Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Kargl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Sonja R*****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Entziehung einer Berufsunfähigkeitspension infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Oktober 2004, GZ 23 Rs 42/04d-92, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juni 2004, GZ 44 Cgs 275/98t-89, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird im Umfang der angefochtenen Abweisung des Klagebegehrens dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass die Entscheidung einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils insgesamt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin die ihr seit 1. 10. 1992 gewährte Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1. 12. 1998 weiterzugewähren, besteht dem Grunde nach zu Recht.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin vom 1. 6. 2003 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids eine vorläufige Zahlung von 200 EUR monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung dieses Urteils fälligen vorläufigen Zahlungen binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils im Nachhinein am Ersten des Folgemonats."
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 333,12 EUR (darin 55,52 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 21. 4. 1969 geborene Klägerin erlernte nach dem Besuch der Pflichtschule den Beruf einer Bürokauffrau. Sie legte am 26. 8. 1987 die Lehrabschlussprüfung ab. Anschließend arbeitete sie in wechselnden Dienstverhältnissen, wiederholt auch im erlernten Beruf, so von August 1989 bis Ende Dezember 1990. Am 1. 4. 1991 erlitt sie bei einem Reitunfall unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma. Durch den Unfall wurde sie arbeitsunfähig.
Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten - die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei - gewährte der Klägerin ab 1. 10. 1992 eine befristete und ab 1. 4. 1994 eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension. Mit Bescheid vom 28. 9. 1998 entzog die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten der Klägerin die Berufsunfähigkeitspension mit Ablauf des 30. 11. 1998, weil sie wegen wesentlich geänderter Umstände nunmehr wieder berufsfähig sei. Mit ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte die Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr die Berufsunfähigkeitspension "ab Stichtag in der gesetzlichen Höhe zu gewähren". Ihr Leidenszustand habe sich nicht wesentlich gebessert. Sie sei nach wie vor berufsunfähig.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entziehung der Pension sei berechtigt. In der Verhandlungstagsatzung am 6. 8. 2003 brachte sie vor, die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht im Pensionsverfahren nicht nachgekommen, weil sie sich keiner psychiatrischen Behandlung unterzogen habe. Dadurch sei ein allenfalls zustehender Leistungsanspruch verwirkt worden. Die Klägerin erwiderte, sie habe ihre Mitwirkungspflicht nicht verletzt, weil auf den Zeitpunkt der Entziehung abzustellen sei. Zu diesem sei sie über eine sie möglicherweise treffende Mitwirkungspflicht nicht belehrt worden.
Das Erstgericht gab dem als Begehren auf Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichem Ausmaß ab 1. 12. 1998 gedeuteten Klagebegehren statt. Es stellte - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - fest:
Im Vergleich zum Zustandsbild im Jahr 1992 liegt bei der Klägerin derzeit keine choriatrische Bewegungsstörung der rechten Hand mehr vor. Das 1992 diagnostizierte organische Psychonsyndrom hat sich zurückgebildet. Zeichen für ein solches sind nunmehr nicht vorhanden. Die Klägerin leidet an einer Dysthymie und einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung. Nach ihrem - im Einzelnen festgestellten - seit 1. 12. 1998 gleichgebliebenem Leistungskalkül sind ihr nur leichte Arbeiten unter einfachem Zeitdruck und Tätigkeiten ohne Kunden- und Mitarbeiterkontakt über die Hälfte der Arbeitszeit in einer Halbtagsbeschäftigung möglich. Mit ihrem Leistungskalkül sind die Tätigkeiten einer Registraturkraft und einer Schreibkraft nicht vereinbar. Der Gesundheitszustand der Klägerin kann durch Absolvierung einer psychiatrischen Therapie innerhalb von sechs Monaten so gebessert werden, dass sie ganztägig leichte Arbeiten unter durchschnittlichem Zeitdruck auszuführen in der Lage wäre. Es wäre ihr dann die Tätigkeit als Schreibkraft, nicht aber jene als Registraturkraft möglich.