TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/13 2007/12/0123

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.09.2007
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
65/02 Besonderes Pensionsrecht;

Norm

AVG §56;
B-VG Art140 Abs7;
TeilpensionsG 1997 §2 Abs1 idF 2001/I/086;
TeilpensionsG 1997 §2 Abs1 idF 2003/I/071;
TeilpensionsG 1997 §2 Abs1 idF 2003/I/130;
TeilpensionsG 1997 §2 Abs1 idF 2004/I/142;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des W P in R, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch und Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/10/40, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 13. Dezember 2006, Zl. BMF-111301/0250-II/5/2006, betreffend Wandlung der Vollpension in einen Anspruch auf Teilpension gemäß § 2 Abs. 1 TPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof geht aufgrund der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides von Folgendem aus:

Der Beschwerdeführer steht seit 1. Dezember 2003 als Gruppeninspektor in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Die Ruhestandsversetzung erfolgte nach § 22g Abs. 1 des Bundesbediensteten-Sozialplangesetzes.

Mit Bescheid des Bundespensionsamtes vom 27. November 2003 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer ab 1. Dezember 2003 ein monatlicher Ruhegenuss von brutto EUR 1.176,10 gebührt. Mit weiterem Bescheid vom 21. Juli 2004 erfolgte die Feststellung, dass ab diesem Zeitpunkt zum Ruhegenuss eine Nebengebührenzulage von monatlich brutto EUR 223,40 gebührt.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der monatliche Ruhebezug des Beschwerdeführers für den Zeitraum von 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2005 nach dem Teilpensionsgesetz gekürzt. Die belangte Behörde führte aus, der Verfassungsgerichtshof habe aus Anlass diverser Beschwerden - allerdings nicht aufgrund einer Beschwerde des Beschwerdeführers -

von Amts wegen, aber auch aufgrund von Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Teilpensionsgesetzes (TPG), in den hier in Frage kommenden Fassungen, eingeleitet und mit Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, G 67/05, G 89/05, G 90/05, G 92/05 und G 95/05, § 2 des TPG in den hier in Frage kommenden Fassungen als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Aufhebung sei im Bundesgesetzblatt I Nr. 141/2005, ausgegeben am 9. Dezember 2005, kundgemacht worden. In den Anlassfällen seien die Bescheide mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehoben worden, weil die Beamten durch die Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden seien. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass dies nur für die erwähnten Anlassfälle gegolten habe. Die Aufhebung der Gesetzesbestimmung bewirke nach Art. 140 Abs. 7 B-VG, dass diese gesetzliche Bestimmung auf die Anlassfälle nicht mehr anwendbar sei. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sei die gesetzliche Bestimmung auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme der Anlassfälle weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausspreche. Anderes sei im genannten Erkenntnis nicht ausgesprochen worden. Da die Berufungsangelegenheit des Beschwerdeführers nicht als Anlassfall zu beurteilen sei, die Tatbestandsverwirklichung, nämlich die Ausübung der Erwerbstätigkeit in der Zeit ab Dezember 2003, aus der der Beschwerdeführer ein Erwerbseinkommen bezogen habe, eindeutig vor dem Wirksamwerden des aufhebenden Erkenntnisses des Höchstgerichtes eingetreten sei, sei § 2 TPG heranzuziehen und anzuwenden. Da der Verfassungsgerichtshof keine Frist für das Außerkrafttreten bestimmt habe, sei die Aufhebung des § 2 TPG in den vom Verfassungsgerichtshof angeführten Fassungen nach Art. 140 Abs. 5 B-VG mit Ablauf des Tages der Kundmachung der Aufhebung, also mit Ablauf des 9. Dezembers 2005, in Kraft getreten. Dies führe dazu, dass jedenfalls ab 1. Jänner 2006 der Ruhebezug des Beschwerdeführers nicht mehr gekürzt werde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2007, B 125/07, ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, der die behauptete Verletzung herbeiführende § 2 TPG sei bereits mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 2005, G 67/05 ua (in dem übrigens kein Ausspruch im Sinne des Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG getroffen worden sei) - in allen hier in Betracht kommenden Fassungen - als verfassungswidrig aufgehoben worden. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei aber die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesbestimmung von Gerichten und Verwaltungsbehörden - mit Ausnahme des Anlassfalles - auf alle jene Sachverhalte anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung lägen; eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesstelle könne zudem nicht neuerlich Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens sein.

