Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Daniel S*****, 2. DI Herfried Igor S*****, 3. P*****gesellschaft mbH, *****, 4. E***** GmbH, *****, alle vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Landesinnung Wien der Schädlingsbekämpfer, *****, 2. Michael S*****, beide vertreten durch Dr. Markus Singer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über die Revisionsrekurse der Kläger und der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 7. November 2005, GZ 2 R 120/05i-14, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 11. April 2005, GZ 19 Cg 199/04t-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der Revisionsrekurs der Kläger wird zurückgewiesen. Die Beklagten haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.
2. Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben. Die Beklagten haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Die Kläger haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Kläger und der Zweibeklagte betreiben in Wien Schädlingsbekämpfungsunternehmen. Sie stehen insbesondere bei der Rattenbekämpfung im Wettbewerb. Die Erstbeklagte ist die gesetzliche Interessenvertretung (Innung) der Schädlingsbekämpfer, der Zweitbeklagte ist Innungsmeister.
Die Rattenbekämpfung war in Wien jedenfalls bis Anfang 2002 durch die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien über die Bekämpfung der Ratten in Wien (ABl der Stadt Wien 1998/19 idF ABl 1999/13, 2000/9, 2001/9 und 2002/9, idF RattenVO) geregelt. Diese Verordnung war zur Durchführung des Bundesgesetzes betreffend die Verhütung und Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch das Überhandnehmen von Ratten (BGBl 1925/68; idF RattenG) ergangen.Die Rattenbekämpfung war in Wien jedenfalls bis Anfang 2002 durch die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien über die Bekämpfung der Ratten in Wien (ABl der Stadt Wien 1998/19 in der Fassung ABl 1999/13, 2000/9, 2001/9 und 2002/9, in der Fassung RattenVO) geregelt. Diese Verordnung war zur Durchführung des Bundesgesetzes betreffend die Verhütung und Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch das Überhandnehmen von Ratten (BGBl 1925/68; in der Fassung RattenG) ergangen.
Nach der Verordnung konnte der Magistrat der Stadt Wien Schädlingsbekämpfer für ein bestimmtes Gebiet mit der Rattenbekämpfung betrauen. Vor einer solchen Betrauung war die Erstbeklagte zu hören. Die betrauten Schädlingsbekämpfer waren unter anderem zur periodischen Nachschau, zur Berichterstattung über deren Ergebnisse und zu bestimmten Meldungen verpflichtet. Die Berichte waren „im Wege" der Erstbeklagten zu erstatten. Die Liegenschaftseigentümer waren zum Ersatz der in der Verordnung festgesetzten Kosten der Rattenbekämpfer verpflichtet. Durch das Verwaltungsreformgesetz 2001 (BGBl I 2002/65) wurde das RattenG mit Wirkung vom 20. 4. 2002 (Kundmachung) aufgehoben. Zwischen den Parteien war und ist strittig, ob das auch zum Außerkrafttreten der RattenVO geführt hat.Nach der Verordnung konnte der Magistrat der Stadt Wien Schädlingsbekämpfer für ein bestimmtes Gebiet mit der Rattenbekämpfung betrauen. Vor einer solchen Betrauung war die Erstbeklagte zu hören. Die betrauten Schädlingsbekämpfer waren unter anderem zur periodischen Nachschau, zur Berichterstattung über deren Ergebnisse und zu bestimmten Meldungen verpflichtet. Die Berichte waren „im Wege" der Erstbeklagten zu erstatten. Die Liegenschaftseigentümer waren zum Ersatz der in der Verordnung festgesetzten Kosten der Rattenbekämpfer verpflichtet. Durch das Verwaltungsreformgesetz 2001 (BGBl römisch eins 2002/65) wurde das RattenG mit Wirkung vom 20. 4. 2002 (Kundmachung) aufgehoben. Zwischen den Parteien war und ist strittig, ob das auch zum Außerkrafttreten der RattenVO geführt hat.
