Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Georg W*****, vertreten durch Pfurtscheller Orgler Huber, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Österreichisches Rotes Kreuz, Landesverband *****, vertreten durch Zink Petzer Marschitz Petzer, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen 8.515,20 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 8.320,30 EUR brutto sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Dezember 2005, GZ 13 Ra 52/05b-14, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Juni 2005, GZ 48 Cga 28/05s-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie - einschließlich der unbekämpft gebliebenen Teile - zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 8.515,20 EUR brutto samt 10,2 % Zinsen aus 2.728,60 EUR seit 1. 1. 2003, 10,2 % Zinsen aus 779,60 EUR seit 1. 5. 2003, 9,47 % Zinsen aus 2.053 EUR seit 1. 1. 2004 und 9,47 % Zinsen aus 2.954 EUR seit 1. 1. 2005 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.986,81 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten 331,13 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.545,70 EUR bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens (darin enthalten 272,78 EUR USt, 1.909 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, der bereits vor Beginn des Dienstverhältnisses die Reifeprüfung abgelegt hatte, ist seit 23. 4. 2001 bei der Beklagten als Rettungssanitäter (Rettungsfahrer) beschäftigt und als Angestellter bei der Sozialversicherung gemeldet.
Der Kläger leistet dem Notarzt Assistenz: Bei „Losgehen des Piepsers" fährt der Kläger mit dem Rettungswagen an den Einsatzort und leistet dort erweiterte Erste Hilfe. Er führt auch Krankentransporte durch. Der von den Streitteilen unterfertigte Dienstzettel hält auszugsweise fest:
„Dienstzettel
Gem. P. 3 Abs b des Arbeits- und lohnrechtlichen Übereinkommens nach
mündlicher Vereinbarung
.......
6. Dienstverwendung: a) Arbeitsgebiet nach Art, Umfang und Ort der Tätigkeit wird vom unmittelbaren Vorgesetzten zugewiesen. Verpflichtung des Dienstnehmers auf Verrichtung aufgetragener Tätigkeiten auch anderen Orts.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen zu Unrecht davon ausgingen, dass das ALÜ einen Kollektivvertrag darstellt. Die Revision ist auch berechtigt. Da der Kläger seinen Entgeltanspruch unter anderem auf einen kollektivvertraglichen Rechtsgrund (Punkt 11 des ALÜ) gestützt hat, ist die formelle Gültigkeit dieses „Kollektivvertrages" auch noch im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen (8 ObA 248/95 mwN). Dass die Beklagte sich in erster Instanz nicht auf die Unwirksamkeit des „Kollektivvertrages" berufen hat, schadet somit nicht. Der Beklagten wurde erst mit Bescheid des Bundeseinigungsamtes vom 27. Jänner 1998 die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt. Ein Kollektivvertrag wurde bisher nicht geschlossen. Das lang vor 1997 geschlossene „ALÜ" stellt somit keinen Kollektivvertrag dar (ZAS 1979/12 [Heinrich] = DRdA 1979/13 [Migsch]; Löschnigg, Arbeitsrecht10 79; Cerny inCerny/Gahleitner/Kundtner/Preis/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht Band II³ § 2 Erl 4).Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen zu Unrecht davon ausgingen, dass das ALÜ einen Kollektivvertrag darstellt. Die Revision ist auch berechtigt. Da der Kläger seinen Entgeltanspruch unter anderem auf einen kollektivvertraglichen Rechtsgrund (Punkt 11 des ALÜ) gestützt hat, ist die formelle Gültigkeit dieses „Kollektivvertrages" auch noch im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen (8 ObA 248/95 mwN). Dass die Beklagte sich in erster Instanz nicht auf die Unwirksamkeit des „Kollektivvertrages" berufen hat, schadet somit nicht. Der Beklagten wurde erst mit Bescheid des Bundeseinigungsamtes vom 27. Jänner 1998 die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt. Ein Kollektivvertrag wurde bisher nicht geschlossen. Das lang vor 1997 geschlossene „ALÜ" stellt somit keinen Kollektivvertrag dar (ZAS 1979/12 [Heinrich] = DRdA 1979/13 [Migsch]; Löschnigg, Arbeitsrecht10 79; Cerny inCerny/Gahleitner/Kundtner/Preis/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht Band II³ Paragraph 2, Erl 4).
Kollektivvertragliche Ansprüche kann der Kläger somit nicht geltend machen.
