TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/6 2005/09/0177

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Veröffentlicht am 06.09.2007
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Index

L40059 Prostitution Sittlichkeitspolizei Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

ABGB §6;
AIDSG 1993 §4 Abs2;
AIDSG 1993 §9 Abs1 Z2 idF 2001/I/098;
GeschlKrG §12 Abs2 idF 2001/I/098;
Gesundheitliche Überwachung von Prostituierten 1974 §1;
ProstG Wr 1984 §2 Abs1;
ProstG Wr 1984 §2 Abs2;
ProstG Wr 1984 §6 Abs1;
ProstG Wr 1984 §8a Abs1 Z2 idF 2004/017;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der I B in Wien, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Oktober 2005, Zl. UVS-06/46/6832/2004, betreffend Bestrafungen nach dem Wiener Prostitutionsgesetz u.a., zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe dadurch, dass sie am 4. Februar 2004 um 20.10 Uhr in Wien einem Besucher der gegenständlichen Wohnung die Ausübung sexueller Handlungen zu bestimmten Preisen angeboten habe

1. die Prostitution ausgeübt und es unterlassen, dies (nämlich die Absicht, die Prostitution auszuüben) persönlich bei der Behörde anzumelden und damit gegen § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Z. 2 des Wiener Prostitutionsgesetzes, LGBl. 7/1984 in der Fassung LGBl. 120/2001, verstoßen zu haben;

2. gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper geduldet oder solche Handlungen an anderen vorgenommen und es unterlassen, sich vor Beginn dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen. Sie habe dadurch gegen § 1 der Verordnung des BMGU über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht treiben, BGBl. Nr. 314/1974 in der Fassung BGBl. Nr. 591/93, in Verbindung mit § 12 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, BGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2001, verstoßen, und

3. gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper geduldet oder solche Handlungen an anderen vorgenommen und es unterlassen, sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen. Sie habe dadurch gegen § 4 Abs. 2 erster Satz in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Z. 2 Aidsgesetz 1993, BGBl. Nr. 728, in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2001, verstoßen.

Die Beschwerdeführerin wurde wegen dieser Verwaltungsübertretungen

zu 1. nach § 8a Abs. 1 erster Strafsatz des Wiener Prostitutionsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1984, in der Fassung LGBl. 17/2004, mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden),

zu 2. nach § 12 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, BGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2002, zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) und

zu 3. nach § 9 Abs. 1 Aidsgesetz 1993, BGBl. Nr. 728/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2002, zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden) verurteilt.

Nach Darstellung des bisherigen Gangs des Verfahrens und wörtlicher Wiedergabe der in der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung erfolgten Aussagen sowie Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen stellte die belangte Behörde Folgendes fest:

Am 10. November 2003 sei bei der Bundespolizeidirektion Wien die mit "H K" unterfertigte Sachverhaltsdarstellung (der wahre Verfasser habe nicht ermittelt werden können) eingelangt, in welcher eine namentlich genannte weibliche Person beschuldigt worden sei, ihre minderjährige Tochter der Prostitution zuzuführen, und in welcher eine bestimmt bezeichnete Handynummer als Kontaktnummer angeführt worden sei. Auf Grund dieser Sachverhaltsdarstellung habe der Kriminalbeamte BzI. S. (im Folgenden als Meldungsleger bezeichnet) am 4. Februar 2004 unter der angegebenen Handynummer Kontakt zu einer Frau hergestellt und sei von dieser - dabei habe es sich vermutlich um jene in der Anzeige bezeichnete weibliche Person gehandelt, in deren Besitz sich das kontaktierte Handy befunden habe - zu einer näher beschriebenen Adresse im 10. Wiener Gemeindebezirk gelotst worden. In der Wohnung unter der angegeben Adresse sei neben der in der Anzeige bezeichneten weiblichen Person und einer weiteren weiblichen Person auch die Beschwerdeführerin anwesend gewesen. Der Meldungsleger habe sich zur Wohnung begeben, während sein Kollege zunächst im Polizeifahrzeug verblieben sei. Der Meldungsleger habe vorerst die Rolle eines Kunden gespielt, der sich am entgeltlichen Sex interessiert zeige. Als solchem sei ihm von allen drei weiblichen Personen Geschlechtsverkehr, unter Angabe der Praktiken und der Preise, angeboten worden. Die Beschwerdeführerin habe sich dabei insoweit hervorgetan, als sie ihre Vorzüge angepriesen und betont habe, dass der Meldungsleger es nicht bereuen werde, Sex mit ihr zu haben. Zum Zweck der Durchführung sexueller Handlungen sei in der Wohnung ein Zimmer mit einem Doppelbett vorhanden gewesen und das Zimmer sei mit rötlich-schummriger Beleuchtung ausgestattet gewesen. Der im Wagen verbliebene Kollege des Meldungslegers sei erst in die Wohnung gekommen, als dieser sich den angetroffenen weiblichen Personen gegenüber bereits als Polizeibeamter zu erkennen gegeben habe. Unbestritten sei, dass die Beschwerdeführerin die Ausübung der Prostitution der Behörde nicht gemeldet habe bzw. dass sie sich nicht einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten bzw. von einer HIV-Infektion unterzogen habe.