Die Erstbeklagte hatte ihre Mitglieder im Jahr 2003 auf die Weitergeltung der RattenVO und die demnach bestehenden Meldepflichten hingewiesen. In einem an einen Dritten (offenkundig einen Liegenschaftseigentümer oder Hausverwalter) gerichteten Schreiben aus dem Jahr 2005 hielt die Erstbeklagte fest, dass die RattenVO und die auf ihrer Basis erlassenen Bescheide nach wie vor gültig seien. Einer Entbindung von der Betreuung (Tausch mit einem anderen Unternehmen) sei im konkreten Fall nicht zugestimmt worden. Der Zweitbeklagte hat diese Schreiben unterfertigt. Weiters wurde er in einer Zeitschrift mit der Behauptung zitiert, Ratten würden in Wien „von Amts wegen" bekämpft.
Durch diese Äußerungen sollten die bisher von der Behörde bestellten Unternehmen begünstigt werden. Dazu gehörte unter anderem das Unternehmen des Zweitbeklagten, nicht aber jene der Kläger. Die Magistratsabteilung 15 hat der Erstbeklagten auf ihr Ersuchen hin Ende 2004 mitgeteilt, dass von einer Weitergeltung der RattenVO ausgegangen werden könne. Demgegenüber vertrat die Wiener Umweltanwaltschaft im Internetauftritt des Magistrates der Stadt Wien die Auffassung, die Verordnung sei weggefallen.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragen die Kläger, den Beklagten die Verbreitung aller Behauptungen zu verbieten, die den Anschein der Fortgeltung der RattenVO erweckten, insbesondere die Verbreitung der Behauptung, die Verordnung sei „weiterhin gültig" und die Mitglieder der Erstbeklagten seien demnach zu bestimmten Meldungen und Mitteilungen verpflichtet; dem Zweitbeklagten insbesondere auch die Verbreitung der Behauptung, Ratten würden in Wien „von Amts wegen" bekämpft. Aufgrund der Aufhebung des RattenG sei auch die RattenVO dahingefallen. Durch die unrichtigen Behauptungen der Beklagten würden die Nachfrager solcher Dienstleistungen über ihr Recht zur freien Wahl des Schädlingsbekämpfers im Unklaren gehalten. Die vorgeblichen Meldepflichten verschafften den Funktionären der Erstbeklagten unmittelbare Einsicht in die Geschäftstätigkeit ihrer Mitbewerber. Dadurch würden die nicht mit der Rattenbekämpfung betrauten Unternehmen behindert, die Betriebe der Innungsfunktionäre erlangten einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung.
Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass die Weitergeltung der RattenVO auch nach Aufhebung des RattenG zumindest mit guten Gründen angenommen werden kann. Als Rechtsgrundlage könne § 14 Epidemiegesetz herangezogen werden, es sei auch möglich, die RattenVO nun als ortspolizeiliche Verordnung anzusehen. Den Beklagten fehle jede Absicht, wettbewerbsbezogen zu handeln; es gehe ihnen lediglich darum, geltendes Recht einzuhalten. Auch die Behörde sei der Auffassung, dass die Verordnung nach wie vor gelte. Es liege daher kein Handeln zu Wettbewerbszwecken vor.Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass die Weitergeltung der RattenVO auch nach Aufhebung des RattenG zumindest mit guten Gründen angenommen werden kann. Als Rechtsgrundlage könne Paragraph 14, Epidemiegesetz herangezogen werden, es sei auch möglich, die RattenVO nun als ortspolizeiliche Verordnung anzusehen. Den Beklagten fehle jede Absicht, wettbewerbsbezogen zu handeln; es gehe ihnen lediglich darum, geltendes Recht einzuhalten. Auch die Behörde sei der Auffassung, dass die Verordnung nach wie vor gelte. Es liege daher kein Handeln zu Wettbewerbszwecken vor.
Das Erstgericht verbot den Beklagten die Verbreitung von Behauptungen, die den Anschein erweckten, die Fortgeltung der Rattenverordnung sei zweifelsfrei und unbestritten. Dazu führte es die im Antrag genannten Behauptungen als Beispiele an. Das Mehrbegehren, die Behauptung der Weitergeltung uneingeschränkt zu verbieten, wies es ab. Die Beklagten hätten den Eindruck erweckt, die Bestellung „amtswegiger Rattenbekämpfer" auf Kosten der jeweiligen Liegenschaftseigentümer sei nach wie vor eine zweifelsfreie Rechtspflicht. Das treffe jedoch nicht zu. Aufgrund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Aufhebung eines Gesetzes grundsätzlich auch zum Außerkrafttreten darauf gegründeter Verordnungen führe (Herzog-Mantel-Theorie), sei vom Wegfall der Verordnung auszugehen. Allerdings sei es für die Beklagten nicht völlig unvertretbar gewesen, sich die Auffassung des Magistrats der Stadt Wien (der zunächst die Weitergeltung angenommen hatte) zu eigen zu machen. Die maßgebenden Funktionäre der Erstbeklagten, insbesondere der Zweitbeklagte, hätten jedoch ein wesentliches Eigeninteresse an der Sache gehabt. Daher hätten sie die von den Klägern vertretene Rechtsansicht nicht außer Acht lassen dürfen. Gerade bei einer möglichen Interessenkollision seien die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte als ihr Vertreter zur strikten Objektivität verpflichtet. Soweit die Weitergeltung der Verordnung als unbezweifelbare Tatsache hingestellt worden sei, seien sowohl Dritte (potenzielle Kunden) als auch Mitbewerber in die Irre geführt worden. In diesem Umfang bestehe der Unterlassungsanspruch daher zu Recht. Das von beiden Seiten angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Die Kläger hatten in ihrem Rekurs ausschließlich den ersatzlosen Entfall der Abweisung des Mehrbegehrens begehrt, da die vom Erstgericht vorgenommene Einschränkung ihrem Begehren ohnehin immanent gewesen sei. Dem trat das Rekursgericht (erkennbar) mit der Begründung entgegen, dass zwischen dem Begehren und der erlassenen Verfügung sehr wohl ein Unterschied bestehe. Das umfassende Verbot, den Anschein einer Fortgeltung der RattenVO zu erwecken, sei mehr als die vom Erstgericht angenommene Verpflichtung zur Darstellung der Zweifelhaftigkeit. Der hilfsweise erhobene Kostenrekurs sei nicht berechtigt.
Die Beklagten hatten sich in ihrem Rekurs darauf berufen, dass ihre Auffassung zur Weitergeltung der RattenVO richtig oder doch zumindest vertretbar sei und daher auch so geäußert werden dürfe. Dem folgte das Rekursgericht nicht, da nach den Umständen des Einzelfalls eine Aufklärung darüber geboten gewesen sei, dass die Fortgeltung der Verordnung fraglich erscheine.
Rechtliche Beurteilung
a. Zum Revisionsrekurs der Kläger
Die inhaltliche Erledigung eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der Rechtsmittelwerber durch die angefochtene Entscheidung formell und materiell beschwert ist (RIS-Justiz RS0043815, RS0041770, RS0041868). Die Beschwer durch die Entscheidung über die Kosten der Vorinstanzen reicht dabei in dritter Instanz nicht aus (RIS-Justiz RS0002396). Im vorliegenden Fall haben die Kläger in zweiter Instanz die eingeschränkte Formulierung des Verbots akzeptiert und nur den ersatzlosen Entfall der Teilabweisung begehrt. Die vom Erstgericht erlassene Verfügung habe ihrem richtig verstandenen Begehren entsprochen; es gebe daher kein „Mehrbegehren", das abzuweisen wäre. Die Kläger haben somit nach eigener Auffassung alles zugesprochen erhalten, was sie begehrt hatten. Daraus folgt aber, dass ihre materielle Rechtsstellung durch die „Abweisung" des Mehrbegehrens nicht beeinträchtigt wurde. Ihre Beschwer konnte und kann sich daher nur aus den Kostenfolgen dieser Teilabweisung ergeben. Das genügte in zweiter Instanz, nicht aber für ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof.
Soweit die Kläger in ihrem Revisionsrekurs davon ausgehen, das Verbot sei gegenüber dem Begehren eingeschränkt, und geltend machen, ihr Sicherungsantrag sei zur Gänze berechtigt, bekämpfen sie die Abweisung des Mehrbegehrens in der Sache und nicht bloß in den Kostenfolgen. Sie erheben damit eine Rechtsrüge, die sie in zweiter Instanz unterlassen haben. Eine in zweiter Instanz unterbliebene Rechtsrüge kann aber im Revisionsrekurs nicht nachgeholt werden (RIS-Justiz RS0043573).
Der Revisionsrekurs der Kläger war daher zurückzuweisen. Die Rechtsmittelbeantwortung der Beklagten war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, da darin nicht auf den Zurückweisungsgrund hingewiesen wurde.
b. Zum Revisionsrekurs der Beklagten
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil es keine Rechtsprechung zur Frage der wettbewerbsrechtlichen Verpflichtung von gesetzlichen Interessenvertretungen zu objektiver Information und Neutralität gegenüber ihren Mitgliedern gibt. Er ist aber nicht berechtigt.
1. Der Vorwurf der Kläger geht zusammengefasst dahin, dass die Beklagten unter Missachtung der sie aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung treffenden Objektivitätspflicht in sittenwidriger Weise Einfluss auf den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern der Erstbeklagten ausgeübt hätten. Daher ist zunächst zu prüfen, inwieweit diese öffentlich-rechtliche Stellung tatsächlich gegeben ist.
Die Erstbeklagte ist als Fachgruppe der Wirtschaftskammerorganisation eine Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 2 Abs 1 Wirtschaftskammergesetz 1998, idF WKG). Nach § 43 Abs 3 WKG obliegt ihr unter anderem die Sicherung der Chancengleichheit ihrer Mitglieder im Wettbewerb, insbesondere durch Beseitigung oder Verhütung von Gewohnheiten, Gebräuchen und Neuerungen, welche dem lauteren und leistungsgerechten Wettbewerb unter den Mitgliedern entgegenstehen (Z 2), weiters die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit (Z 8) und die Beratung und Information der Mitglieder (Z 9). Die Erstbeklagte ist daher der öffentlichen Hand zuzuordnen. Der Zweitbeklagte ist leitender Funktionär der Erstbeklagten und hat in dieser Funktion die inkriminierten Handlungen gesetzt. Auch er ist daher der öffentlichen Hand zuzuordnen. Durch die Betrauung mit der Rattenbekämpfung hat er zudem einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitbewerbern.Die Erstbeklagte ist als Fachgruppe der Wirtschaftskammerorganisation eine Körperschaft öffentlichen Rechts (Paragraph 2, Absatz eins, Wirtschaftskammergesetz 1998, in der Fassung WKG). Nach Paragraph 43, Absatz 3, WKG obliegt ihr unter anderem die Sicherung der Chancengleichheit ihrer Mitglieder im Wettbewerb, insbesondere durch Beseitigung oder Verhütung von Gewohnheiten, Gebräuchen und Neuerungen, welche dem lauteren und leistungsgerechten Wettbewerb unter den Mitgliedern entgegenstehen (Ziffer 2,), weiters die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit (Ziffer 8,) und die Beratung und Information der Mitglieder (Ziffer 9,). Die Erstbeklagte ist daher der öffentlichen Hand zuzuordnen. Der Zweitbeklagte ist leitender Funktionär der Erstbeklagten und hat in dieser Funktion die inkriminierten Handlungen gesetzt. Auch er ist daher der öffentlichen Hand zuzuordnen. Durch die Betrauung mit der Rattenbekämpfung hat er zudem einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitbewerbern.
