TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/18 2007/16/0089

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2007
beobachten
merken

Index

L34008 Abgabenordnung Vorarlberg;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

AbgVG Vlbg 1984 §123;
AbgVG Vlbg 1984 §13;
BAO §289;
BAO §50;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/16/0090

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des WS in V, vertreten durch Mag. Dr. Hubert Engstler, Wirtschaftsprüfer in 6774 Tschagguns, Zelfenstraße 24a, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. März 2007, Zl. IIIa-230.428, betreffend Getränkesteuer für das Jahr 1997 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde V, vertreten durch den Bürgermeister), und in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers gegen die Vorarlberger Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erhobene Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen und

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der am 27. August 1998 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Getränkesteuererklärung für das Kalenderjahr 1997 erklärte der Beschwerdeführer getrennt für die Monate Juli bis Dezember die Bemessungsgrundlage für die Getränkesteuer für alkoholische und alkoholfreie Getränke sowie Speiseeis, rechnete die jeweilige monatliche Getränkesteuerschuld und die gesamte Getränkesteuerschuld für alkoholische und alkoholfreie Getränke sowie Speiseeis aus und gab die gesamte Getränkesteuerschuld mit "0" an.

Mit dem bei der mitbeteiligten Gemeinde am 9. März 2000 eingelangten Schreiben vom 8. März 2000 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Rückzahlung der seit 1. Jänner 1995 geleisteten Getränkesteuer.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Antrag auf Rückzahlung der seit 1995 entrichteten Getränkesteuer als unbegründet zurück. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, vom Beschwerdeführer sei der Antrag auf Rückerstattung der Getränkesteuer für den Zeitraum 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1999 nicht vor Erlass des EuGH-Urteils, also bis spätestens 8. März 2000, 24.00 Uhr, gestellt worden. Somit sei ein Wesenskriterium für die Geltendmachung von Getränkesteueransprüchen für den Zeitraum vor Erlass des EuGH-Urteils nicht erfüllt worden und könne sich der Beschwerdeführer nicht auf die EU-Widrigkeit der Getränkesteuer berufen. In der Beschwerdesache sei seitens des Beschwerdeführers vor dem 9. März 2000 kein entsprechender Rechtsbehelf eingelegt worden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und begründete diese mit eingetretener Verjährung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Dezember 2006 setzte die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde auf Grund der eingebrachten Berufung die Getränkesteuer für das Kalenderjahr 1997 mit EUR 4.801,50 fest und wies die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. Dezember 2005, betreffend den Rückzahlungsantrag für das Jahr 1997 als unbegründet ab.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, da die Getränkesteuer in Restaurationsbetrieben, in denen die Dienstleistungen überwögen, lt. dem EuGH-Urteil vom 10. März 2005 und der neuesten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2006, Zl. 2005/16/0217, EU-konform sei, werde die Getränkesteuer für das Jahr 1997 mit EUR 4.801,50 festgesetzt. Vom Beschwerdeführer sei die Getränkesteuer auf alle Getränke, sowie auf Speiseeis mit 0 erklärt worden. Würde seitens der Behörde keine Festsetzung erfolgen, würde die Nullerklärung eine Abgabenhinterziehung nach sich ziehen. Da es sich bei der Getränkesteuer um eine Abgabe handle, die der Abgabepflichtige selbst zu bemessen, zu erklären und abzuführen habe, unterliege diese Abgabe der Verjährungsfrist von zehn Jahren. Demzufolge sei die Vorschreibung der Getränkesteuer zu Recht erfolgt. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wiederholte der Beschwerdeführer die Einrede der Verjährung und behauptete weiter, dass "die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nicht "vorlägen, weil "keine neuen Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen" seien. Die zum Anlass genommene EuGH-Entscheidung stelle auch keine Vorfragenbeantwortung dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde Vandans zurück. In der Begründung heißt es, da die Gemeinde gemäß ihren Aufzeichnungen für das Jahr 1997 ein Getränkesteuerguthaben festgestellt habe, sei auch ein Festsetzungsbescheid zu erlassen. Die Gemeinde verkenne, dass es sich bei der im EuGH-Urteil vom 9. März 2000, Rs C-437/97, geforderten Antragstellung vor 00.00 Uhr des 9. März 2000 nicht zwingend um einen Rückzahlungsantrag handeln müsse. Es genüge bereits eine Nullerklärung. Vom Beschwerdeführer sei für das Abgabenjahr 1997 am 27. August 1998 eine Nullerklärung eingereicht und somit fristgerecht ein entsprechender Rechtsbehelf erhoben worden. Lediglich der Rückzahlungsantrag sei am 9. März 2000 gestellt worden.