Nach ausführlicher Darlegung ihrer Erwägungen zur Beweiswürdigung kam die belangte Behörde rechtlich zum Schluss, auf Grund des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes gehe sie davon aus, dass die Beschwerdeführerin zumindest am 4. Februar 2004 gegen Entgelt sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen habe vornehmen wollen. Die näheren Umstände der Prostitutionsausübung, insbesondere das Dirigieren des Kunden mittels Handy zu der eigens dafür ausgestatteten Wohnung sowie das Vorhandensein fester Preise für gewisse sexuelle Praktiken deuteten unzweifelhaft auf ein professionelles Vorgehen und auf entsprechende Erfahrung im Umgang mit Kunden im Sexgeschäft hin, sodass von gewerbsmäßigem Handeln im Sinn des § 2 Abs. 1 des Wiener Prostitutionsgesetzes auszugehen gewesen sei. Soweit die Beschwerdeführerin vorgebracht habe, dass es am 4. Februar 2004 zu keinem Geschlechtsverkehr und somit auch nicht zur Ausübung der Prostitution gekommen sei, sei ihr entgegen zu halten, dass zur Erfüllung des Tatbestandes des § 6 Abs. 1 des Wiener Prostitutionsgesetz die Durchführung des Geschlechtsverkehrs nicht erforderlich sei. Dass die Beschwerdeführerin gegenständlich die Prostitution zumindest habe ausüben wollen, was bereits die Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 leg. cit. auslöse, ergebe sich schon aus ihrem Angebot an den als Kunden auftretenden Meldungsleger, gegen ein bestimmtes Entgelt sexuelle Handlungen vorzunehmen. Dieses Verhalten sei unter den gegenständlich als erwiesen festgestellten Rahmenbedingungen zugleich auch bereits als gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper im Sinn des § 1 (offenbar gemeint der Verordnung des BMGU über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht treiben) sowie des § 9 Abs. 1 Z. 2 Aidsgesetz zu qualifizieren gewesen. Zur subjektiven Tatseite habe die Beschwerdeführerin, von der die ihr zur Last gelegten Taten als solche bestritten worden seien, kein spezifisches Vorbringen erstattet. Da es sich bei den der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Taten um sogenannte Ungehorsamsdelikte handle und sie nicht einmal ansatzweise dargelegt habe, dass bzw. inwiefern sie kein Verschulden treffe, sei gemäß § 5 Abs. 1 VStG von zumindest fahrlässigem und daher schuldhaftem Verhalten auszugehen gewesen.

Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafbemessungsgründe dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der lediglich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Einhaltung des Legalitätsprinzips verletzt.

In Ausführung der Beschwerde macht sie geltend, sie habe ausgehend von dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt kein Delikt begangen. Zu Punkt 1 des gegen sie erhobenen Vorwurfs weist sie darauf hin, die bloße Absicht, die Prostitution ausüben zu wollen, stehe nicht unter Strafsanktion. Nach § 8a Abs. 1 Z. 2 des Wiener Prostitutionsgesetzes sei die Nichtmeldung der Absicht, die Prostitution ausüben zu wollen, erst dann strafbar, wenn sich die Prostitution als Anbahnung oder Ausübung manifestiere. Nach den Feststellungen habe die Beschwerdeführerin aber weder die Prostitution angebahnt noch ausgeübt. Von einer Anbahnung könne keine Rede sein, weil der Meldungsleger zur Wohnung der Beschwerdeführerin über eine Telefonnummer gelotst worden sein solle, die in einer fingierten Anzeige aufgeschienen sei; die Handynummer sei auch nicht der Beschwerdeführerin, sondern der Besitzerin des Handys zuzuordnen. Von Öffentlichkeit könne keine Rede sein.