Gegen den genannten Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 13. Dezember 2006 richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 (1) Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG seien alle Gerichte und Verwaltungsbehörden für den Fall, dass ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden sei oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen habe, dass ein Gesetz verfassungswidrig gewesen sei, an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles sei jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspreche. Der Verfassungsgerichtshof habe § 2 TPG im Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, G 67/05 u.a. aufgehoben, die Wirksamkeit der Aufhebung sei mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag, also am 10. Dezember 2005 eingetreten. Der Verfassungsgerichtshof habe in diesem Erkenntnis keinerlei Aussprüche bezüglich der weiteren Anwendbarkeit des als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzes getätigt, sodass das Gesetz mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden sei. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2002, B 1256/01, sei klargestellt worden, dass die im Art. 140 Abs. 7 B-VG angesprochene Verwirklichung des Tatbestandes erst "im Vorgang der behördlichen Entscheidung" liege. Umgemünzt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies jedoch, dass erst mit Bescheid des Bundespensionsamtes vom 12. Mai 2006 erstmals über den Anspruch auf Teilpension abgesprochen worden sei. Es ergebe sich daher, dass zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Aufhebung des § 2 TPG durch den Verfassungsgerichtshof, wirksam mit 10. Dezember 2005, der gegenständliche Tatbestand noch nicht verwirklicht gewesen sei, da die Verwirklichung erst mit 12. Mai 2006 eingetreten sei. Ab diesem Zeitpunkt sei die "bereinigte" Rechtslage anzuwenden gewesen. Die belangte Behörde hätte sich daher nicht auf § 2 TPG stützen dürfen.

Hiezu ist Folgendes auszuführen:

Der Beschwerde kann insofern beigepflichtet werden, als die Aufhebung des § 2 TPG BGBl. I 1997/138 in den Fassungen BGBl. I 2001/86, BGBl. I 2003/71, BGBl. I 2003/130 und BGBl. I 2004/142 mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag, also dem 10. Dezember 2005 wirksam wurde. Der Beschwerdeführer geht selbst davon aus, dass der Beschwerdefall keinen Anlassfall darstellt. Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist § 2 TPG in den genannten Fassungen - mit Ausnahme des Anlassfalles - auf alle jene Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen. Hier hat eine zeitraumbezogene Betrachtung stattzufinden, der zu beurteilende Zeitraum der unselbstständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers ab 1. Dezember 2003 liegt vor dem Wirksamwerden der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof. Diese Rechtsansicht wurde im Übrigen auch vom Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 11. Juni 2007 vertreten.

Soweit sich der Beschwerdeführer ganz allgemein auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2002, B 1256/01, Slg. Nr. 16750, beruft, tut er dies zu unrecht. In jenem Fall hatte die belangte Behörde ihren angefochtenen Bescheid (Abbruchsbescheid), der kein Anlassfall gewesen war, nach Wirksamwerden der Aufhebung der ihn tragenden einfachgesetzlichen Bestimmung erlassen, weil ihrer Auffassung nach ein Sachverhalt vorliege, der sich vor der Aufhebung verwirklicht habe. Der Verfassungsgerichtshof ging dementgegen davon aus, dass ein Tatbestandselement (hier: bescheidmäßige Feststellung des Nichtbestehens eines Bauverbotes) für den (entgegen seiner gesetzlichen Bezeichnung als Feststellungsbescheid mit konstitutiver Wirkung ausgestatteten) Abbruchsbescheid erst im Zeitpunkt seiner Erlassung beurteilt werden könne. Damit sei aber der Tatbestand der als verfassungswidrig aufgehobenen gesetzlichen Bestimmung (für den Abbruchsauftrag) in diesem (speziellen) Falle erst "im Vorgang der behördlichen Entscheidung verwirklicht" worden (und damit nach Wirksamwerden der Aufhebung der den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesbestimmung, die deshalb gemäß Art 140 Abs. 7 B-VG nicht mehr hätte angewendet werden durfte). Dass derartiges auch im Beschwerdefall nach dem TPG zutreffe, hat der Beschwerdeführer gar nicht behauptet; dies ist auch nicht der Fall. Sämtliche Tatbestandselemente sind zeitraumbezogen vor der Wirksamkeit der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zu beurteilen. Die belangte Behörde hat daher zu Recht § 2 Abs. 1 TPG in den vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Fassungen angewendet.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. September 2007

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007120123.X00

Im RIS seit

02.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten