Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N*****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 35.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 11. November 2005, GZ 2 R 196/05s-11, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 9. August 2005, GZ 18 Cg 86/05v-7, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass sie wie folgt zu lauten hat:
„Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung wettbewerbswidriger Ankündigungen wird der Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils aufgetragen, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Flüge um bestimmte Preise - insbesondere Flüge nach Paris oder Rom um EUR 29 - anzukündigen, wenn über die Website der Beklagten innerhalb der auf die Ankündigung folgenden, auf der Website der Beklagten aufscheinenden Monate überhaupt kein Flug um den angekündigten - wohl aber um einen höheren - Preis buchbar ist, und/oder wenn in den auf die Ankündigung folgenden, auf der Website der Beklagten aufscheinenden Monaten nur ein Hin-, nicht jedoch auch ein Rückflug buchbar ist und der Rückflug mehr als den angekündigten Preis kostet.
Das Mehrbegehren, der Beklagten zu untersagen, Flüge um bestimmte Preise anzukündigen, wenn Personen, die einen Flug um den angekündigten Preis buchen wollen, in Wahrheit höhere - insbesondere um ein Mehrfaches, etwa das 5- oder 7-fache höhere - Beträge zahlen müssen, insbesondere wenn die nächste Möglichkeit, einen Flug in die angegebene Destination um den angekündigten Preis zu buchen, erst in mehreren - insbesondere erst in zehn oder mehr - Wochen besteht, obwohl in der Zeit davor in Flugzeugen der Beklagten, welche die beworbene Destination anfliegen, noch Plätze buchbar sind, die aber mehr kosten als den angekündigten Betrag, wird abgewiesen.
Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz vorläufig, die andere Hälfte endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 650,25 EUR (darin 108,38 EUR Umsatzsteuer) bestimmten anteiligen Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei hat die Hälfte der Kosten des Rekursverfahrens vorläufig, die andere Hälfte wie auch die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 731,52 EUR (darin 121,92 EUR Umsatzsteuer) bestimmten anteiligen Kosten des Rekursverfahrens und die mit 1000,98 EUR (darin 166,83 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind Luftfahrtunternehmen. Die Beklagte bildet beim Verkauf ihrer Flugtickets mehrere Preisstufen, die jeweils für eine bestimmte Anzahl von Sitzplätzen (Kontingente) verrechnet werden. Auf bestimmten Strecken verlangt sie in der niedrigsten Preisstufe 29 EUR. Davon ausgehend bildet sie weitere Preisstufen, die für bestimmte Sitzplatzkontingente verrechnet werden. Für die Flugstrecken von Wien nach Paris, Rom, London und Zürich beträgt der Anteil der um 29 EUR angebotenen Tickets im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Sitzplätze jeweils zwischen rund 11,5 % und 14,4 %. Im Zeitraum zwischen April und Oktober 2005 verkaufte die Beklagte auf diesen Strecken mehr als 35.000 Tickets um diesen Betrag.
Die Beklagte wirbt laufend in Zeitungen, auf Megaboards und im Internet unter Angabe der jeweiligen Destination und des Mindestpreises („Paris ab EUR 29", „Rom ab EUR 29").
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, Flüge um bestimmte Preise - insbesondere Flüge nach Paris oder Rom um EUR 29 - anzukündigen, wenn Personen, die einen Flug um den angekündigten Preis buchen wollen, in Wahrheit höhere - insbesondere um ein Mehrfaches, etwa das 5- oder 7-fache höhere - Beträge zahlen müssen, insbesondere.
- wenn bei der Beklagten innerhalb der auf die Ankündigung folgenden, auf der Website der Beklagten aufscheinenden Monate überhaupt kein Flug um den angekündigten - wohl aber um einen höheren - Preis buchbar ist, und/oder
- wenn in den auf die Ankündigung folgenden, auf der Website der Beklagten aufscheinenden Monaten nur ein Hin-, nicht jedoch auch ein Rückflug buchbar ist und der Rückflug mehr als den angekündigten Preis kostet, und/oder
- wenn die nächste Möglichkeit, einen Flug in die angegebene Destination um den angekündigten Preis zu buchen, erst in mehreren - insbesondere erst in zehn oder mehr - Wochen besteht, obwohl in der Zeit davor in Flugzeugen der Beklagten, welche die beworbene Destination anfliegen, noch Plätze buchbar sind, die aber mehr kosten als den angekündigten Betrag.
