TE OGH 2006/3/30 8Ob39/06b

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Veröffentlicht am 30.03.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Puschner, Spernbauer, Rosenauer Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Gottfried B*****, Pensionist, *****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 218.018,50 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 16. Februar 2006, GZ 13 Nc 2/06b-3, mit dem der Antrag der beklagten Partei auf Ablehnung des Richters des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Bernhard Herberger zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Im Verfahren 16 Cg 50/98x des Handelsgerichtes Wien begehrte die Klägerin mit Wechselmandatsklage vom 10. 4. 1998 die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrags über S 3 Mio (= EUR 218.018,50) sA. Gegen den antragsgemäß erlassenen Wechselzahlungsauftrag erhob der Beklagte fristgerecht Einwendungen. Mit Urteil vom 30. 5. 2004 stellte das Erstgericht die Klageforderung als zu Recht bestehend und eine vom Beklagten eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest und sprach aus, dass der Wechselzahlungsauftrag aufrecht erhalten werde. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten gab das Oberlandesgerichtes Wien mit Urteil vom 2. 12. 2005 nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Der Beklagte erhob gegen das Berufungsurteil außerordentliche Revision. Gleichzeitig mit dieser bzw in deren Vorfeld lehnte er den an der Berufungsentscheidung beteiligten Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Herberger als befangen ab.

Zur Begründung des Ablehnungsantrags brachte der Beklagte vor, dass Dr. Herberger Erstrichter in einem zwischen den Streitteilen - mit umgekehrten Parteirollen - geführten Vorverfahren des Handelsgerichtes Wien gewesen sei, in dem der Kläger unterlegen sei. Die in diesem Vorverfahren getroffenen Feststellungen, seien im vorliegenden Verfahren von den beiden tätig gewordenen Instanzen als bindend übernommen worden. Es erscheine geradezu denkunmöglich, dass ein Mitglied eines Berufungssenates bei der Überprüfung eines Sachverhalts, über den es in wesentlichen Teilen bereits selbst einmal als Erstrichter entschieden habe, die erforderliche Unabhängigkeit bzw Unbefangenheit habe, um allenfalls zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der betroffene Richter - abgesehen von der Frage der Bindungswirkung - kaum Anlass finden werde, von seiner bereits einmal eingenommenen Meinung zur Sach- und Rechtslage wieder abzugehen. An der Unbefangenheit des Senatsmitglieds Dr. Herberger bestünden daher begründete Zweifel.

Das Oberlandesgericht Wien wies den Ablehnungsantrag als nicht berechtigt zurück.

Nach der Rechtsprechung zu § 19 Z 2 JN sei ein Richter als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es rechtfertigten, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Das Wesen der Befangenheit bestehe in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Nach der Rechtsprechung zum Ausschließungsgrund des § 20 Z 5 JN sei ein Richter dann nicht ausgeschlossen, wenn er in unterer Instanz in einer Rechtssache entschieden habe, die mit der nun im Rechtsmittelverfahren zu beurteilenden Sache im Zusammenhang stehe. Der bloße Umstand, dass ein Mitglied des Berufungssenats erstinstanzlicher Richter in einem für die Berufungsentscheidung wesentlichen Vorverfahren war, reiche daher nicht aus, um den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen. Vielmehr müssten weitere Umstände hinzukommen, um eine Befangenheit mit Grund befürchten zu lassen. Derartige Umstände seien aber hier nicht behauptet worden.Nach der Rechtsprechung zu Paragraph 19, Ziffer 2, JN sei ein Richter als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es rechtfertigten, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Das Wesen der Befangenheit bestehe in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Nach der Rechtsprechung zum Ausschließungsgrund des Paragraph 20, Ziffer 5, JN sei ein Richter dann nicht ausgeschlossen, wenn er in unterer Instanz in einer Rechtssache entschieden habe, die mit der nun im Rechtsmittelverfahren zu beurteilenden Sache im Zusammenhang stehe. Der bloße Umstand, dass ein Mitglied des Berufungssenats erstinstanzlicher Richter in einem für die Berufungsentscheidung wesentlichen Vorverfahren war, reiche daher nicht aus, um den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen. Vielmehr müssten weitere Umstände hinzukommen, um eine Befangenheit mit Grund befürchten zu lassen. Derartige Umstände seien aber hier nicht behauptet worden.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Anders als in seinem Ablehnungsantrag stützt sich der Beklagte in seinem Rechtsmittel nicht auf § 19 JN, sondern - unter Hinweis auf die Entscheidungen SZ 6/38 und 1 N 507/01 - auf das Vorliegen des Ausschließungsgrundes des § 20 Z 5 JN.Anders als in seinem Ablehnungsantrag stützt sich der Beklagte in seinem Rechtsmittel nicht auf Paragraph 19, JN, sondern - unter Hinweis auf die Entscheidungen SZ 6/38 und 1 N 507/01 - auf das Vorliegen des Ausschließungsgrundes des Paragraph 20, Ziffer 5, JN.

