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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der Verlassenschaft nach E F, vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kaiser Franz Josef-Kai 70, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 27. Februar 2007, Zl. RV/0385- G/03, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
E F hatte auf Grund des Kaufvertrages vom 31. Juli und 8. August 2001 von der A Groß- und Kleinhandel nunmehr GmbH & Co KG die Liegenschaften EZ 52 und 1884 je KG L und von R S und
M Z die Liegenschaft EZ 228 KG L um den Kaufpreis von
S 25,000.000,-- (EUR 1.816.820,80) erworben und die vom Finanzamt Graz-Umgebung mit Bescheid vom 14. März 2002 festgesetzte Grunderwerbsteuer von EUR 63.588,73 entrichtet.
Im "Aufhebungsvertrag" vom 4. Dezember 2002 vereinbarten die eingangs genannten Vertragsparteien, den Kaufvertrag vom 31. Juli bzw. 8. August 2001 rechtsverbindlich in vollem Umfang und mit allen Bedingungen sowie allfälligen Nebenabreden aufzuheben, "sodass die Verkäufer wiederum alleinige und uneingeschränkte Eigentümer und Verfügungsberechtigte über den seinerzeitigen Kaufgegenstand ist". Mit Unterzeichnung dieses Aufhebungsvertrages gälten alle wechselseitig vereinbarten Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag vom 31. Juli bzw. 8. August 2001 als aufgehoben und stünden weder den Verkäufern noch dem Käufer weitere Forderungen, gleichgültig welcher Art und aus welchem Grunde immer zu. Die Übergabe habe noch nicht stattgefunden (Punkt III. des Aufhebungsvertrages).
Mit Kaufvertrag vom 4. Dezember 2002 erwarben E F, C F und M F zu je einem Drittel von den eingangs genannten Verkäufern die selben Liegenschaften um den Kaufpreis von EUR 1,816.820,80. Laut Punkt V. dieses Vertrages sei nur mehr ein Restbetrag von EUR 672.223,72 zu entrichten.
In seinem Antrag vom 6. Dezember 2003 beantragte E F die Rückerstattung der für den Kaufvertrag vom 31. Juli bzw. 8. August 2001 entrichteten Grunderwerbsteuer unter Berufung auf den Aufhebungsvertrag vom 4. Dezember 2002.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag ab. Strittig - so die Begründung dieses Bescheides im Wesentlichen - sei, ob die Voraussetzungen für die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer infolge einer Rückgängigmachung eines Kaufvertrages vorlägen. Insbesondere sei zu klären, ob die Veräußerer mit der Stornierung wieder die volle freie Verfügungsmacht über die Liegenschaft erlangt hätten. Erfolge die Rückgängigmachung nur, um den Verkauf des Grundstückes an den im Voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgten, habe der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, das Grundstück einem Dritten zu verkaufen. Eine Rückgängigmachung liege also dann nicht vor, wenn ein Vertrag zwar formell, aber nur zu dem Zweck aufgehoben werde, gleichzeitig das Grundstück auf eine vom Käufer ausgesuchte andere Person zu übertragen. Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1984, Zl. 82/16/0165, vertrete dieser in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Erwerbsvorgang nur dann als "rückgängig gemacht" im Sinn des § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 gelte, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen hätten, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibe, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung, daher jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluss gehabt habe, zur Gänze wiedererlange. Im Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 2000/16/0331, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass in jenem Fall aus dem Inhalt der von den selben Rechtsanwälten errichteten Verträge, der zeitlichen Nahefolge der Vertragsabwicklung, dem persönlichen Naheverhältnis zwischen dem damaligen Beschwerdeführer und der Käuferin, den Zahlungsmodalitäten und der Zahlungsabwicklung auf das Fehlen der freien Verfügungsmacht des Käufers habe geschlossen werden können, zumal der Verkäufer kein finanzielles Risiko bei der Stornierung des ersten Kaufvertrages und den kurz darauf erfolgten Abschluss des zweiten Kaufvertrages zu tragen gehabt habe.
Genau diese engen Zusammenhänge lägen auch hier vor, auch hier sei uno actu mit der Aufhebung des einen Vertrags der neue Vertrag mit nur teilweise neuen Käufern abgeschlossen worden. Dieses Vertragsgeschehen erlaube keineswegs die Annahme, dass die Verkäufer die volle Verfügungsmacht über den Kaufgegenstand wiedererlangt hätten.
