TE Vfgh Erkenntnis 2002/12/7 B890/02 ua

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Veröffentlicht am 07.12.2002
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit je € 2.142,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführenden Parteien beziehen eine Versehrtenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Mit Bescheid des jeweils örtlich zuständigen Finanzamtes wurde die Einkommensteuer der beschwerdeführenden Parteien für das Veranlagungsjahr 2001 festgesetzt. Die den beschwerdeführenden Parteien ausbezahlte Versehrtenrente wurde dabei jeweils den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugerechnet (vgl. §25 Abs1 Z1 litc EStG 1988) und in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen (vgl. §3 Abs1 Z4 litc EStG 1988).

Die beschwerdeführenden Parteien erhoben dagegen Berufung an die jeweils örtlich zuständige Finanzlandesdirektion, die dieses Rechtsmittel jedoch als unbegründet abwies und die erstinstanzlichen Bescheide jeweils bestätigte.

2. Gegen diese - letztinstanzlichen - Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden gem. Art144 B-VG, worin die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

Die belangten Behörden haben die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt.

3. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G85/02, hat der Verfassungsgerichtshof das Wort "einmalige" sowie die Wortfolge ", soweit nicht Ansprüche auf laufende Zahlungen abgefunden werden," in §3 Abs1 Z4 litc EStG 1988 idF des Euro-Steuerumstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 59/2001, als verfassungswidrig aufgehoben, somit jene Teile dieser Gesetzesbestimmung, durch die Versehrtenrenten aus einer gesetzlichen Unfallversorgung von der Einkommensteuerfreiheit ausgenommen werden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der mündlichen Verhandlung (sollte eine solche nicht stattfinden: zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986, 11.711/1988).

2. Die nichtöffentliche Beratung in dem zu G85/02 geführten Verfahren begann am 28. November 2002. Die vorliegenden Beschwerden waren vor diesem Zeitpunkt beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Nach dem soeben Ausgeführten stehen die Fälle daher einem Anlaßfall gleich.

3. Die belangten Behörden haben eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsposition der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.

Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

4. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist jeweils Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG) in Höhe von € 180,-- enthalten.

5. Dies konnte gem. §19 Abs4 Z3 VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B890.2002

Dokumentnummer

JFT_09978793_02B00890_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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