Nun ist durchaus denkbar - worauf sich der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung stützt - dass das als Kollektivvertrag unwirksame ALÜ gemäß § 863 ABGB - vergleichbar der Rechtslage bei unzulässigen Betriebsvereinbarungen - zur einzelvertraglichen Ergänzung des Dienstvertrages führte (RIS-Justiz RS0018115 uva). Im Unterschied zu dem der Entscheidung 4 Ob 139/77 (ZAS 1979/12 = DRdA 1979/13) zugrunde liegenden Sachverhalt steht dieser Annahme hier auch nicht entgegen, dass der Arbeitgeber am nichtigenNun ist durchaus denkbar - worauf sich der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung stützt - dass das als Kollektivvertrag unwirksame ALÜ gemäß Paragraph 863, ABGB - vergleichbar der Rechtslage bei unzulässigen Betriebsvereinbarungen - zur einzelvertraglichen Ergänzung des Dienstvertrages führte (RIS-Justiz RS0018115 uva). Im Unterschied zu dem der Entscheidung 4 Ob 139/77 (ZAS 1979/12 = DRdA 1979/13) zugrunde liegenden Sachverhalt steht dieser Annahme hier auch nicht entgegen, dass der Arbeitgeber am nichtigen
Kollektivvertragsabschluss nicht beteiligt war: Vertragspartner des ALÜ war die Beklagte.
Damit ist allerdings für den Kläger nichts zu gewinnen:
Hier steht fest, dass die Parteien ausdrücklich eine Entlohnung des als Rettungssanitäter (Rettungsfahrer) tätigen Klägers nach der Entlohnungsgruppe d des Dienstschemas I des VBG vereinbarten. Gilt das ALÜ bloß als Vertragsschablone, ist § 3 Abs 1 ArbVG nicht anzuwenden. Das bedeutet, dass es den Parteien des Arbeitsvertrages frei steht, die Geltung des ALÜ nur in dem Umfang zu vereinbaren, in dem nicht im Dienstvertrag abweichende Sonderregeln getroffen werden. Selbst wenn man also mit dem Kläger davon ausgehen wollte, dass das ALÜ, unterstellte man seine Geltung als Vertragsschablone, so auszulegen wäre, dass Angestellte mit Matura zwingend in die Entlohnungsgruppe b des Dienstschemas I des VBG einzureihen seien (also auch dann, wenn die vereinbarte und geleistete Tätigkeit eine Entlohnung in Entlohnungsgruppe d rechtfertigen würde), wäre hier wegen der - zulässigen - abweichenden vertraglichen Sondervereinbarung die Entlohnung nach der Entlohnungsgruppe d jedenfalls zu Recht erfolgt.Hier steht fest, dass die Parteien ausdrücklich eine Entlohnung des als Rettungssanitäter (Rettungsfahrer) tätigen Klägers nach der Entlohnungsgruppe d des Dienstschemas römisch eins des VBG vereinbarten. Gilt das ALÜ bloß als Vertragsschablone, ist Paragraph 3, Absatz eins, ArbVG nicht anzuwenden. Das bedeutet, dass es den Parteien des Arbeitsvertrages frei steht, die Geltung des ALÜ nur in dem Umfang zu vereinbaren, in dem nicht im Dienstvertrag abweichende Sonderregeln getroffen werden. Selbst wenn man also mit dem Kläger davon ausgehen wollte, dass das ALÜ, unterstellte man seine Geltung als Vertragsschablone, so auszulegen wäre, dass Angestellte mit Matura zwingend in die Entlohnungsgruppe b des Dienstschemas römisch eins des VBG einzureihen seien (also auch dann, wenn die vereinbarte und geleistete Tätigkeit eine Entlohnung in Entlohnungsgruppe d rechtfertigen würde), wäre hier wegen der - zulässigen - abweichenden vertraglichen Sondervereinbarung die Entlohnung nach der Entlohnungsgruppe d jedenfalls zu Recht erfolgt.
