUL 2000 und - damit verknüpft - die SRL-ÖPUL 2000. Insofern hatte die Klägerin u. a. erklärt, die SRL-ÖPUL 2000 einzuhalten, „die erhaltene Förderung auf Verlangen ... ganz oder teilweise rückzuerstatten, wenn ... vorgesehene Verpflichtungen nicht eingehalten ..., in der Sonderrichtlinie oder in der Verpflichtungserklärung enthaltene Bedingungen nicht erfüllt" wurden oder „die Förderung ganz oder teilweise widmungswidrig verwendet" worden sein sollte. Sie hatte das Merkblatt zum ÖPUL 2000 über die „Förderungsvoraussetzungen im Rahmen der jeweiligen Maßnahme" gemeinsam mit dem Formular für den Herbstantrag, weiters „Maßnahmenerläuterungsblätter", die „nochmals an die Förderungsvoraussetzungen" erinnerten, gemeinsam mit dem Formular für den „Mehrfachantrag-Flächen" erhalten.

Eine der Förderungsvoraussetzungen auf Grund der SRL-ÖPUL 2000 war der „Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gemäß der aktuellen IP-Wein-Pflanzenschutzmittelliste für den 'integrierten Weinbau' als 'integrierter Bestandteil der Sonderrichtlinie'". Dazu war in einem der Anhänge festgehalten, dass bei „der integrierten Produktion (IP) ausschließlich die Anwendung der ... vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft genehmigten Pflanzenschutzpräparate zulässig" ist. Die SRL-ÖPUL 2000 ordnete im Übrigen „die Führung von Aufzeichnungen" über die „verwendeten Pflanzenschutzmittel innerhalb der IP-Wein Maßnahme an". In der Verpflichtungserklärung zum „Herbstantrag 2000" fanden sich korrespondierende Bestimmungen.

Die Pflanzenschutzmittelliste wurde der Klägerin nicht zugesandt. Die

SRL-ÖPUL 2000 verwies jedoch auf diese Liste. Festgehalten war

ferner, dass die laufend aktualisierte „IP-Mittelliste ... alle

jeweils zulässigen Pflanzenschutzmittel und deren zulässige

Indikation umfasst ... und im Bundesministerium für Land- und

Forstwirtschaft zur Einsichtnahme aufliegt". In diese Liste und in die SRL-ÖPUL 2000 konnte seit August 2000 - daher bereits vor Vertragsschluss im Anlassfall - auch bei den Bezirksbauernkammern Einsicht genommen werden. Ferner erläuterten publizierte Mitteilungen über das ÖPUL 2000, „wo und auf welche Weise Informationen über dieses Programm beschafft werden können".

Die SRL-ÖPUL 2000 sah den Ausschluss des Vertragspartners von den Förderungsmaßnahmen nach einer „Falschangabe auf Grund grober Fahrlässigkeit und Vorsatz" vor. Der Förderungsnehmer war verpflichtet, die Förderung „bei Eintritt eines Rückforderungsgrundes" binnen 14 Tagen nach einer entsprechenden schriftlicher Aufforderung ganz oder teilweise zurückzuzahlen. Solche Gründe waren u. a. die Nichteinhaltung „vorgesehener Verpflichtungen", so etwa durch die Verletzung der in der SRL-ÖPUL 2000 oder in der Verpflichtungserklärung angeführten „Bedingungen". Bei geringen Verstößen konnten das BMLFUW und die Förderungsabwicklungsstelle von einer Rückforderung absehen. Eine Probenziehung im Betrieb der Klägerin anlässlich einer Kontrolle betreffend die Förderung 2002 ergab, dass im Weinbau das Pflanzenschutzmittel Cymbigon mit dem nach dem gültigen Programm nicht erlaubten Wirkstoff Cypermethrin verwendet worden war. Dieses Mittel hatte der Ehegatte der Klägerin „auf Anweisung" deren Sohns gespritzt. Dieser hatte seinen Vater über die verwendbaren Mittel nicht aufgeklärt, jedoch in der Folge „ein anderes als das verwendete Mittel, das der Pflanzenschutzmittelliste nach erlaubt" war, „in den Aufzeichnungen" festgehalten. Zwischen Vater und Sohn hatte es keine Gespräche über das „zu verwendende Mittel" gegeben. Der Sohn hatte auch „keine Überprüfung" vorgenommen. Das „erlaubte und das verbotene Mittel" waren „in einem gemeinsamen Behältnis aufbewahrt". Cymbigon gehörte bereits „seit Anlaufen des Programms 1995" zu den nicht erlaubten Pflanzenschutzmitteln.

Der Sohn der Klägerin hatte vor dem Antrag auf Gewährung der Förderung 2002 an Informationsveranstaltungen der Landwirtschaftskammern, die insofern Vertragspartner des Bundes waren, teilgenommen. In mehreren Ausgaben des Jahrgangs 2000 der Zeitschrift „Die Landwirtschaft" der niederösterreichischen Landeslandwirtschaftskammer fanden sich Informationen zum ÖPUL. In der Ausgabe 6a des Jahrgangs 2000 des Service-Magazins der Kammer für Land- und Forstwirtschaft „Der österreichische Bauer" wurden „die Maßnahmen des Programms sowie die Sanktionen aufgezeigt". Die beklagte Partei forderte die für 2002 gewährte Förderung von 8.192,49 EUR zurück und rechnete mit diesem Anspruch gegen die der Klägerin für 2003 zu leistende Förderung von 8.208,07 EUR auf. Die Klägerin begehrte den Zuspruch von 8.192,49 EUR sA und brachte - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - vor, die Verwendung des Pflanzenschutzmittels Cymbigon im Weinbau beruhe auf einem Versehen, weil ihr die gültige Pflanzenschutzmittelliste nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Die Cymbigon-Spritzung habe ihr Ehegatte durchgeführt. Ihr Sohn, der die gebotenen Aufzeichnungen geführt habe, habe nicht nach dem verwendeten Pflanzenschutzmittel gefragt und deshalb nicht Cymbigon, sondern ein anderes Mittel eingetragen. Ein Verschulden - auch in Gestalt eines Organisationsverschuldens - sei nicht zu erkennen. Jedenfalls sei ihr aber keine grobe Fahrlässigkeit anlastbar. Daher habe die beklagte Partei die eingeklagte Förderung zu Unrecht „zurückbehalten". Die beklagte Partei wendete - soweit für das Revisionsverfahren noch maßgebend - ein, die Beschränkung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und die Ausklammerung bestimmter Mittel bei Umsetzung der Maßnahme „IP-Wein" sei ein „Hauptziel" des ÖPUL 2000 gewesen. Da die näheren Umstände, die zur Verwendung des Spritzmittels Cymbigon und zu unrichtigen Aufzeichungen über die eingesetzten Pflanzenschutzmittel geführt hätten, grobe Fahrlässigkeit indizierten, sei die Klägerin bereits deshalb von sämtlichen Förderungen für 2002 auszuschließen gewesen. Die Aufrechnung mit dem Rückzahlungsanspruch von 8.192,49 EUR gegen den Anspruch auf Förderung für 2003 von 8.208,07 EUR sei somit rechtmäßig erfolgt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dessen Ansicht wurden die SRL-ÖPUL 2000 und die Pflanzenschutzmittelliste Bestandteil des mit der Klägerin geschlossenen Förderungsvertrags. Die „Beschränkung der Verwendung von Spritzmitteln" sei ein „Kernelement" dieses Vertrags. Der Klägerin habe klar sein müssen, dass im Weinbau nicht beliebige Spritzmittel eingesetzt werden dürften. Cymbigon sei bereits „im Programm 1995 verboten" gewesen. Der streitverfangene Rückforderungsanspruch stütze sich auf eine vereinbarte Kondiktion. Dieser Anspruch setze an sich nicht eine durch den Geförderten verschuldete Vertragsverletzung voraus. Einzelne Bestimmungen der SRL-ÖPUL 2000 machten jedoch das Entstehen eines Rückforderungsanspruchs von einem dem Geförderten zurechenbaren Verschulden abhängig. Das Rückforderungsrecht dürfe daher nicht willkürlich ausgeübt werden. Für Landwirte, die an einem Förderungsprogramm teilnähmen, gelte „ein besonderer Sorgfaltsmaßstab". Danach sei von einem Landwirt zu erwarten, für eine räumliche Trennung erlaubter und nicht erlaubter Spritzmittel zu sorgen. Mitarbeiter müssten über die zur Vertragserfüllung erforderlichen Maßnahmen instruiert werden. Die „Führung der Aufzeichnungen" sei „gewissenhaft" zu überprüfen. Die Umstände, die hier zur Verwendung von Cymbigon als Spritzmittel im Weinbau und zu unrichtigen Aufzeichnungen über eingesetzte Pflanzenschutzmittel geführt hätten, fielen der Klägerin als grobe Fahrlässigkeit zur Last. Sie habe insofern auch für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen einzustehen. Die erörterten Nachlässigkeiten seien nicht solche, die gelegentlich auch sorgfältigen Landwirten unterliefen. Die beklagte Partei habe daher die streitverfangene Subvention zurückfordern dürfen.

