TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/19 2006/08/0094

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Veröffentlicht am 19.09.2007
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z3 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des M R in Wien, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 10. November 2005, Zl. LGSW/Abt.3-AIV/1218/56/2005-7947, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 14. Juli 2005 wurde mit dem Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift aufgenommen. Demnach wurde der Beschwerdeführer über den Inhalt des § 10 AlVG informiert und festgehalten, dass beim Beschwerdeführer ein "Defizit an speziellen Bewerbungsstrategien für einen angespannten Arbeitsmarkt, im kaufmännisch/technischen Bereich sowie im Bereich einiger EDV Anwendungen" bestehe. Auf Grund der Dauer der Vormerkung des Beschwerdeführers beim Arbeitsmarktservice sowie des Umstandes, dass die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Beschwerdeführers bisher zu einer Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausgereicht hätten, sei die Teilnahme an der Kursmaßnahme "Qualifizierung- und Vermittlungsunterstützung" erforderlich. Die Teilnahme an allen Einzelmodulen (Clearing und Berufsorientierung, Qualifizierungsphase, Aktivierung und Bewerbungstraining) sei verbindlich.

Am 16. August 2005 wurde mit dem Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift zum Gegenstand "Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung teilzunehmen" aufgenommen. Darin wird ausgeführt, da die persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausreichten, sei dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice am 14. Juli 2005 der Auftrag erteilt worden, an der Maßnahme "VMU" bei "BEST" teilzunehmen. Beginn der Wiedereingliederungsmaßnahme sei am 8. August 2005 gewesen. Der Beschwerdeführer erklärte laut der Niederschrift im Wesentlichen, dass er nicht bereit sei, an der Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen, da er bereits einmal bei diesem Institut zwei "Clearingwochen" absolviert und danach abgebrochen habe. Die Maßnahme sei für ihn nicht sinnvoll, da er die Defizite, die angeführt worden seien, nicht habe.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 15. September 2005 wurde der Beschwerdeführer des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 8. August bis 2. Oktober 2005 verlustig erklärt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei dem Auftrag zur Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nicht nachgekommen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass die Sperrdauer von acht Wochen rechtswidrig sei, da der Bescheid vom 21. April 2005, mit dem ebenfalls eine Sperre gemäß § 10 AlVG verhängt worden sei, nach einer Berufung aufgehoben worden sei. Die gegenständliche Maßnahme sei die gleiche, die bereits Gegenstand des aufgehobenen Bescheides vom 21. April 2005 gewesen sei. Es handle sich hierbei um keine Maßnahme, die seine Kenntnisse und Fähigkeiten am Arbeitsmarkt verbessern würde. Die vom Arbeitsmarktservice angeführten Defizite bestünden in seinem Fall nicht. Die bisherigen absolvierten Maßnahmen (der Berufung legte der Beschwerdeführer eine Liste bei) seien ausreichend gewesen, um die vom Arbeitsmarktservice angeführten Defizite zu beheben. Dass es bislang zu keiner Einstellung gekommen sei, läge an seinem Alter. Auf die Ausbildung und Fähigkeiten des Beschwerdeführers sei nicht eingegangen worden. Die gegenständliche Maßnahme sei daher jedenfalls unzulässig.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Zeitraum des Verlustes des Anspruches auf Notstandshilfe auf die Zeit vom 8. August bis 18. September 2005 eingeschränkt. Im Übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Verantwortung des Beschwerdeführers, die Maßnahme sei für ihn nicht notwendig gewesen bzw. sein Defizit sei das Alter, keine berücksichtigungswürdigen Gründe seien, da er seit 1992 auf Grund bestehender Defizite kein voll versichertes Dienstverhältnis mehr gehabt habe und durch die Nichtteilnahme an bzw. den Abbruch der Maßnahme keinesfalls beurteilen könne, ob sie geeignet sei, die Defizite zu beheben. Es könne aufgrund der Nichtteilnahme nicht ausgeschlossen werden, dass die Maßnahme gerade wegen des Alters des Beschwerdeführers geeignet gewesen wäre, die Defizite zu beheben. Durch die Nichtteilnahme habe der Beschwerdeführer den Erfolg der Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vereitelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat folgenden Wortlaut:

"(1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."

§ 10 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat lautet auszugsweise:

"(1) Wenn die arbeitslose Person

...

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

...

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen. "

Gemäß § 38 AlVG gelten vorgenannte Bestimmungen für die Notstandshilfe sinngemäß.

Voraussetzung für die Zuweisung zu einer Maßnahme ist es, dass dem Arbeitslosen bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen, weshalb ihm keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann. Maßgeblich für eine Zuteilung zu einer Maßnahme sind somit die fehlenden Qualifikationen des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung, die durch die Maßnahme erreicht werden sollen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Zl. 2005/08/0175, mwN).

Nach der Rechtsprechung setzt die Zulässigkeit einer Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt voraus, dass das Arbeitsmarktservice davor seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dem Arbeitslosen die Gründe, aus denen es eine solche Maßnahme für erforderlich erachtet, zu eröffnen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Arbeitslosen über die Rechtsfolgen einer Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, zu belehren. Von einer ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an einer Maßnahme teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit der Maßnahme erfolgt. Dazu muss das Arbeitsmarktservice die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung in tatsächlicher Hinsicht ermittelt und das Ergebnis der Ermittlungen dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis gebracht haben. Ein Arbeitsloser, dem Maßnahmen ohne nähere Spezifikation und ohne Vorhalt jener Umstände zugewiesen werden, aus denen sich das Arbeitsmarktservice zur Zuweisung berechtigt erachtet, kann im Falle der Weigerung, der Zuweisung Folge zu leisten, nicht vom Bezug der Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung nach § 10 AlVG ausgeschlossen werden. Diesbezügliche Versäumnisse anlässlich der Zuweisung zur Maßnahme können im späteren Verwaltungsverfahren nicht nachgeholt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2007, Zl. 2006/08/0328, mwN).

Ausgehend davon ist zunächst festzuhalten, dass die Feststellung eines Defizites des Beschwerdeführers an "speziellen Bewerbungsstrategien für einen angespannten Arbeitsmarkt" ohne nähere Konkretisierung allein nicht ausreicht, den genannten Anforderungen betreffend das Fehlen von einschlägigen Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitslosen zu entsprechen. Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer vor der Zuweisung auch nicht der genaue Inhalt der geplanten Maßnahme mitgeteilt. Die Anführung der Überschriften der einzelnen Module, wie dies im gegenständlichen Fall erfolgt ist, genügt nicht, um den Inhalt der Maßnahme objektiv nachvollziehbar und damit für den Arbeitslosen beurteilbar zu beschreiben.

Abgesehen davon ist aber auch bereits bei dieser Umschreibung des Inhaltes der Maßnahme kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass die Maßnahme zur "Qualifizierungs- und Vermittlungsunterstützung" laut diesen Modulen kaufmännische oder technische Defizite des Beschwerdeführers oder solche im EDV Bereich abzubauen geeignet gewesen wäre.

Bemerkt wird darüber hinaus, dass der Beschwerdeführer nach einem im Akt liegenden Betreuungsplan vom 13. Juli 2005 Berufserfahrung als kaufmännischer Büroangestellter mit Praxis hat und außerdem über zusätzliche Kenntnisse als Bankkaufmann und einen Befähigungsnachweis als Immobilienmakler/Immobilienverwalter verfügt. Die Annahme von Mängeln an Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschwerdeführers im kaufmännischen Bereich hätten daher jedenfalls einer näheren Begründung bedurft.

Im Verwaltungsverfahren hätte aber auch sonst eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er schon einschlägige Maßnahmen absolviert habe, stattfinden müssen, insbesondere zu der Frage, weshalb diese Maßnahmen die mangelnden Kenntnisse und Fähigkeiten nicht herzustellen vermochten bzw. weshalb davon auszugehen ist, dass die nunmehrige Maßnahme dazu im Gegensatz zu den früheren Maßnahmen geeignet sei.

Der angefochtene Bescheid war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080094.X00

Im RIS seit

29.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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