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, das Verweisungsfeld der Klägerin werde durch den erlernten Beruf bestimmt, den sie zuletzt vor der Erstgewährung der Berufsunfähigkeitspension nicht nur vorübergehend ausgeübt habe. Die Entziehung der Pension sei nicht berechtigt gewesen, weil die Klägerin weder im Zeitpunkt der Entziehung in der Lage gewesen noch derzeit in der Lage sei, im erlernten Beruf zu arbeiten. Dem Umstand, dass sie nach Absolvierung einer psychiatrischen Therapie innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten wieder in der Lage sein könnte, ganztägig mit durchschnittlichem Zeitdruck verbundene leichte körperliche Arbeiten zu bewältigen, komme keine Bedeutung zu, weil bei der Prüfung der Frage, ob die Berufsunfähigkeitspension zu Recht entzogen worden sei, auf den Zeitpunkt der Entziehung abzustellen sei. Außerdem könne die Verletzung einer Mitwirkungspflicht nur dann einen Entziehungsgrund bilden, wenn sich der Pensionsberechtigte der Behandlungsfähigkeit bzw -möglichkeit bewusst sei und auf seine Mitwirkungpflicht und die mit einer Pflichtverletzung verbundenen nachteiligen Folgen hingewiesen worden sei. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der beklagten Partei teilweise Folge, indem es die beklagte Partei verpflichtete, der Klägerin die seit 1. 10. 1992 gewährte Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß auch für die Zeit vom 1. 12. 1998 bis 31. 5. 2003 zu gewähren, und das Mehrgehren für die Zeit ab 1. 6. 2003 abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Klägerin könnte im Fall der Absolvierung einer psychiatrischen Therapie binnen sechs Monaten wiederum ganztägig unter durchschnittlichem Zeitdruck als Schreibkraft arbeiten. Nach den Verfahrensergebnissen sei sie von der gerichtlichen Sachverständigen Dr. T*****, einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, am 16. 7. 2002 darüber aufgeklärt worden, dass ihr gegenwärtiger Zustand durch eine ihr zumutbare Therapie innerhalb von sechs Monaten so weit gebessert werden könne, dass sie sodann wiederum in der Lage sein sollte, ganztägig leichte Arbeiten auszuführen. Die Klägerin habe sich damals bereit erklärt, sich der angeratenen psychiatrischen Therapie zu unterziehen. Sie habe aber den Rat nicht befolgt. Diese zumindest leicht fahrlässige Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht führe zu einem Verlust des Anspruchs auf Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension nach Ablauf einer angemessenen Überlegungsfrist und des für die Therapie erforderlichen Zeitraums von sechs Monaten, den die beklagte Partei mit Ablauf des Mai 2003 unterstelle.
Gegen den klageabweisenden Teil dieses Urteils richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, jenen im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat die ihr freigestellte Revisionsbeantwortung nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht dazu Stellung genommen hat, ob die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht während des gerichtlichen Verfahrens gegen einen Entziehungsbescheid zum Anspruchsverlust führt. Sie ist auch berechtigt.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, eine Verletzung der Mitwirkungspflicht könne nur bejaht werden, wenn sie über die rechtlichen Folgen der Unterlassung der empfohlenen Therapie aufgeklärt worden wäre. Außerdem hätte nur über die Rechtmäßigkeit der Weitergewährung der unbefristeten Berufsunfähigkeitspension abgesprochen werden dürfen. Erst im Fall der Klagestattgebung hätte die beklagte Partei nachträglich mit Bescheid über die Befristung der Berufsunfähigkeitspension wegen der Möglichkeit der Besserung des Leidenszustands durch ärztliche Behandlung entscheiden können.
Hiezu wurde erwogen:
Eine schuldhafte, also zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflicht eines Versicherten, sich einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen, durch die seine - herabgesunkene - Arbeitsfähigkeit soweit gebessert werden könnte, dass Invalidität oder Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegt, führt nach ständiger, von der Revisionswerberin auch nicht in Frage gestellter Rechtsprechung zum Verlust des Anspruchs (zB 10 ObS 213/00x = SSV-NF 14/100 mwN; RIS-Justiz RS0084370). Die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht ist vom beklagten Pensionsversicherungsträger zu behaupten und zu beweisen (10 ObS 121/01v ua).