Das Berufungsgericht erkannte der Klägerin 6.021,03 EUR sA zu und bestätigte die Abweisung deren Mehrbegehrens von 2.171,46 EUR sA. Es ließ die ordentliche Revision zunächst nicht zu. Mit Beschluss vom 29. 9. 2005 änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die SRL-ÖPUL 2000 samt der „IP-Wein-Pflanzenschutzmittelliste" in das Vertragsverhältnis mit der Klägerin einbezogen worden sei. Ferner treffe zu, dass die Klägerin durch den Einsatz des Spritzmittels Cymbigon im Weinbau und durch unrichtige Aufzeichnungen über das verwendete Mittel den Förderungsvertrag verletzt habe. Die Möglichkeit zur Rückforderung einer gewährten Förderung bestimme sich nach dem Inhalt des Förderungsvertrags. Das ÖPUL 2000 beruhe u. a. auf der Verordnung (EG) Nr 1750/1999 der Kommission vom 23. 7. 1999, die durch die Verordnung (EG) Nr 445/2002 der Kommission vom 26. 2. 2002 aufgehoben worden sei. Gemäß Art 48 Abs 2 ersterer Verordnung müssten Sanktionen nach Verstößen gegen übernommene Verpflichtungen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Nach deren Abs 3 sei der Begünstigte im Fall grob fahrlässig falscher Angaben von der Gewährung aller Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums für das entsprechende Kalenderjahr auszuschließen. Diese Rechtslage sei in Art 63 Abs 1 und in Art 64 letzterer Verordnung fortgeschrieben worden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) dann gewahrt, wenn sich das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks eigne und das dafür erforderliche Maß nicht übersteige. Der Ausschluss der Klägerin von sämtlichen Förderungen für das betreffende Kalenderjahr wäre daher nur dann verhältnismäßig, wenn ihr eine grob fahrlässige Verletzung des Förderungsvertrags anlastbar wäre. Das Verschulden deren Erfüllungsgehilfen sei ihr gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen. Fehler, die selbst sorgfältigen Menschen unterlaufen könnten, indizierten bloß eine leichte Fahrlässigkeit. Die hier wesentlichen Umstände der Verletzung des Förderungsvertrags sprächen nicht für „eine derart schwerwiegende Sorgfaltswidrigkeit, wie sie Personen, die gemeinsam einen Familienbetrieb führen, in einer solchen Situation keinesfalls" unterlaufe. Das Fehlverhalten verschiedener Personen dürfe nicht kumuliert werden, um einer groben Fahrlässigkeit als Begründung zu dienen. Das der Klägerin allenfalls anlastbare „Überwachungs- oder Organisationsverschulden" könne gelegentlich auch sorgfältigen Menschen unterlaufen. Weil der Klägerin somit lediglich eine leicht fahrlässige Verletzung des Förderungsvertrags zurechenbar sei, widerspreche die Rückforderung „der Förderungen für alle Maßnahmen eines Kalenderjahres ohne Rücksichtnahme darauf, ob die Vertragsverletzung sämtliche geförderte Maßnahmen" betreffe, dem vom EuGH judizierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Klägerin habe für 2002 insgesamt 8.192,49 EUR erhalten, davon entfielen 2.171,46 EUR auf die „'Integrierte Produktion Wein'". Die Vertragsverletzung der Klägerin betreffe nur diesen Betriebszweig. Die Rückforderung nur dieses Betrags genüge für die Erreichung des durch die Förderungen angestrebten Zwecks. Die Entscheidung hänge nicht deshalb von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab, weil letztlich doch eine der Klägerin zurechenbare grobe Fahrlässigkeit in Erwägung zu ziehen sei, sondern weil sich die beklagte Partei in ihrem Abänderungsantrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO auch „gegen die Heranziehung des Art 48 Abs 3 VO (EG) 1750/1999 ... als Maßstab der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen auch in Fällen, in welchen das nationale Sanktionensystem die Rückforderung von gewährten Förderungen unabhängig von einem Verschulden" vorsehe, zur Wehr setze.Das Berufungsgericht erkannte der Klägerin 6.021,03 EUR sA zu und bestätigte die Abweisung deren Mehrbegehrens von 2.171,46 EUR sA. Es ließ die ordentliche Revision zunächst nicht zu. Mit Beschluss vom 29. 9. 