Die Abgabenbehörde erster Instanz habe auf Grund der besonderen Umstände dieses Falles geschlossen, dass die Verkäufer durch die Rückgängigmachung des Kaufvertrages die freie Verfügungsmacht über ihre Grundstücke tatsächlich nicht erlangt hätten, sondern diese lediglich zu dem Zweck erfolgt sei, um die Grundstücke zu den selben Konditionen nunmehr zu je einem Drittel an E F und seine beiden Söhne zu verkaufen. Vielmehr habe aus dem Inhalt der jeweils vom selben Rechtsanwalt errichteten Verträge, der zeitlichen Abfolge der Vertragsabwicklung, dem persönlichen Naheverhältnis zwischen E F und den weiteren Erwerbern, den Zahlungsmodalitäten und der Zahlungsabwicklung auf das Fehlen einer freien Verfügungsmacht der Käufer geschlossen werden können, die durch die im Aufhebungsvertrag erfolgte Übernahme der Kosten und Gebühren durch E F kein finanzielles Risiko bei der Stornierung des ersten Kaufvertrages und den kurz darauf folgenden Abschluss des zweiten Kaufvertrages zu tragen gehabt hätten. Aus all dem folge, dass dem Antrag nach § 17 GrEStG nicht entsprochen werden könne.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin, die Verlassenschaft nach E F, in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges innerhalb von drei Jahren verletzt. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird. Ist die Steuer bereits festgesetzt, so ist nach Abs. 4 leg. cit. die Festsetzung entsprechend abzuändern.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt das Rückgängigmachen eines Kaufvertrages im Sinn des § 17 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 voraus, dass der ursprüngliche Verkäufer jene Verfügungsmacht wiedererlangt, die er vor dem Vertragsabschluss hatte. Das ist aber u.a. dann nicht der Fall, wenn ein Vertrag nur zu dem Zweck aufgehoben wird, das Grundstück an einen im Voraus bestimmten neuen Käufer zu veräußern (vgl. die in Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band II, unter Rz. 15 zu § 17 GrEStG wiedergegebene Rechtsprechung).
Im vorliegenden Beschwerdefall zog die belangte Behörde aus dem eingangs wiedergegebenen Vertragsgeschehen den Schluss, dass die Verkäufer auf Grund des Aufhebungsvertrages vom 4. Dezember 2002 nicht die volle Verfügungsmacht über den Kaufgegenstand wiedererlangt hätten.
Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde vorerst unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen diese Schlussfolgerung der belangten Behörde. Diese habe es unterlassen, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt, insbesondere Feststellungen zur tatsächlichen Verfügungsmacht, gemäß § 37 AVG zu ermitteln und festzustellen. Im konkreten Fall hätten Erhebungen darüber durchgeführt werden müssen, ob die Verkäufer die tatsächliche Verfügungsmacht durch den Aufhebungsvertrag zurückerhalten hätten und es somit ihrer Disposition oblegen sei, die Liegenschaften an E F und seine Söhne zu verkaufen bzw. ob sie die Liegenschaften auch an jemand anderen hätten verkaufen können. Dies hätte insbesondere durch Befragung der Verkäufer einfach geklärt werden können. Auch gehe die belangte Behörde, ohne jegliche Feststellungen dazu getroffen zu haben, davon aus, dass die neuen Käufer im Voraus bestimmt gewesen seien und die Rückgängigmachung nur zu diesem Zweck erfolgt sei.
Soweit nunmehr in der Beschwerde die Unterlassung der Einvernahme der Verkäufer moniert wird, ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ausschließlich auf den Urkundenbeweis des Aufhebungsvertrages sowie des Kaufvertrages vom 4. Dezember 2002 berufen hatte, die die belangte Behörde in ihre Beurteilung einbezog.
Wurden andere Beweisanträge - im vorliegenden Fall auf Einvernahme bestimmter Personen als Zeugen - zu einem konkreten und entscheidungswesentlichen Thema nicht gestellt, verantwortet die Behörde durch Nichteinvernahme dieser Personen keine Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn der Sachlage nach amtswegiges Vorgehen nicht geboten war (vgl. das in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 32 zu § 39 AVG wiedergegebene hg. Erkenntnis). Eine amtswegige Einvernahme der Verkäufer war in Anbetracht der Sachlage - nämlich der von der belangten Behörde dargelegten, eingangs wiedergegebenen "engen Zusammenhänge" - nicht angezeigt.
