Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, ***** , vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 35.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 27. Jänner 2006, GZ 6 R 19/06s-7, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 12. Dezember 2005, GZ 3 Cg 240/05g-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
„Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung irreführender Angaben wird der beklagten Partei für die Dauer dieses Rechtsstreits aufgetragen, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Angaben über die Kaufkraft und/oder Altersstruktur der Leser der Druckschrift 'W*****' zu machen, wenn diese nicht Gegenstand der als Quelle angeführten Marktstudien sind.
Das darüber hinausgehende Begehren, der beklagten Partei ganz allgemein zu untersagen, irreführende Angaben über die Kaufkraft oder die Altersstruktur der Leser des 'W*****' zu machen, wird abgewiesen. Die klagende Partei hat 90 % ihrer Kosten vorläufig selbst zu tragen; 10 % ihrer Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen."
Die klagende Partei hat 90 % ihrer Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; 10 % ihrer Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung „V*****" und Herausgeberin der an Vorarlberger Haushalte gratis verteilten Wochenzeitungen „W***** am Mittwoch" (Auflage 138.000 Stück) sowie „W***** am Sonntag". Die Beklagte ist Medieninhaberin und Herausgeberin des in Oberösterreich und Salzburg erscheinenden „W*****". Für „W***** Tirol" und „W***** Vorarlberg" stellt die Beklagte einen überregionalen Mantel zur Verfügung. Die Beklagte betreibt die Internetseite „www.w*****.at", wo auch Anzeigen im „W***** Vorarlberg" beworben werden. Beide Streitteile bieten die kostenlose Anzeigenschaltung in Printmedien an.
Bei Aufruf der Internetseite der Beklagten wird eine „Überblickseite" sichtbar, von der man über eine Menüliste auf verschiedene Unterseiten gelangen kann. Über den Menüpunkt „Die Zielgruppe" lassen sich die drei Unterseiten „Kaufkraft, Altersstruktur, Schulbildung" aufrufen. Auf der Seite „Kaufkraft" befand sich am 17. 11. 2005 unter der Überschrift „Die Kaufkraft" der Text: „W*****" erscheint für die einkommensstarken Haushalte in Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg". In einem darunter angeordneten Balkendiagramm war in vier schwarz-grauen Balken die durchschnittliche Kaufkraft in den genannten Bundesländern ersichtlich, in einem (höheren) roten Balken war die durchschnittliche Kaufkraft der „W*****-Leser" mit 15.754 EUR angegeben. Neben dem Diagramm befand sich in gegenüber dem übrigen Text kleineren Buchstaben geschrieben der Hinweis: „Quelle: Statistik Austria Land OÖ, Land Sbg, Land Tirol, Land Vlbg, Fessel GfK Kaufkraft 2005". Auf der Seite „Altersstruktur" befand sich am 17. 11. 2005 unter der Überschrift „Die Altersstruktur" ein Diagramm, in dem W*****-Leser für Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg in fünf Altersgruppen gegliedert dargestellt waren. Als Quelle wird in kaum lesbarer kleiner Schrift „Statistik Austria" angegeben. Die Studie „Fessel-GFK Kaufkraft Kennziffer 2005" enthält nur die Kaufkraft einzelner Regionen und Gemeinden, nicht jedoch die Kaufkraft der W***** Leser. Es steht nicht fest, dass die Statistik Austria untersucht hätte, welche Altersstruktur die W***** Leser in den einzelnen Bundesländern aufweisen.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs irreführende Angaben über die Kaufkraft oder die Altersstruktur der Leser des „W*****" zu machen. Durch das Diagramm über die Kaufkraft erwecke die Beklagte den irreführenden Eindruck, die Kaufkraft der Leser ihres Magazins liege erheblich über der Kaufkraft jener Bundesländer, in denen Regionalausgaben erscheinen. Es bestehe jedoch keine Studie, die die Kaufkraft der Leser des „W*****" untersucht habe. Möglicherweise habe die Beklagte als Basis die Kaufkraft der Regionen (Gemeinden), in denen das „W*****" verteilt werde, herangezogen; von der durchschnittlichen Kaufkraft eines Verbreitungsgebiets könne aber nicht auch nur annähernd auf die Kaufkraft der Leser einer bestimmten Publikation geschlossen werden. Auch das Diagramm „Altersstruktur" enthalte Angaben, die der angeführten Quelle nicht zu entnehmen seien.