2. Auch das Handeln der öffentlichen Hand kann wettbewerbswidrig sein. Ein Unwerturteil im Sinne des § 1 UWG kann sich hier insbesondere daraus ergeben, dass Machtmittel, die aus der öffentlich-rechtlichen Sonderstellung folgen, zur Förderung des eigenen oder fremden Wettbewerbs missbraucht werden (stRsp RIS-Justiz RS0077436; zuletzt etwa 4 Ob 21/04y). Ein solcher Missbrauch kann in Täuschungshandlungen, in der Ausübung psychischen Drucks und sachwidriger Beeinflussung, aber auch in der Förderung bestimmter Mitbewerber und in der Verquickung amtlicher mit erwerbswirtschaftlichen Interessen bestehen (stRsp 4 Ob 50/89 = WBl 1990, 113 [Koppensteiner, 104] - PSK; RIS-Justiz, RS0053259; zuletzt etwa 4 Ob 21/04y = wbl 2004/208 - Friedhofsverwaltung mwN). Diese Erwägungen gelten auch für gesetzliche Interessenvertretungen. Aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung kommt ihnen eine besondere Glaubwürdigkeit und damit hohe faktische Autorität zu. Das verpflichtet die für sie handelnden Personen in besonderer Weise zur Objektivität und zur Neutralität im Wettbewerb zwischen den Mitgliedern. Verstärkt wird diese Verpflichtung durch die Pflichtmitgliedschaft - auf als einseitig empfundenes Verhalten kann nicht mit Austritt reagiert werden - und im konkreten Fall auch durch § 43 Abs 3 Z 2 WKG, wonach den Fachgruppen der Wirtschaftskammer die Förderung des lauteren Wettbewerbs obliegt. An ein Verhalten der Fachgruppe, das in den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern eingreift, ist daher ein strenger Maßstab anzulegen.2. Auch das Handeln der öffentlichen Hand kann wettbewerbswidrig sein. Ein Unwerturteil im Sinne des Paragraph eins, UWG kann sich hier insbesondere daraus ergeben, dass Machtmittel, die aus der öffentlich-rechtlichen Sonderstellung folgen, zur Förderung des eigenen oder fremden Wettbewerbs missbraucht werden (stRsp RIS-Justiz RS0077436; zuletzt etwa 4 Ob 21/04y). Ein solcher Missbrauch kann in Täuschungshandlungen, in der Ausübung psychischen Drucks und sachwidriger Beeinflussung, aber auch in der Förderung bestimmter Mitbewerber und in der Verquickung amtlicher mit erwerbswirtschaftlichen Interessen bestehen (stRsp 4 Ob 50/89 = WBl 1990, 113 [Koppensteiner, 104] - PSK; RIS-Justiz, RS0053259; zuletzt etwa 4 Ob 21/04y = wbl 2004/208 - Friedhofsverwaltung mwN). Diese Erwägungen gelten auch für gesetzliche Interessenvertretungen. Aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung kommt ihnen eine besondere Glaubwürdigkeit und damit hohe faktische Autorität zu. Das verpflichtet die für sie handelnden Personen in besonderer Weise zur Objektivität und zur Neutralität im Wettbewerb zwischen den Mitgliedern. Verstärkt wird diese Verpflichtung durch die Pflichtmitgliedschaft - auf als einseitig empfundenes Verhalten kann nicht mit Austritt reagiert werden - und im konkreten Fall auch durch Paragraph 43, Absatz 3, Ziffer 2, WKG, wonach den Fachgruppen der Wirtschaftskammer die Förderung des lauteren Wettbewerbs obliegt. An ein Verhalten der Fachgruppe, das in den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern eingreift, ist daher ein strenger Maßstab anzulegen.
3. Wer fremden Wettbewerb fördert, handelt zu Zwecken des Wettbewerbs (RIS-Justiz RS0077773; RIS-Justiz RS0078984). Für die Beurteilung der Frage, ob er im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat, sind nicht seine, sondern die Verhältnisse desjenigen maßgeblichen, dessen Wettbewerb gefördert wird (4 Ob 9/91 = MR 1991, 206 - Videothekar). Das sind im konkreten Fall jene Wiener Schädlingsbekämpfer (darunter der Zweitbeklagte), die nach der RattenVO mit der Rattenbekämpfung betraut sind. Es hilft der Erstbeklagten daher nicht, dass sie keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt.