Gemäß § 99 Abs 1 ASVG ist eine laufende Leistung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen des Anspruchs auf sie nicht mehr vorhanden sind und der Anspruch nicht bereits ohne weiteres Verfahren erlischt. Der Leistungsentzug nach dieser Gesetzesstelle setzt nach ständiger Rechtsprechung eine wesentliche, entscheidende Veränderung in den Verhältnissen voraus, wobei für den anzustellenden Vergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistungszuerkennung mit den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsentzugs in Beziehung zu setzen sind. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse kann unter anderem in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands oder in der Besserung der Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an den Leidenszustand liegen. Ist der Leistungsbezieher durch diese Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wieder einsetzbar, ist auch der Entzug einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit sachlich gerechtfertigt. Nicht gerechtfertigt ist ein Leistungsentzug, wenn nachträglich festgestellt wird, dass Leistungsvoraussetzungen von vornherein gefehlt haben. In diesem Fall steht die Rechtskraft der Gewährungsentscheidung der Entziehung entgegen (10 ObS 2351/96z; RIS-Justiz RS0106704). Den Versicherungsträger trifft die objektive Beweislast dafür, dass eine rechtlich relevante Besserung des bei Gewährung der Leistung bestandenen Zustands eingetreten ist (10 ObS 116/93 = SZ 66/126 = SSV-NF 7/92 ua). Das Begehren auf Weitergewährung einer gemäß § 99 Abs 1 ASVG entzogenen Pension löst keinen neuen Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) aus; die Frage des Berufsschutzes ist nach jenem Stichtag zu beurteilen, der der Gewährung der Pensionsleistung zu Grunde gelegen ist (10 ObS 23/04m; SSV-NF 6/19; RIS-Justiz RS0083653).Gemäß Paragraph 99, Absatz eins, ASVG ist eine laufende Leistung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen des Anspruchs auf sie nicht mehr vorhanden sind und der Anspruch nicht bereits ohne weiteres Verfahren erlischt. Der Leistungsentzug nach dieser Gesetzesstelle setzt nach ständiger Rechtsprechung eine wesentliche, entscheidende Veränderung in den Verhältnissen voraus, wobei für den anzustellenden Vergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistungszuerkennung mit den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsentzugs in Beziehung zu setzen sind. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse kann unter anderem in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands oder in der Besserung der Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an den Leidenszustand liegen. Ist der Leistungsbezieher durch diese Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wieder einsetzbar, ist auch der Entzug einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit sachlich gerechtfertigt. Nicht gerechtfertigt ist ein Leistungsentzug, wenn nachträglich festgestellt wird, dass Leistungsvoraussetzungen von vornherein gefehlt haben. In diesem Fall steht die Rechtskraft der Gewährungsentscheidung der Entziehung entgegen (10 ObS 2351/96z; RIS-Justiz RS0106704). Den Versicherungsträger trifft die objektive Beweislast dafür, dass eine rechtlich relevante Besserung des bei Gewährung der Leistung bestandenen Zustands eingetreten ist (10 ObS 116/93 = SZ 66/126 = SSV-NF 7/92 ua). Das Begehren auf Weitergewährung einer gemäß Paragraph 99, Absatz eins, ASVG entzogenen Pension löst keinen neuen Stichtag (Paragraph 223, Absatz 2, ASVG) aus; die Frage des Berufsschutzes ist nach jenem Stichtag zu beurteilen, der der Gewährung der Pensionsleistung zu Grunde gelegen ist (10 ObS 23/04m; SSV-NF 6/19; RIS-Justiz RS0083653).