Zu Punkt 2 des gegen sie erhobenen Vorwurfs bringt die Beschwerdeführerin vor, es sei unerfindlich, weshalb aus den getroffenen Feststellungen hervorginge, die Beschwerdeführerin hätte "gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper geduldet oder solche Handlungen an anderen vorgenommen", da unbestrittenermaßen kein Geschlechtsverkehr zwischen dem Meldungsleger und ihr stattgefunden habe.

Zu Spruchpunkt 3 des gegen sie erhobenen Vorwurfs führt die Beschwerdeführerin aus, auch zu diesem Punkt gelte, dass nach den getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich sei, dass sie "gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper geduldet oder solche Handlungen an anderen vorgenommen" habe, weshalb auch eine Bestrafung wegen Unterlassung einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion nicht zulässig gewesen wäre. Im Übrigen seien die Ausführungen der belangten Behörde zur Gewerbsmäßigkeit verfehlt, weil sich aus Preisverhandlungen oder "Rahmenbedingungen", worunter auch das Dirigieren des Kunden mittels Handy, das nicht im Besitz der Beschwerdeführerin sei, zu einer Wohnung, die über ein Bett verfüge, in Bezug auf Einnahmenverschaffung nichts ableiten lasse, zumal die belangte Behörde selbst zugestanden habe, dass es nicht bekannt sei, seit wann die Beschwerdeführerin der Prostitution nachgehe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, StGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 345/1993 kann der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres Vorschriften über gesundheitliche Vorkehrungen und zur Überwachung jener Personen erlassen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen.

Gemäß § 1 der auf Grund dieser gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Prostituierten, BGBl. Nr. 314/1974, in der Fassung BGBl. Nr. 591/1993, haben sich Personen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen, vor Beginn dieser Tätigkeit sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen.

Gemäß § 12 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2001, werden Übertretungen der sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes, der auf Grund desselben ergehenden Verordnungen und Bescheide, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine strengere Bestrafung stattfindet, als Verwaltungsübertretung von der Bezirksverwaltungsbehörde (in Orten, wo eine staatliche Polizeibehörde besteht, von dieser) mit Geld bis zu 70 Euro oder mit Arrest bis zu zwei Monaten bestraft. Bei erschwerenden Umständen können Arrest und Geldstrafen nebeneinander verhängt werden.

Gemäß § 4 Abs. 1 des AIDS-Gesetzes, BGBl. Nr. 728/1993, ist es Personen, bei denen eine Infektion mit einem HIV nachgewiesen wurde oder das Ergebnis einer Untersuchung gemäß Abs. 2 nicht eindeutig negativ ist, verboten, gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper zu dulden oder solche Handlungen an anderen vorzunehmen.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung haben sich Personen neben den nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, und auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen vorgeschriebenen Untersuchungen vor der Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen. Darüber hinaus haben sich Personen, die Tätigkeiten im Sinne des Abs. 1 ausüben, periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen.

Nach § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-Gesetz begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit Geldstrafe bis zu 7.260 Euro zu bestrafen, wer gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit oder regelmäßig wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 4 Abs. 2 zu unterziehen.

Gemäß § 6 Abs. 1 des Wiener Prostitutionsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1984, in der Stammfassung, haben Personen, die die Prostitution ausüben wollen, dies persönlich bei der Behörde (§ 9 Abs. 3) zu melden. Die Meldung hat Vor- und Familiennamen, alle früheren Familiennamen, Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft, Wohnadresse und eine allfällige Anschrift im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 3 zu enthalten.

Nach § 8a Abs. 1 Z. 2 des Wiener Prostitutionsgesetzes, in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 17/2004, begeht, wer die Prostitution anbahnt oder ausübt, ohne dass eine Meldung gemäß § 6 Abs. 1 vorliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 1.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu acht Tagen, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis 2.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwölf Tagen zu bestrafen.