4. Die Beklagten haben unter Inanspruchnahme der faktischen Autorität einer gesetzlichen Interessenvertretung sowohl gegenüber den Mitgliedern (den Wettbewerbern) als auch gegenüber Dritten (potenziellen Kunden) die Fortgeltung der RattenVO behauptet, ohne dabei auf abweichende Rechtsauffassungen hinzuweisen. Das Erstgericht hat es dabei (wenngleich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung) als bescheinigt angenommen, dass damit der Wettbewerb einzelner Mitbewerber (insbesondere des Zweitbeklagten) gefördert werden sollte.
Dass die Rechtslage nicht so eindeutig ist, wie von den Beklagten behauptet, haben bereits die Vorinstanzen zutreffend aufgezeigt. Die Aufhebung eines Gesetzes durch den Gesetzgeber führt nach der insofern allein maßgeblichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs grundsätzlich zum Außerkrafttreten der darauf gegründeten Verordnungen, ohne dass deren formelle Aufhebung erforderlich wäre (Mayer, Das österreichische Bundesverfassungsrecht. Kurzkommentar3 [2002] Art 18 B-VG Anm VI.2 mwN; eingehend dazu Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht II [1988] 1159 ff; Hattenberger, Die Befähigungsnachweise nach der [EWR-angepassten] GewO 1994, ÖZW 2001, 70, FN 96). Das wurde vom Gesetzgeber beispielsweise zum Anlass genommen, die Weitergeltung von Trassierungsverordnungen in § 3 Bundesstraßen- Übertragungsgesetz ausdrücklich anzuordnen (Hauenschild, Übertragung der ehemaligen Bundesstraßen B auf die Länder, ZVR 2003/107, bei FN 52). Ob die in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs anerkannten Ausnahmen von diesem Grundsatz im konkreten Fall zutreffen (vgl etwa VfSlg 15.963), ist zweifelhaft. Insbesondere ist fraglich, ob eine zur Durchführung eines Gesetzes erlassene und auf dessen Vorgaben beruhende Verordnung als gesetzlich nicht determinierte ortspolizeiliche Verordnung weiter gelten kann.Dass die Rechtslage nicht so eindeutig ist, wie von den Beklagten behauptet, haben bereits die Vorinstanzen zutreffend aufgezeigt. Die Aufhebung eines Gesetzes durch den Gesetzgeber führt nach der insofern allein maßgeblichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs grundsätzlich zum Außerkrafttreten der darauf gegründeten Verordnungen, ohne dass deren formelle Aufhebung erforderlich wäre (Mayer, Das österreichische Bundesverfassungsrecht. Kurzkommentar3 [2002] Artikel 18, B-VG Anmerkung römisch VI.2 mwN; eingehend dazu Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht römisch II [1988] 1159 ff; Hattenberger, Die Befähigungsnachweise nach der [EWR-angepassten] GewO 1994, ÖZW 2001, 70, FN 96). Das wurde vom Gesetzgeber beispielsweise zum Anlass genommen, die Weitergeltung von Trassierungsverordnungen in Paragraph 3, Bundesstraßen- Übertragungsgesetz ausdrücklich anzuordnen (Hauenschild, Übertragung der ehemaligen Bundesstraßen B auf die Länder, ZVR 2003/107, bei FN 52). Ob die in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs anerkannten Ausnahmen von diesem Grundsatz im konkreten Fall zutreffen vergleiche etwa VfSlg 15.963), ist zweifelhaft. Insbesondere ist fraglich, ob eine zur Durchführung eines Gesetzes erlassene und auf dessen Vorgaben beruhende Verordnung als gesetzlich nicht determinierte ortspolizeiliche Verordnung weiter gelten kann.