2005 änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die SRL-ÖPUL 2000 samt der „IP-Wein-Pflanzenschutzmittelliste" in das Vertragsverhältnis mit der Klägerin einbezogen worden sei. Ferner treffe zu, dass die Klägerin durch den Einsatz des Spritzmittels Cymbigon im Weinbau und durch unrichtige Aufzeichnungen über das verwendete Mittel den Förderungsvertrag verletzt habe. Die Möglichkeit zur Rückforderung einer gewährten Förderung bestimme sich nach dem Inhalt des Förderungsvertrags. Das ÖPUL 2000 beruhe u. a. auf der Verordnung (EG) Nr 1750/1999 der Kommission vom 23. 7. 1999, die durch die Verordnung (EG) Nr 445/2002 der Kommission vom 26. 2. 2002 aufgehoben worden sei. Gemäß Artikel 48, Absatz 2, ersterer Verordnung müssten Sanktionen nach Verstößen gegen übernommene Verpflichtungen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Nach deren Absatz 3, sei der Begünstigte im Fall grob fahrlässig falscher Angaben von der Gewährung aller Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums für das entsprechende Kalenderjahr auszuschließen. Diese Rechtslage sei in Artikel 63, Absatz eins und in Artikel 64, letzterer Verordnung fortgeschrieben worden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) dann gewahrt, wenn sich das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks eigne und das dafür erforderliche Maß nicht übersteige. Der Ausschluss der Klägerin von sämtlichen Förderungen für das betreffende Kalenderjahr wäre daher nur dann verhältnismäßig, wenn ihr eine grob fahrlässige Verletzung des Förderungsvertrags anlastbar wäre. Das Verschulden deren Erfüllungsgehilfen sei ihr gemäß Paragraph 1313 a, ABGB zuzurechnen. Fehler, die selbst sorgfältigen Menschen unterlaufen könnten, indizierten bloß eine leichte Fahrlässigkeit. Die hier wesentlichen Umstände der Verletzung des Förderungsvertrags sprächen nicht für „eine derart schwerwiegende Sorgfaltswidrigkeit, wie sie Personen, die gemeinsam einen Familienbetrieb führen, in einer solchen Situation keinesfalls" unterlaufe. Das Fehlverhalten verschiedener Personen dürfe nicht kumuliert werden, um einer groben Fahrlässigkeit als Begründung zu dienen. Das der Klägerin allenfalls anlastbare „Überwachungs- oder Organisationsverschulden" könne gelegentlich auch sorgfältigen Menschen unterlaufen. Weil der Klägerin somit lediglich eine leicht fahrlässige Verletzung des Förderungsvertrags zurechenbar sei, widerspreche die Rückforderung „der Förderungen für alle Maßnahmen eines Kalenderjahres ohne Rücksichtnahme darauf, ob die Vertragsverletzung sämtliche geförderte Maßnahmen" betreffe, dem vom EuGH judizierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Klägerin habe für 2002 insgesamt 8.192,49 EUR erhalten, davon entfielen 2.171,46 EUR auf die „'Integrierte Produktion Wein'". Die Vertragsverletzung der Klägerin betreffe nur diesen Betriebszweig. Die Rückforderung nur dieses Betrags genüge für die Erreichung des durch die Förderungen angestrebten Zwecks. Die Entscheidung hänge nicht deshalb von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab, weil letztlich doch eine der Klägerin zurechenbare grobe Fahrlässigkeit in Erwägung zu ziehen sei, sondern weil sich die beklagte Partei in ihrem Abänderungsantrag gemäß Paragraph 508, Absatz eins, ZPO auch „gegen die Heranziehung des Artikel 48, Absatz 3, VO (EG) 1750/1999 ... als Maßstab der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen auch in Fällen, in welchen das nationale Sanktionensystem die Rückforderung von gewährten Förderungen unabhängig von einem Verschulden" vorsehe, zur Wehr setze.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gilt als grobe Fahrlässigkeit eine Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt, die in ihrer Schwere die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich übersteigt und den Eintritt nachteiliger Folgen als wahrscheinlich vorhersehbar macht. Die Einstufung eines Verschuldens als grob fahrlässig erfordert ferner, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0031127). Bei einem grob fahrlässigen Organisationsverschulden muss unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall - im Bewusstsein der Gefährlichkeit eigenen Verhaltens - eigentlich jedem hätte einleuchten müssen (RIS-Justiz RS0110748). Ein solches Verschulden kann auch durch die mangelhafte Information von Gehilfen über deren Pflichtenkreis verwirklicht werden (RIS-Justiz RS0028443).