Zutreffend weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass zwar nach § 6 Abs. 1 des Wiener Prostitutionsgesetzes bereits die Absicht, die Prostitution auszuüben, die dort umschriebene Meldepflicht auslöst, dass sich eine Verletzung dieser Pflicht aber nach dem Wortlaut der Strafsanktionsnorm des § 8a leg. cit. erst dann manifestiert, wenn der/die Meldepflichtige "die Prostitution anbahnt oder ausübt". Es kommt daher auch im Beschwerdefall darauf an, ob durch die der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Handlungen bereits "die Prostitution angebahnt oder ausgeführt" wurde. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 des Wiener Prostitutionsgesetzes ist Prostitution "die Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die Vornahme sexueller Handlungen, soweit Gewerbsmäßigkeit vorliegt"; Anbahnung liegt nach Abs. 2 dieser Bestimmung vor, wenn jemand durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit erkennen lässt, Prostitution ausüben zu wollen. Bei der Auslegung des Gesetzes ist vom Vorrang des Wortlautes auszugehen; es ist nach der objektiven Methode die Frage zu beantworten, was der kundgemachte Text bedeutet. Führt diese Vorgangsweise zu einem klaren Ergebnis, so ist dieses maßgebend, lässt der Wortlaut (Wortsinn) keine Zweifel offen, so ist für eine teleologische Auslegung kein Raum (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1988, Zl. 87/10/0171).

Nach den im Beschwerdefall getroffenen Feststellungen fanden zwar Anbahnungshandlungen, nicht aber sexuelle Handlungen statt, die im Sinne der soeben zitierten gesetzlichen Bestimmung hätten geduldet oder vorgenommen werden können. Eine Ausübung der Prostitution liegt hier somit nicht vor (wie im Spruch des angefochtenen Bescheides fälschlich vorgeworfen wurde).

Nach den weiters von der belangten Behörde in den Spruchpunkten 2 und 3 zur Verurteilung der Beschwerdeführerin herangezogenen Bundesvorschriften ist verpönt, dass Personen, die "gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen", die in den von der belangten Behörde herangezogenen Normen vorgesehenen Gesundheitsuntersuchungen unterlassen. In dieser sprachlich verallgemeinerten Form kommt es nicht darauf an, ob konkret derartige Handlungen vollzogen worden sind, sondern darauf, ob diese Personen im Rahmen eines Lebenskonzeptes zur Erschließung einer Einkommensquelle wiederholt derartige Handlungen duldet oder vornimmt. Weder im Spruch noch in der Begründung des angefochtenen Bescheides finden sich konkrete Feststellungen, die ein solches Lebenskonzept erkennen ließen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses gemäß § 44a Z. 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dabei genügt es nicht, sich bei der Umschreibung der Tat (abgesehen von der Angabe der Tatzeit und des Tatortes) auf den reinen Gesetzeswortlaut zu beschränken, weil dieses essentielle Erfordernis durch eine entsprechende Bescheidbegründung nicht ersetzt werden kann (vgl. z.B. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, § 44a, E 9 und 10 referierte hg. Rechtsprechung). Da zur Tatbestandsmäßigkeit der der Beschwerdeführerin in Punkten 2 und 3 des angefochtenen Bescheides jeweils die Gewerbsmäßigkeit der Prostitution gehört, hätte es der Angabe konkreter Umstände (der als erwiesen angenommenen Tat) im Spruch des angefochtenen Bescheides bedurft, aus denen die Annahme der "Gewerbsmäßigkeit" der der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Prostitution abgeleitet hätte werden können. Der bloße Hinweis auf die nähere Ausgestaltung des Tatortes (das Vorhandensein eines Doppelbettes in rötlich schummriger Beleuchtung) in der Begründung des Bescheides reicht hierfür nicht aus. Auch die Wiedergabe des Wortes "gewerbsmäßig" im Spruch eines Straferkenntnisses enthebt die Behörde nicht von der konkreten Darstellung der als Gewerbsmäßigkeit qualifizierten Tatumstände im Sinne des § 44a VStG. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

Aus den genannten Gründen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG als rechtswidrig aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 6. September 2007

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005090177.X00

Im RIS seit

01.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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