Es ist allerdings nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, diese Frage im vorliegenden Verfahren endgültig zu klären. Die nicht weiter relativierte Behauptung der Beklagten ist wegen der jedenfalls bestehenden Zweifel und der angestrebten Begünstigung einzelner Mitbewerber eine eindeutige Verletzung des oben dargestellten Objektivitäts- und Neutralitätsgebots. Angesichts der auf die öffentlich-rechtliche Stellung gegründeten faktischen Autorität der Erstbeklagten war sie geeignet, nicht mit der Rattenbekämpfung betraute Mitbewerber von der Akquisition von Kunden abzuhalten; bei Dritten erweckte sie den Eindruck fehlender Wahlmöglichkeit. Beides stellt einen unzulässigen Eingriff in den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern der Erstbeklagten dar. Die Beklagten wären verpflichtet gewesen, in ihren Äußerungen darauf hinzuweisen, dass zur Weitergeltung auch eine andere Auffassung vertreten werden kann und auch von einzelnen Mitbewerbern vertreten wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn mit der unvollständigen Information - wie hier - die Absicht verbunden ist, den Wettbewerb einzelner Mitbewerber zu fördern.
5. Zu den Argumenten des Revisionsrekurses im Einzelnen
5.1. Es ist zwar richtig, dass politische Parteien oder Gewerkschaften nicht zu Zwecken des Wettbewerbs iSd UWG handeln, wenn sie Mitglieder werben oder sonst miteinander in Konkurrenz treten (4 Ob 123/04y = WBl 2004/590 - Gewerkschaftsbund; 4 Ob 299/99w = MR 2000, 107 - L-Nachrichten). Davon zu unterscheiden ist aber der hier vorliegende bewusste Eingriff in den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern.
5.2. Soweit sich die Beklagten für ihre Äußerungen auf die Rechtsprechung zur „vertretbaren Rechtsansicht" bei der Verletzung von Rechtsvorschriften berufen, missverstehen sie den ihnen gemachten Vorwurf. Nach dieser Rechtsprechung ist ein Gesetzesverstoß wettbewerbsrechtlich nicht relevant, wenn er auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruht (RIS-Justiz RS0077771; zuletzt etwa 4 Ob 49/05t = MR 2005, 333 [Korn] - Kurzberichterstattung II, und 4 Ob 21/05z = wbl 2005/234 - Filmausarbeitung). Grund dafür ist, dass nur die vorwerfbare Missachtung einer Rechtsvorschrift die Annahme einer sittenwidrigen Wettbewerbshandlung rechtfertigen kann (4 Ob 331/82 = SZ 56/2 - Metro-Post). Darauf hätten sich beispielsweise die Kläger berufen können, wenn sie nach § 1 UWG wegen eines Verstoßes gegen die RattenVO in Anspruch genommen worden wären.5.2. Soweit sich die Beklagten für ihre Äußerungen auf die Rechtsprechung zur „vertretbaren Rechtsansicht" bei der Verletzung von Rechtsvorschriften berufen, missverstehen sie den ihnen gemachten Vorwurf. Nach dieser Rechtsprechung ist ein Gesetzesverstoß wettbewerbsrechtlich nicht relevant, wenn er auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruht (RIS-Justiz RS0077771; zuletzt etwa 4 Ob 49/05t = MR 2005, 333 [Korn] - Kurzberichterstattung römisch II, und 4 Ob 21/05z = wbl 2005/234 - Filmausarbeitung). Grund dafür ist, dass nur die vorwerfbare Missachtung einer Rechtsvorschrift die Annahme einer sittenwidrigen Wettbewerbshandlung rechtfertigen kann (4 Ob 331/82 = SZ 56/2 - Metro-Post). Darauf hätten sich beispielsweise die Kläger berufen können, wenn sie nach Paragraph eins, UWG wegen eines Verstoßes gegen die RattenVO in Anspruch genommen worden wären.
Den Beklagten wird aber nicht die Missachtung einer Rechtsvorschrift vorgeworfen. Das gegen sie gerichtete Unwerturteil gründet sich darauf, dass sie entgegen ihrer Objektivitäts- und Neutralitätspflicht nicht auf die Vertretbarkeit anderer Auffassungen hingewiesen haben. Vorgeworfen wird ihnen also nicht ihre Rechtsansicht, sondern dass sie diese Rechtsansicht trotz ihrer Objektivitäts- und Neutralitätsverpflichtung mit dem Ziel der Förderung einzelner Mitbewerber als unstrittig und damit in einer zur Irreführung geeigneten Weise dargestellt haben. Dieses - auf § 2 UWG gestützte - Unwerturteil wird von der Vertretbarkeit der Rechtsansicht nicht berührt.Den Beklagten wird aber nicht die Missachtung einer Rechtsvorschrift vorgeworfen. Das gegen sie gerichtete Unwerturteil gründet sich darauf, dass sie entgegen ihrer Objektivitäts- und Neutralitätspflicht nicht auf die Vertretbarkeit anderer Auffassungen hingewiesen haben. Vorgeworfen wird ihnen also nicht ihre Rechtsansicht, sondern dass sie diese Rechtsansicht trotz ihrer Objektivitäts- und Neutralitätsverpflichtung mit dem Ziel der Förderung einzelner Mitbewerber als unstrittig und damit in einer zur Irreführung geeigneten Weise dargestellt haben. Dieses - auf Paragraph 2, UWG gestützte - Unwerturteil wird von der Vertretbarkeit der Rechtsansicht nicht berührt.
5.3. Die Freiheit der Meinungsäußerung muss zwar bei der Auslegung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften berücksichtigt werden (s 4 Ob 278/01p = MR 2002, 42 - Arzt und Öffentlichkeit); zur Irreführung geeignete Angaben vermag sie aber nicht zu rechtfertigen. Die im Revisionsrekurs angesprochene Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (GZ 39069/97 = MR 2004, 43 - Krone Verlag GmbH & Co KG gegen Österreich) ist nicht einschlägig. Sie betrifft das Verhältnis zwischen privaten Mitbewerbern und daher gerade nicht den hier zu beurteilenden Fall einer mit der Autorität einer öffentlich-rechtlichen Institution gemachten Äußerung. Die faktische Inanspruchnahme dieser Autorität führt auch unter Bedachtnahme auf Art 10 EMRK zu besonderen Verpflichtungen. Es kann daher offen bleiben, ob sich die Erstbeklagte angesichts ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung überhaupt auf die EMRK berufen könnte (vgl dazu Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2 [2005] § 17 Rz 5).5.3. Die Freiheit der Meinungsäußerung muss zwar bei der Auslegung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften berücksichtigt werden (s 4 Ob 278/01p = MR 2002, 42 - Arzt und Öffentlichkeit); zur Irreführung geeignete Angaben vermag sie aber nicht zu rechtfertigen. Die im Revisionsrekurs angesprochene Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (GZ 39069/97 = MR 2004, 43 - Krone Verlag GmbH & Co KG gegen Österreich) ist nicht einschlägig. Sie betrifft das Verhältnis zwischen privaten Mitbewerbern und daher gerade nicht den hier zu beurteilenden Fall einer mit der Autorität einer öffentlich-rechtlichen Institution gemachten Äußerung. Die faktische Inanspruchnahme dieser Autorität führt auch unter Bedachtnahme auf Artikel 10, EMRK zu besonderen Verpflichtungen. Es kann daher offen bleiben, ob sich die Erstbeklagte angesichts ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung überhaupt auf die EMRK berufen könnte vergleiche dazu Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2 [2005] Paragraph 17, Rz 5).
6. Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten der Kläger beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.6. Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten der Kläger beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, EO, jene über die Kosten der Beklagten auf Paragraph 393, Absatz eins, EO in Verbindung mit Paragraphen 40,, 50 ZPO.
Anmerkung
E802264Ob24.06tSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inwbl 2006,341 = ÖJZ-LSK 2006/168 = MR 2006,209 = EvBl 2006/129 S 684 -EvBl 2006,684 = RZ 2006,206 EÜ270 - RZ 2006 EÜ270 = SZ 2006/39 = HS37.281XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0040OB00024.06T.0314.000Zuletzt aktualisiert am
02.06.2009