TE OGH 2006/4/20 4Ob37/06d

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Veröffentlicht am 20.04.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Philip H*****, geb. *****, Schüler, *****, vertreten durch Dr. Gudrun Truschner, Rechtsanwältin in Wels, gegen den Antragsgegner Gerhard H*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in Schwanenstadt wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 2. November 2005, GZ 21 R 313/05m-16, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 8. Juli 2005, GZ 4 FAM 5/05z-9, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsgegner ist der Vater des am ***** geborenen Antragstellers. Die Ehe der Eltern wurde am 9. März 2004 einvernehmlich geschieden. Im pflegschaftsgerichtlich genehmigten Scheidungsvergleich wurde vereinbart, dass die Obsorge für für den damals noch minderjährigen Antragsteller und seine drei Jahre jüngere Schwester der Mutter zukommen sollte. Der Vater verpflichtete sich, den Kindern ab April 2004 einen monatlichen Unterhalt von je 300 EUR zu leisten. Dieser Vereinbarung war ein Durchschnittseinkommen des Vaters von 2.333 EUR und eine Unterhaltspflicht gegenüber der geschiedenen Gattin von 300 EUR zugrunde gelegt. Tatsächlich hatte der Vater im Jahr 2003 aber durchschnittlich 2.646,90 EUR verdient. Im ersten Halbjahr 2005 verdiente er demgegenüber nur 2.374,15 EUR. Ein bereits im Juni 2004 gestellter Unterhaltserhöhungsantrag des damals noch minderjährigen Antragstellers wurde letztlich mit der Begründung abgewiesen, dass kein Vorbringen zu einem vom Antragsgegner veranlassten oder gemeinsamen Irrtum über die Bemessungsgrundlage erstattet worden sei.

Im vorliegenden Verfahren beantragt der inzwischen volljährige Antragsteller die Erhöhung des monatlichen Unterhalts auf 525 EUR. Der Antragsgegner habe von Jänner 2003 bis September 2004 ein durchschnittliches Einkommen von 2.972 EUR gehabt. Da sein Einkommen stark schwanke, müsse für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens auf einen längeren Zeitraum abgestellt werden. Dem Scheidungsvergleich sei aufgrund der Angaben des Antragsgegners mit

2.333 EUR ein weit geringerer Betrag zugrunde gelegt worden. Das rechtfertige eine Neubemessung nach den tatsächlichen Verhältnissen. Die Neubemessung sei auch wegen einer Änderung der Verhältnisse angebracht.

Der Antragsgegner wandte ein, sein Einkommen liege unter dem behaupteten Betrag. Das höhere Durchschnittseinkommen im vom Antragsteller genanten Zeitraum beruhe darauf, dass er sich eine Urlaubsabfindung habe auszahlen lassen, um scheidungsbedingte Ausgaben abdecken zu können. Das werde in Zukunft nicht mehr geschehen. Sein gegenwärtiges Einkommen habe sich gegenüber jenem bei Vergleichsabschluss nur unwesentlich geändert.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner aufgrund des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts zur Zahlung eines zusätzlichen Unterhalts von 82 EUR und wies das Mehrbegehren (inzwischen rechtskräftig) ab. Als Bemessungsgrundlage zog es das Durchschnittseinkommen des Antragsgegners im ersten Halbjahr 2005 heran.

Das Rekursgericht bestätigte dieses Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Da die Parteien der Vereinbarung ein (wenngleich damals unrichtiges) Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt hätten, das im Wesentlichen dem derzeitigen entspreche, könne der Antragsteller zwar weder mit einer Änderung der Verhältnisse noch mit einem Irrtum bei Abschluss der Vereinbarung argumentieren. Ein Kind sei an eine Vereinbarung der Eltern aber nur so lange gebunden, als dadurch der Gesamtunterhalt nicht geschmälert und das Kindeswohl nicht gefährdet werde. Der vereinbarte Unterhalt von 300 EUR entspreche weder der nach der Prozentsatzmethode ermittelten Leistungsfähigkeit des Vaters noch dem (Regel-)Bedarf des Kindes. Die Mutter sei bei einem Gesamteinkommen von nur 800 EUR (bereits unter Einbeziehung des vom Antragsgegner geleisteten Unterhalts von 300 EUR) nicht in der Lage, über ihre Betreuungsleistungen hinaus zum Unterhalt des Antragstellers beizutragen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil gesicherte Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Abgehen von der Vereinbarung auch ohne Änderung der Verhältnisse (Einkommen des Verpflichteten, Bedarf des Berechtigten) möglich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem gemäß § 71 Abs 1 AußStrG den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.Der Revisionsrekurs ist entgegen dem gemäß Paragraph 71, Absatz eins, AußStrG den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Eine zwischen den Eltern geschlossene, pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vereinbarung über den Unterhalt bindet grundsätzlich auch das Kind (RIS-Justiz RS0047513). Das gilt aber nur, wenn sie in Kenntnis der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse getroffen wurde (RIS-Justiz RS0047513). Gingen die Parteien irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen aus, so steht die Vereinbarung einer Neufestsetzung des Unterhalts nicht entgegen (RIS-Justiz RS0107667 und RS0107666; ausführlich 6 Ob 18/97h; zuletzt etwa 9 Ob 40/02a und 1 Ob 167/05y). Weiters entfällt die Bindung, wenn sich die für die Unterhaltsbemessung relevanten Umstände nachträglich geändert haben (RIS-Justiz RS0053297) oder wenn durch eine Vereinbarung der Eltern über die Verteilung der Unterhaltslast der Gesamtunterhaltsanspruch des Kindes geschmälert (gefährdet) würde, etwa deswegen weil ein Elternteil nicht mehr bereit oder in der Lage ist, seinen Anteil zu leisten (RIS-Justiz RS0047513; 2 Ob 508/92; 1 Ob 571/95 = SZ 68/146; 4 Ob 263/98z; 4 Ob 344/98m).