Die Beklagte verstoße gegen § 2 UWG, weil der Kunde erwarte, in den auf die Werbung folgenden Tagen, aber auch in den nächsten Wochen und Monaten um den angekündigten Preis nach Paris oder Rom und auch wieder zurück fliegen zu können. Kein Interessent rechne damit, dass die freien Plätze nicht um den beworbenen Preis, sondern beispielsweise nur um das Fünf- oder Siebenfache dieses Betrags verkauft würden.Die Beklagte verstoße gegen Paragraph 2, UWG, weil der Kunde erwarte, in den auf die Werbung folgenden Tagen, aber auch in den nächsten Wochen und Monaten um den angekündigten Preis nach Paris oder Rom und auch wieder zurück fliegen zu können. Kein Interessent rechne damit, dass die freien Plätze nicht um den beworbenen Preis, sondern beispielsweise nur um das Fünf- oder Siebenfache dieses Betrags verkauft würden.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Ihre Preisgestaltung - Bildung von Preisstufen, denen jeweils eine bestimmte Anzahl von Sitzplätzen zugewiesen werde - sei der anderer „Billig-Airlines" gleich. Der Anteil von Flugtickets der billigsten Kategorie (29 EUR) im Verhältnis zur Gesamtanzahl sämtlicher Tickets betrage mehr als 10 %. Die Beklagte stelle damit Tickets um den beworbenen Preis in ausreichender Menge zur Verfügung. Die Werbung sei weder unrichtig noch irreführend. Ein Fluginteressent erwarte keineswegs, ein Ticket für Flüge an den unmittelbar folgenden Tagen erwerben zu können. Er gehe vielmehr davon aus, dass er möglichst früh im Voraus buchen müsse, um eines der billigsten Tickets für den gewünschten Reisetag erwerben zu können. Die Klägerin habe die von ihr behauptete Erwartungshaltung der Fluginteressenten nicht bescheinigt.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Es stellte noch fest, ein Fluggast, der am 8. 4. 2005 an einem Flug nach Paris oder London um 29 EUR interessiert gewesen sei, habe auf der Website der Beklagten den ersten buchbaren Hinflug nach Paris am 28. 9. 2005 und nach Rom am 31. 10. 2005 vorgefunden. Ein Rückflug aus Paris (um diesen Preis) wäre erstmals am 19. 10. 2005 möglich gewesen; aus Rom wäre ein Rückflug um 29 EUR im buchbaren Zeitraum bis 31. 10. 2005 nicht möglich gewesen. Am 8. 6. 2005 habe es bis Ende Oktober 2005 für beide Destinationen keinen einzigen Hin- oder Rückflug um den beworbenen Preis gegeben. Der nächstmögliche Flug nach London um 29 EUR hätte für den 20. 9. 2005, jener nach Zürich für den 31. 8. 2005 gebucht werden können. Aus beiden Destinationen wäre ein Rückflug um diesen Preis im buchbaren Zeitraum nicht möglich gewesen. Es hätte nur die Möglichkeit bestanden, Flüge um einen beträchtlich höheren Preis zu buchen. Bis 19. 6. 2005 hätte ein Flug nach Paris und zurück 428 EUR und ein Flug nach Rom und zurück 313 EUR gekostet.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Interessent erwarte aufgrund der Werbung der Beklagten, dass er auch tatsächlich zumindest in den auf die Werbung folgenden Wochen und Monaten in die angeführten Städte fliegen und von dort auch wieder zurückfliegen könne. Eine derartige Möglichkeit habe am 8. 4. und 8. 6. 2005 nicht bestanden. Kein Interessent rechne damit, dass ein Luftfahrtunternehmen, das mit Flugpreisen von 29 EUR werbe, die freien Plätze nicht um den beworbenen Preis, sondern um ein Mehrfaches dieses Betrags verkaufe. Die Werbung der Beklagten verstoße somit gegen § 2 UWG.Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Interessent erwarte aufgrund der Werbung der Beklagten, dass er auch tatsächlich zumindest in den auf die Werbung folgenden Wochen und Monaten in die angeführten Städte fliegen und von dort auch wieder zurückfliegen könne. Eine derartige Möglichkeit habe am 8. 4. und 8. 6. 2005 nicht bestanden. Kein Interessent rechne damit, dass ein Luftfahrtunternehmen, das mit Flugpreisen von 29 EUR werbe, die freien Plätze nicht um den beworbenen Preis, sondern um ein Mehrfaches dieses Betrags verkaufe. Die Werbung der Beklagten verstoße somit gegen Paragraph 2, UWG.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten teilweise Folge und verbot der Beklagten, bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, besonders günstige Flüge, insbesondere solche betreffend die Destinationen Paris oder Rom um EUR 29, anzukündigen, wenn zwar teurere, nicht aber dem entsprechende Flugplätze tatsächlich für eine gewisse Zeit in ausreichender Menge erhältlich sind, sodass die üblicherweise zu erwartende Nachfrage auch tatsächlich gedeckt werden kann, insbesondere wenn bei der Beklagten innerhalb des auf die Ankündigung folgenden, auf ihrer Website aufscheinenden Zeitraums von rund viereinhalb Monaten überhaupt kein Flug um den angekündigten Preis buchbar ist, und/oder wenn in dem auf die Ankündigung folgenden, auf der Website der Beklagten aufscheinenden Zeitraum von zumindest rund viereinhalb Monaten nur ein Hin-, nicht jedoch auch ein Rückflug um den angekündigten Preis buchbar ist.
In Ansehung eines allgemeinen Verbots der Ankündigung von tatsächlich nicht erhältlichen Flügen um bestimmte Preise ohne Bezugnahme darauf, ob diese zumindest für eine gewisse Zeit in ausreichender Menge eine üblicherweise zu erwartende Nachfrage hätten abdecken können, sowie in Ansehung eines Verbots auch außerhalb des Handelns im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs sowie in Ansehung unkonkreter, über obige Zeitangaben hinausgehender Zeiträume werde der Sicherungsantrag abgewiesen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Beklagte werbe planmäßig mit besonders günstigen Preisen, obwohl die beworbenen Tickets - wenn überhaupt - nur für in ferner Zukunft gelegene Flugtage erhältlich seien. In einem solchen Fall müsse die Beklagte - wie beim Ausverkauf der beworbenen Ware am ersten Tag eines Aktionszeitraums - behaupten und beweisen, dass der Kunde keine bessere Verfügbarkeit von Tickets für frühere Flugtage erwarte oder aus welchen unvorhersehbaren Gründen die bereitgehaltene Ticketmenge nicht ausgereicht habe. Dass die Beklagte tatsächlich einen bestimmten Prozentsatz der zur Verfügung stehenden Sitzplätze um den beworbenen Preis verkauft habe, sei nicht entscheidend; es komme vielmehr darauf an, ob die Zahl der im Zeitpunkt der Werbung aktuell zur Verfügung stehenden Tickets den Kundenerwartungen entspreche. Mit ihrem Vorbringen, ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher wisse, dass die billigsten Tickets als allererstes gebucht werden und regelmäßig nicht kurz vor dem Abflug erworben werden können, sei die Beklagte ihrer Behauptungs- und Bescheinigungslast nicht nachgekommen. Es gehe nämlich nicht um die Erwartungshaltung in Bezug auf die nähere Zukunft, sondern um das Erfordernis der Vorausbuchung von rund einem halben Jahr. Dass der Verbraucher derartige Verhältnisse erwarte, habe die Beklagte aber nicht dargetan.
Die Klägerin habe ihr Unterlassungsbegehren aber zu weit gefasst. Es sei einzuschränken; die in den Unterfällen enthaltenen unbestimmten Zeiträume seien zu konkretisieren. Der dritte Unterfall sei nur eine Wiederholung des bereits zuvor formulierten Verbots und somit entbehrlich. Eine Verpflichtung der Beklagten nach § 2 UWG bestehe nur im Rahmen des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs. Das darüber hinausgehende Begehren sei abzuweisen.Die Klägerin habe ihr Unterlassungsbegehren aber zu weit gefasst. Es sei einzuschränken; die in den Unterfällen enthaltenen unbestimmten Zeiträume seien zu konkretisieren. Der dritte Unterfall sei nur eine Wiederholung des bereits zuvor formulierten Verbots und somit entbehrlich. Eine Verpflichtung der Beklagten nach Paragraph 2, UWG bestehe nur im Rahmen des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs. Das darüber hinausgehende Begehren sei abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob die Rechtsprechung zur Irreführung über die Vorratsmenge auf die Werbung von Fluggesellschaften für Billigtickets anzuwenden ist; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
1. Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs:
Die Klägerin macht geltend, das Rekursgericht habe den Sicherungsantrag „in Ansehung eines Verbots auch außerhalb des Handelns im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs" zu Unrecht abgewiesen. Sie habe keinen derartigen Antrag gestellt.