Das Gericht hat entsprechend dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz nicht die Verwaltungsentscheidung (hier: den durch die Klagserhebung außer Kraft getretenen Entziehungsbescheid [§ 71 Abs 1 Satz 1 ASGG]), zu überprüfen, sondern ein eigenes Verfahren durchzuführen und auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen neu zu entscheiden, wobei bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz eingetretene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0053868, RS0106394). Danach und nach dem Grundsatz, dass der Gesundheitszustand einer (eines) Versicherten bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz "aufzubuchen" ist (10 ObS 116/93), kommt es auch dann zu einem Leistungsentzug, wenn die Voraussetzungen des § 99 Abs 1 ASVG erst während des gerichtlichen Verfahrens auf Weitergewährung der entzogenen Leistung eintreten, die bekämpfte Entziehung durch den Versicherungsträger also nicht gerechtfertigt war (s 10 ObS 116/93 für den Fall, dass während des wegen Weitergewährung der zu Recht entzogenen Leistung anhängigen Verfahrens die Voraussetzungen für eine Neugewährung eintreten). Kommt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zur Weitergewährung der entzogenen Leistung hervor, dass eine im Sinn des § 99 Abs 1 ASVG relevante Änderung der Verhältnisse zwar nicht eingetreten ist, aber durch eine der (dem) Versicherten zumutbare ärztliche Behandlung herbeigeführt werden könnte, und ist der (dem) Versicherten die Verweigerung der Behandlung als Verletzung der Mitwirkungspflicht vorzuwerfen, so ist die Verletzung der Mitwirkungspflicht ein neuer Umstand, der zu einer Entziehung (§ 99 Abs 1 ASVG) berechtigt (Schrammel, DRdA 1992, 122 [124]).Das Gericht hat entsprechend dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz nicht die Verwaltungsentscheidung (hier: den durch die Klagserhebung außer Kraft getretenen Entziehungsbescheid [§ 71 Absatz eins, Satz 1 ASGG]), zu überprüfen, sondern ein eigenes Verfahren durchzuführen und auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen neu zu entscheiden, wobei bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz eingetretene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0053868, RS0106394). Danach und nach dem Grundsatz, dass der Gesundheitszustand einer (eines) Versicherten bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz "aufzubuchen" ist (10 ObS 116/93), kommt es auch dann zu einem Leistungsentzug, wenn die Voraussetzungen des Paragraph 99, Absatz eins, ASVG erst während des gerichtlichen Verfahrens auf Weitergewährung der entzogenen Leistung eintreten, die bekämpfte Entziehung durch den Versicherungsträger also nicht gerechtfertigt war (s 10 ObS 116/93 für den Fall, dass während des wegen Weitergewährung der zu Recht entzogenen Leistung anhängigen Verfahrens die Voraussetzungen für eine Neugewährung eintreten). Kommt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zur Weitergewährung der entzogenen Leistung hervor, dass eine im Sinn des Paragraph 99, Absatz eins, ASVG relevante Änderung der Verhältnisse zwar nicht eingetreten ist, aber durch eine der (dem) Versicherten zumutbare ärztliche Behandlung herbeigeführt werden könnte, und ist der (dem) Versicherten die Verweigerung der Behandlung als Verletzung der Mitwirkungspflicht vorzuwerfen, so ist die Verletzung der Mitwirkungspflicht ein neuer Umstand, der zu einer Entziehung (Paragraph 99, Absatz eins, ASVG) berechtigt (Schrammel, DRdA 1992, 122 [124]).
Im vorliegenden Fall ist nicht mehr strittig, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine im Sinn des § 99 Abs 1 ASVG relevante Änderung der Verhältnisse bei der Klägerin nicht eingetreten ist. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei die begehrte Leistung zu entziehen, weil sie die erstmals von der gerichtlichen Sachverständigen Dr. T***** zur Besserung des Leistungskalküls aufgezeigte psychiatrische Behandlung nicht in Anspruch genommen habe und dies ihr als schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht vorzuwerfen sei, ist unzutreffend. Ob eine ärztliche Behandlung zumutbar ist, ist nicht generell, sondern individuell für den (die) Betroffene(n) zu beurteilen (10 ObS 5/03p = SSV-NF 17/21). Für die Zumutbarkeit kommt es insbesondere darauf an, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Heilbehandlung die herabgesunkene Arbeitsfähigkeit soweit bessert, dass Invalidität (Berufsunfähigkeit) nicht mehr vorliegt (vgl 10 ObS 193/94 betreffend psychiatrische Behandlung). Hierüber fehlen eindeutige Feststellungen im Urteil des Erstgerichts. Einer Ergänzung des Verfahrens in diesem Punkt bedarf es jedoch nicht. Selbst wenn nämlich die Zumutbarkeit der psychiatrischen Behandlung der Klägerin feststünde, war eine Mitwirkungspflicht zur Durchführung der psychiatrischen Behandlung bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht entstanden:Im vorliegenden Fall ist nicht mehr strittig, dass bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine im Sinn des Paragraph 99, Absatz eins, ASVG relevante Änderung der Verhältnisse bei der Klägerin nicht eingetreten ist. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei die begehrte Leistung zu entziehen, weil sie die erstmals von der gerichtlichen Sachverständigen Dr. T***** zur Besserung des Leistungskalküls aufgezeigte psychiatrische Behandlung nicht in Anspruch genommen habe und dies ihr als schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht vorzuwerfen sei, ist unzutreffend. Ob eine ärztliche Behandlung zumutbar ist, ist nicht generell, sondern individuell für den (die) Betroffene(n) zu beurteilen (10 ObS 5/03p = SSV-NF 17/21). Für die Zumutbarkeit kommt es insbesondere darauf an, ob mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Heilbehandlung die herabgesunkene Arbeitsfähigkeit soweit bessert, dass Invalidität (Berufsunfähigkeit) nicht mehr vorliegt vergleiche 10 ObS 193/94 betreffend psychiatrische Behandlung). Hierüber fehlen eindeutige Feststellungen im Urteil des Erstgerichts. Einer Ergänzung des Verfahrens in diesem Punkt bedarf es jedoch nicht. Selbst wenn nämlich die Zumutbarkeit der psychiatrischen Behandlung der Klägerin feststünde, war eine Mitwirkungspflicht zur Durchführung der psychiatrischen Behandlung bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht entstanden:
Gemäß § 366 Abs 1 ASVG sind Anspruchsberechtigte verpflichtet, sich einer vom zuständigen Versicherungsträger "angeordneten" ärztlichen Untersuchung oder einer Beobachtung in einer Krankenanstalt zu unterziehen, um das Vorliegen und den Grad von gesundheitlichen Schädigungen festzustellen, die Voraussetzung für einen Leistungsanspruch sind. § 197 Abs 1 ASVG knüpft die Versagung der Versehrtenrente an die Nichtbefolgung einer die Heilbehandlung betreffenden "Anordnung". Auf Grund dieser Bestimmungen und gestützt darauf, dass auch die in § 144 Abs 2 ASVG normierte Verpflichtung, sich einer Anstaltspflege zu unterziehen, im Ergebnis ein entsprechendes Verlangen des Krankenversicherungsträgers voraussetzt, weil der Versicherte grundsätzlich vom Versicherungsträger in eine Krankenanstalt "einzuweisen" ist (§ 145 Abs 1 ASVG), vertritt Schrammel (aaO 123) die Auffassung, dass eine Pflicht zur Heilbehandlung generell von einem entsprechenden Verlangen des Versicherungsträgers abhängig ist. Dem schließt sich der Senat an, zumal auch § 99 Abs 2 ASVG für den temporären gänzlichen oder teilweisen Leistungsentzug von einem Verlangen des Versicherungsträgers ausgeht, weil dieser auf die Folge des pflichtwidrigen Handelns hingewiesen haben muss, um die Leistung auf Zeit entziehen zu können. Stellt sich im gerichtlichen Verfahren auf Grund eines Sachverständigenbeweises heraus, dass ein Leidenszustand durch eine Heilbehandlung verbessert werden könnte, so ist für das Entstehen einer Mitwirkungspflicht der (des) Versicherten ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsträgers notwendig (vgl Schrammel aaO 123).Gemäß Paragraph 366, Absatz eins, ASVG sind Anspruchsberechtigte verpflichtet, sich einer vom zuständigen Versicherungsträger "angeordneten" ärztlichen Untersuchung oder einer Beobachtung in einer Krankenanstalt zu unterziehen, um das Vorliegen und den Grad von gesundheitlichen Schädigungen festzustellen, die Voraussetzung für einen Leistungsanspruch sind. Paragraph 197, Absatz eins, ASVG knüpft die Versagung der Versehrtenrente an die Nichtbefolgung einer die Heilbehandlung betreffenden "Anordnung". Auf Grund dieser Bestimmungen und gestützt darauf, dass auch die in Paragraph 144, Absatz 2, ASVG normierte Verpflichtung, sich einer Anstaltspflege zu unterziehen, im Ergebnis ein entsprechendes Verlangen des Krankenversicherungsträgers voraussetzt, weil der Versicherte grundsätzlich vom Versicherungsträger in eine Krankenanstalt "einzuweisen" ist (Paragraph 145, Absatz eins, ASVG), vertritt Schrammel (aaO 123) die Auffassung, dass eine Pflicht zur Heilbehandlung generell von einem entsprechenden Verlangen des Versicherungsträgers abhängig ist. Dem schließt sich der Senat an, zumal auch Paragraph 99, Absatz 2, ASVG für den temporären gänzlichen oder teilweisen Leistungsentzug von einem Verlangen des Versicherungsträgers ausgeht, weil dieser auf die Folge des pflichtwidrigen Handelns hingewiesen haben muss, um die Leistung auf Zeit entziehen zu können. Stellt sich im gerichtlichen Verfahren auf Grund eines Sachverständigenbeweises heraus, dass ein Leidenszustand durch eine Heilbehandlung verbessert werden könnte, so ist für das Entstehen einer Mitwirkungspflicht der (des) Versicherten ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsträgers notwendig vergleiche Schrammel aaO 123).