Auch auf eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kann der Kläger sein Klagebegehren nicht stützen: Den Kläger trifft nach der Rechtsprechung die Pflicht, zumindest den Anschein einer unsachlichen Behandlung darzulegen (RIS-Justiz RS0016826; SZ 65/14; Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 341). Das ist dem Kläger insofern nicht gelungen, als er zuletzt gar nicht in Abrede stellte, dass nur bis 1997 eine Praxis der Beklagten bestand, Maturanten unabhängig von der Art der ausgeübten Tätigkeit in Entlohnungsgruppe b einzureihen. Er brachte zuletzt ausdrücklich vor, dass nur noch ein Mitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt ist, der eine dem Kläger vergleichbare Tätigkeit ausübt und dennoch in die Entlohnungsgruppe b eingereiht ist. Damit fehlt es aber an jedem Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte die sie treffende arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflicht verletzte: Der von der Judikatur entwickelte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber, nicht einzelne Arbeitnehmer willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen Arbeitnehmer. Bei Verletzung des daraus erfließenden Benachteilungs- und Diskriminierungsverbotes hat der diskriminierte Arbeitnehmer Anspruch auf gleichartige Behandlung. In der Rechtsprechung wurde dabei immer betont, dass die arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflicht dem Arbeitgeber nur verbietet, einzelne Arbeitnehmer willkürlich schlechter zu behandeln als die übrigen. Eine sachlich nicht berechtigte Bevorzugung einer Minderheit kann den Gleichheitsgrundsatz nicht verletzen (siehe die Rechtsprechungsnachweise in 8 ObA 8/05t). Auch jene Vertreter der Lehre, die die Auffassung vertreten, dass ein bloßes Abstellen auf die jeweilige Arbeitnehmermajorität willkürlich ist, betonen, dass ein Gleichbehandlungsanspruch (nur) dann besteht, wenn der Behandlung der besser gestellten Arbeitnehmer - auch wenn sie im Verhältnis zu den Benachteiligten die kleinere Gruppe darstellen - ein erkennbares und generalisierendes Prinzip zugrunde liegt (vgl ebenfalls 8 ObA 8/05t mit Hinweisen auf die Lehre). Davon kann hier keine Rede sein, weil die Bevorzugung bloß eines Mitarbeiters der Beklagten jedenfalls keine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellen kann.Auch auf eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kann der Kläger sein Klagebegehren nicht stützen: Den Kläger trifft nach der Rechtsprechung die Pflicht, zumindest den Anschein einer unsachlichen Behandlung darzulegen (RIS-Justiz RS0016826; SZ 65/14; Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 341). Das ist dem Kläger insofern nicht gelungen, als er zuletzt gar nicht in Abrede stellte, dass nur bis 1997 eine Praxis der Beklagten bestand, Maturanten unabhängig von der Art der ausgeübten Tätigkeit in Entlohnungsgruppe b einzureihen. Er brachte zuletzt ausdrücklich vor, dass nur noch ein Mitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt ist, der eine dem Kläger vergleichbare Tätigkeit ausübt und dennoch in die Entlohnungsgruppe b eingereiht ist. Damit fehlt es aber an jedem Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte die sie treffende arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflicht verletzte: Der von der Judikatur entwickelte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber, nicht einzelne Arbeitnehmer willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen Arbeitnehmer. Bei Verletzung des daraus erfließenden Benachteilungs- und Diskriminierungsverbotes hat der diskriminierte Arbeitnehmer Anspruch auf gleichartige Behandlung. In der Rechtsprechung wurde dabei immer betont, dass die arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflicht dem Arbeitgeber nur verbietet, einzelne Arbeitnehmer willkürlich schlechter zu behandeln als die übrigen. Eine sachlich nicht berechtigte Bevorzugung einer Minderheit kann den Gleichheitsgrundsatz nicht verletzen (siehe die Rechtsprechungsnachweise in 8 ObA 8/05t). Auch jene Vertreter der Lehre, die die Auffassung vertreten, dass ein bloßes Abstellen auf die jeweilige Arbeitnehmermajorität willkürlich ist, betonen, dass ein Gleichbehandlungsanspruch (nur) dann besteht, wenn der Behandlung der besser gestellten Arbeitnehmer - auch wenn sie im Verhältnis zu den Benachteiligten die kleinere Gruppe darstellen - ein erkennbares und generalisierendes Prinzip zugrunde liegt vergleiche ebenfalls 8 ObA 8/05t mit Hinweisen auf die Lehre). Davon kann hier keine Rede sein, weil die Bevorzugung bloß eines Mitarbeiters der Beklagten jedenfalls keine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellen kann.
Die zwischen den Streitteilen aus den dargelegten Gründen wirksam getroffene ausdrückliche Entgeltvereinbarung steht somit der Berechtigung des Klagebegehrens des Klägers entgegen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich ebenso wie jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.Die zwischen den Streitteilen aus den dargelegten Gründen wirksam getroffene ausdrückliche Entgeltvereinbarung steht somit der Berechtigung des Klagebegehrens des Klägers entgegen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich ebenso wie jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf Paragraphen 41,, 50 ZPO.
Anmerkung
E80853 8ObA26.06sSchlagworte
Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ARD 5715/4/06 XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:008OBA00026.06S.0511.000Dokumentnummer
JJT_20060511_OGH0002_008OBA00026_06S0000_000