TE OGH 2006/4/25 10ObS51/06g

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Veröffentlicht am 25.04.2006
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Scherz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter, in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Magdalena N*****, vertreten durch Mag. German Storch, Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, Klosterstraße 1, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz, Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Februar 2004, GZ 12 Rs 110/03p-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Mai 2003, GZ 17 Cgs 24/03p-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt. Der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 333,12 EUR (darin 55,52 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 6.7.1920 geborene Klägerin leidet an einem proportionierten Kleinwuchs und Untergewichtigkeit von 10 kg, einem Cornelia de Lange-Syndrom, verbunden mit Innenohrtaubheit und psychomotorischem Entwicklungsrückstand.

Sie benötigt fremde Hilfe bei der täglichen Körperpflege (25 Stunden), bei der Zubereitung von Mahlzeiten (30 Stunden), für die Motivation zur Nahrungsaufnahme und zur Aufforderung zum Weiteressen, damit sie die notwendigen Nahrungsmittel zu sich nimmt (10 Stunden), beim An- und Auskleiden (20 Stunden), für die Reinigung bei Harn- und Stuhlteilinkontinenz (10 Stunden), bei der Verrichtung der Notdurft (30 Stunden), für die Einnahme von Medikamenten (3 Stunden). Weiters benötigt die Klägerin konsequente Hilfe bei der Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten (10 Stunden), der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände (10 Stunden), der Pflege der Leib- und Bettwäsche (10 Stunden), der Mobilitätshilfe im engeren Sinn (15 Stunden) und der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn (10 Stunden).

Mit Ausnahme der Unterstützungsleistung für das Aufsuchen des Klosetts können bei der Klägerin alle Pflegemaßnahmen hinsichtlich Körperpflege, Nahrungsaufnahme, An- und Auskleiden sowie Medikamteneinnahme in koordinierten Pflegeeinheiten erfolgen. Hinsichtlich der Hilfestellung bei der Verrichtung der Notdurft ist es aber notwendig, dass ständig eine Pflegeperson im engeren Wohnbereich zur Verfügung steht, die Hilfestellung leistet, sobald die Klägerin aufs Klosett gehen will. Da ein Anfallsleiden nicht vorliegt und auch über psychische Unruhezustände nichts berichtet wird, sind keine unkoordinierbaren Pflegemaßnahmen notwendig, mit Ausnahme der Hilfestellung bei der Verrichtung der Notdurft. Dieser Zustand besteht seit Antragstellung. Mit einer Besserung ist nicht mehr zu rechnen.

Die Klägerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz und ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Oberösterreich. Sie bezieht (ausschließlich aufgrund von Kindererziehungszeiten) von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern eine deutsche Rentenleistung. Eine Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung besteht nicht, weil hiefür keine Beiträge für die Klägerin einbezahlt worden sind.

Mit Bescheid vom 19. 11. 2002 hat das Land Oberösterreich den Antrag der Klägerin vom 4. 10. 2001 auf Gewährung von Pflegegeld nach dem OÖPGG abgelehnt.