2. Das Rekursgericht hat den Gesamtunterhaltsanspruch des Antragstellers als gefährdet angesehen, weil die Mutter nur über ein geringes Einkommen verfüge und der vereinbarte Unterhalt hinter der Leistungsfähigkeit des Vaters zurückbleibe und nicht einmal den Regelbedarf abdecke. Das rechtfertige auch ohne wesentliche Änderung der Verhältnisse ein Abgehen von der Vereinbarung.

Zum Einkommen der Mutter oder zu einer Gefährdung des Gesamtunterhalts hat der Antragsteller allerdings weder in erster Instanz noch in der Rekursbeantwortung ein Vorbringen erstattet. Die Begründung der Unterhaltserhöhung mit der Gefährdung des Gesamtunterhalts stellt daher (zumindest) eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Zudem ist fraglich, ob ein Zurückbleiben des vereinbarten gegenüber dem gesetzlichen Unterhalt auch dann ohne weiteres wahrgenommen werden kann, wenn dieser Umstand - wie anscheinend hier - schon bei Abschluss der Vereinbarung und bei deren pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung gegeben war.

3. Dies braucht hier aber nicht abschließend geklärt zu werden. Der Unterhaltsvereinbarung lag nämlich ein um über 300 EUR zu geringes Einkommen des Vaters zugrunde. Das allein rechtfertigt nach der oben (Punkt 1) dargestellten Rechtsprechung die Neubemessung des Unterhalts nach den tatsächlichen Verhältnissen.

Die Auffassung des Rekursgerichts, dass die Annahme einer falschen Bemessungsgrundlage im konkreten Fall nicht schade, weil der Vater jetzt ohnehin das seinerzeit angenommene Einkommen erziele, greift zu kurz. Wenn eine Vereinbarung nicht nur der Konkretisierung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs dient (6 Ob 81/00f, 4 Ob 122/02y ua), ist das ihr zugrunde liegende Verhältnis zwischen Bemessungsgrundlage und Unterhalt grundsätzlich auch bei einer Neubemessung zu beachten (1 Ob 631/91, 4 Ob 201/97f, 3 Ob 64/03p); anderes gilt nur dann, wenn sich nicht (nur) die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, sondern (auch) andere Umstände (zB Sorgepflichten) geändert haben (6 Ob 207/98d, 2 Ob 33/99p, 7 Ob 143/05p). Diese weit reichende Wirkung einer Unterhaltsvereinbarung ist nur gerechtfertigt, wenn die Vereinbarung und damit auch deren pflegschaftsgerichtliche Genehmigung auf richtigen Annahmen über die tatsächlichen Verhältnisse beruht haben. Spekulationen darüber, was die Eltern bei Kenntnis des tatsächlichen Einkommens vereinbart hätten und ob diese Vereinbarung gegebenenfalls genehmigt worden wäre, sind nicht angebracht. Vielmehr trägt ein Unterhaltsverpflichteter, der durch eine Vereinbarung gegenüber der gesetzlichen Unterhaltsbemessung begünstigt wird, das Risiko, dass sich nachträglich die Unrichtigkeit der der Vereinbarung zugrunde gelegten Annahmen erweist. Er ist in diesem Fall nicht durch die Anwendung der gesetzlichen Bemessungskriterien beschwert, und zwar auch dann nicht, wenn er nun zufällig gerade jenes Einkommen erzielt, das zu Unrecht der Vereinbarung zugrunde gelegt worden war.

4. Aus diesen Gründen kommt es auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Fragen nicht an. Insbesondere ist es nicht relevant, ob eine Gefährdung des Gesamtunterhalts auch dann zum Abgehen von einer Unterhaltsvereinbarung berechtigt, wenn sie schon bei Abschluss einer dennoch pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vereinbarung vorlag, und ob dieser Umstand gegebenenfalls auch von Amts wegen wahrgenommen werden kann. Vielmehr war der Unterhalt schon deswegen neu festzulegen, weil die der Vereinbarung zugrunde liegenden Annahmen falsch waren. Dass der Unterhalt nunmehr unrichtig bemessen worden wäre, wird im Rechtsmittel nicht behauptet. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E809714Ob37.06d

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inEF-Z 2006/48 S 88 - EF-Z 2006,88 = ÖA 2006,321 U500 - ÖA 2006 U500 = EFSlg 113.641 = EFSlg 113.643 = EFSlg 113.644 = EFSlg 113.649XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0040OB00037.06D.0420.000

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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