In der zuletzt genannten Entscheidung 1 N 507/01 hat der Oberste Gerichtshof - soweit hier von Interesse - folgende Rechtsauffassung vertreten:

Der Ausschließungsgrund des § 20 Z 5 JN gilt grundsätzlich nur für Richter einer höheren Instanz, die bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung der angefochtenen Entscheidung mitwirkten. Somit ist ein Richter, der in derselben Rechtssache nicht an der angefochtenen, sondern an einer anderen Entscheidung mitwirkte, im Allgemeinen nicht ausgeschlossen. Allerdings wurde schon in der Entscheidung SZ 6/38 betont, dass der Tatbestand des § 20 Z 5 JN auch dann verwirklicht sein könnte, „wenn ein Richter zwar nicht die unmittelbar angefochtene Entscheidung fällte, sondern an einer Vorentscheidung mitwirkte, die aber gleichzeitig mit der angefochtenen Entscheidung der Beurteilung des Rechtsmittelgerichtes unterliegt oder welche die Grundlage für die angefochtene Entscheidung bildet". Erweiterungen der einzelnen Tatbestände des § 20 JN - so die Entscheidung 1 N 507/01 unter Hinweis auf Ballon in Fasching2 § 20 JN Rz 1 sowie auf Mayr in Rechberger, ZPO² § 20 JN Rz 1 weiter - sind nur als Ergebnis einer teleologischen Auslegung möglich. Demnach ist zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des § 20 Z 5 JN auf den Anlassfall zu erstrecken ist. § 20 Z 5 JN bezweckt, dass ein Richter, der die Entscheidung einer unteren Instanz erließ oder an ihr mitwirkte, nicht jenem Senat einer höheren Instanz angehören soll, der diese Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen hat. Vor diesem Hintergrund erachtete der Oberste Gerichtshof einen Richter des Obersten Gerichtshofs als ausgeschlossen, der zwar nicht an der beim Obersten Gerichtshof angefochtenen Entscheidung beteiligt war, wohl aber an einem dieser Entscheidung vorangegangenen Aufhebungsbeschluss, mit dem dem Erstgericht eine Rechtsansicht überbunden wurde. Schließlich sei auch das Berufungsgericht bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung an die im Aufhebungsbeschluss geäußerte Rechtsauffassung gebunden gewesen.Der Ausschließungsgrund des Paragraph 20, Ziffer 5, JN gilt grundsätzlich nur für Richter einer höheren Instanz, die bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung der angefochtenen Entscheidung mitwirkten. Somit ist ein Richter, der in derselben Rechtssache nicht an der angefochtenen, sondern an einer anderen Entscheidung mitwirkte, im Allgemeinen nicht ausgeschlossen. Allerdings wurde schon in der Entscheidung SZ 6/38 betont, dass der Tatbestand des Paragraph 20, Ziffer 5, JN auch dann verwirklicht sein könnte, „wenn ein Richter zwar nicht die unmittelbar angefochtene Entscheidung fällte, sondern an einer Vorentscheidung mitwirkte, die aber gleichzeitig mit der angefochtenen Entscheidung der Beurteilung des Rechtsmittelgerichtes unterliegt oder welche die Grundlage für die angefochtene Entscheidung bildet". Erweiterungen der einzelnen Tatbestände des Paragraph 20, JN - so die Entscheidung 1 N 507/01 unter Hinweis auf Ballon in Fasching2 Paragraph 20, JN Rz 1 sowie auf Mayr in Rechberger, ZPO² Paragraph 20, JN Rz 1 weiter - sind nur als Ergebnis einer teleologischen Auslegung möglich. Demnach ist zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des Paragraph 20, Ziffer 5, JN auf den Anlassfall zu erstrecken ist. Paragraph 20, Ziffer 5, JN bezweckt, dass ein Richter, der die Entscheidung einer unteren Instanz erließ oder an ihr mitwirkte, nicht jenem Senat einer höheren Instanz angehören soll, der diese Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen hat. Vor diesem Hintergrund erachtete der Oberste Gerichtshof einen Richter des Obersten Gerichtshofs als ausgeschlossen, der zwar nicht an der beim Obersten Gerichtshof angefochtenen Entscheidung beteiligt war, wohl aber an einem dieser Entscheidung vorangegangenen Aufhebungsbeschluss, mit dem dem Erstgericht eine Rechtsansicht überbunden wurde. Schließlich sei auch das Berufungsgericht bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung an die im Aufhebungsbeschluss geäußerte Rechtsauffassung gebunden gewesen.

Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat an. Sie führt aber - da der hier zu beurteilende Fall mit dem der Entscheidung 1 N 507/01 entschiedenen Anlassfall nicht vergleichbar ist - nicht zum vom Rekurswerber gewünschten Ergebnis. Tragendes Argument des Ablehnungsantrags des Beklagten ist der Hinweis auf den Umstand, dass die vom abgelehnten Richter im Vorprozess getroffenen Tatsachenfeststellungen der nunmehr zu treffenden Entscheidung als bindend zugrunde gelegt wurden. Ob die Feststellungen des Vorprozesses für das nunmehrige Verfahren bindend sind, ist eine Rechtsfrage, die sich begrifflich erstmals im nunmehrigen Verfahren stellen konnte. Das Berufungsgericht hat - so wie schon das Erstgericht - diese Bindung bejaht, was der Beklagte im Übrigen - auch in seiner Revision - gar nicht mehr in Frage stellt. Damit hat das Berufungsgericht (wie auch das Erstgericht) die Richtigkeit der als bindend übernommenen Feststellungen gar nicht beurteilt. Es trifft daher nicht zu, dass der abgelehnte Richter als Mitglied des Berufungsgerichtes die Richtigkeit der von ihm getroffenen Feststellungen zu beurteilen hatte. Die Situation ist somit im Ergebnis nicht anders zu beurteilen, wie die Mitwirkung des im Zivilverfahren entscheidenden Richters in einem dem Zivilprozess zugrunde liegenden Strafverfahren. Auch für diesen Fall liegt aber nach herrschender Auffassung kein Fall der Ausgeschlossenheit vor (Ballon, aaO Rz 11; Mayr, aaO Rz 6).

Sonstige Umstände, aus denen darauf geschlossen werden könnte, dass die Mitwirkung des abgelehnten Richters auf eine Überprüfung seiner eigenen Entscheidung hinauslaufen würde, werden im Rekurs nicht vorgebracht. Für die Annahme eines Ausschließungsgrundes fehlt daher eine rechtfertigende Grundlage.

Auf die behauptete Befangenheit des abgelehnten Richters kommt der Beklagte in seinem Rechtsmittel nicht mehr zurück. Insbesondere bleibt er jegliches Vorbringen schuldig, das die Annahme einer wie immer gearteten Voreingenommenheit des betroffenen Richters rechtfertigen könnte.

Anmerkung

E806488Ob39.06b

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inEFSlg 114.726XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0080OB00039.06B.0330.000

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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