Die Beklagte nahm die ihr eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme zum Sicherungsantrag nicht wahr.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Sicherungsbegehren sei unbestimmt, weil es das dem Beklagten gebotene Verhalten nicht genau bezeichne.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Unterlassungsbegehren sei einerseits zu weit, andererseits auch zu unbestimmt. Ein Unterlassungsbegehren sei zu konkretisieren; allgemeine Umschreibungen genügten nicht. Es dürfe nicht zu einer Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommen. Die Klägerin beschränke zwar ihr Begehren auf Untersagung irreführender Angaben auf die Kaufkraft und die Altersstruktur der Leser; das Begehren sei aber nicht durch Angabe eines bestimmten Sachverhalts konkretisiert. Würde einem solchen Begehren stattgegeben, so müsste erst im Impugnationsstreit geprüft werden, ob das zum Anlass der Exekutionsführung genommene Verhalten der Beklagten überhaupt irreführend sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Die Klägerin macht geltend, das beantragte Unterlassungsgebot orientiere sich am aufgezeigten Wettbewerbsverstoß, sei hinreichend bestimmt und nicht zu weit gefasst.
Bei Fassung des Unterlassungsgebots sind die prozessuale Frage nach der ausreichenden Bestimmtheit des Begehrens und die nach dem materiellen Recht zu beurteilende Frage, wie weit das Begehren angesichts der begangenen oder drohenden Rechtsverletzung gehen darf, auseinanderzuhalten (RIS-Justiz RS0037518).
Das Unterlassungsgebot muss das verbotene Verhalten so deutlich umschreiben, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein zukünftiges Verhalten dienen kann. Diesem Erfordernis genügen nicht näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (4 Ob 258/04a = RIS-Justiz RS0119807; vgl auch RIS-Justiz RS0004864 [T7]). Eine jeden Zweifel ausschließende Bestimmtheit des Begehrens kann nur bei Geldforderungen verlangt werden. In allen anderen Fällen genügt es, dass sich bei Berücksichtigung des Orts- und Sprachgebrauches und nach den Regeln des Verkehrs entnehmen lässt, was damit gemeint ist (RIS-Justiz RS0000878 [T3, T9].Das Unterlassungsgebot muss das verbotene Verhalten so deutlich umschreiben, dass es dem Beklagten als Richtschnur für sein zukünftiges Verhalten dienen kann. Diesem Erfordernis genügen nicht näher konkretisierte, allgemeine Begriffe nicht, sondern es muss in einer für das Gericht und die Parteien unverwechselbaren Weise feststehen, was geschuldet wird (4 Ob 258/04a = RIS-Justiz RS0119807; vergleiche auch RIS-Justiz RS0004864 [T7]). Eine jeden Zweifel ausschließende Bestimmtheit des Begehrens kann nur bei Geldforderungen verlangt werden. In allen anderen Fällen genügt es, dass sich bei Berücksichtigung des Orts- und Sprachgebrauches und nach den Regeln des Verkehrs entnehmen lässt, was damit gemeint ist (RIS-Justiz RS0000878 [T3, T9].
Das Unterlassungsgebot hat sich immer am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren (RIS-Justiz RS0037607 [T34]); es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie – um Umgehungen durch den Vepflichteten nicht allzu leicht zu machen (vgl RIS-Justiz RS0037607 und RS0037733) - auf ähnliche Fälle einzuengen (4 Ob 172/00y; 4 Ob 54/05b). Wird etwa einem Beklagten - wenn auch in Verbindung mit einem konkreten Einzelverbot („insbesondere ...") - verboten, „irreführende" oder „kreditschädigende" Behauptungen schlechthin zu unterlassen, dann könnte der Kläger wegen jeglicher irreführenden oder kreditschädigenden Angaben Exekution führen. In solchen Fällen stellt sich in Wahrheit nur das Problem, ob der Spruch nicht zu weit gefasst ist. Diese Frage ist aber nach dem materiellen Recht zu beurteilen (4 Ob 17/91 = ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II; RIS-Justiz RS0037581 [T1]).Das Unterlassungsgebot hat sich immer am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren (RIS-Justiz RS0037607 [T34]); es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie – um Umgehungen durch den Vepflichteten nicht allzu leicht zu machen vergleiche RIS-Justiz RS0037607 und RS0037733) - auf ähnliche Fälle einzuengen (4 Ob 172/00y; 4 Ob 54/05b). Wird etwa einem Beklagten - wenn auch in Verbindung mit einem konkreten Einzelverbot („insbesondere ...") - verboten, „irreführende" oder „kreditschädigende" Behauptungen schlechthin zu unterlassen, dann könnte der Kläger wegen jeglicher irreführenden oder kreditschädigenden Angaben Exekution führen. In solchen Fällen stellt sich in Wahrheit nur das Problem, ob der Spruch nicht zu weit gefasst ist. Diese Frage ist aber nach dem materiellen Recht zu beurteilen (4 Ob 17/91 = ÖBl 1991, 105 - Hundertwasser-Pickerln II; RIS-Justiz RS0037581 [T1]).
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat die Klägerin mit dem Begehren, die Beklagte solle irreführende Angaben über Kaufkraft oder Altersstruktur der Leser ihrer Publikation unterlassen, das gebotene Verhalten hinreichend konkret (und nicht etwa nur unter Verwendung unbestimmter Begriffe) beschrieben: Beklagte und Exekutionsgericht wissen, welches Verhalten nach dem begehrten Titel geschuldet ist. Das beantragte Unterlassungsgebot ist aber zu weit gefasst. Es ist nämlich nicht auf die konkreten Verletzungshandlungen oder ein diesen ähnliches Verhalten beschränkt (vgl RIS-Justiz RS0037478 [T2]). Ein seinem Umfang nach berechtigtes Begehren ist aber als Minus im zu weiten Sicherungsantrag der Klägerin enthalten.Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat die Klägerin mit dem Begehren, die Beklagte solle irreführende Angaben über Kaufkraft oder Altersstruktur der Leser ihrer Publikation unterlassen, das gebotene Verhalten hinreichend konkret (und nicht etwa nur unter Verwendung unbestimmter Begriffe) beschrieben: Beklagte und Exekutionsgericht wissen, welches Verhalten nach dem begehrten Titel geschuldet ist. Das beantragte Unterlassungsgebot ist aber zu weit gefasst. Es ist nämlich nicht auf die konkreten Verletzungshandlungen oder ein diesen ähnliches Verhalten beschränkt vergleiche RIS-Justiz RS0037478 [T2]). Ein seinem Umfang nach berechtigtes Begehren ist aber als Minus im zu weiten Sicherungsantrag der Klägerin enthalten.
Dem Revisionsrekurs ist teilweise Folge zu geben und dem Sicherungsantrag - unter Beachtung der Grenzen des § 405 ZPO - in jenem Umfang stattzugeben, der den konkreten Verletzungshandlungen entspricht.Dem Revisionsrekurs ist teilweise Folge zu geben und dem Sicherungsantrag - unter Beachtung der Grenzen des Paragraph 405, ZPO - in jenem Umfang stattzugeben, der den konkreten Verletzungshandlungen entspricht.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO. Die Klägerin hat den Sicherungsantrag zu weit gefasst; Die Kostenentscheidung im Verfahren erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin ist mit ihrem zu weit gefassten Unterlassungsbegehren zu rund 10 % unterlegen (vgl 4 Ob 247/05k).Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, EO. Die Klägerin hat den Sicherungsantrag zu weit gefasst; Die Kostenentscheidung im Verfahren erster Instanz gründet sich auf Paragraph 43, Absatz eins, ZPO. Die Klägerin ist mit ihrem zu weit gefassten Unterlassungsbegehren zu rund 10 % unterlegen vergleiche 4 Ob 247/05k).
Anmerkung
E80745 4Ob49.06vSchlagworte
Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ÖBl-LS 2006/136 = RdW 2006/647 S 696 - RdW 2006,696 XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0040OB00049.06V.0523.000Dokumentnummer
JJT_20060523_OGH0002_0040OB00049_06V0000_000