Die Klägerin begehrt, der Beklagten die Ankündigung ihrer Dienstleistung unter bestimmten (von der Klägerin als irreführend beurteilten) Voraussetzungen zu untersagen, somit ein Verhalten zu verbieten, das ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bedeutet. Damit ist der vom Rekursgericht als notwendig erachtete ausdrückliche Hinweis zwar überflüssig (s 4 Ob 202/99f = ÖBl 2000, 72 - Format), aber auch unschädlich, weil sich das erlassene Gebot inhaltlich mit dem Begehren deckt. Zu entfallen hat aber die sich darauf beziehende Teilabweisung; die Klägerin hat kein Mehrbegehren gestellt, das abgewiesen werden könnte.
2. Zur Irreführung über die zur Verfügung stehenden (buchbaren) Flugtickets:
Die Klägerin macht geltend, das vom Erstgericht erlassene allgemeine Verbot sei berechtigt. Das Rekursgericht habe vom Verbot den Fall ausgenommen, dass die Beklagte Vorsorge treffe, um eine ausreichende, die zu erwartende Nachfrage deckende Menge zum angekündigten Preis bereit zu haben. Insoweit berücksichtige das Verbot weder die Natur des Verstoßes noch das bisherige Verhalten der Beklagten. Die Beklagte biete Tickets um 29 EUR ohne jede Einschränkung an und müsse daher jedem Interessenten Tickets um diesen Preis verkaufen, solange ein Flug nicht ausgebucht sei. Die Beklagte habe sich nicht darauf berufen, dass die angebotene Menge aus nicht vorhersehbaren, von der Beklagten nicht zu vertretenden Umständen nicht ausgereicht hätte, die zu erwartende Nachfrage zu decken.
Nach dem vom Rekursgericht erlassenen Gebot ist es der Beklagten untersagt, besonders günstige Flüge anzukündigen, wenn tatsächlich nur teurere Flugplätze für eine gewisse Zeit in ausreichender Menge erhältlich sind, um die üblicherweise zu erwartende Nachfrage auch tatsächlich zu decken. Das Rekursgericht hat die zur Irreführung über die Vorratsmenge im Einzelhandel entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung sinngemäß angewandt. Danach müssen die von einem Gewerbetreibenden angebotenen Waren - von zufälligen Lieferschwierigkeiten oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen im Einzelfall abgesehen - in genügender Menge auch tatsächlich vorhanden und zu haben sein, weil die Kunden erwarten, dass die Waren für eine gewisse Zeit in ausreichender Menge vorhanden sind und die Nachfrage gedeckt ist. Andernfalls wird der Kunde über die Vorratsmenge irregeführt und verleitet, andere Waren zu kaufen, die vorrätig sind (4 Ob 190/98 = ÖBl 1999, 27 - Aktionsmarkt; 4 Ob 147/00x = ÖBl 2000, 259 - Computer-Verkaufsaktion; 4 Ob 24/04i = ÖBl-LS 2004/21; RIS-Justiz RS0078574 und RS0078585).
Diese Rechtsprechung ist, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, im vorliegenden Fall sinngemäß anzuwenden. Auch hier geht es darum, dass mit einem bestimmten Angebot geworben, die dadurch hervorgerufene Nachfrage aber nicht befriedigt wird. Zur Irreführung geeignet ist eine solche Werbung immer dann, wenn der Vorrat (= das Dienstleistungsangebot) nicht ausreicht, um die zu erwartende Nachfrage zu decken, dh, übertragen auf die Ticketwerbung von Fluggesellschaften, wenn weniger Flugplätze zu günstigen Tarifen zur Verfügung stehen, als die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der Werbung erwarten. Für die Entscheidung kommt es daher darauf an, welche Erwartungen die angesprochenen Verkehrskreise mit der Ankündigung der Beklagten verbinden und ob diese Erwartungen - wie die Klägerin behauptet - enttäuscht werden:
Die Beklagte wirbt für Flüge „ab 29 EUR" und damit auch für Flüge „um 29 EUR", weil die Angabe eines Mindestpreises ein Angebot zu diesem Preis einschließt. Die von der Beklagten angebotenen Flüge können (auch) über die Website gebucht werden. Flüge werden häufig online gebucht, weil das Internet Preisvergleiche erleichtert und es damit möglich macht, den jeweils günstigsten Flug zu finden. Gerade die Ankündigung eines besonders niedrigen Preises weckt daher die Erwartung, einen Flug zum angekündigten Mindestpreis online buchen zu können. Die Erwartung erstreckt sich regelmäßig auf den Hin- und Rückflug, weil günstige Flüge häufig für Ausflüge oder andere kurze Aufenthalte genützt werden. Sie wird enttäuscht, wenn - wie hier - die Online-Buchung daran scheitert, dass im buchbaren Zeitraum keine Flüge oder nur Hinflüge zum Mindestpreis erhältlich sind. Die Ankündigung eines Preises „ab EUR 29" ist daher zur Irreführung geeignet, wenn im Internet und damit im für die Online-Buchung offenstehenden Zeitraum keine Flüge oder nur Hin-, nicht aber auch Rückflüge um diesen Preis gebucht werden können.