2. Der Anlassfall ist dadurch charakterisiert, dass sich die Klägerin als Unternehmerin bei Umsetzung der Maßnahmen in Erfüllung des Förderungsvertrags gänzlich auf ihre Gehilfen verließ. Den Feststellungen ist keine Instruktion zu entnehmen, die die Klägerin ihren Gehilfen im Interesse der Erreichung des durch das ÖPUL 2000 geförderten Ziels jemals erteilt hätte. Sie kümmerte sich nicht um die in ihrem Weinbau tatsächlich ergriffenen Pflanzenschutzmaßnahmen sowie deren Kontrolle und Dokumentation, obgleich die Frage nach dem richtigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zur Sicherung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft eine nach dem Förderungsvertrag zu erfüllende Kernpflicht betraf. Die Klägerin sorgte schließlich auch nicht für eine getrennte Aufbewahrung erlaubter und unerlaubter Spritzmittel, um der versehentlichen Verwendung einer nach der gültigen Pflanzenschutzmittelliste nicht erlaubten Chemikalie organisatorisch vorzubeugen. Ihr Sohn wies ihren Ehegatten in der Folge bloß an, die Rebpflanzen zu spritzen, ohne ihn zuvor über die verwendbaren Mittel instruiert zu haben. Jener trug sodann ein Mittel, dessen Verwendung nach der Pflanzenschutzmittelliste erlaubt war, in die auf Grund des Förderungsvertrags notwendigen Aufzeichnungen ein, ohne eine Kontrolle durchgeführt oder seinen Vater wenigstens nach dem verwendeten Mittel gefragt zu haben. Ein Landwirt, der sich an einem Programm zur Sicherung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft als Förderungsnehmer beteiligt, muss sich seiner Verantwortung für die Erreichung des Förderungsziels bewusst sein. Vor diesem Hintergrund bemüht sich ein sorgfältiger Landwirt als Förderungsnehmer um eine Betriebsorganisation, die eine Erreichung des Förderungsziels nicht schon strukturell gefährdet.

Insofern muss er etwa für eine solche Aufbewahrung von

Pflanzenschutzmitteln sorgen, die einer Verwechslung zwischen den in

Erfüllung des Förderungsvertrags erlaubten und nicht erlaubten

Mitteln vorbeugt. Ein solcher Landwirt veranlasst weiters die nötige

Information seiner Mitarbeiter über das Erfordernis der Einhaltung wesentlicher, der Erreichung des Förderungsziels dienender Pflichten und kontrolliert in Ansehung der Erfüllung solcher Kernpflichten deren Arbeit und die Arbeitsaufzeichnungen. Entspricht eine Betriebsorganisation im Grundsätzlichen diesen Anforderungen, so können auch einem gewöhnlich sorgfältigen Landwirt bei Erfüllung der auf Grund eines Förderungsvertrags übernommenen Kernpflichten Nachlässigkeiten unterlaufen, die keine grobe Fahrlässigkeit indizieren. Hier mangelte es indes bereits an einer Betriebsorganisation, die geeignet gewesen wäre, eine Verletzung vertraglicher Kernpflichten hintanzuhalten. Deshalb konnte es geschehen, dass der Sohn der Klägerin deren Ehegatten bloß anwies, die Rebpflanzen zu spritzen, ohne auf die nach der gültigen Pflanzenschutzmittelliste erlaubten und verbotenen Mittel auf Grund vorhandener Vorräte Bezug genommen und nach dem letztlich verwendeten Mittel gefragt zu haben. Dennoch wurde sodann die Anwendung einer erlaubten Chemikalie in den vertraglich gebotenen Aufzeichnungen festgehalten, obgleich mangels getrennter Aufbewahrung eines erlaubten und eines verbotenen Mittels die Verwechslungsmöglichkeit nahe lag. Diese Häufung an Sorglosigkeiten in der Erfüllung von Kernpflichten des Förderungsvertrags, die der Klägerin zuzurechnen sind, überschreitet deutlich solche Nachlässigkeiten, die selbst sorgfältigen, ihrer Kernpflichten bei Erreichung des Förderungsziels bewussten Landwirten gelegentlich unterlaufen. Im Licht der Erwägungen unter 1. ist somit das Verhalten der Klägerin in der Organisation ihres Betriebs und das ihr zurechenbare Verhalten ihrer Erfüllungsgehilfen als grobe Fahrlässigkeit einzustufen, weil die erörterten Umstände eine Verletzung vertraglicher Kernpflichten als wahrscheinlich nahelegten und diese Tatsache einem der Erreichung des Förderungsziels verpflichteten Landwirt unmittelbar einleuchten musste.

3. Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe den Förderungsvertrag bloß leicht fahrlässig verletzt. Dem ist nach den voranstehenden Ausführungen nicht beizutreten. Im Übrigen zieht die Klägerin nicht in Zweifel, dass die Rückzahlung der Förderung für 2002 im Fall einer ihr zurechenbaren grob fahrlässigen Verletzung vertraglicher Kernpflichten auch dem nach Gemeinschaftsrecht maßgebenden, bereits vom Berufungsgericht zutreffend erläuterten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen entspricht. Es bedarf somit keiner Stellungnahme zu jenen Revisionsgründen der beklagten Partei, nach denen die Klägerin die Gesamtförderung für 2002 auch dann hätte zurückzahlen müssen, wenn ihr keine grob fahrlässige Verletzung vertraglicher Kernpflichten vorwerfbar wäre, weil sie nicht nur ein verbotenes Pflanzenschutzmittel verwendet habe, sondern überdies die Eintragung in den Spritzmittelaufzeichnungen falsch gewesen sei.

4. Die bisherigen Erwägungen zeigen, dass dem Berufungsgericht bei Beurteilung des Verschuldensgrads eine auffallende Fehlbeurteilung unterlief. Eine solche wirft eine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO auf, die zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf (RIS-Justiz RS0087606). Demzufolge ist das Ersturteil in der Hauptsache mit der aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtlichen Maßgabe (in Ausschaltung eines bloßen Schreibfehlers) wiederherzustellen.4. Die bisherigen Erwägungen zeigen, dass dem Berufungsgericht bei Beurteilung des Verschuldensgrads eine auffallende Fehlbeurteilung unterlief. Eine solche wirft eine erhebliche Rechtsfrage nach Paragraph 502, Absatz eins, ZPO auf, die zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf (RIS-Justiz RS0087606). Demzufolge ist das Ersturteil in der Hauptsache mit der aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtlichen Maßgabe (in Ausschaltung eines bloßen Schreibfehlers) wiederherzustellen.

5. Die Entscheidung über die Kosten aller Instanzen gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Teil der sich aus dem Spruch dieser Entscheidung ergebenden Kostensumme sind die verzeichneten Kosten der beklagten Partei erster Instanz von insgesamt lediglich 1.848,64 EUR. Die beklagte Partei hatte in die Kostennote zwar auch den Verhandlungstermin vom 24. 5. 2004 aufgenommen, ohne dafür jedoch einen bestimmten Honorarbetrag zu verzeichnen. Die bloße Nennung einer kostenverursachenden Verfahrenstatsache genügt für einen Kostenzuspruch nicht, muss doch die Kostennote eine ziffernmäßige Aufstellung aller beanspruchten Kostenbeträge enthalten (M. Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 54 ZPO Rz 3). Darauf wies bereits die Klägerin in der Berufung im Kostenpunkt hin.5. Die Entscheidung über die Kosten aller Instanzen gründet sich auf Paragraph 41, in Verbindung mit Paragraph 50, Absatz eins, ZPO. Teil der sich aus dem Spruch dieser Entscheidung ergebenden Kostensumme sind die verzeichneten Kosten der beklagten Partei erster Instanz von insgesamt lediglich 1.848,64 EUR. Die beklagte Partei hatte in die Kostennote zwar auch den Verhandlungstermin vom 24. 5. 2004 aufgenommen, ohne dafür jedoch einen bestimmten Honorarbetrag zu verzeichnen. Die bloße Nennung einer kostenverursachenden Verfahrenstatsache genügt für einen Kostenzuspruch nicht, muss doch die Kostennote eine ziffernmäßige Aufstellung aller beanspruchten Kostenbeträge enthalten (M. Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 Paragraph 54, ZPO Rz 3). Darauf wies bereits die Klägerin in der Berufung im Kostenpunkt hin.