Im vorliegenden Fall ist ein derartiges Verlangen aus der Aktenlage nicht ersichtlich. In dem erst in der Verhandlungstagsatzung am 6. 8. 2003 erhobenen Einwand der beklagten Partei, die Klägerin habe ihre Mitwirkungspflicht verletzt und dadurch ihren Leistungsanspruch verwirkt, ist ein derartiges Verlangen nicht zu erblicken. Denn damit wurde nur geltend gemacht, dass die Klägerin in der Vergangenheit ihre Mitwirkungspflicht verletzt habe. Das zur Entstehung der Mitwirkungspflicht notwendige Verlangen des Pensionsversicherungträgers, der (die) Versicherte solle sich zur Besserung seines Leidenszustand einer Heilbehandlung unterziehen, bezieht sich hingegen auf Zukünftiges.
Eine temporäre Entziehung einer Leistung gemäß § 99 Abs 2 ASVG
(„Versagung", s dazu 10 ObS 221/92 = SSV-NF 6/128; 10 ObS 286/94 = SZ
68/54 = SSV-NF 9/27) kommt nur in Betracht, wenn der
Leistungsberechtigte trotz ausdrücklichen Hinweises auf die Folgen seines (Fehl-)Verhaltens die Anordnung des zuständigen Versicherungsträgers, sich einer Nachuntersuchung oder Beobachtung zu unterziehen, nicht befolgt. Daraus ist nach Auffassung des Senats für die Entziehung einer Leistung gemäß § 99 Abs 1 ASVG wegen Verweigerung einer zumutbaren Heilbehandlung ableitbar, dass sich für den (die) Versicherte(n) aus den Gesamtumständen im Einzelfall eindeutig ergeben muss, dass die Missachtung des Verlangens des zuständigen Versicherungsträgers, die zumutbare Heilbehandlung auch durchzuführen, als Sanktion den Leistungsverlust nach sich zieht. Da die beklagte Partei von der Klägerin die Absolvierung der von der gerichtlichen Sachverständigen aufgezeigten psychiatrischen Behandlung nicht verlangte, ist eine diesbezügliche Mitwirkungspflicht der Klägerin nicht entstanden, sodass ihr die begehrte Leistung auch nicht ab 1. 6. 2003 entzogen werden kann. Das Erstgericht hat die beklagte Partei zur Weitergewährung der begehrten Leistung im gesetzlichen Ausmaß verurteilt. Dies ist als das gerichtliche Verfahren abschließende Erledigung durch feststellendes Grundurteil iSd § 89 Abs 2 ASGG zu verstehen (10 ObS 237/94 = SSV-NF 8/96 ua). Im Fall einer auf Weitergewährung einer entzogenen Geldleistung gerichteten Klage besteht an sich für ein Grundurteil nach § 89 Abs 2 ASGG kein Raum, weil die Leistungshöhe - für den Fall, dass der Entziehungsgrund verneint wird - ohnehin feststeht (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 524). Wird - wie im vorliegenden Fall - die Verpflichtung zur Weitergewährung der entzogenen Leistung dennoch nur dem Grunde nach ausgesprochen, so ist eine vorläufige Zahlung gemäß § 89 Abs 2 ASGG anzuordnen, um die (vorläufige) Leistungspflicht des beklagten Versicherungsträgers zu aktualisieren (Fink aaO 524). Durch den Entziehungsbescheid ist nämlich der ursprüngliche Gewährungsbescheid abgeändert worden und durch die klageweise Bekämpfung des Entziehungsbescheids nicht wieder wirksam geworden (§ 71 Abs 1 2. Halbsatz ASGG; Fink aaO 524 f, 571 f; Kuderna², ASGG § 71 Rz 5). Die Höhe der vorläufigen Zahlung orientiert sich an der Höhe der entzogenen Pensionsleistung. Da der Oberste Gerichtshof über das Klagebegehren nur noch für die Zeit ab 1. 