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich die Schlussfolgerung der belangten Behörde, die Verkäufer hätten die volle Verfügungsmacht über den Kaufgegenstand nicht wiedererlangt, in Zweifel zieht, bekämpft sie der Sache nach die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Diese unterliegt der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof aber nur insoweit, als es sich um Fragen handelt, ob der Sachverhalt genügend ermittelt ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2001, Zl. 2000/16/0871, m.w.N.). Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar dargelegten "engen Zusammenhänge" zwischen der Aufhebung des Kaufvertrages 2001 einerseits und dem Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2002 andererseits vermögen aber die von der belangten Behörde daraus abgeleitete Annahme der mangelnden Wiedererlangung der Verfügungsmacht durch die Verkäufer schlüssig zu tragen.
Auch unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die in Rede stehende Annahme der belangten Behörde der mangelnden Wiedererlangung der vollen Verfügungsmacht über die Liegenschaft durch die Verkäufer. Die exakte zeitliche Abfolge der Aufhebung des Kaufvertrages aus dem Jahr 2001 und des Abschlusses des neuen Kaufvertrages im Jahr 2002 könne aus der vom Notar bei der Beglaubigung vergebenen BRZ-Zahl entnommen werden: Der Aufhebungsvertrag vom 4. Dezember 2002 sei mit einer niederen Zahl, nämlich 2789/2002, der Kaufvertrag aus dem Jahr 2002 mit der Zahl 2791/2002 versehen worden. "Faktum" sei, dass die ursprünglichen Verkäufer durch den Aufhebungsvertrag die den ursprünglich als Eigentümer des Kaufobjektes zustehende rechtliche Möglichkeit zurückerhalten hätten, ein für sie erfüllbares neues Verpflichtungsgeschäft nach ihrem Belieben und Vorstellung abzuschließen. Dementsprechend hätten sie sich dazu entschlossen, noch am selben Tag einen Kaufvertrag mit den genannten Käufern, u. a. mit E F, abzuschließen. Abgesehen davon sei es durch den neuen Kaufvertrag vom 4. Dezember 2002 zu einer "komplett neuen Formation der Käufer der genannten Liegenschaften" gekommen.
Auch dieses Vorbringen vermag im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde beigezogene Schlussfolgerung - die Annahme der mangelnden Wiedererlangung der vollen Verfügungsmacht durch die Verkäufer - zu erwecken. Die in der Beschwerde - wie schon in der Berufung - ins Treffen geführte Aufeinanderfolge der im Zuge der Beglaubigung vergebenen BRZ-Zahlen widerspricht den von der belangten Behörde gezogenen Schlussfolgerungen keinesfalls, sondern bestätigt vielmehr den von der belangten Behörde aufgezeigten engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Vertragsaufhebung einerseits und dem Abschluss des neuen Kaufvertrages andererseits auf. Dass sich die Verkäufer erst nach der Aufhebung des Kaufvertrages am 4. Dezember 2002 aus freien Stücken entschlossen hätten, nunmehr die Liegenschaft an den in der Kanzlei des Vertragserrichters noch anwesenden E F und dessen ebenfalls anwesende Kinder zu verkaufen, behauptet schließlich auch die Beschwerde nicht. Der letztlich ins Treffen geführte Umstand, dass es auf Käuferseite zu einer "komplett neuen Formation" gekommen sei, vermag ebenso wenig die Beweiswürdigung der belangten Behörde zu erschüttern, handelte es sich doch bei den auf Käuferseite Hinzutretenden um die beiden Söhne von Mag. E F. Dass deren Hinzutreten auf Käuferseite auf einem erst nach Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages gefassten freien Willensentschluss beruht hätte, behauptet die Beschwerde ebenfalls nicht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Da die Schriftsätze der beschwerdeführenden Partei und der belangten Behörde erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und es sich beim geltend gemachten subjektiven Recht nicht um ein "civil right" im Sinne des Art. 6 EMRK handelt, konnte von einer mündlichen Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 18. September 2007
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des BeweisantragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007160066.X00Im RIS seit
23.10.2007