Eine von der Berufung gesonderte Honorierung der im Berufungsschriftsatz unter dem Titel „Kostenrekurs" ausgeführten Anfechtung im Kostenpunkt kommt an sich nicht in Betracht (vgl M. Bydlinski aaO § 55 ZPO Rz 3). Obsiegte jedoch ein solcher Berufungswerber in der Hauptsache in zweiter Instanz, verlor er dann aber in der Hauptsache als Revisionsgegner in dritter Instanz, folgte allerdings der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung (auch) über die Kosten des Verfahrens erster Instanz nunmehr jenem Argument, das er in der Berufung im Kostenpunkt ins Treffen geführt hatte, so hat er Anspruch auf Ersatz jener Kosten, die ihm in zweiter Instanz zuzusprechen gewesen wären, wenn sich der Berufungserfolg auf den Kostenpunkt beschränkt hätte. Die in der Entscheidung 8 ObA 117/04w und von M. Bydlinski (in ZAK 2005, 43 ff) vertretene gegenteilige Ansicht wird vom erkennenden Senat schon deshalb nicht geteilt, weil sie dem im Kostenrecht herrschenden Erfolgsprinzip zuwiderläuft. Die Klägerin hat nach den voranstehenden Erwägungen Anspruch auf Ersatz der Kosten ihres „Kostenrekurses". Als Bemessungsgrundlage dienen 554,88 EUR (Differenz zwischen dem Kostenzuspruch erster Instanz von 2.403,52 EUR und den von der beklagten Partei verzeichneten Kosten von 1.848,64 EUR). Das ergibt inkl 60 % Einheitssatz (= 41,76 EUR) und 20 % Umsatzsteuer (= 22,27 EUR) insgesamt 133,63 EUR. Dieser Betrag ist von dem der beklagten Partei gebührenden Kostenersatz von insgesamt 3.401,56 EUR (darin 538 EUR Barauslagen) abzuziehen. Die Differenz von 3.267,93 EUR ist der beklagten Partei zuzuerkennen.Eine von der Berufung gesonderte Honorierung der im Berufungsschriftsatz unter dem Titel „Kostenrekurs" ausgeführten Anfechtung im Kostenpunkt kommt an sich nicht in Betracht vergleiche M. Bydlinski aaO Paragraph 55, ZPO Rz 3). Obsiegte jedoch ein solcher Berufungswerber in der Hauptsache in zweiter Instanz, verlor er dann aber in der Hauptsache als Revisionsgegner in dritter Instanz, folgte allerdings der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung (auch) über die Kosten des Verfahrens erster Instanz nunmehr jenem Argument, das er in der Berufung im Kostenpunkt ins Treffen geführt hatte, so hat er Anspruch auf Ersatz jener Kosten, die ihm in zweiter Instanz zuzusprechen gewesen wären, wenn sich der Berufungserfolg auf den Kostenpunkt beschränkt hätte. Die in der Entscheidung 8 ObA 117/04w und von M. Bydlinski (in ZAK 2005, 43 ff) vertretene gegenteilige Ansicht wird vom erkennenden Senat schon deshalb nicht geteilt, weil sie dem im Kostenrecht herrschenden Erfolgsprinzip zuwiderläuft. Die Klägerin hat nach den voranstehenden Erwägungen Anspruch auf Ersatz der Kosten ihres „Kostenrekurses". Als Bemessungsgrundlage dienen 554,88 EUR (Differenz zwischen dem Kostenzuspruch erster Instanz von 2.403,52 EUR und den von der beklagten Partei verzeichneten Kosten von 1.848,64 EUR). Das ergibt inkl 60 % Einheitssatz (= 41,76 EUR) und 20 % Umsatzsteuer (= 22,27 EUR) insgesamt 133,63 EUR. Dieser Betrag ist von dem der beklagten Partei gebührenden Kostenersatz von insgesamt 3.401,56 EUR (darin 538 EUR Barauslagen) abzuziehen. Die Differenz von 3.267,93 EUR ist der beklagten Partei zuzuerkennen.

Anmerkung

E801901Ob8.06t

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inJus-Extra OGH-Z 4165 = RZ 2006,206 EÜ275, 276 - RZ 2006 EÜ275 - RZ2006 EÜ276 = EFSlg 114.898 = EFSlg 114.902XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0010OB00008.06T.0307.000

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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