6. 2003 zu entscheiden hatte, war die vorläufige Zahlung ab diesem Zeitpunkt aufzutragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.Leistungsberechtigte trotz ausdrücklichen Hinweises auf die Folgen seines (Fehl-)Verhaltens die Anordnung des zuständigen Versicherungsträgers, sich einer Nachuntersuchung oder Beobachtung zu unterziehen, nicht befolgt. Daraus ist nach Auffassung des Senats für die Entziehung einer Leistung gemäß Paragraph 99, Absatz eins, ASVG wegen Verweigerung einer zumutbaren Heilbehandlung ableitbar, dass sich für den (die) Versicherte(n) aus den Gesamtumständen im Einzelfall eindeutig ergeben muss, dass die Missachtung des Verlangens des zuständigen Versicherungsträgers, die zumutbare Heilbehandlung auch durchzuführen, als Sanktion den Leistungsverlust nach sich zieht. Da die beklagte Partei von der Klägerin die Absolvierung der von der gerichtlichen Sachverständigen aufgezeigten psychiatrischen Behandlung nicht verlangte, ist eine diesbezügliche Mitwirkungspflicht der Klägerin nicht entstanden, sodass ihr die begehrte Leistung auch nicht ab 1. 6. 2003 entzogen werden kann. Das Erstgericht hat die beklagte Partei zur Weitergewährung der begehrten Leistung im gesetzlichen Ausmaß verurteilt. Dies ist als das gerichtliche Verfahren abschließende Erledigung durch feststellendes Grundurteil iSd Paragraph 89, Absatz 2, ASGG zu verstehen (10 ObS 237/94 = SSV-NF 8/96 ua). Im Fall einer auf Weitergewährung einer entzogenen Geldleistung gerichteten Klage besteht an sich für ein Grundurteil nach Paragraph 89, Absatz 2, ASGG kein Raum, weil die Leistungshöhe - für den Fall, dass der Entziehungsgrund verneint wird - ohnehin feststeht (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 524). Wird - wie im vorliegenden Fall - die Verpflichtung zur Weitergewährung der entzogenen Leistung dennoch nur dem Grunde nach ausgesprochen, so ist eine vorläufige Zahlung gemäß Paragraph 89, Absatz 2, ASGG anzuordnen, um die (vorläufige) Leistungspflicht des beklagten Versicherungsträgers zu aktualisieren (Fink aaO 524). Durch den Entziehungsbescheid ist nämlich der ursprüngliche Gewährungsbescheid abgeändert worden und durch die klageweise Bekämpfung des Entziehungsbescheids nicht wieder wirksam geworden (Paragraph 71, Absatz eins, 2. Halbsatz ASGG; Fink aaO 524 f, 571 f; Kuderna², ASGG Paragraph 71, Rz 5). Die Höhe der vorläufigen Zahlung orientiert sich an der Höhe der entzogenen Pensionsleistung. Da der Oberste Gerichtshof über das Klagebegehren nur noch für die Zeit ab 1. 6. 2003 zu entscheiden hatte, war die vorläufige Zahlung ab diesem Zeitpunkt aufzutragen. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera a und Absatz 2, ASGG.
Anmerkung
E80099 ÖJZ-LSK 2006/113 = ÖJZ-LSK 2006/115 = ARD 5685/9/2006 = ÖJZ-LSK 2006/127 = EvBl 2006/90 S 502 - EvBl 2006,502 = RdW 2006/421 S 457 - RdW 2006,457 = infas 2006,147/S30 - infas 2006 S30 = ZAS-Judikatur 2006/110 = SSV-NF 20/13 = SZ 2006/31 10ObS188.04aEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:010OBS00188.04A.0307.000Zuletzt aktualisiert am
10.07.2008