Das vom Rekursgericht erlassene Gebot stellt zwar einerseits zutreffend darauf ab, welche Erwartungen das Angebot weckt, andererseits nimmt es aber nicht darauf Bedacht, dass die Irreführungseignung in der enttäuschten Erwartung einer Online-Buchung liegt. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist - wie oben dargelegt - die Ankündigung schon dann zur Irreführung geeignet, wenn innerhalb des auf der Website aufscheinenden Zeitraums kein Flug um den angekündigten Preis online buchbar ist; ob auf andere Weise (etwa über ein Reisebüro oder direkt bei der Beklagten) noch Flugplätze um den angekündigten Preis erhältlich sind, ist nicht maßgebend. Wer nämlich, durch das günstige Angebot veranlasst, die Website der Beklagten aufsucht, den Flug aber online nicht mehr zum angekündigten Preis buchen kann, wird sich oft für einen teureren Flug entscheiden, da ein durchschnittlicher Internetnutzer nicht damit rechnen wird, den gewünschten Flug auf einem der anderen (regelmäßig kostenaufwändigeren) Vertriebswege buchen zu können.
Die Klägerin rügt daher im Ergebnis zu Recht, dass die vom Rekursgericht gewählte Fassung des Unterlassungsgebots nicht ausreichend bestimmt ist. Der Spruch war somit deutlicher zu fassen, und zwar im Sinne der „insbesondere-Fälle" des Begehrens, die den als irreführend zu wertenden Sachverhalt beschreiben. Dabei war klarzustellen, dass die Ankündigung schon dann zur Irreführung geeignet ist, wenn (bloß) die Online-Buchung nicht möglich ist.
Nicht berechtigt ist hingegen das darüber hinausgehende Begehren. Die Klägerin strebt ganz allgemein das Verbot von Ankündigungen an, mit denen Flüge um bestimmte (günstige) Preise angeboten werden, die aber nicht zu den angegebenen (günstigen) Preisen, sondern nur zu höheren Preisen gebucht werden können. Diesem Begehren liegt die Auffassung zugrunde, der Kunde erwarte, Billigflüge zu jedem von ihnen gewünschten Termin buchen zu können, solange das Flugzeug nicht ausgebucht ist.
Diese Auffassung wird den Erwartungen der angesprochenen Verkehrskreise nicht gerecht:
An günstigen Flugverbindungen interessierte Personen wissen, dass besonders günstige Tarife regelmäßig nur für bestimmte Sitzplatzkontingente gelten und nicht jeder Sitzplatz in einer Maschine in dieselbe Preiskategorie fällt. Der verständige Verbraucher erwartet daher nicht, dass er, solange es noch freie Plätze gibt, zum niedrigsten Preis fliegen kann. Er nimmt auch nicht an, dass er derart günstige Flüge kurzfristig buchen und unverzüglich antreten kann, sondern er weiß, dass die billigsten Plätze regelmäßig Monate im Voraus gebucht werden müssen. Der verständige Verbraucher versteht das Angebot der Beklagten daher nicht dahin, dass - worauf das allgemein formulierte Begehren und das dritte „insbesondere"-Begehren der Klägerin gerichtet sind - Tickets um EUR 29 abgegeben werden, solange das Flugzeug nicht ausgebucht ist.
Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben; der Spruch war im Sinne des Begehrens der Klägerin deutlicher zu fassen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Obsiegen und Unterliegen waren mangels anderer Anhaltspunkte gleich zu bewerten.Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, EO, jene über die Kosten der Beklagten auf Paragraph 393, Absatz eins, EO in Verbindung mit Paragraphen 43,, 50 ZPO. Obsiegen und Unterliegen waren mangels anderer Anhaltspunkte gleich zu bewerten.
Textnummer
E80968European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0040OB00265.05G.0420.000Im RIS seit
20.05.2006Zuletzt aktualisiert am
12.05.2016