Das Erstgericht sprach der Klägerin - ausgehend von einem Pflegebedarf von 183 Stunden monatlich und einem außergewöhnlichen Pflegebedarf - Pflegegeld der Stufe 5 nach dem OÖPGG zu. Die Klägerin habe mangels Beitragsleistung keinen Anspruch auf Leistungen aus der deutschen Pflegeversicherung. In Österreich bestehe keine Zuständigkeit des Bundes für den Pflegegeldanspruch der Klägerin, weil sie keine Grundleistung beziehe, für die als Annexleistung Bundespflegegeld gebührte. Da die Klägerin aufgrund ihrer Mitversicherung bei ihrem Ehegatten Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung habe, sei insofern die Zuständigkeit des Landes Oberösterreich als Pflegegeldträger für die Gewährung von Pflegegeldleistungen gegeben. Bei einem monatlichen Pflegebedarf mehr als 180 Stunden und einem außergewöhnlichen Pflegeaufwand (weil die dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson erforderlich sei) habe die Klägerin Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Da das Erstgericht den Zeitaufwand im Zusammenhang mit der Verrichtung der Notdurft doppelt veranschlagt habe und bei richtiger Ermittlung des Pflegebedarfs der Schwellenwert von 180 Stunden nicht überschritten werde, stehe der Klägerin Pflegegeld der Stufe 4 zu. Die Leistung sei der Klägerin mangels Anspruchs auf Leistungen nach dem BPGG vom Land Oberösterreich zu gewähren.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur strittigen Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG idF LGBl 2001/155 nicht bestehe und die Frage, ob diese Bestimmung EWR-Leistungsbezieher generell vom oberösterreichischen Landespflegegeld ausschließe, von grundsätzlicher Bedeutung für eine erhebliche Anzahl von Personen sei.Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur strittigen Bestimmung des Paragraph 3, Absatz 2, Ziffer 2, OÖPGG in der Fassung LGBl 2001/155 nicht bestehe und die Frage, ob diese Bestimmung EWR-Leistungsbezieher generell vom oberösterreichischen Landespflegegeld ausschließe, von grundsätzlicher Bedeutung für eine erhebliche Anzahl von Personen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In der Revision wiederholt die beklagte Partei ihren Standpunkt, dass die Klägerin aufgrund des § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG vom Anspruch auf Landespflegegeld ausgeschlossen sei.In der Revision wiederholt die beklagte Partei ihren Standpunkt, dass die Klägerin aufgrund des Paragraph 3, Absatz 2, Ziffer 2, OÖPGG vom Anspruch auf Landespflegegeld ausgeschlossen sei.

Im Hinblick auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 27. 7. 2004, 10 ObS 63/04v, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, in § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG die Wortfolge "oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens" als verfassungswidrig aufzuheben.Im Hinblick auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 27. 7. 2004, 10 ObS 63/04v, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, in Paragraph 3, Absatz 2, Ziffer 2, OÖPGG die Wortfolge "oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens" als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 7. 3. 2006, G 119/04-28 ua, hat der Verfassungsgerichtshof in § 3 Abs 2 Z 2 des Oö. Pflegegeldgesetzes, LGBl. Nr. 64/1993, in der Fassung des Landesgesetzes, mit dem das Oö. Pflegegeldgesetz geändert wird (Oö. Pflegegeldgesetz-Novelle 2002), LGBl. Nr. 155/2001, die Wortfolge "oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.Mit Erkenntnis vom 7. 3. 2006, G 119/04-28 ua, hat der Verfassungsgerichtshof in Paragraph 3, Absatz 2, Ziffer 2, des Oö. Pflegegeldgesetzes, Landesgesetzblatt Nr. 64 aus 1993,, in der Fassung des Landesgesetzes, mit dem das Oö. Pflegegeldgesetz geändert wird (Oö. Pflegegeldgesetz-Novelle 2002), Landesgesetzblatt Nr. 155 aus 2001,, die Wortfolge "oder von Vorschriften einer Vertragspartei des EWR-Abkommens" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.

Nach der Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs ist das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem der (nach Ansicht der beklagten Partei auf die Klägerin anzuwendende) Ausschlusstatbestand des § 3 Abs 2 Z 2 OÖPGG beseitigt wurde, erweisen sich die allein auf die Anwendbarkeit dieser Bestimmung gestützten Revisionsausführungen als nicht berechtigt. Die Klägerin hat demnach Anspruch auf Landespflegegeld nach dem OÖPGG (ebenso zuletzt 10 ObS 177/04h mwN).Nach der Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs ist das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem der (nach Ansicht der beklagten Partei auf die Klägerin anzuwendende) Ausschlusstatbestand des Paragraph 3, Absatz 2, Ziffer 2, OÖPGG beseitigt wurde, erweisen sich die allein auf die Anwendbarkeit dieser Bestimmung gestützten Revisionsausführungen als nicht berechtigt. Die Klägerin hat demnach Anspruch auf Landespflegegeld nach dem OÖPGG (ebenso zuletzt 10 ObS 177/04h mwN).

In diesem Sinn ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.In diesem Sinn ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera a, ASGG.

Anmerkung

E80617 10ObS51.06g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:010OBS00051.06G.0425.000

Dokumentnummer

JJT_20060425_OGH0002_010OBS00051_06G0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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