Da die Abgabe zur Gänze entrichtet worden sei - die Gemeinde habe sogar ein Guthaben festgestellt - könne § 132 V-AbGvG und demzufolge die zehnjährige Verjährungsfrist nicht greifen. Habe der Beschwerdeführer aber nur eine Nullerklärung abgegeben, nicht jedoch innerhalb von drei Jahren ab Entrichtung der Abgabe diese wieder zurückgefordert, greife der § 106 V-AbGvG. Da die Gemeinde auf Grund der Nullerklärung keinen Bescheid erlassen habe, müsse sie sich mit dem Rückzahlungsantrag im Sinne des § 106 V-AbGvG auseinander setzen. Die Getränkesteuerzahlungen seien für das Jahr 1997 noch im Jahr 1997 entrichtet worden. Der Antrag auf Rückzahlung sei am 8. März 2000 bei der Gemeinde und somit innerhalb der in § 106 Abs. 3 V-AbGvG vorgesehenen Frist eingereicht worden. Das Guthaben sei demnach zurückzuzahlen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der "Rechtswidrigkeit" des Bescheides geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtfestsetzung von Getränkesteuer nach Eintritt der Verjährung verletzt. Die Offenlegungspflicht sei durch die Einreichung der Jahreserklärungen erfüllt, diese gelten in abweichender Form (Nullerklärung) nach der Rechtsprechung des VwGH als Rechtsbehelf. Die erklärte Jahres-Getränkesteuer gelte nach § 82 V-AbGvG durch die Einreichung als festgesetzt. Weiters sei der Beschwerdeführer im Recht auf Rückzahlung der Getränkesteuer verletzt worden.

Mit dem Beschwerdeschriftsatz erhob der Beschwerdeführer weiters Säumnisbeschwerde nach Artikel 132 B-VG, "da (im) mangels gültigem Getränkesteuerbescheid innerhalb der Verjährungsfrist die Möglichkeit des Rechtsmittels entzogen" worden sei. Insofern erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Rückzahlung zu Unrecht bezahlter Getränkesteuer verletzt.

Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes (V-AbgvG) lauten auszugsweise:

"§ 82

Besondere Fälle der Abgabenfestsetzung

(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne behördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt.

(2) Die Abgabe ist mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.

(3) Von der bescheidmäßigen Festsetzung nach Abs. 2 kann abgesehen werden, wenn der Abgabepflichtige die Mängel behebt.

§ 83

Bemessungsverjährung

(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre.

...

(4) Die Verjährung beginnt

a) in den Fällen des Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist...

...

(8) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 19) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinne des § 127 Abs. 4 eingebracht wurde."

Wurde eine Abgabe zu Unrecht entrichtet oder eingebracht, so ist gemäß § 106 Abs. 1 V-AbgvG der zu Unrecht entrichtete Betrag auf Antrag zurückzuzahlen.

Die Abgabenbehörde erster Instanz hat den Rückzahlungsantrag mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 für die seit 1995 entrichtete Getränkesteuer als unbegründet zurückgewiesen und die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat erstmalig in ihrem Berufungsbescheid die Getränkesteuer für das Kalenderjahr 1997 festgesetzt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Abgabenbehörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelbehörde in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid im Ergebnis erstmals erlassen. Sie darf beispielsweise nicht jemanden erstmals in eine Schuldnerposition verweisen. Hat die Rechtsmittelbehörde diese Befugnis für sich in Anspruch genommen, dann ist dies ein Eingriff in die sachliche Zuständigkeit der Behörde erster Instanz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, Zl. 2000/16/0317).

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat somit unzulässigerweise erstmals die Getränkesteuer für das Kalenderjahr 1997 festgesetzt. Diese Unzuständigkeit wurde von der belangten Behörde nicht aufgegriffen.

Da die belangte Behörde dies nicht zum Anlass einer Aufhebung des Bescheides der Abgabenbehörde zweiter Instanz nahm, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und die Säumnisbeschwerde aus den im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2007/16/0085, 0086, genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückzuweisen.

In seinem Recht auf Rückzahlung der Getränkesteuer konnte der Beschwerdeführer nicht verletzt werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zlen. 2007/16/0085, 0086, und 2007/16/0087, 0088).

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007160089.X00

Im RIS seit

01.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten